Spirituelles Streben und Praxis - Kapitel 3 - Geistige Entsagung: Unterschied zwischen den Versionen

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Raum und Zeit richten in einer allmählich systematisierten Weise eine dreifache Verwüstung an. Erstens sind wir gezwungen zu [[spüren]], dass alles unverbunden ist und nichts in irgendeiner Weise zusammenhängt. Alles ist anders als alles andere. Jeder Mensch ist völlig losgelöst von jedem anderen Menschen. Eine Person hat nichts mit einer anderen zu tun. Dadurch entsteht ein [[psychologisch]]er Zwiespalt in unserer [[Persönlichkeit]], eine sehr ernste Angelegenheit, die uns dazu bringt, nach etwas zu streben, das nicht hier ist, und uns dennoch dazu zwingt, an diesem Leben festzuhalten und niemals [[sterben]] zu wollen. Unsere [[Sehnsucht]], wegen der Unvollkommenheit der Welt nicht in dieser Welt zu sein - unsere Sehnsucht, so früh wie möglich in einer anderen, besseren Welt zu sein - hält uns psychologisch davon ab, einen [[Sinn]] in dieser Welt zu sehen.
Raum und Zeit richten in einer allmählich systematisierten Weise eine dreifache Verwüstung an. Erstens sind wir gezwungen zu [[spüren]], dass alles unverbunden ist und nichts in irgendeiner Weise zusammenhängt. Alles ist anders als alles andere. Jeder Mensch ist völlig losgelöst von jedem anderen Menschen. Eine Person hat nichts mit einer anderen zu tun. Dadurch entsteht ein [[psychologisch]]er Zwiespalt in unserer [[Persönlichkeit]], eine sehr ernste Angelegenheit, die uns dazu bringt, nach etwas zu streben, das nicht hier ist, und uns dennoch dazu zwingt, an diesem Leben festzuhalten und niemals [[sterben]] zu wollen. Unsere [[Sehnsucht]], wegen der Unvollkommenheit der Welt nicht in dieser Welt zu sein - unsere Sehnsucht, so früh wie möglich in einer anderen, besseren Welt zu sein - hält uns psychologisch davon ab, einen [[Sinn]] in dieser Welt zu sehen.
Gleichzeitig gibt es einen Widerspruch in dieser eigentümlichen Sichtweise, nämlich dass wir nicht bereit sind, uns völlig von dieser Welt zu lösen. Unsere inneren und äußeren Aspekte prallen aufeinander und sprechen zu uns mit zwei verschiedenen, widersprüchlichen Stimmen. Wir sind uns sehr wohl bewusst, dass der physische Körper, in den wir gehüllt sind, nicht lange Bestand haben wird. Jeder weiß, dass das Leben sterblich ist und dass er eines Tages sterben muss, aber niemand will sterben. Wie kann es sein, dass wir zwei Gefühle gleichzeitig hegen, wohl wissend, dass nichts hier von Dauer sein kann, und doch den Wunsch haben, unsere Existenz hier fortzusetzen? "Lasst mich so lange wie möglich leben, sogar zehntausend Jahre lang. Daran ist nichts auszusetzen." Aber wir wissen sehr genau, dass das nicht möglich ist. Wie wollen wir etwas erreichen, was unmöglich ist, eine Tatsache, die wir akzeptiert haben und der wir uns voll bewusst sind?
Das Gefühl, dass das Leben keine grenzenlose Ausdauer sein kann, und das gleichzeitige Gefühl, dass es gut wäre, wenn es grenzenlos wäre, ist ein psychologischer Konflikt in uns selbst. Wir bitten um etwas, das wir nicht bekommen können. Was bringt uns dazu, nach etwas zu fragen, das wir in dieser Welt nicht bekommen können? Sind wir völlig verrückt, oder steckt eine gewisse Rationalität dahinter?
Eigentlich ist es keine Verrücktheit. Es ist eine wunderbare Logik, die funktioniert, ohne dass wir wirklich wissen, was geschieht. Wir gehören zu zwei Welten gleichzeitig. Wir sind Bürger von zwei Existenzen. Wir gehören zu dieser sterblichen Welt durch diese Welt des
