Hochsensibilität

Aus Yogawiki

Unter dem Begriff Hochsensibilität wird versucht einen Zustand zu beschreiben in dem die Wahrnehmungsfähigkeit eines Menschen deutlich über dem Durchschnitt liegt. Die Betroffenen nehmen Umwelt und Ereignisse differenzierter und intensiver wahr. Es fehlen scheinbar einige Filter oder die vorhandenen Filter sortieren gröber. Das breitere Wahrnehmungsspektrum kann sich als erhöhte Intuition, Differenziertheit, Kreativität und erhöhtes Einfühlungsvermögen ausdrücken.

Kinder in Shavasana

Auf der anderen Seite ist eine sehr große Anfälligkeit für Reizüberflutungen vorhanden, wenn das Gehirn nicht in der Lage ist, die Vielzahl an eingehenden Informationen zu verarbeiten. Dann erfahren die Menschen ihre Veranlagung als emotionale und nervliche Instabilität, mangelnder Stressresistenz und Unsicherheit, mit dem Bedürfnis nach Rückzug und Abgrenzung. Eine erste wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas Hochsensibilität hat 1997 mit der Psychologin Elaine N. Aron begonnen.

Hochsensible Personen

Eine hochsensible Person (HSP) ist ein Mensch, der die angeborene Eigenschaft einer hohen sensorischen Empfindlichkeit besitzt oder eine angeborene Empfindlichkeit hat, wie es Carl Jung ursprünglich benannte. Einige gemeinsame Zeichen sind Empfindlichkeit gegenüber lauten Geräuschen, helles oder fluoreszierendes Licht und starken Gerüchen. Hochsensible Personen sagen über sich selbst, dass sie über ein reichhaltiges und komplexes inneres Leben verfügen. Sie können leicht erschrecken und werden flatterig, wenn sie gefordert werden viele Dinge in einer kurzen Zeit zu erledigen. Nach Aussagen von Elaine N. Aron und anderen Forschern verarbeiten hochsensible Personen Sinneseindrücke sehr viel tiefgehender und gründlicher weil es biologische Unterschiede in ihren Nervensystemen gibt. Dies ist eine spezifische Eigenschaft mit wichtigen Folgen, wie wir nun Menschen wahrnehmen, bei denen in der Vergangenheit häufig Schüchternheit, soziale Angststörungen, soziale Phobie und angeborene Furcht diagnostiziert wurde. Das Merkmal wird mit der HSP-Skala gemessen, die in Versuchsreihen bewiesen hat, dass sie sowohl interne als auch externe Validität besitzt. Obwohl der Begriff in erster Linie verwendet wird, um Menschen zu beschreiben, existieren in über 100 anderen Arten ähnliche Merkmale.

Verwendung des Begriffs

Der Begriff “hochsensible Person“ (HSP) wurde 1996 geprägt durch Dr. Elaine N. Aron. Die Bezeichnung gewinnt an Popularität, weil es die Eigenschaft in ein positives Licht rückt. Es postuliert, dass Begriffe wie Schüchternheit, Hemmungen und Ängstlichkeit, mit denen hochsensible Personen oft versucht werden zu beschreiben in Abhängigkeit von Stressfaktoren in der Umwelt auftauchen. Zahlreiche Bücher über dieses Thema benutzen bereits den Begriff “hochsensible Person“ (HSP).

Erkenntnistheoretische Überlegungen

Der angenommene Ansatz von Aron und Kollegen hinterfragt die Vorstellungen von Begriffen wie „Schüchternheit“, in dem sie die grundlegenden Unterschiede im Verhalten von vielen Arten einschließlich des Menschen erklären. Im Gegensatz zu der „Schüchternheit“, die man am ehesten als eine erlernte Angst vor Verurteilungen im sozialen Umfeld erklären kann, aber häufig als eine angeborene Eigenschaft, die keine evolutionären Vorteile mit sich bringt angesehen wird, wenn es nur Ängstlichkeit ist, wird die Eigenschaft der Hochsensibilität als eine grundlegende Eigenschaft anerkannt, um die Evolution zu bewahren. Sie besitzt in sich selbst einen Überlebensvorteil.

