Yogisches Handeln: Unterschied zwischen den Versionen

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Jeder kann ohne großen Aufwand '''yogisches Handeln''' in seinen Alltag integrieren. Hier erfährst du, wie du einige Prinzipien des Yoga Sutra nach
([[Yoga]] [[Vidya]] Journal Nr. 29, "Yogisches Handeln im Alltag", Autor: Dr. Guido Telscher)
Patanjali anwenden und für dich nutzen kannst.


Im Alltag ist oft keine Zeit für eine ausgiebige Yogastunde oder den Besuch des Satsangs in einem Ashram, weil neben der Arbeit, den Fahrzeiten, der Hausarbeit, den Hobbys und der Familie einfach keine Zeit bleibt. Und dennoch kannst du auch
Jeder kann ohne großen Aufwand '''yogisches Handeln''' in seinen Alltag integrieren. Hier erfährst du, wie du einige Prinzipien des [[Yoga Sutra]] nach
im Alltag Yoga üben und so in die Yogapraxis einsteigen, in dem du ganz bewusst und achtsam handelst. Dafür gibt uns der Weise Patanjali in seinem Yoga Sutra ein wertvolles Übungssystem für systematische spirituelle und persönliche
[[Patanjali]] anwenden und für dich nutzen kannst.
Entwicklung an die Hand.
 
Im Alltag ist oft keine Zeit für eine ausgiebige [[Yogastunde]] oder den Besuch des [[Satsang]]s in einem [[Ashram]], weil neben der Arbeit, den Fahrzeiten, der Hausarbeit, den Hobbys und der Familie einfach keine Zeit bleibt. Und dennoch kannst du auch im Alltag Yoga üben und so in die [[Yogapraxis]] einsteigen, in dem du ganz bewusst und achtsam handelst. Dafür gibt uns der Weise Patanjali in seinem Yoga Sutra ein wertvolles Übungssystem für systematische spirituelle und persönliche Entwicklung an die Hand.


===Die 5 Yamas===  
===Die 5 Yamas===  
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'''Nichtverletzen (Ahimsa):'''
'''Nichtverletzen (Ahimsa):'''


Die vermutlich wichtigste Regel ist der Verzicht auf jegliche Gewaltanwendung gegenüber Mensch und Tier. Mahatma Gandhi hat gezeigt, was es bedeutet Ahimsa wirklich in letzter Konsequenz zu leben. Eigene Aggressionen beherrschen und Herr über die eigenen Gefühle werden, wenn man einmal wieder im Stau warten muss oder unberechtigterweise kritisiert wird oder die Kinder nerven... Du siehst, das ist nicht einfach. Ernähre dich vegetarisch, auch das ist eine Konsequenz aus Ahimsa, denn die ganze Schöpfung sollte mit einbezogen werden.
Die vermutlich wichtigste Regel ist der [[Verzicht]] auf jegliche Gewaltanwendung gegenüber Mensch und Tier. Mahatma Gandhi hat gezeigt, was es bedeutet [[Ahimsa]] wirklich in letzter Konsequenz zu leben. Eigene Aggressionen beherrschen und Herr über die eigenen Gefühle werden, wenn man einmal wieder im Stau warten muss oder unberechtigterweise kritisiert wird oder die Kinder nerven... Du siehst, das ist nicht einfach. Ernähre dich vegetarisch, auch das ist eine Konsequenz aus Ahimsa, denn die ganze Schöpfung sollte mit einbezogen werden.


'''Wahrhaftigkeit (Satya):'''
'''Wahrhaftigkeit (Satya):'''


Nicht minder wichtig und nicht
Nicht minder wichtig und nicht immer ganz leicht zu verwirklichen ist die zweite Regel. „Lügen haben kurze Beine“ hat man mir als Kind beigebracht. Und das stimmt wirklich. [[Satya]] heißt, Teile der Wahrheit nicht zu verbergen, auch das wäre ja eine Art Lüge. So kannst du dich immer wieder fragen: Was ist denn
immer ganz leicht zu verwirklichen ist die zweite Regel.
„Lügen haben kurze Beine“ hat man mir als Kind beigebracht. Und das stimmt wirklich. Satya heißt, Teile der
Wahrheit nicht zu verbergen, auch das wäre ja eine Art
Lüge. So kannst du dich immer wieder fragen: Was ist denn
die Wahrheit?
die Wahrheit?