Raums, der Zeit und der Objektivität. Nun, das ist vollkommen richtig. Das ist der Grund, warum es eine Angst gibt
des Vergehens. Aber wir gehören nicht immer ganz und gar zu diesem Umstand der raum-zeitlichen Sterblichkeit. Es gibt etwas, das sich der Raum-Zeit entzieht.
Dies ist ein interessanter Punkt, den wir bedenken sollten. Wenn Raum und Zeit so mächtige Herren über uns sind und wir praktisch in ihre Funktionsweise verwickelt sind, und wir fast zu Raum und Zeit selbst geworden sind und uns als Sklaven vor Raum und Zeit unterwerfen, werden wir uns nicht einmal bewusst sein, dass es so etwas wie Raum und Zeit gibt. Das Bewusstsein der Tatsache, dass es so etwas wie Raum und Zeit gibt, führt uns den erhellenden Faktor vor Augen, dass wir die Wissenden von Raum und Zeit sind, und dass wir selbst nicht darin verwickelt sind. Wenn wir untrennbar mit dem RaumZeit-Komplex verbunden sind, wer kann dann wissen, dass es einen solchen Komplex gibt? Nun, hier ist eine Induktion, eine Art Schlussfolgerung, die wir aus unserer gegenwärtigen Erfahrung ziehen, dass es ein chaotisches Durcheinander von Gefühlen und Wahrnehmungen bei der
Beobachtung unseres eigenen Selbst, der menschlichen Gesellschaft außerhalb und des großen Ziels, das wir anstreben, gibt.
Um das Ganze zusammenzufassen, können wir kurz sagen, dass die andere Welt nicht von dieser Welt entfernt ist, dass die Menschen um uns herum in dieser Welt der Menschheit nicht von uns getrennt sind, und dass es einen Sinn hat, wenn wir uns vor der Möglichkeit der
Selbstvernichtung in dieser Welt der Sterblichkeit fürchten, während wir uns gleichzeitig danach sehnen, dass eines Tages alles in Ordnung sein wird. Auch wenn wir manchmal unter dem Druck der gegebenen Verhältnisse das Gefühl haben, dass die Dinge in dieser Welt sehr schlecht, fast elend, unheilbar sind, gibt es in unserem Herzen etwas, das
uns sagt, dass es nicht immer so schlecht sein wird. Wir werden keinen Finger rühren, um etwas zu
tun, wenn alles chaotisch und sinnlos sein wird. Wir haben die Hoffnung, dass es eines Tages besser sein wird: "Mögen alle Dinge schlecht aussehen, aber
eines Tages werden sie besser sein." Es gibt eine Hoffnung in unserem Herzen, dass die Dinge eines Tages in
Ordnung kommen werden. Wir werden nicht in die Hölle kommen. Der Himmel muss auf uns herabsteigen, auch wenn es so aussieht, als ob überall um uns herum die Hölle wäre. Die Erwartung einer zukünftigen Besserung ist die
Stimme eines ewigen Funkens, der in uns funkelt, und der
Kummer, den wir empfinden, weil wir in dieser Welt versunken sind, ist auf unsere sterbliche Verbindung mit diesem vergänglichen, brüchigen Körper zurückzuführen.
Ihr könnt euch jetzt daran erinnern, was ich euch in den letzten beiden Sitzungen über den großen Konflikt gesagt habe, den wir zwischen unserer Verantwortung gegenüber dieser Welt und unserer Verantwortung gegenüber der anderen Welt haben. Welcher Welt werden Sie sich zuordnen? Ich habe erwähnt, dass es unter den Menschen extreme Sichtweisen gibt. Es gibt diejenigen, die diese
Welt verleugnen und sich theoretisch, konzeptionell, an eine andere Welt imaginärer Perfektion klammern, und es gibt diejenigen, die den anderen Weg gehen, die andere
Welt völlig verleugnen und nur diese Welt behaupten. Der
Fehler, den diese beiden Arten von Menschen begehen, ist ganz offensichtlich. Die Offensichtlichkeit liegt in der
Tatsache, dass die beiden nicht so voneinander getrennt sind, dass man einen Teil davon nehmen und einen anderen Teil ablehnen kann. Ich habe auch erwähnt, dass man nicht seinen Körper irgendwo aufbewahren kann und seine Seele irgendwo anders. Es ist nicht möglich, die Seele in einer Kiste und den Körper auf einem Marktplatz
