Friedrich Muck-Lamberty: Unterschied zwischen den Versionen

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==Gründung der handwerklichen Siedlungsgemeinschaft Bruchermühle bei Oberlahr==
==Gründung der handwerklichen Siedlungsgemeinschaft Bruchermühle bei Oberlahr==


Nach dem zweiten Weltkrieg floh Friedrich Muck-Lamberty aus [[Thüringen]] zunächst nach Königswinter bei [https://www.yoga-vidya.de/center/koeln/start/ Köln], dann nach [[Oberlahr]] im rheinischen Westerwald. In der alten Bruchermühle gründete er eine neue handwerkliche Siedlungsgemeinschaft. Diese löste sich aber später wieder auf. Seine Söhne führten später den Kunsthandwerksbetrieb fort. Seit ca. 2001 wohnen Sevakas (Mitarbeiter) von Yoga Vidya Westerwald immer wieder in der Bruchermühle, die ca. 15 Minuten zu Fuß vom Yoga Vidya Ashram Westerwald entfernt ist.
Nach dem zweiten Weltkrieg floh Friedrich Muck-Lamberty aus [[Thüringen]] zunächst nach Königswinter bei [https://www.yoga-vidya.de/center/koeln/start/ Köln], dann nach [[Oberlahr]] im rheinischen Westerwald. In der alten Bruchermühle wollte er eine neue handwerkliche Siedlungsgemeinschaft gründen. Diese löste sich aber wieder auf. Seine Söhne führten den Kunsthandwerksbetrieb fort.  
 
Muck Lambertys Söhne begannen 1952 den Betrieb in Oberlahr-Bruchermühle im Westerwald neu aufzubauen. Einer erinnert sich:
 
„Muck gab keine [[Hilfe]], rückte nicht einmal die Kundenlisten heraus. Als der Aufbau mit viel Mühe geschafft war, kam er und wollte die Generalvollmacht als Chef. Aber wir Söhne machten nicht mit.”
 
Muck Lamberty aber, der durch seine Flucht alles verloren hatte, war auch im hohen Alter nicht willens, ein angepasstes Leben zu führen. Viel Zeit verbrachte er im Freien, in den Wäldern seiner neuen [[Heimat]], wo er wie früher Kräuter sammelte. Auch war er hin und wieder per Anhalter unterwegs, fuhr mit dem Schulbus, unterhielt sich mit Kindern.
 
Als mit der [[Studentenrevolte]] Ende der 1960er Jahre und der nach Deutschland überschwappenden [[Hippie-Bewegung]] das Interesse an gesellschaftlichen Außenseitern wuchs und man nach Entwicklungssträngen in der deutschen Geschichte dieses Jahrhunderts suchte, die nicht belastet schienen, wurde auch Muck Lamberty als vermeintlicher [[Urvater]] deutscher Hippies wiederentdeckt. Noch einmal erhielt er öffentliche [[Aufmerksamkeit]], berichteten Zeitungen und Illustrierten über ihn. Zahlreiche, meist junge Besucher pilgerten zu ihm hin und ließen sich die alten Geschichten erzählen. Die Polizei fahndete sogar nach Drogen in seinem Haus. Einer in der Nähe angesiedelten [[Kommune]] soll er 1000 Weihnachtsplätzchen geschenkt haben und es wird kolportiert, der 80jährige Muck habe eine 20jährige Freundin gehabt.
 
Als der Schriftsteller [[Rudolf Otto Wiemer]] ihm als 83jährigem die Frage stellte, ob er „heute die gleichen Ziele wie damals verfechten” würde, antwortete er: „Die gleichen, natürlich in abgewandelter Form. Ich weiß heute, daß die alte, ständisch gegliederte [[Gesellschaft]] nicht zu neuem Leben zu erwecken ist, wie wir es damals wollten.”
 
Friedrich Lamberty, nicht nur von Freunden zeitlebens „Muck” genannt, starb am 7. Januar 1984 in Oberlahr.
 
 
Seit ca. 2001 wohnen Sevakas (Mitarbeiter) von Yoga Vidya Westerwald immer wieder in der Bruchermühle, die ca. 15 Minuten zu Fuß vom Yoga Vidya Ashram Westerwald entfernt ist.


==Siehe auch==
==Siehe auch==

Version vom 12. Dezember 2014, 22:55 Uhr

Friedrich Muck-Lamberty, 1891-1984, war der Begründer einer spirituellen Gemeinschaft in der Bruchermühle, Oberlahr, in der Nähe von Yoga Vidya Westerwald. Friedrich Muck-Lamberty war ein Kunsthandwerker, ein Vertreter der Lebensreform-Bewegung und der Jugendbewegung. Er war einer der bekanntesten "Inflationsheiligen" der 1920er Jahre.

