Selbstgeißelung: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 29. Juli 2023, 16:16 Uhr
Selbstgeißelung bedeutet heute meist, dass man seine Fehler öffentlich kundtut, dass man seine Schuld lautstark bekennt, dass man um Bestrafung bittet und alle Schuld auf sich lädt. Seine Fehler zu bekennen, um Entschuldigung bitten, das hilft der zwischenmenschlichen Verständigung sehr. Selbstgeißelung kann dann aber auch ins Gegenteil umschlagen. Wer sich zu sehr selbst geißelt, der hofft vielleicht auf Mitgefühl bzw. Vergebung bei denen, die man vorher hintergangen hat.
Der Ausdruck Selbstgeißelung kommt von einer Form der religiösen Bußpraxis, die auch als Flagellantentum bezeichnet wird. Im christlichen Abendland gab es im 13. Und 14. Jahrhundert die Geißler-Bewegung, die sich ausgepeitscht haben mit sogenannten Geißeln, also mit einer Art Peitsche, manchmal mit Widerhaken, bis das Fleisch sich vom Körper löste - oder nur solange, bis Wunden entstanden, Blut spritzte. Der Sinn dieser Geißelung bzw. Selbstgeißelung war, auf diese Weise Buße zu tun, sich von begangenen Sünden zu reinigen. In der Pestzeit 1347-1350 hatte die Geißlerbewegung ihren Höhepunkt.
Die Geißler wollten mit der öffentlichen Selbstgeißelung auch die Schuld ihrer Mitmenschen büßen, damit die Pest nicht voranschreiten würde. Als aber trotz dieser massenhaften Selbstgeißelung die Pest sich weiter ausbreitete, ebbte diese Form der Selbstbestrafung ab. Noch heute gibt es unter den Schiiten Formen der Selbstgeißelung als Zeichen der Trauer, als symbolhafter Widerstand gegen Unterdrücker. Zwar haben große Geistliche wie Ayatollah Chomeini und Imam Chamenei Selbstgeißelungen, die zu Verletzungen führen, für verboten (haram) erklärt. Trotzdem findet man unter den Schiiten auch weiterhin blutige Selbstgeißelungen. Selbstbestrafung und Selbstgeißelung im übertragenen Sinn sind bis heute auf der ganzen Welt üblich, nicht nur unter Religionsgläubigen.
Was hat Selbstgeißelung mit Yoga zu tun?
Sukadev Bretz in einem praktischen Vortrag 2016
Im Yoga wollen wir uns nicht geißeln, wir üben keine extremen Praktiken sondern wollen wieder eine gesunde Mitte bzw. natürliches Gleichgewicht herstellen. Natürlich werden manchmal Charaktere von Yoga angezogen, die gerne in das Extreme gehen wollen. Es gibt Menschen die mit Kraft ihres Willens (oder Egos) eine Kundalinierfahrung oder Erleuchtung "pushen" wollen. Manchmal ist das eine Phase, gerade am Beginn des spirituellen Weges. Es gibt auch Asanas, die nicht-yogapraktizierende als Folter ansehen. Als Außenstehender ist es immer schwierig zu beurteilen, wo eine "gesunde" Anstrengung bzw. Herausforderung endet und wo die Selbstgeißelung anfängt. Wir alle sind unterschiedlich und was für den Einen eine Qual ist, ist für den anderen eine interessante Herausforderung.
Geißeln hatte ursprünglich die Bedeutung "auspeitschen". Im Mittelalter gab es diese ganze Flaggelantenbewegung, die Geißlerbewegung, wo Menschen sich gegenseitig ausgepeitscht haben bis sie blutüberströmt waren. Und sie hatten gedacht, dass sie damit ihre Sünden büßen können. Zum Teil haben sie es auch gemacht, zum Beispiel zu Zeiten der Pest 1348 bis 1349 in Mitteleuropa, um die Sünden der anderen wegzunehmen. Sie dachten, dass Gott die Menschheit durch die Pest straft und sie für die Sünden der anderen büßen müssen. Das haben sie gemacht, indem sie sich gegenseitig ausgespeitscht haben. Die Annahme war, dass dort, wo die Geißler waren, die Pest sich nicht ausbreitet. Da dies nicht unbedingt mit der Realiät übereinstimmte, ist dieses Geißlertum etwas aus der Mode gekommen.