aufzubewahren, denn sie sind integral, lebenswichtig und bedeutungsvoll miteinander verbunden. Diese
Sinnhaftigkeit, diese immense Bedeutung einer
wundersamen Beziehung zwischen dem Diesseits und dem
Jenseits, die uns in unseren täglichen Sinneswahrnehmungen immer entgeht, wird uns in der
Isavasya Upanishad, auf die ich mich in der vorigen Sitzung bezogen habe, in einer völlig neuen Vision vor Augen geführt. Ein Aspekt der Isavasya Upanishad, auf den ich
Bezug genommen habe, ist ihr Beharren auf der Verschmelzung beider
Diese Welt und die andere Welt in unserer ganzheitlichen
Betrachtung der Dinge. Jetzt sagt sie uns etwas mehr als das. Das ganze Universum ist von einer einzigen Wirklichkeit durchdrungen. Īśāvāsyam idaṁ sarvam (Isa 1). Das Durchdringen der einen Bedeutung in all den scheinbar bedeutungslosen Verschiedenheiten der Welt ist die allererste Unterweisung, die erste Botschaft, der Anfang dieser meisterhaften Lehre der Upanishad, die als Isavasya bekannt ist. Yat kiṁ ca jagatyāṁ jagat. In diesem ganzen evolutionären Prozess und Fluss der Natur, in dieser ganzen Dichotomie der Ungleichheit werden wir einen zementierenden Faktor finden, der in jedem Winkel und jeder Ecke wirkt, von der Spaltung eines Atoms bis hin zum Sonnensystem und den Galaxien. Tena tyaktena bhuñjitha, ma gṛdhaḥ kasyasvid dhanam. Es gab Heilige und Weise, die meinten, wenn alle Schriften der Welt zerstört würden und nur dieser eine Vers der Isavasya Upanishad übrig bliebe, würde das ausreichen. Das gesamte Weltevangelium ist in diesem einen einzigen Vers der Isavasya Upanishad konzentriert: Īśāvāsyam idaṁ sarvam yat kiṁ ca jagatyāṁ jagat, tena tyaktena bhuñjitha, ma gṛdhaḥ kasyasvid dhanam. Viele von euch müssen diese Upanishad lesen, aber es ist schwer zu sagen, wie viel Bedeutung in euren Köpfen steckt. Es gibt eine wörtliche Bedeutung, eine grammatikalische Bedeutung, eine äußere Erscheinung ihrer Bedeutung, aber gleichzeitig gibt es auch eine mystische, verborgene Bedeutung.
Sie fragen vielleicht: "Wenn es heißt, dass alle Dinge von einem Ding durchdrungen sind, was genau ist damit gemeint? Wie soll man sich dieses Durchdringen eines Dings durch ein anderes Ding vorstellen?" Nun, schon die Vorstellung von "einem Ding" und "einem anderen Ding" schließt die völlige Verschmelzung zweier Dinge aus. Ich
habe schon oft das Beispiel eines Stoffes angeführt, der in einem Eimer Wasser getränkt wird. Wenn ihr euren Dhoti
oder Sari oder irgendein anderes Tuch für einige Zeit in einem Eimer voll Wasser einweicht, werdet ihr sehen
dass das Wasser jede Faser des Stoffes durchdringt. Das Wasser ist der gesamten Struktur des Stoffes immanent. Überall im Tuch findet man Wasser. Ist es in diesem Sinne, dass die letztendliche Wirklichkeit in allem in dieser Welt präsent ist? In dieser Analogie gibt es einen merkwürdigen Haken an der Sache. Wie weit das Wasser auch immer in die Faserstruktur des Stoffes eingedrungen sein mag, das Wasser ist niemals zum Stoff geworden. Der Stoff bleibt immer außerhalb des Wassers. Man kann den Stoff auswringen und das Wasser vollständig entfernen, und die Permeation hört auf. Kann man dem Eindringen Gottes in die Welt entkommen, indem man Gott aus dem gesamten Stoff und Gewebe dieser Welt auswringt? Das ist nicht möglich. Das Eindringen von Isa oder dem Absoluten oder Gott in diese Welt der Natur ist nicht wie das Eindringen von Wasser in ein faseriges Tuch, denn es sind zwei verschiedene Dinge. Es ist auch nicht die Vermischung von zwei Dingen wie Wasser und Milch, denn Wasser ist nicht Milch und Milch ist nicht Wasser. Sie können durch Kochen getrennt werden. Sind die Welt und Gott so verschieden, dass das eine untrennbar mit dem anderen verbunden sein muss? Handelt es sich um eine Art Verflechtung von zwei Dingen?
