Swami Dayananda Saraswati
Bevor Swami Dayananda Saraswati ein Sannyasin wurde, war sein Name Mula Shankara. Er wurde 1842 in Kathiawar zu Morvi, der Hauptstadt einer sehr kleinen Provinz in Gujarat, geboren. Sein Vater hieß Amba Shankara. Er war eine reicher brahmanischer Großgrundbesitzer und Bankier mit einer ausgeprägt religiösen Denkweise.
Als Mula Shankara fünf Jahre alt war, wurde er in das Devanagari Alphabet eingeführt. Er lernte ausgewählte Slokas aus den heiligen Schriften. Mit acht Jahren wurde ihm die heilige Schnur verliehen. Das Samenkorn des spirituellen Erwachens wurde in ihn erstmals in der Nacht von Shivaratri im Alter von vierzehn Jahren gesät.
Der Tod seiner Schwester und seines Onkels versetzten Mula Shankara einen fürchterlichen Schock. Es zeigte ihm die Vergänglichkeit allen Lebens und die Nichtigkeit aller menschlichen Bestrebungen. Mula Shankara erkannte, dass das Leben auf dieser Erde nur von flüchtiger Dauer war.
Artikel aus dem Buch „Lives of Saints“ von Swami Sivananda, Divine Life Society, 2009.
Mula Shankara wollte nach Varanasi gehen, um dort Sanskrit-Literatur und die heiligen Sanskrit-Bücher zu studieren. Sein Vater aber hatte etwas ganz anderes mit ihm im Sinn und schickte ihn nach Pathashala in ein benachbartes Dorf. Als der Vater von Mula Shankara die Hochzeit für seinen Sohn plante, lief dieser von zuhause weg. Er wollte nicht verheiratet werden. Er empfand Hochzeit als ein großes Netz, in das man sich nur verstricken konnte.
Mula Shankara kam in ein Dorf namens Sayala. Hier traf er einen Brahmachari, der der Leiter einer religiösen Sekte war. Mula Shankara bat den Brahmachari, ihm zu erlauben, dem Orden von Naishthika Brahmacharya beizutreten. Als dieser zustimmte, bekam er ockergelbe Kleidung und einen neuen Namen. Fortan wurde er erst einmal Suddha Chaitanya genannt.
Im Verlauf seiner Wanderungen kam er eines Tages zu einem religiösen Fest, welches jedes Jahr in Siddhapur abgehalten wurde. Dort traf er einen Vairagi, der ein Bekannter seines Vaters war. Der Vairagi hatte nichts Besseres zu tun, als dem Vater über den Verbleib seines Sohnes zu berichten. Sofort kam Amba Shankara nach Siddhapur und traf in einem Tempel auf seinen Sohn. Als er ihn in der ockergelben Kleidung sah, wurde er sehr wütend. Er riss die Kleider seines Sohnes in Stücke und zerbrach dessen Bettelschale. Dann kleidete er ihn neu ein und ließ ihn von einigen Dienern bewachen. In der Nacht jedoch, als die Wachen schliefen, konnte Mula Shankara entkommen. Er kletterte auf einen Pipal Baum und hielt sich die ganze Nacht dort oben verborgen. Am nächsten Morgen suchten ihn der Vater und die Diener überall. Als sie ihn aber nirgends entdecken konnten, kehrten sie schließlich wieder nach Hause zurück.
Mula Shankara ging nach Ahmedabad und Baroda. Danach reiste er zu einem Ort an den Ufern des heiligen Narmada. Hier studierte er verschiedene Bücher des Veda unter der Anleitung eines Sannyasin mit Namen Paramahamsa Paramananda. Er hatte vollkommenes Vertrauen in die Gleichheit der individuellen Seele mit der Absolut Höchsten Seele. Mula Shankara wurde von Swami Poomananda Saraswati eingeweiht und in den Orden der Sannyasin aufgenommen. Sein Name lautete von da an Swami Dayananda Saraswati. Er war jetzt vierundzwanzig Jahre alt.
Swami Dayananda verbrachte die folgenden zwölf Jahre seines Lebens mit Wanderungen, Wallfahrten, Studien, Tapas und Yogaübungen. Er besuchte all die heiligen Orte in Nordindien und entwickelte große Ausdauer und Belastbarkeit durch seine Wanderungen. Oft hungerte er und schlief nachts im Dschungel.
Im Alter von 36 Jahren ging Swami Dayananda weiter nach Mathura und traf dort auf Swami Virajananda, einen berühmten Sannyasin. Dieser war von Geburt her ein Punjabi und zudem ein großartiger Gelehrter in Sanskrit, war aber durch eine Pockenepidemie blind geworden. Swami Virajananda verbrachte einen Großteil seiner Zeit in tiefer Meditation. Er war sehr barsch und streng.
Die Verbindung zwischen Swami Dayananda und Swami Virajananda sollte den weiteren Lebensweg von Swami Dayananda bestimmen. Die bedeutende Arbeit, welche Swami Dayananda leistete, gelang ihm nur mit Hilfe der inspirierenden Persönlichkeit Swami Virajanandas. Swami Virajananda schlug sogar einige Male Swami Dayananda.