Friedrich Muck-Lamberty, Gründer einer spirituellen Gemeinschaft Bruchermühle
Muck 1920 während der Wanderung der Neuen Schar

Kindheit und Jugend von Friedrich Lamberty

Friedrich Lamberty wurde geboren am 14.7. 1891 in Straßburg als Sohn in einer vierzehnköpfigen Kaufmannsfamilie. Er wuchs im amals deutschen Elsass und im niederländischen Simpelveld auf. Eher gedrungen und mit einem großen Kopf versehen, erhielt er schon als Kind nach der Titelfigur eines Märchens von Wilhelm Hauff den Beinamen Muck, den er sein Leben lang tragen sollte. Oft wurde er einfach Muck genannt oder auch Muck-Lamberty.

1904 riss Muck von zuhause aus und kam mit vierzehn Jahren in Kontakt zu Lebensreformkreisen. Die Lebensreformbewegung war eine Bewegung der 2. Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert. Charakteristisch für die Lebensreformbewegung war natürliche Lebensweise und eine Vielzahl von Initiativen wie Vegetarismus, Wandervogel, Reformhaus, FKK, Reformpädagogik, oft auch die Offenheit für fernöstliche Weisheit wie [http:/www.yoga-vidya.de Yoga] und [Meditation]. Muck Lamberty arbeitete in einem Reformhaus in Stuttgart. Später leitete er eine Filiale des Unternehmens im damals österreichischen Brünn. In Stuttgart lernte er um 1907 den Dichter und Naturapostel Gusto Gräser kennen. Dieser wurde für Muck Lamberty zum Vorbild. Immer wieder unterbrach Muck von da an seine Berufstätigkeit, um wandernd durch Deutschland, Österreich und die Schweiz zu ziehen. 1909 kam der überzeugte Vegetarier dabei erstmals in Kontakt zur Wandervogel-Bewegung und zur von Hans Paasche und Hermann Popert herausgegebenen Zeitschrift „Der Vortrupp“, in deren Umkreis er sich bis 1913 aufhielt. Seit 1912 plante Muck den Aufbau einer alternativen handwerklichen Siedlungsgemeinschaft, etwas, was man in den 1960er Jahren Kommune und heute Lebensgemeinschaft genannt hätte. Das Projekt konnte er aber vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs nicht realisieren. Nach dem Ersten Freideutschen Jugendtag auf Hohen Meißner 1913 gründete er mit Hans Paasche und anderen zusammen einen „Freundeskreis für Gusto Gräser“.

Friedrich Muck-Lamberty im ersten Weltkrieg und danach

1914 meldete sich Muck wie viele als Kriegsfreiwilliger. Mit ihm und etwa 30 anderen Wandervögeln wurde als Experiment eine auf Helgoland stationierte Gruppe Marinesoldaten gebildet, die vegetarisch verpflegt wurde. 1917 trat er der rechtsnationalistischen Deutschen Vaterlandspartei bei, die eine Volksgemeinschaft und die Fortsetzung des Krieges mit allen Mitteln forderte. Den Ausbruch der deutschen Revolution im November 1918 erlebte er in einem Kriegslazarett.

Muck war kein Gegner der Revolution, sondern deutete sie als Chance auf dem Weg zur „völkischen Wiedergeburt“ Deutschlands. Für ihn stand bei dieser „Erneuerung“ nicht eine politische Umgestaltung Deutschlands im Mittelpunkt, sondern die „geistige“ innerliche Entwicklung des einzelnen Menschen: „Revolution der Seele“. Sein Programm, das er in zahlreichen Flugblättern und der programmatischen Schrift Deutsche Volksgemeinschaft von 1919 verbreitete, verband lebensreformerische Grundüberzeugungen und Einflüsse der völkischen Jugendbewegung mit religiös gefärbten Heilserwartungen. Revolution war für ihn „Kampf der Jugend gegen die Alten, [...] zwischen Jung-Natur und Alt-Natur, zwischen lebendigen Menschen, die göttliche Menschen seien, und den Proleten, also den käuflichen Menschen, den Zweckmenschen.“[2] Ziel war die Herrschaft der Seele über die Materie. In vielerlei Hinsicht wurde er beeinflusst von Buddhismus und Yoga, vermengte dieses Gedankengut aber mit der Lebensreformbewegung, einem speziellen Christentum und völkischen Überzeugungen.

Gedankenwelt von Griedrich Muck-Lamberty in den 1920er Jahren

Die Vorstellungen Mucks waren keineswegs neu, sondern standen in der Kontinuität der apokalyptischen und millenarischen Sekten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die als typisches Phänomen in gesellschaftlichen Übergangsperioden auftreten. Der verlorene Weltkrieg mit seinen von den bürgerlichen Schichten als negativ empfundenen politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Folgen verstärkte deren Anfälligkeit für alle Arten von Heils- und Erweckungsbewegungen, durch die sich insbesondere das Kleinbürgertum neue Sinnstiftung und eine geistige Neuordnung versprach. Eine neue Predigerwelle entstand, die sogenannten „Inflationsheiligen“, die die „Erlösung“ durch Jesus Christus beziehungsweise seine Wiederkehr verkündeten, also chiliastische und soteriologische Vorstellungen verbanden. Viele dieser neuen „Heiligen“, so der selbsternannte „Erlöser der Menschheit“ Ludwig Christian Haeusser, Leonhard Stark und Franz Kaiser, sahen sich selbst als Reinkarnation von Jesus oder als eigener Gott.