Die Isavasya Upanishad sagt uns, dass diese Art der Vorstellung von Durchdringung aufgegeben werden muss. Es ist nicht etwas, das ein anderes Ding durchdringt; es ist etwas, das ein anderes Ding wird. Man sagt, dass A logischerweise nicht B sein kann. A ist A, und B ist B. Wenn A zu B wird, hört entweder B auf zu existieren oder A hört auf zu existieren. Vielleicht würde in diesem Sinne die Verschmelzung des Diesseits und des Jenseits, des Durchdringenden und des Durchdrungenen, zur Folge haben, dass das eine in der Gegenwart des anderen völlig
abwesend ist. Im Prozess der Durchdringung von etwas durch ein anderes Ding, das für uns aufgrund der
Interferenz von Raum und Zeit in unserer eigenen Denkstruktur wie "etwas" und "ein anderes Ding" aussieht, findet eine verschlingende Aktivität statt. Wir haben von mythologischen Figuren gehört
wie Ravana, Kumbhakarna, Shishupala, Dantavakra, Simhamukha, Shurasena, und alle Arten von dualen
Kräften wie Madhu und Kaitabha, und Shumba und
Nishumba. Diese dualen Kräfte sind nichts anderes als Raum und Zeit. Sie sind die Dämonen vor uns. Sie werden uns niemals erlauben, die Dinge richtig zu sehen. Selbst wenn wir versuchen, die Dinge unabhängig von der RaumZeit-Verwicklung zu sehen, werden wir feststellen, dass der Geist selbst in Raum und Zeit versunken ist.
Wenn du anfängst, in Begriffen von Raum und Zeit zu denken, wie willst du dir dann etwas vorstellen, das unabhängig von Raum und Zeit ist? Es gibt Methoden, mit denen wir uns völlig aus dieser komplizierten Verstrickung lösen können, was Yoga-Samadhi genannt wird, aber das ist jetzt nicht unser Thema. Ein eigenartiges, kompliziertes Etwas, das einen schon bei dem Gedanken daran fast schwindlig macht, ist die Praxis des Yoga. Obwohl es wahr ist, dass dein Bewusstsein untrennbar mit Raum und Zeit verbunden ist, ist es dir möglich, dich von ihnen zu befreien. Ansonsten hat das Streben nach Gott keine Bedeutung. Das Streben nach Gott ist ein Streben nach dem, was frei von Raum und Zeit ist. Īśāvāsyam idaṁ sarvam. Es bedeutet, dass das Absolute im Relativen ist. Das Relative, was man die Erscheinung der Welt nennt, ist nicht vom Absoluten getrennt.
In der letzten Sitzung habe ich die Analogie zwischen der Schlange und dem Seil erwähnt. Die Schlange sitzt nicht irgendwo außerhalb des Seils. Man kann nicht zwei Dinge getrennt voneinander betrachten: Hier ist das Seil, und hier ist die Schlange. Es ist ein und dasselbe Ding, das als zwei Dinge erscheint, so wie eine Fata Morgana des Wassers. Eine Fata Morgana sieht aus wie Wasser. Sie ist mit sich selbst identisch. Es ist nicht etwas, das als etwas anderes
erscheint. Es ist ein Ding selbst, das so schillert, als wäre es etwas anderes als es selbst - ein Ding, das so
erscheint, als wäre es nicht A - so als befände man sich in einer Traumwelt, in der man
beginnen, Dinge zu visualisieren, die nicht da sind, indem sie Objekte in einen begrifflichen Raum- und Zeitprozess projizieren, die nicht da sind, sondern nur vom Verstand durch einen Prozess der Externalisierung zusammengebraut werden. In dieser Welt der Bewegung und des Flusses ist Gott in allen Dingen gegenwärtig.