'''Nichtstehlen (Asteya):'''
'''Nichtstehlen (Asteya):'''


Wie in den 10 Geboten der Bibel
Wie in den 10 Geboten der [[Bibel]]
sollst du nicht an dich nehmen, was dir nicht zusteht. Du
sollst du nichts an dich nehmen, was dir nicht zusteht. Du
denkst: Ich bin doch kein Dieb. Richtig so. So solltest du z.B.
denkst: Ich bin doch kein Dieb. Richtig so. So solltest du z.B.
als Yogi keine Steuern hinterziehen, denn sie dienen dem
als Yogi keine Steuern hinterziehen, denn sie dienen dem
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Wird oft negativ verstanden
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als eine sexuelle Haltung ähnlich dem Zölibat. Das ist aber
als eine sexuelle Haltung ähnlich dem [[Zölibat]]. Das ist aber
nur ein Teilaspekt. Tue alles, was zu Brahman, dem Absolutem
nur ein Teilaspekt. Tue alles, was zu [[Brahman]], dem Absolutem
führt, trifft eher den Sinn. Lass dich nicht von deinen
führt, trifft eher den Sinn. Lass dich nicht von deinen
Sinnen davon treiben, sondern gehe immer wieder meditativ in dich
[[Sinne]]n davon treiben, sondern gehe immer wieder meditativ in dich
und suche Gott in allen Dingen, auch in der Sexualität.
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'''Nichtannehmen von Geschenken (Aparigraha):'''
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Sich nicht
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bestechen lassen und sich nicht in Abhängigkeit begeben.
bestechen lassen und sich nicht in Abhängigkeit begeben.
Weniger Verlangen nach Besitz führt nach und nach zur Abwesenheit von Gewinnsucht und weniger materiellem Besitz.
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Es bedeutet, dass wir darauf achten, nur so viel zu haben,
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wie wir zum Leben tatsächlich brauchen. Dass ist nicht nur
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Täglich duschen und Zähne putzen – reicht das? Hier geht es um mehr als äußerliche Sauberkeit.
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Der Körper soll durch Kriyas von innen gereinigt und alle
Der [[Körper]] soll durch [[Kriyas]] von innen gereinigt und alle
Blockaden gelöst werden. Dann sollte auch der Geist frei
[[Blockaden]] gelöst werden. Dann sollte auch der Geist frei
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Patanjali verwirklicht.
Patanjali verwirklicht.


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Vor Jahrtausenden waren Yogis alle
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Asketen, die sich methodisch härtesten Übungen und Entbehrungen unterwarfen. Sie verzichteten auf fast alles und
[[Asket]]en, die sich methodisch härtesten Übungen und Entbehrungen unterwarfen. Sie verzichteten auf fast alles und
wollten so ihr Ego überwinden. Ich muss heute aber kein
wollten so ihr [[Ego]] überwinden. Ich muss heute aber kein
Einsiedler mehr werden oder tagelang auf einem Bein stehen,
Einsiedler mehr werden oder tagelang auf einem Bein stehen,
Yoga geht auch ohne Selbstkasteiung. Aber eine gewisse
Yoga geht auch ohne Selbstkasteiung. Aber eine gewisse
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'''Selbststudium (Svadhyaya):'''
'''Selbststudium (Svadhyaya):'''


Beinhaltet das Studium der
Beinhaltet das [[Studium]] der
Schriften, da es neben der Selbstreflexion weiterer Bezugs-
Schriften, da es neben der [[Selbstreflexion]] weiterer Bezugs-
punkte für die eigene Spiritualität bedarf. Das kann beispielsweise die Bibel sein, die Bhagavad Gita, die Veden, die
punkte für die eigene Spiritualität bedarf. Das kann beispielsweise die Bibel sein, die Bhagavad Gita, die Veden, die
Upanishaden oder andere Texte mit spirituellem, philosophischem oder religiösem Inhalt. Beobachte aber auch dich
Upanishaden oder andere Texte mit spirituellem, philosophischem oder religiösem Inhalt. Beobachte aber auch dich

Version vom 13. Januar 2015, 15:15 Uhr

(Yoga Vidya Journal Nr. 29, "Yogisches Handeln im Alltag", Autor: Dr. Guido Telscher)

Jeder kann ohne großen Aufwand yogisches Handeln in seinen Alltag integrieren. Hier erfährst du, wie du einige Prinzipien des Yoga Sutra nach Patanjali anwenden und für dich nutzen kannst.

Im Alltag ist oft keine Zeit für eine ausgiebige Yogastunde oder den Besuch des Satsangs in einem Ashram, weil neben der Arbeit, den Fahrzeiten, der Hausarbeit, den Hobbys und der Familie einfach keine Zeit bleibt. Und dennoch kannst du auch im Alltag Yoga üben und so in die Yogapraxis einsteigen, in dem du ganz bewusst und achtsam handelst. Dafür gibt uns der Weise Patanjali in seinem Yoga Sutra ein wertvolles Übungssystem für systematische spirituelle und persönliche Entwicklung an die Hand.

Die 5 Yamas

Sie betreffen das Verhalten im Umgang mit anderen Menschen.


Nichtverletzen (Ahimsa):

Die vermutlich wichtigste Regel ist der Verzicht auf jegliche Gewaltanwendung gegenüber Mensch und Tier. Mahatma Gandhi hat gezeigt, was es bedeutet Ahimsa wirklich in letzter Konsequenz zu leben. Eigene Aggressionen beherrschen und Herr über die eigenen Gefühle werden, wenn man einmal wieder im Stau warten muss oder unberechtigterweise kritisiert wird oder die Kinder nerven... Du siehst, das ist nicht einfach. Ernähre dich vegetarisch, auch das ist eine Konsequenz aus Ahimsa, denn die ganze Schöpfung sollte mit einbezogen werden.

