Aitareya Upanishad
Aitareya Upanishad (Sanskrit: ऐतरेय उपनिषद् aitareya upaniṣad f.) ist ein Teil der indischen Heiligen Schriften, die Veda genannt werden. Die Einheit des Atman mit dem Paramatman stellt die zentrale Aussage dieser Upanishad dar. Sie beschreibt die Schöpfung anhand von Symbolen. Diese sehr bildhafte Beschreibung macht dem Leser das Kapitel über die Schöpfung leicht zugänglich und verhilft uns dazu, ein klares und logisches Verständnis über unseren Ursprung zu entwickeln.
Diese Upanishad ist in 5 Kapitel unterteilt und ist ein Teil der Aitareya Aranyaka des Rigveda. Es gibt weitere Schreibweisen wie Aitareyopanishad, Aitareya Upanishad, Aitareya Upanischad, Aitareya Upanischade.
Aitareya Upanishad - Sanskrit Text, Übersetzung, Kommentar von Swami Sivananda
Einleitung
Hari om!
Die Philosophie, die in den Upanishaden gelehrt wird, ist eine Quelle des Trostes für Tausende von Menschen gewesen, sogar für Westler, wie z.B. Schopenhauer. Es ist sehr schwierig, die Upanishaden ins Englische bzw. ins Deutsche zu übersetzen. Der Charme, die Kraft und die Schönheit gehen in der Übersetzung zum Teil verloren.
Der Wunsch, brahman zu kennen, ist letztlich der Wunsch nach vollkommener Erfüllung. Wer brahman kennt, hat alles erreicht, was er sich wünschen kann. Die letztendliche Befreiung liegt darin, zentriert zu sein in brahman, das Glückseligkeit und Freude ist. Alle Unwissenheit, welche die Ursache von Wunsch und von Handeln ist, ist dann beseitigt. Unwissenheit wird zerstreut durch das Wissen um brahman.
Die Aitareya-Upaniṣad ist Teil des Aitareya-Āraṇyaka des Ṛg-Veda. Sie ist in fünf Abschnitte (khaṇḍas) aufgeteilt. Wenn der śāntiḥ-mantra (die Friedenshymne) dazugezählt wird, haben wir sechs Abschnitte, und so wird diese Upanishad manchmal Ātma-Śataka genannt – „Abhandlung aus sechs Abschnitten über den ātman“. Die Upanishad ist aufgeteilt in drei Kapitel: das erste enthält drei Abschnitte, die anderen beiden je einen.
Die Upanishad leitet ihren Namen her von ihrem Autor Mahidāsa Aitareya, dem Sohn Itaras. Sie beschreibt, in symbolischer Sprache, die Schöpfung des Universums. Sie handelt vom ātman als der einzigen Wirklichkeit. Sie spricht von der Evolution durch Hunger und Durst, von Nahrung, vom Eintritt des Selbst in den Körper, von der Empfängnis und den drei Geburten des Menschen. Sie lehrt, dass man durch das Wissen über brahman von Geburt und Tod befreit wird und Unsterblichkeit erlangt. Enthalten sind die Aussagen von dem Seher (ṛṣi) Vāmadeva, der Unsterblichkeit durch das Wissen um das Selbst erlangt hat. Sie lehrt, dass der ātman und nicht prāṇa die letzte Ursache von allem ist. Das ganze Universum ist die Manifestation von brahman; die individuelle Seele ist identisch mit der höchsten Seele; das Ziel des Lebens liegt darin, die Einheit des individuellen Selbst mit dem höchsten Selbst zu verwirklichen. Ātman und para-brahman sind eins.
In allen Upanishaden wird klar herausgestellt, dass das letzte Ziel, das durch die Verwirklichung der Einheit des Selbst erlangt wird, die Unsterblichkeit ist. Eins zu werden mit den devas – das kann keine endgültige Befreiung geben. Die devas, wie Agni u.a., unterliegen dem saṃsāra; sie haben Fehler, wie z.B. Hunger. Alles, was dem Hunger unterworfen ist, ist noch im saṃsāra. Die śrutis erklären, dass das höchste brahman jenseits von Hunger ist. Nur die Verwirklichung des höchsten brahman kann uns Freiheit vom saṃsāra, von Geburt und Tod, geben.
Die zentrale Lehre dieser Upanishad ist die Einheit des ātman mit dem ātman. Diese muss durch das Wissen um das Selbst erlangt werden und nicht durch Rituale etc. Nur ātma-jnāna kann den Samen des saṃsāra verbrennen und mokṣa geben.