Version vom 10. Mai 2023, 08:45 Uhr

Swami Krishnananda

Spirituelles Streben und Praxis - Kapitel 3 - Geistige Entsagung

Mitschnitte einer Sadhana-Woche im Sivananda Ashram in Rishikesh, vorgetragen von Swami Krishnananda.

Swami Krishnananda - Die Gesellschaft des Göttlichen Lebens, Sivananda Ashram, Rishikesh, Indien - Webseite: www.swami-krishnananda.org

© Divine Life Society

Geistige Entsagung

In der vorangegangenen Sitzung schlossen wir mit der Feststellung, dass wir uns, wenn es die Zeit nicht gäbe, zu allen Zeiten befinden würden; und wenn es den Raum nicht gäbe, würden wir uns an allen Orten befinden. Aufgrund der besonderen Eigenschaft des Zeitprozesses, sich in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aufzuteilen, haben wir das Gefühl, dass wir uns nur zu einer bestimmten Zeit und nicht zu allen Zeiten befinden. Es liegt an der trennenden Eigenschaft des Raumes, dass wir das Gefühl haben, nur an einem bestimmten Ort und nicht an allen Orten zu sein, dass wir das Gefühl haben, dass die andere Welt wirklich weit von dieser Welt entfernt ist und diese Welt von der anderen Welt getrennt ist, und dass wir das Gefühl haben, dass die Menschen in der Welt außerhalb von uns sind und eine Person keine Verbindung zu einer anderen hat.

Raum und Zeit richten in einer allmählich systematisierten Weise eine dreifache Verwüstung an. Erstens sind wir gezwungen zu spüren, dass alles unverbunden ist und nichts in irgendeiner Weise zusammenhängt. Alles ist anders als alles andere. Jeder Mensch ist völlig losgelöst von jedem anderen Menschen. Eine Person hat nichts mit einer anderen zu tun. Dadurch entsteht ein psychologischer Zwiespalt in unserer Persönlichkeit, eine sehr ernste Angelegenheit, die uns dazu bringt, nach etwas zu streben, das nicht hier ist, und uns dennoch dazu zwingt, an diesem Leben festzuhalten und niemals sterben zu wollen. Unsere Sehnsucht, wegen der Unvollkommenheit der Welt nicht in dieser Welt zu sein - unsere Sehnsucht, so früh wie möglich in einer anderen, besseren Welt zu sein - hält uns psychologisch davon ab, einen Sinn in dieser Welt zu sehen.


Gleichzeitig gibt es einen Widerspruch in dieser eigentümlichen Sichtweise, nämlich dass wir nicht bereit sind, uns völlig von dieser Welt zu lösen. Unsere inneren und äußeren Aspekte prallen aufeinander und sprechen zu uns mit zwei verschiedenen, widersprüchlichen Stimmen. Wir sind uns sehr wohl bewusst, dass der physische Körper, in den wir gehüllt sind, nicht lange Bestand haben wird. Jeder weiß, dass das Leben sterblich ist und dass er eines Tages sterben muss, aber niemand will sterben. Wie kann es sein, dass wir zwei Gefühle gleichzeitig hegen, wohl wissend, dass nichts hier von Dauer sein kann, und doch den Wunsch haben, unsere Existenz hier fortzusetzen? "Lasst mich so lange wie möglich leben, sogar zehntausend Jahre lang. Daran ist nichts auszusetzen." Aber wir wissen sehr genau, dass das nicht möglich ist. Wie wollen wir etwas erreichen, was unmöglich ist, eine Tatsache, die wir akzeptiert haben und der wir uns voll bewusst sind?


Das Gefühl, dass das Leben keine grenzenlose Ausdauer sein kann, und das gleichzeitige Gefühl, dass es gut wäre, wenn es grenzenlos wäre, ist ein psychologischer Konflikt in uns selbst. Wir bitten um etwas, das wir nicht bekommen können. Was bringt uns dazu, nach etwas zu fragen, das wir in dieser Welt nicht bekommen können? Sind wir völlig verrückt, oder steckt eine gewisse Rationalität dahinter?


Eigentlich ist es keine Verrücktheit. Es ist eine wunderbare Logik, die funktioniert, ohne dass wir wirklich wissen, was geschieht. Wir gehören zu zwei Welten gleichzeitig. Wir sind Bürger von zwei Existenzen. Wir gehören zu dieser sterblichen Welt durch diese Welt des

Raums, der Zeit und der Objektivität. Nun, das ist vollkommen richtig. Das ist der Grund, warum es eine Angst gibt

des Vergehens. Aber wir gehören nicht immer ganz und gar zu diesem Umstand der raum-zeitlichen Sterblichkeit. Es gibt etwas, das sich der Raum-Zeit entzieht.