Aron wurde durch ihre frühe Arbeit über gewöhnliche Charakter Unterschiede bei Kindern, inklusive niedriger Wahrnehmungsschwelle und einer Scheu-Mutig Skala zur Beschreibung von Tierarten, teilweise zu dieser Schlussfolgerung hingezogen. In beiden Fällen ist das Merkmal üblich und zufällig in ausreichenden Umständen vorhanden, um bestehen zu können.

Zusätzlich wachsen zweifellos Kinder mit dieser oder anderen angeborenen Eigenschaften auf und werden fortgesetzt von ihrem angeborenen Temperament beeinflusst.

Die Forschung an Erwachsenen tendiert jedoch dazu, sich mehr auf sichtbare Verhaltensunterschiede, wie Introvertiertheit (in erster Linie beschäftigt mit seinem innerem Leben) und Neurosen (ängstlich oder depressiv) im Erwachsenenalter zu konzentrieren, ohne Berücksichtigung einer möglichen Verursachung durch Wechselwirkung von Umwelt und Temperament. Einige Menschen mit einer angeborenen Sensibilität erscheinen introvertiert oder neurotisch, andere wiederum nicht, abhängig von Umweltfaktoren. Und ebenso sind natürlich auch einige Introvertierte und Neurotiker nicht immer hochsensibel. Dies legt nahe, dass die Sensibilität die grundlegende, angeborene Eigenschaft ist, die häufig der Ursprung der anderen Merkmale ist. Mit dieser scheinbar unzutreffenden Benennung einer grundlegenden Überlebensstrategie konfrontiert, entwickelten Aron und Kollegen den Begriff der Hochsensibilität oder sensorischen Verarbeitungsempfindlichkeit (sensory processing sensitivity, SPS). Sie gehen nicht davon aus, dass es genetische Ursachen dafür gibt, so dass Hochsensibilität die beste Bezeichnung dafür ist. Aus Befragungen von Menschen, die sich selbst als “hochsensibel” bezeichnen ist eine HSP Skala entstanden. Studien auf Basis dieser Skala sind in eine wachsende Anzahl von interessanten Forschungen gemündet, die verschiedene Methoden, wie Genetik, funktionale Magnetresonanztomographie, sowie Experimente und Umfragen verwenden. Dabei wurden gleichwertige oder stärkere Ergebnisse erzielt, als mit den üblichen Eigenschaften zum Studium von erwachsenen Persönlichkeiten.