Wahrhaftigkeit (Satya):

Nicht minder wichtig und nicht immer ganz leicht zu verwirklichen ist die zweite Regel. „Lügen haben kurze Beine“ hat man mir als Kind beigebracht. Und das stimmt wirklich. Satya heißt, Teile der Wahrheit nicht zu verbergen, auch das wäre ja eine Art Lüge. So kannst du dich immer wieder fragen: Was ist denn die Wahrheit?

Nichtstehlen (Asteya):

Wie in den 10 Geboten der Bibel sollst du nichts an dich nehmen, was dir nicht zusteht. Du denkst: Ich bin doch kein Dieb. Richtig so. So solltest du z.B. als Yogi keine Steuern hinterziehen, denn sie dienen dem Gemeinwesen, das auch dir Raum für dein Leben schafft. Schau, dass du nach dem Satsang deine eigenen Schuhe anziehst, schiele nicht neidisch auf das neue Auto der Nachbarn...

Enthaltsamkeit (Brahmacharya):

Wird oft negativ verstanden als eine sexuelle Haltung ähnlich dem Zölibat. Das ist aber nur ein Teilaspekt. Tue alles, was zu Brahman, dem Absolutem führt, trifft eher den Sinn. Lass dich nicht von deinen Sinnen davon treiben, sondern gehe immer wieder meditativ in dich und suche Gott in allen Dingen, auch in der Sexualität.

Nichtannehmen von Geschenken (Aparigraha):

Sich nicht bestechen lassen und sich nicht in Abhängigkeit begeben. Weniger Verlangen nach Besitz führt nach und nach zur Abwesenheit von Gewinnsucht und weniger materiellem Besitz. Es bedeutet, dass wir darauf achten, nur so viel zu haben, wie wir zum Leben tatsächlich brauchen. Dass ist nicht nur gut für die Umwelt sondern auch gerechter. Spende auch Geld für gute Zwecke und für Menschen in Not.

Die 5 Niyamas:

Patanjali fügte den Yamas noch fünf weitere Regeln hinzu. Sie betreffen vor allem den liebevollen Umgang mit sich selber.

Reinheit (Saucha):

Täglich duschen und Zähne putzen – reicht das? Hier geht es um mehr als äußerliche Sauberkeit. Der Körper soll durch Kriyas von innen gereinigt und alle Blockaden gelöst werden. Dann sollte auch der Geist frei von (störenden) Gedanken sein. Damit erst ist Yoga nach Patanjali verwirklicht.

Zufriedenheit (Santosha):

Bleibe bescheiden in deinem ganzen Lebensstil, strebe nicht nach äußerlichem Luxus, so könnte man sagen. Wachse innerlich durch Verzicht.

Selbstdisziplin (Tapas):

Vor Jahrtausenden waren Yogis alle Asketen, die sich methodisch härtesten Übungen und Entbehrungen unterwarfen. Sie verzichteten auf fast alles und wollten so ihr Ego überwinden. Ich muss heute aber kein Einsiedler mehr werden oder tagelang auf einem Bein stehen, Yoga geht auch ohne Selbstkasteiung. Aber eine gewisse Kontrolle über mich und meine Wünsche ist notwendig, sonst kann ich nicht meditieren.

Selbststudium (Svadhyaya):

Beinhaltet das Studium der Schriften, da es neben der Selbstreflexion weiterer Bezugs- punkte für die eigene Spiritualität bedarf. Das kann beispielsweise die Bibel sein, die Bhagavad Gita, die Veden, die Upanishaden oder andere Texte mit spirituellem, philosophischem oder religiösem Inhalt. Beobachte aber auch dich selber, deine Gedanken und dein Tun. Und meditiere über die Frage: Wer bin ICH eigentlich?

Hingabe an Gott (Ishvarapranidhana): Ist Bhakti-Yoga, also Singen, Beten, Tanzen mit ganzer Selbstvergessenheit. Gehe – wenn möglich - in den Satsang, nimm an einer Puja oder Homa teil. Als Christ darfst du ruhig auch öfter am Gottesdienst deiner Kirchengemeinde teilnehmen. Und lebe immer mehr mit der Einstellung: Gott, Dein Wille geschehe! Schon bei der Beachtung einiger dieser Verhaltensregeln spürst du sicher eine Veränderung der Reaktionen der Außenwelt und eine Klärung des eigenen Geistes. Denn so wie du auf deine Umwelt zugehst und mit ihr umgehst, so wird es auf dich zurückgeworfen. Wenn du achtsam bist und dich nicht von deinen Gefühlen und den Zufällen des Lebens mitreißen lässt, sondern bewusst, konzentriert denkst und handelst, dann bist du auf dem Weg zu einem ausgewogenen und harmonischen Leben. So kannst du Yoga in deinen Alltag integrieren.