Dies ist ein interessanter Punkt, den wir bedenken sollten. Wenn Raum und Zeit so mächtige Herren über uns sind und wir praktisch in ihre Funktionsweise verwickelt sind, und wir fast zu Raum und Zeit selbst geworden sind und uns als Sklaven vor Raum und Zeit unterwerfen, werden wir uns nicht einmal bewusst sein, dass es so etwas wie Raum und Zeit gibt. Das Bewusstsein der Tatsache, dass es so etwas wie Raum und Zeit gibt, führt uns den erhellenden Faktor vor Augen, dass wir die Wissenden von Raum und Zeit sind, und dass wir selbst nicht darin verwickelt sind. Wenn wir untrennbar mit dem RaumZeit-Komplex verbunden sind, wer kann dann wissen, dass es einen solchen Komplex gibt? Nun, hier ist eine Induktion, eine Art Schlussfolgerung, die wir aus unserer gegenwärtigen Erfahrung ziehen, dass es ein chaotisches Durcheinander von Gefühlen und Wahrnehmungen bei der Beobachtung unseres eigenen Selbst, der menschlichen Gesellschaft außerhalb und des großen Ziels, das wir anstreben, gibt.


Um das Ganze zusammenzufassen, können wir kurz sagen, dass die andere Welt nicht von dieser Welt entfernt ist, dass die Menschen um uns herum in dieser Welt der Menschheit nicht von uns getrennt sind, und dass es einen Sinn hat, wenn wir uns vor der Möglichkeit der Selbstvernichtung in dieser Welt der Sterblichkeit fürchten, während wir uns gleichzeitig danach sehnen, dass eines Tages alles in Ordnung sein wird. Auch wenn wir manchmal unter dem Druck der gegebenen Verhältnisse das Gefühl haben, dass die Dinge in dieser Welt sehr schlecht, fast elend, unheilbar sind, gibt es in unserem Herzen etwas, das

uns sagt, dass es nicht immer so schlecht sein wird. Wir werden keinen Finger rühren, um etwas zu

tun, wenn alles chaotisch und sinnlos sein wird. Wir haben die Hoffnung, dass es eines Tages besser sein wird: "Mögen alle Dinge schlecht aussehen, aber


eines Tages werden sie besser sein." Es gibt eine Hoffnung in unserem Herzen, dass die Dinge eines Tages in Ordnung kommen werden. Wir werden nicht in die Hölle kommen. Der Himmel muss auf uns herabsteigen, auch wenn es so aussieht, als ob überall um uns herum die Hölle wäre. Die Erwartung einer zukünftigen Besserung ist die Stimme eines ewigen Funkens, der in uns funkelt, und der Kummer, den wir empfinden, weil wir in dieser Welt versunken sind, ist auf unsere sterbliche Verbindung mit diesem vergänglichen, brüchigen Körper zurückzuführen.


Ihr könnt euch jetzt daran erinnern, was ich euch in den letzten beiden Sitzungen über den großen Konflikt gesagt habe, den wir zwischen unserer Verantwortung gegenüber dieser Welt und unserer Verantwortung gegenüber der anderen Welt haben. Welcher Welt werden Sie sich zuordnen? Ich habe erwähnt, dass es unter den Menschen extreme Sichtweisen gibt. Es gibt diejenigen, die diese Welt verleugnen und sich theoretisch, konzeptionell, an eine andere Welt imaginärer Perfektion klammern, und es gibt diejenigen, die den anderen Weg gehen, die andere Welt völlig verleugnen und nur diese Welt behaupten. Der Fehler, den diese beiden Arten von Menschen begehen, ist ganz offensichtlich. Die Offensichtlichkeit liegt in der Tatsache, dass die beiden nicht so voneinander getrennt sind, dass man einen Teil davon nehmen und einen anderen Teil ablehnen kann. Ich habe auch erwähnt, dass man nicht seinen Körper irgendwo aufbewahren kann und seine Seele irgendwo anders. Es ist nicht möglich, die Seele in einer Kiste und den Körper auf einem Marktplatz


aufzubewahren, denn sie sind integral, lebenswichtig und bedeutungsvoll miteinander verbunden. Diese Sinnhaftigkeit, diese immense Bedeutung einer wundersamen Beziehung zwischen dem Diesseits und dem Jenseits, die uns in unseren täglichen Sinneswahrnehmungen immer entgeht, wird uns in der