Trotzdem, gerade in der westlichen Spiritualität, gibt es eine gewisse Neigung zu Selbstgeißelung bzw. Askese. Hängt auch damit zusammen, dass im Christentum die Beichte eine große Rolle spielt. Es gibt das Prinzip der Ohrenbeichte. Man beichtet seine Sünde einem Priester und sagt: "Ich habe gesündigt. Ich habe das und das gemacht.". Bis zu einem gewissen Grad ist das auch etwas Heilsames. Bei den Protestanten gibt es diese Ohrenbeichte zu einem einzelnen Priester nicht. Dort war es üblich, dass Menschen öffentlich gesagt haben, was sie für Fehler gemacht haben. Mindestens in sehr strengen Gemeinden. Sie sagen: "Oh, ich habe das und das gemacht und es ist ganz schlimm.". Und auf eine gewisse Weise, seine eigenen Fehler zu gestehen ist auch eine Selbstgeißelung. Und Menschen, bis zu einem gewissen Grad, lieben es im Westen, zu erzählen, was sie alles für schlimme Menschen sind, sie alles schlechtes getan haben, alles nicht können, sie für Fehler haben. Das ist so eine gewisse Neigung der Selbstgeißelung.
Diese Art massiver Selbstbestrafung ist in der indischen Spiritualität nicht so bekannt oder ich muss sagen, nicht so stark ausgeprägt, mit einer gewissen Einschränkung. Es gibt auch in Indien dieses Konzept eines extremem Tapas bzw. Askese und dann machen auch manche spirituellen Aspiranten seltsame Praktiken. Im "modernen" Yoga der weltweit praktiziert wird, ist das nicht erwünscht bzw. sogar kontraproduktiv für die harmonische spirituelle Entwicklung. Krishna, eine Manifestation Gottes, hat gesagt, dass es drei Arten von Tapas gibt: sattviges, rajasiges und tamasiges. (3 Gunas) Sattvig würde man sagen, erhebend und rein. Disziplin, spirituelle Praktiken, solche die gesund und gut für den Körper und die Psyche sind. Krishna sagt, diese sollte man tun, aber ohne Erwartung auf die Früchte der Handlung.
Etwas ungesundes für den Körper und die Psyche zu tun ist in Verbindung mit Tamas. Krishna hat das so ausgedrückt: "Sie quälen mich, der ich in jedem Körper wohne.". Man könnte sagen, dass der Körper der Tempel Gottes ist. Daher sollte man ihn freundlich behandeln. Alles, was wir im Yoga an spiritueller Disziplin und Praktik machen, ist auch gut für den Körper. Das ist eines der Kriterien, wenn wir etwas im Yoga tun, muss es auch gut und gesund für Körper und Psyche sein.
Dann gibt es natürlich auch rajasiges Tapas, solches, dass man tut, um andere zu beeindrucken. Man macht das nicht aus spirituellem Interesse, sondern tut Dinge, um zu zeigen, dass man besser als andere ist. Sattviges Tapas ist gut, rajasiges bis zu einem gewissen Grad harmlos, sollte man nicht übertreiben, tamasiges Tapas sollte man vermeiden. So würde man von Yogastandpunkt aus sagen, dass Selbstgeißelung zu vermeiden ist.