Wer kann Brahman verwirklichen?
Das Wissen um brahman sollte denen gelehrt werden, die ihr Herz gereinigt haben. Das geschieht durch Handlungen, die in den Schriften vorgeschrieben sind. Die Schüler sollten wohlvertraut sein mit den śāstras; sie sollten Glauben haben, in brahman zentriert sein und das Gelübde befolgt haben, das śiro-vratam genannt wird. Dieses wohlbekannte Gelübde wird im Atharva-Veda erwähnt. Es bedeutet „Kopf-Gelübde“, womit gemeint ist, dass der Kopf geschoren wird – ein Zeichen für sannyāsa (Entsagung). Man sollte also in den vierten Stand (sannyāsa) eingetreten sein, denn es ist sehr schwierig, brahmā-vidyā ohne vollkommene Entsagung zu praktizieren. Shankara sagt, dass ein Haushälter nicht für das Studium und die Praxis des vedānta qualifiziert ist. Nach ihm ist sannyāsa erforderlich für das Erlangen von Selbstverwirklichung. Nur ein sannyāsī kann ein Vollzeitsucher sein. Nur er kann seine ganze Zeit dem Studium und der Meditation widmen. Nur er ist frei von Ablenkungen. Daher ist sannyāsa sogar für jene wünschenswert, die noch nicht jnāna erreicht haben. Aviduṣāmapi mumukṣuṇā parivrājyaṃ kartavyameva – „Sogar jemand, der nicht ein Wissender ist, der aber nach Befreiung strebt, sollte in den sannyāsī-Orden eintreten.“
Shankara betont, dass man nicht mit voller Kraft und Hingabe über das Selbst meditieren kann, wenn man nicht die Sorgen des Lebens hinter sich lässt. Er sagt: „Die Kontrolle der äußeren und inneren Aktivitäten der Sinne und alle weiteren Hilfsmittel zur Verwirklichung des ātman sind unvereinbar mit anderen Lebensweisen (als sannyāsa).“
In der Kaivalya-Upaniṣad finden wir: „Nicht durch Handlung, nicht durch Nachkommen, nicht durch Reichtum, sondern nur durch Entsagung kann der Mensch Unsterblichkeit erlangen.“ Und die smṛtis sagen: „Man sollte in dem Lebensstand leben, der ein Mittel zum Wissen um brahman ist.“ Nur in diesem (vierten) āśrama (Lebensstadium, d.h. sannyāsa) können brahma-carya (Zölibat) und die anderen Hilfsmittel, Wissen zu erlangen, zusammen existieren, und sie sind unmöglich im Leben eines Haushälters.
Die śrutis sagen: „Er soll das Heim verlassen, in den Wald gehen und dort als sannyāsī leben; oder aber er kann auch gleich vom brahma-cārī-Orden (des religiösen Studenten) aus vom Heim oder vom Wald-Leben zum sannyāsī-Orden übergehen.“ Der sannyāsī-Orden wird sogar jemandem empfohlen, der im Haushälter-Stadium lebt – als indirekte Hilfe für die Verwirklichung des ātman. Die freiwillige Entsagung schon in der brahma-cārī-Phase des Lebens qualifiziert den Sucher für das Studium des vedānta. Die śruti sagt auch: Yadahareva virajet tadahareva pravrajet – „Man sollte das Heim noch am selben Tag verlassen, an dem Leidenschaftslosigkeit und Abstand vom Leben aufdämmern.“
Der sannyāsī ist frei von allen Arten von weltlichen Ablenkungen und Anhaftungen. Die orangene Robe hindert den Sucher daran, auf Abwege zu geraten oder gar üble Handlungen zu begehen. Wenn er sich von innen her verändert hat, wenn er also bereit ist, in den vierten āśrama (sannyāsa) einzutreten, warum sollte er sich dann fürchten, die orangene Robe anzulegen? Wenn er jetzt sagen würde: „Ich habe mein Herz (orange) gefärbt“, aber nicht die Robe anlegt, dann wäre das nur Schüchternheit und eigentlich Heuchelei. Vāsanās (subtile Wünsche) lauern noch in seinem Herzen. Warum wählten Yājñavalkya, Shankara und Ramakrishna Paramahamsa ein Leben in Entsagung (sannyāsa)?