Isavasya Upanishad, auf die ich mich in der vorigen Sitzung bezogen habe, in einer völlig neuen Vision vor Augen geführt. Ein Aspekt der Isavasya Upanishad, auf den ich Bezug genommen habe, ist ihr Beharren auf der Verschmelzung beider


Diese Welt und die andere Welt in unserer ganzheitlichen Betrachtung der Dinge. Jetzt sagt sie uns etwas mehr als das. Das ganze Universum ist von einer einzigen Wirklichkeit durchdrungen. Īśāvāsyam idaṁ sarvam (Isa 1). Das Durchdringen der einen Bedeutung in all den scheinbar bedeutungslosen Verschiedenheiten der Welt ist die allererste Unterweisung, die erste Botschaft, der Anfang dieser meisterhaften Lehre der Upanishad, die als Isavasya bekannt ist. Yat kiṁ ca jagatyāṁ jagat. In diesem ganzen evolutionären Prozess und Fluss der Natur, in dieser ganzen Dichotomie der Ungleichheit werden wir einen zementierenden Faktor finden, der in jedem Winkel und jeder Ecke wirkt, von der Spaltung eines Atoms bis hin zum Sonnensystem und den Galaxien. Tena tyaktena bhuñjitha, ma gṛdhaḥ kasyasvid dhanam. Es gab Heilige und Weise, die meinten, wenn alle Schriften der Welt zerstört würden und nur dieser eine Vers der Isavasya Upanishad übrig bliebe, würde das ausreichen. Das gesamte Weltevangelium ist in diesem einen einzigen Vers der Isavasya Upanishad konzentriert: Īśāvāsyam idaṁ sarvam yat kiṁ ca jagatyāṁ jagat, tena tyaktena bhuñjitha, ma gṛdhaḥ kasyasvid dhanam. Viele von euch müssen diese Upanishad lesen, aber es ist schwer zu sagen, wie viel Bedeutung in euren Köpfen steckt. Es gibt eine wörtliche Bedeutung, eine grammatikalische Bedeutung, eine äußere Erscheinung ihrer Bedeutung, aber gleichzeitig gibt es auch eine mystische, verborgene Bedeutung.


Sie fragen vielleicht: "Wenn es heißt, dass alle Dinge von einem Ding durchdrungen sind, was genau ist damit gemeint? Wie soll man sich dieses Durchdringen eines Dings durch ein anderes Ding vorstellen?" Nun, schon die Vorstellung von "einem Ding" und "einem anderen Ding" schließt die völlige Verschmelzung zweier Dinge aus. Ich

habe schon oft das Beispiel eines Stoffes angeführt, der in einem Eimer Wasser getränkt wird. Wenn ihr euren Dhoti

oder Sari oder irgendein anderes Tuch für einige Zeit in einem Eimer voll Wasser einweicht, werdet ihr sehen


dass das Wasser jede Faser des Stoffes durchdringt. Das Wasser ist der gesamten Struktur des Stoffes immanent. Überall im Tuch findet man Wasser. Ist es in diesem Sinne, dass die letztendliche Wirklichkeit in allem in dieser Welt präsent ist? In dieser Analogie gibt es einen merkwürdigen Haken an der Sache. Wie weit das Wasser auch immer in die Faserstruktur des Stoffes eingedrungen sein mag, das Wasser ist niemals zum Stoff geworden. Der Stoff bleibt immer außerhalb des Wassers. Man kann den Stoff auswringen und das Wasser vollständig entfernen, und die Permeation hört auf. Kann man dem Eindringen Gottes in die Welt entkommen, indem man Gott aus dem gesamten Stoff und Gewebe dieser Welt auswringt? Das ist nicht möglich. Das Eindringen von Isa oder dem Absoluten oder Gott in diese Welt der Natur ist nicht wie das Eindringen von Wasser in ein faseriges Tuch, denn es sind zwei verschiedene Dinge. Es ist auch nicht die Vermischung von zwei Dingen wie Wasser und Milch, denn Wasser ist nicht Milch und Milch ist nicht Wasser. Sie können durch Kochen getrennt werden. Sind die Welt und Gott so verschieden, dass das eine untrennbar mit dem anderen verbunden sein muss? Handelt es sich um eine Art Verflechtung von zwei Dingen?