Selbstgeißelung in Beziehung zu anderen Persönlichkeitsmerkmalen
Selbstgeißelung gehört zur Gruppe der Persönlichkeitsmerkmale, Schattenseiten, Laster und Tugenden. Um dieses Charaktermerkmal besser zu verstehen, wollen wir es in Beziehung setzen mit anderen:
Synonyme Selbstgeißelung - ähnliche Eigenschaften
Synonyme Selbstgeißelung sind zum Beispiel Selbstkasteiung, Selbstbestrafung, Selbstkritik, Selbstdisziplin .
Man kann die Synonyme in zwei Gruppen einteilen, solche mit positiver Konnotation und solche mit negativer Konnotation:
Synonyme mit negativer Konnotation
Synonyme, die gemeinhin als negativ gedeutet werden, sind zum Beispiel
Synonyme mit positiver Konnotation
Synonyme mit positiver Konnation können helfen, eine scheinbare Schattenseite auch positiv zu sehen. Synonyme mit positiver Konnotation sind zum Beispiel
Antonyme Selbstgeißelung - Gegenteile
Antonyme sind Gegenteile. Antonyme, also Gegenteile, von Selbstgeißelung sind zum Beispiel Vergebung, Selbstliebe, Selbstverliebtheit, Egozentriertheit . Man kann auch die Antonyme, die Gegenteile, einteilen in solche mit positiver Konnotation und solche mit negativer Konnotation.
Antonyme mit positiver Konnotation
Antonyme, also Gegenteile, zu einem Laster, einer Schattenseite, einer negativen Persönlichkeitseigenschaft, werden gemeinhin als Gegenpol interpretiert. Diese kann man kultivieren, um das Laster, die Schattenseite zu überwinden. Hier also einige Gegenpole zu Selbstgeißelung, die eine positive Konnotation haben:
Antonyme mit negativer Konnotation
Nicht immer ist das Gegenteil einer Schattenseite, eines Lasters, gleich positiv. Hier einige Beispiele von Antonymen zu Selbstgeißelung, die aber auch nicht als so vorteilhaft angesehen werden:
Eigenschaften im Alphabet davor oder danach
Hier einige Eigenschaften, die im Alphabet vor oder nach Selbstgeißelung stehen:
Eigenschaftsgruppe
Selbstgeißelung kann gezählt werden zu folgenden beiden Eigenschaftsgruppen:
- Big Five Neurotizismus hoch
- Schattenseiten-Kategorie Leiden
Verwandte Wörter
Verwandte Wörter zu Selbstgeißelung sind zum Beispiel das Adjektiv selbstgeißelnd, das Verb geißeln, sowie das Substantiv Selbstgeißler.
Wer Selbstgeißelung hat, der ist selbstgeißelnd beziehungsweise ein Selbstgeißler.
Siehe auch
- Tugend
- Tugenden Podcast - Tipps zur Entwicklung von Tugenden und Positiven Eigenschaften
- Yoga Vorträge - Inspirationen zu allen Aspekten von Yoga, Meditation, Persönlichkeitsentwicklung und Spiritualität
- Yogalehrer Verzeichnis
- Yoga Photos
Achtsamkeit kultivieren Yoga Vidya Seminare
Seminare zum Thema Liebe entwickeln:
- 05.01.2025 - 10.01.2025 Yin Yoga meets Vipassana
- In der Ruhe, in der Weite liegt die Kraft: Mit klärender Yin Yoga-Praxis, fließend im Übergang mit Vipassana, „Buddhas Technik“. Du siehst, spürst: Beides ergänzt sich optimal – in Atem-, Achtsamkeit…
- Christian Bliedtner
- 10.01.2025 - 15.01.2025 Achtsamkeit als Weg zu mehr Ruhe und Gelassenheit
- Achtsamkeitspraxis aus verschiedenen spirituellen Traditionen sind ein effektiver Weg, um in belastenden Situationen bewusster mit sich selbst umzugehen. Du entwickelst ein tieferes Verständnis über…
- Rama Schwab
Weitere Informationen zu Yoga und Meditation
- Meditation - Viele Infos und praktische Anleitungen
- Yoga Übungen
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