Sannyāsa hat seine eigene Herrlichkeit und seine Vorteile. Man kann das Freiheitsgefühl eines sannyāsī kaum beschreiben. Nur ein sannyāsī kann alle Bindungen durchtrennen. Selbst wenn du dein Herz „orange gefärbt“ hast, werden sich doch immer noch alle Familienmitglieder an dich klammern wie Blutegel, bis zum Ende deines Lebens. Sie können deinen veränderten Geisteszustand nicht verstehen. Und du kannst moha (Verliebtheit, Täuschung) und Anhaftung an die Familie nicht abschütteln. Wenn du einmal krank werden solltest, dann wirst du in Versuchung sein, sie um Hilfe zu bitten, und anders herum wird es dasselbe sein. Die alten saṃsāras werden neues Leben schöpfen und moha wird dich wieder mit starken Ketten festhalten. Nur durch dein sannyāsa werden sie dich freilassen. Sie werden alle Hoffnung auf dich fallen lassen. Erst dann bist du wirklich tot für sie. Sie werden sich nicht wieder an dich wenden.
Wenn du die Einsamkeit liebst, wenn du frei bist von Leidenschaft, weltlichem Ehrgeiz, karmischen Tendenzen und weltlicher Anhaftung, wenn du das Schweigen liebst und ein heiteres Gemüt hast, wenn du dich diszipliniert hast, während du noch in der Welt lebst, wenn du von einfacher Nahrung leben kannst, wenn du auch die Härten des Lebens gut aushältst, wenn du in einer guten körperlichen Verfassung bist, wenn du nicht gesprächig oder gar geschwätzig bist, wenn du gut allein leben kannst ohne Gesellschaft und ohne Gespräche, wenn du ein meditatives Temperament hast und eine nachdenkliche Natur, wenn du all die Härten des spirituellen Weges ertragen kannst, wenn du das Leben eines Asketen bis ans Ende deines Lebens durchhalten kannst –, dann kannst du den Weg der Entsagung, sannyāsa, einschlagen. Nur dann wirst du wirklich die Vorteile eines sannyāsa-Lebens genießen können. Tatsächlich solltest du erst einmal ein bis zwei Jahre ein sannyāsī-Leben führen, während du noch in der Welt lebst. Du solltest dich im Rahmen des normalen weltlichen Lebens auf sannyāsa vorbereiten. Sonst wirst du es vielleicht extrem schwierig finden, diesen Weg zu gehen. Für einen Menschen mit Leidenschaftslosigkeit, Unterscheidungsfähigkeit und einem starken Willen ist dieser Weg aber nur Freude und Glück.
Mögt ihr alle eine tiefe Sehnsucht nach Befreiung von den Fesseln des saṃsāra entwickeln! Mögen eure Herzen nur mit der Liebe des ātman erfüllt sein! Mögt ihr alle wahres vairāgya (Wunschlosigkeit) entfalten und in das grenzenlose
Königreich ewiger Glückseligkeit eintreten! Mögt ihr alle die uralte Weisheit der Upanishaden verwirklichen! Mögt ihr alle die Einheit des Selbst erkennen! Mögt ihr alle in einem erleuchteten Zustand leben, eingetaucht in den Ozean der Glückseligkeit!
Shanti Mantra
(om, vāṅme manasi ... ) om, vāṅme manasi pratiṣṭhitā। mano me vāci pratiṣṭhitam।
āvirāvīrma edhi। vedasya ma āṇīsthaḥ। śrutaṃ me mā
prahāsīranenādhītenāhorātrānsaṃdadhāmyṛtaṃ vadiṣyāmi।
satyaṃ vadiṣyāmi। tanmāmavatu। tadvaktāramavatu।
avatu mām। avatu vaktāram। avatu vaktāram।
oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ॥
Om. Meine Sprache wurzelt in meinem Geist. Mein Geist wurzelt in meiner Sprache. Brahman, offenbare Dich mir! Ihr beide, Geist und Sprache, macht mich fähig, die Wahrheit zu ergreifen, die von den Schriften gelehrt wird. Möge das, was ich gelernt habe, mir nicht wieder entfallen! Ich verbinde Tag und Nacht im Studium. Ich denke die Wahrheit, ich spreche die Wahrheit. Möge Das mich beschützen! Möge Das den Lehrer beschützen! Beschütze mich! Beschütze den Lehrer! Beschütze den Lehrer! Oṃ, Frieden! Frieden! Frieden!