Die Isavasya Upanishad sagt uns, dass diese Art der Vorstellung von Durchdringung aufgegeben werden muss. Es ist nicht etwas, das ein anderes Ding durchdringt; es ist etwas, das ein anderes Ding wird. Man sagt, dass A logischerweise nicht B sein kann. A ist A, und B ist B. Wenn A zu B wird, hört entweder B auf zu existieren oder A hört auf zu existieren. Vielleicht würde in diesem Sinne die Verschmelzung des Diesseits und des Jenseits, des Durchdringenden und des Durchdrungenen, zur Folge haben, dass das eine in der Gegenwart des anderen völlig

abwesend ist. Im Prozess der Durchdringung von etwas durch ein anderes Ding, das für uns aufgrund der


Interferenz von Raum und Zeit in unserer eigenen Denkstruktur wie "etwas" und "ein anderes Ding" aussieht, findet eine verschlingende Aktivität statt. Wir haben von mythologischen Figuren gehört

wie Ravana, Kumbhakarna, Shishupala, Dantavakra, Simhamukha, Shurasena, und alle Arten von dualen Kräften wie Madhu und Kaitabha, und Shumba und Nishumba. Diese dualen Kräfte sind nichts anderes als Raum und Zeit. Sie sind die Dämonen vor uns. Sie werden uns niemals erlauben, die Dinge richtig zu sehen. Selbst wenn wir versuchen, die Dinge unabhängig von der RaumZeit-Verwicklung zu sehen, werden wir feststellen, dass der Geist selbst in Raum und Zeit versunken ist.


Wenn du anfängst, in Begriffen von Raum und Zeit zu denken, wie willst du dir dann etwas vorstellen, das unabhängig von Raum und Zeit ist? Es gibt Methoden, mit denen wir uns völlig aus dieser komplizierten Verstrickung lösen können, was Yoga-Samadhi genannt wird, aber das ist jetzt nicht unser Thema. Ein eigenartiges, kompliziertes Etwas, das einen schon bei dem Gedanken daran fast schwindlig macht, ist die Praxis des Yoga. Obwohl es wahr ist, dass dein Bewusstsein untrennbar mit Raum und Zeit verbunden ist, ist es dir möglich, dich von ihnen zu befreien. Ansonsten hat das Streben nach Gott keine Bedeutung. Das Streben nach Gott ist ein Streben nach dem, was frei von Raum und Zeit ist. Īśāvāsyam idaṁ sarvam. Es bedeutet, dass das Absolute im Relativen ist. Das Relative, was man die Erscheinung der Welt nennt, ist nicht vom Absoluten getrennt.


In der letzten Sitzung habe ich die Analogie zwischen der Schlange und dem Seil erwähnt. Die Schlange sitzt nicht irgendwo außerhalb des Seils. Man kann nicht zwei Dinge getrennt voneinander betrachten: Hier ist das Seil, und hier ist die Schlange. Es ist ein und dasselbe Ding, das als zwei Dinge erscheint, so wie eine Fata Morgana des Wassers. Eine Fata Morgana sieht aus wie Wasser. Sie ist mit sich selbst identisch. Es ist nicht etwas, das als etwas anderes

erscheint. Es ist ein Ding selbst, das so schillert, als wäre es etwas anderes als es selbst - ein Ding, das so

erscheint, als wäre es nicht A - so als befände man sich in einer Traumwelt, in der man


beginnen, Dinge zu visualisieren, die nicht da sind, indem sie Objekte in einen begrifflichen Raum- und Zeitprozess projizieren, die nicht da sind, sondern nur vom Verstand durch einen Prozess der Externalisierung zusammengebraut werden. In dieser Welt der Bewegung und des Flusses ist Gott in allen Dingen gegenwärtig.



© Divine Life Society

Siehe auch

Literatur


Seminare

Spiritualität

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