Forschung

Die Erforschung der sensorischen Verarbeitungsempfindlichkeit wird am besten „Sensory Processing Sensitivity: A Review in the Light of the Evolution of Biological Responsivity” von Elaine Aron, Arthur Aron und Jagiellowicz zusammengefasst. Die Autoren erklären, wie ihre Theorie der sensorischen Verarbeitungsempfindlichkeit (der wissenschaftliche Begriff für das Merkmal) auf Eysencks Ansichten zu Introvertiertheit und Erregung und Grays Arbeiten an einem System der Verhaltenshemmung aufbaut. Grays Ideen wurden von Jerome Kagan in seiner Beschreibung über Hemmungen bei Kindern aufgenommen. Schließlich gibt es die Tradition von Thomas und Chess, die zu der Arbeit von Evans und Rothbart in „Orienting Sensitivity“ führt. Ein großer Teil der Forschung geht nun davon aus, dass sensorische Verarbeitungsempfindlichkeit angeboren und bei ca. 15-20% der Menschen feststellbar ist. Sie ist erkennbar durch eine größere Tiefe in der Verarbeitung von eingehenden Sinneseindrücken. Das führt zu einem größeren Bewusstsein für Feinheiten in Verbindung mit einer erhöhten Übererregbarkeit bei einem Level von sensorischer Stimulation, die andere Menschen nicht als störend wahrnehmen würden. Der Grund für den konstant niedrigen Prozentsatz (15-20%) von empfindlichen Individuen in einer Population lässt sich möglicherweise damit erklären, dass nur so ein erbtes Merkmal seinen Wert behält. Wenn zu viele Menschen eine Umleitung bei einem Verkehrsstau nehmen, hätte diese Umleitung keinen Vorteil mehr. Jüngste Forschungen in der Entwicklungspsychologie bieten einen weiteren Beweis dafür, dass sich Menschen in ihrer Empfindungsfähigkeit unterscheiden. Nach der differenzierten Anfälligkeits-Hypothese von Belsky unterscheiden sich Individuen in dem Maße in ihrer Empfindungsfähigkeit, wie sie von Erfahrungen oder Qualitäten aus der Umgebung der sie ausgesetzt sind, betroffen sind. Einige Menschen reagieren empfänglicher oder sensibler auf solche Einflüsse als andere. Jedoch nicht nur in negativer Hinsicht sondern auch in positiv. Zum Beispiel hat die Forschung von Pluess und Belsky gezeigt, dass Kinder mit schwierigem Temperament im Säuglingsalter empfänglicher sind für die Auswirkungen der Eltern und Kinderbetreuungsqualität in den ersten 5 Jahren des Lebens. Interessanterweise reagierten hochsensible Kinder nicht nur auf eine niedrige Qualität in der Erziehung durch mehr Verhaltensprobleme, sondern hatten auch am wenigsten Probleme, wenn sie eine sehr gute Erziehung in ihrem Leben erfahren konnten.

Interview zum Thema Hochsensibilität

Interview mit Autorin und Hochsensibiltäts-Coach Sabina Pilguj von April 2015

Sudarshana: Sabina du bezeichnest dich als Stress in Balance Coach und bietest auch Coaching und Beratung bei Hochsensibilität an. Wie bist du zu diesem Thema gekommen? Hast du eigene, persönliche Erfahrungen mit Aspekten aus dem Bereich Hochsensibilität? Sabina: Beruflich bin ich Yogalehrerin, Heilpraktikerin für Psychotherapie und habe "IBIZA-Coaching" (Ich bin ich - zentriert & achtsam) neu in mein Angebot aufgenommen, um ein spezielles Coaching für Hochsensible Kinder und Erwachsene anzubieten. Das Thema "Hochsensibilität/Hochsensitivität" beschäftigt mich schon seit Kindertagen, denn ich bin auch so eine sensible Seele ... von Geburt an - und nicht, weil es mal gerade so modern ist! In meinen mehr als 20 Jahren Kinderyogaerfahrung sind mir sehr viele sensible und "dünnhäutige" Kinder begegnet, aber ich konnte es nie so definieren, wie ich es gerne getan hätte. Heute ist es anders, seit ein paar Jahren werden immer mehr Beiträge zu diesem Thema in Zeitungen und Magazinen veröffentlicht, so dass ich dieses besondere Thema in diesem Jahr in meinem Vortrag beim 8. Kinderyogakongress vorgestellt habe. Ibiza Coaching ist einfach eine Definition für „Ich bin Ich“, also achtsam und zentriert. Das ist für mich eine wichtige Essenz, für alle Menschen, aber insbesondere für hochsensible Menschen, weil die sich oft in dem ganzen Gefühlswirrwarr und durch die Reizüberflutung, die sie als solche wahrnehmen, im Alltag verlieren.

Sudarshana: Du nimmst Dich selbst als hochsensibel wahr! Wie bist Du mit Deiner eigenen Hochsensibilität umgegangen? Damals gab es ja noch kaum Bücher darüber.