Für viele seiner Anhänger und Bewunderer war auch Friedrich Muck-Lamberty ein neuer „Jesus“ und der „Messias von Thüringen“. Er selbst bezeichnete sich bescheidener als „Wegbereiter einer neuen Zeit“ und „Prediger in der Wüste“. Bei Muck trat dazu noch ein in seiner katholischen Erziehung fußender Marienkult, der dazu führte, dass er in den Mittelpunkt seiner Heilslehre die Frau stellte – als quasi säkularisierte „Maria“. Durch sie sollte die Wiedergeburt des Christus erfolgen, gezeugt vom Propheten, das heißt also von Muck selbst. Die praktische Umsetzung dieser Vorstellungen sollte später zum Niedergang seiner Bewegung führen.

Friedrich Muck-Lamberty und die Neue Schar 1920

1920 begann unter der Führung von Muck-Lamberty eine Wanderbewegung durch Franken und Thüringen. Zweck dieser Wanderung war die Sammlung aller jungen Menschen und Kampf für die Volksgemeinschaft gegen alles Gemeine, gegen Ausbeutung. Bis zu 10.000 Menschen umfasste diese Neue Schar, die bis zum Oktober 1920 die Wanderung fortsetzte. Der Dichter Hermann Hesse schrieb später darüber.

Die ersten Siedlungsgemeinschaften

1920 gründete Muck-Lamberty eine handwerkliche Siedlungsgemeinschaft, also eine spirituelle Lebensgemeinschaft/Landkommune auf der Leuchtenburg bei Kahla. 1922 gründete er eine neue Siedlungsgemeinschaft in Naumburg, die als Naumburger Werkschar bekannt wurde.

Friedrich Muck-Lamberty hielt eine zunächst wohlwollende, später kritische Distanz zum Nationalsozialismus, machte sich jedenfalls keiner Verbrechen schuldig.

Gründung der handwerklichen Siedlungsgemeinschaft Bruchermühle bei Oberlahr

Nach dem zweiten Weltkrieg floh Friedrich Muck-Lamberty aus Thüringen zunächst nach Königswinter bei Köln, dann nach Oberlahr im rheinischen Westerwald. In der alten Bruchermühle wollte er eine neue handwerkliche Siedlungsgemeinschaft gründen. Diese löste sich aber wieder auf. Seine Söhne führten den Kunsthandwerksbetrieb fort.

Muck Lambertys Söhne begannen 1952 den Betrieb in Oberlahr-Bruchermühle im Westerwald neu aufzubauen. Einer erinnert sich:

„Muck gab keine Hilfe, rückte nicht einmal die Kundenlisten heraus. Als der Aufbau mit viel Mühe geschafft war, kam er und wollte die Generalvollmacht als Chef. Aber wir Söhne machten nicht mit.”

Muck Lamberty aber, der durch seine Flucht alles verloren hatte, war auch im hohen Alter nicht willens, ein angepasstes Leben zu führen. Viel Zeit verbrachte er im Freien, in den Wäldern seiner neuen Heimat, wo er wie früher Kräuter sammelte. Auch war er hin und wieder per Anhalter unterwegs, fuhr mit dem Schulbus, unterhielt sich mit Kindern.

Als mit der Studentenrevolte Ende der 1960er Jahre und der nach Deutschland überschwappenden Hippie-Bewegung das Interesse an gesellschaftlichen Außenseitern wuchs und man nach Entwicklungssträngen in der deutschen Geschichte dieses Jahrhunderts suchte, die nicht belastet schienen, wurde auch Muck Lamberty als vermeintlicher Urvater deutscher Hippies wiederentdeckt. Noch einmal erhielt er öffentliche Aufmerksamkeit, berichteten Zeitungen und Illustrierten über ihn. Zahlreiche, meist junge Besucher pilgerten zu ihm hin und ließen sich die alten Geschichten erzählen. Die Polizei fahndete sogar nach Drogen in seinem Haus. Einer in der Nähe angesiedelten Kommune soll er 1000 Weihnachtsplätzchen geschenkt haben und es wird kolportiert, der 80jährige Muck habe eine 20jährige Freundin gehabt.

Als der Schriftsteller Rudolf Otto Wiemer ihm als 83jährigem die Frage stellte, ob er „heute die gleichen Ziele wie damals verfechten” würde, antwortete er: „Die gleichen, natürlich in abgewandelter Form. Ich weiß heute, daß die alte, ständisch gegliederte Gesellschaft nicht zu neuem Leben zu erwecken ist, wie wir es damals wollten.”

Friedrich Lamberty, nicht nur von Freunden zeitlebens „Muck” genannt, starb am 7. Januar 1984 in Oberlahr.


Seit ca. 2001 wohnen Sevakas (Mitarbeiter) von Yoga Vidya Westerwald immer wieder in der Bruchermühle, die ca. 15 Minuten zu Fuß vom Yoga Vidya Ashram Westerwald entfernt ist.

Siehe auch