Liebe und Erkenntnis
Liebe und Erkenntnis -
Liebe und Erkenntnis
- Abschnitt aus dem Buch: Yoga der Liebe von James Swartz -
Als Folge der Popularität von Literatur über Hingabe gibt es auch viele Missverständnisse zu diesem Thema. So wunderbar die Ausbreitung einer Kultur der Hingabe auch sein mag, sie bringt auch vermeidbare Probleme mit sich, die wenig diskutiert aber von den ernsthaft Suchenden bedacht werden müssen. Die gesamte Literatur der religiösen Hingabe befasst sich im Grunde mit zwei Themen:
Erstens geht es um die Praxis der Hingabe, die verschiedene Formen hingebungsvoller Beziehungen und Übungen und die Vermittlung von Werten beinhaltet. Und zweitens spricht diese Literatur über das höchste Ziel des Lebens, die Befreiung, und das Verhältnis zwischen Hingabe und Befreiung.
Wenn wir uns mit Befreiung beschäftigen, betreten wir die philosophische Domäne, in der verschiedene Sichtweisen bestehen. Vedānta ist keine Philosophie, keine Sichtweise, auch wenn es auf den ersten Blick so scheint. Er ist ein auf gesundem Menschenverstand basierendes Mittel der Selbsterkenntnis, und Selbsterkenntnis ist gleichbedeutend mit Befreiung. Um Auseinandersetzungen zu vermeiden und um unlogische, irrationale Sichtweisen in Bezug auf Befreiung herauszuarbeiten, akzeptieren wir vorläufig die Idee, dass vedānta eine Philosophie oder ein Standpunkt ist, ein darśana. In diesem Sinne können wir daher das „Nārada-bhakti-sūtra“ als die „Philosophie der göttlichen Liebe“ bezeichnen.
Wer ernsthaft nach Befreiung strebt und sich der Selbsterforschung in Form von vedānta verschrieben hat, sollte wissen, dass die Praxis der Hingabe zwar hilfreich, die den Schriften über Hingabe zugrundeliegende Perspektive jedoch dualistisch und daher nicht hilfreich ist. Sie beschreibt eine immerwährende Trennung zwischen dem bhakta und Gott, eine Sichtweise, die vom vedānta komplett abgelehnt wird. Es gibt sogar einen Vers in der „Bhāgavata-purāṇa“, der Bibel der bhaktas, der dies zum Ausdruck bringt:
„Ich bin noch nicht einmal an Befreiung interessiert, ich möchte mich der Hingabe an dich erfreuen, o Herr, als meinem persönlichen Gott.“ [BhP 9.4.67]
Deshalb ist die Philosophie der religiösen Hingabe anti-vedisch, so wie die Philosophie des yoga. Während die yoga-Praxis gut ist, weil sie störende weltliche Tendenzen neutralisiert, neigen ihre Ideen dazu, unlogisch zu sein. Sie sollten abgelehnt werden, weil sie auf der Sichtweise basieren, dass die Realität eine Dualität ist.
Tatsächlich ist das „Brahma-sūtra“ eine systematische Analyse und eine Widerlegung verschiedener philosophischer Argumente, die dem nondualen Blickpunkt widersprechen. Genauer gesagt steht das darśana der Hingabe in direktem Widerspruch zur Selbsterforschung des vedānta, dessen drei Stufen das Hören (śruti4), das logische Nachdenken (yukti5) und die direkte Verinnerlichung (anubhāva6) sind. Deshalb müssen wir, wenn wir Literatur über religiöse Hingabe studieren, die Übungen, die wertvoll sind, von den Ideen unterscheiden, die es nicht sind.
Nonduale Liebe ist die Lösung zu einem der Schlüsselprobleme dieser Welt: Einsamkeit und dem Gefühl des Getrenntseins. Menschen fühlen sich einsam und erwarten, dass Liebesbeziehungen sie frei machen, was sie vielleicht für kurze Zeit tatsächlich tun. Doch schon sehr bald binden sie den Liebenden an das geliebte Objekt, was das Gegenteil von Freiheit ist. Wenn man tiefer blickt, kann man eine Tatsache entdecken, die nicht nur für Liebesbeziehungen gilt: Wenn ich bekomme, was ich begehre, bin ich mit mir selbst zufrieden, was bedeutet, dass ich in Wirklichkeit mich selbst liebe. Wenn du dich nicht selbst lieben würdest, würdest du nicht deine Zeit verschwenden, Erfüllung zu suchen. Wenn du dich selbst liebst, dann bis du bereit alles anzunehmen, was das Leben anzubieten hat; du bist voller Vertrauen. In diesen Augenblicken der Freiheit ist dein Verstand gelöst und ein gelöster Verstand, der nicht von Verlangen und Ängsten gestört ist, erfährt jene Fülle/Liebe, die seine Natur ist.
Siehe auch
Literatur
- Swami Sivananda: Vedanta für Anfänger
- James Swartz: Die Wirklichkeit verstehen
- James Swartz: Yoga der Liebe
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