Sabina: Als Kind war es für mich nicht immer einfach. Das habe ich auch versucht, in meinem Vortrag auf dem Kinderyoga-Kongress zu erklären. Meine Eltern haben es damals sicherlich nicht verstanden, dass ich reizüberflutet war, wenn ich mich zurückgezogen habe. Wenn wir gemeinsam ferngesehen haben und ich auf einmal weinen musste, wurde ich oft als bockig abgestempelt. Ich wurde nicht in meinen Gefühlen wahrgenommen. Das hat sich dann auch bei mir auf verschiedene Weise äußerlich gezeigt: Ich hatte als Kind auffällig viele Infekte, daraus hat sich dann auch eine Allergie entwickelt. Um es abzukürzen: Irgendwann in der Pubertät habe ich mir die Frage gestellt: „bin ich eigentlich normal?“ und „was ist eigentlich normal?“. „Warum bin ich so oft krank, warum bin ich so empfindsam, warum grüble ich so oft über Dinge nach? Das machen doch meine Freunde oder Freundinnen nicht.“

Und so habe ich mich auf den Weg gemacht und bin irgendwann beim Yoga angekommen. Ich habe gemerkt, dass sich durch Yoga bei mir ganz viel verändert hat. Ich habe lernen können zu entspannen, zu meditieren, die Achtsamkeit wurde geschult. Nach einem dreiviertel Jahr haben sich meine Infekte minimiert.

Dann kam ein Phänomen auf: Ungefähr vor 25 Jahren sprach man von den „Indigo-Kindern“. Das fand ich ganz spannend. Etwas später bin ich dann selbst Mutter geworden, und da konnte ich einige Sichtweisen nicht mehr so ganz nachvollziehen. Es wurden damals vermehrt Kinder geboren die sehr sensibel sind, die eine andere Wahrnehmung haben. Was ich als Mutter damals anders gesehen habe und immer noch so sehe ist, dass Kinder Grenzen brauchen. Es hieß damals, dass die Indigo-Kinder sich frei entfalten sollen, ohne Grenzen, ohne Rahmen. Ich habe aber gemerkt, und ich sehr anthroposophisch orientiert, dass Kinder, insbesondere mein Sohn, einen Rahmen und eine liebevolle Führung brauchen. Insofern habe ich damals die Thematik der „Indigo-Kinder“ beiseite geschoben, und habe meinem Gefühl vertraut. Ich habe aber dann in meinen vielen Jahren Kinderyoga gemerkt, dass es diese ganz besonders sensiblen Kinder gibt.

Und oft sind sie einfach hereingekommen, ich habe sie gesehen und als „besondere Kinder“ wahrgenommen! Ich kann es nicht erklären, aber irgendwie sind wir in Resonanz gegangen. Und ich habe gedacht, ja hier ist wieder so ein ganz sensibles Wesen, das zu mir in den Yoga-Unterricht kommt. Manchmal kommen sie mir vor wie Michel von Lönneberga, der Schalk springt aus ihrem Lächeln heraus, aber dann auch mit diesen imaginären Engelsflügeln. Das heißt, einerseits das laute wilde und dann diese Hochsensibilität und Verletzlichkeit. Auf der einen Seite sehr laut, sehr aktiv, aber dann, wenn irgendetwas passiert, ist es, als ob sie mit ihrem seelischen Fundament für einen Moment keine Stabilität haben. Ich habe schon damals versucht, etwas versteckt, diese Botschaft an die Eltern weiterzugeben. Aber ich habe gemerkt, die Eltern wollten das oft nicht hören. Deshalb bin ich so glücklich, dass dieses Thema Hochsensibilität seit gut vier Jahren immer mehr in den Medien publiziert wird, und dass die breite Masse einen Zugang dazu findet.

Ich hoffe und wünsche mir, dass es in ein, zwei Jahren etwas ganz Normales ist, weil man einfach mehr darüber weiß. Das ist mein Herzenswunsch. Deshalb habe ich es auch in diesem Jahr auf dem Kinder-Yoga-Kongress zum Thema gemacht.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Seminare

Yoga Für Kinder

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Yogalehrerweiterbildung: Yoga mit Kindern

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Multimedia

Kinderyoga in Kitas (Dr. M. Stück)

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8-stufen-Weg des Familienfriedens (Nepal Lodh)

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