Swami Dayananda Saraswati diente seinem Guru gewissenhaft. Er holte für ihn Wasser von weit entlegenen Brunnen, fegte sein Zimmer aus und wusch auch seine Kleidungsstücke. Er lebte mit seinem Guru zweieinhalb Jahre lang.
Schließlich kam der Tag des Abschieds. Mit ein paar Nelken in der Hand ging Dayananda zu seinem Guru und sagte: "Mein ehrenwerter Guru, ich bin nur ein armer Mann und habe nichts anderes, was ich dir geben könnte." Swami Virajananda antwortete: "Ich sollte mich darum kümmern, dass du nicht mit leeren Händen dastehst, jetzt, wo wir uns trennen." Swami Dayananda erwiderte: "Ich habe alles, was es gibt, oh ehrenwerter Meister." Virajananda sagte darauf: "Schau, dass du die Ausbildung, die du bekommen hast, angemessen nutzt. Verbreite dein Wissen überall, wohin du gehst. Hilf, die Dunkelheit aufzulösen. Die Hindus haben vergessen, was ihre wahre Religion ist. Lehre sie die wahre Religion der Veden."
Dayananda verbeugte sich mit großer Ehrfurcht vor seinem Guru und legte das Gelöbnis ab, sein Leben nur der Sache der Wiederbelebung der vedischen Religion widmen zu wollen. Er nahm Abschied von seinem Guru und begann gleich mit seiner Arbeit. Swami Dayananda reiste nach Agra und hielt dort einige Vorträge. Dann ging er weiter nach Gwalior und Jaipur. Der Maharaja von Jaipur hieß den Swami dort enthusiastisch und mit großer Ehrerbietung willkommen.
Dayanda hielt Vorträge in Hardwar, Varanasi und KalKutta. Er traf Debendranath Tagore und Babu Keshab Chandra Sen. Seine Vorträge hielt er in Sanskrit und in Hindi. Er sprach sich gegen eine Verehrung von Götzenbildern aus und traf dafür auf harten Widerstand aus den Reihen der orthodoxen Pandits.
Swami Dayananda hielt weitere Vorträge in Allahabad und Bombay. In Bombay gründete er den ersten Arya Samaj. Darauf ging er nach Puna und hielt da eine Reihe von Vorträgen im Hindu Club Gebäude. Die Pandits verdammten ihn und seine Lehren. Er wurde sogar körperlich angegriffen, aber die noch rechtzeitig zu Hilfe gerufene Polizei konnte sein Leben retten.
Danach reiste Dayananda weiter nach Punjab. In Lahore konnte er große Erfolge verbuchen. In fast jeder größeren Stadt in Punjab gründete er Samajas. Dann ging er weiter nach Uttar Pradesh und Rajasthan und propagierte dort weiter seine Lehren. Es begab sich, dass zu der Zeit der Maharaja von Jodhpur, Jaswant Singh, auf die schiefe Bahn geraten war. Er war unter den Einfluss einer Frau geraten, welche nicht spirituell sondern eher weltlich ausgerichtet war. Dayananda gelang es, den Maharaja zu überzeugen, diese Frau zu verlassen. Daraufhin vergiftete die Frau das Essen des Swamis. So geschah es, dass Dayananda am 30. Okt.1883 in der Nacht des Lichterfestes Deepavali verstarb.
Swami Dayananda war ein logisch denkender Mensch ohne wirklichen Kontrahenten; als Diskutant suchte man vergeblich seinesgleichen. Seine Argumentationsstärke war absolut bewundernswert. Er war ein großartiger Erzähler.
Das Buch Satyarth Prakash (Darstellung der Bedeutung von Wahrheit) ist weltbekannt und enthält die Lehren von Swami Dayananda.
Der Arya Samaj hat in Indien Großes auf dem Gebiet der Sozialleistungen ereicht. Aus verschiedenen Zentren sind Schulen, Hochschulen und Waisenheime hervorgegangen. Das Kangri Gurukul und die D.A.V. Universität in Dehra Dun sind sehr gute Institutionen. Swami Shraddhananda, ein Schüler von Swami Dayananda gründete das Kangri Gurukul. Er begründete auch die Suddha Bewegung, welche eine Vielzahl von Anhängern zurückgewann, die Christen oder Moslems geworden waren.
Swami Shraddhananda war ein Mann mit einer sehr unabhängigen Denkweise. Er war mutig genug, etwas, was ihm irrational vorkam, in aller Öffentlichkeit abzulehnen. Er hatte einen äußerst dynamischen Charakter und war sehr tatkräftig. Sein tiefes spirituelles Streben und sein starker Durst nach Wahrheit trugen dazu bei, dass er allem Weltlichen entsagte und sich ganz dem Studium der Veden, gründlicher Moral und spiritueller Selbstdisziplin widmete.
Swami Shraddhananda schrieb einen lehrreichen Kommentar zu dem Rig Veda. Für eine lange Zeit war er Leiter der Arya Samaj. Sein frommer Charakter, seine dynamische Persönlichkeit, sein allumfassendes Herz, seine starke Liebe für Land und Leute sowie sein außergewöhnliches Organisationstalent trugen stark dazu bei, dass sich die Aktivitäten des Arya Samaj ausweiten konnten. Shraddhananda starb im Jahre 1926 im Alter von 71 Jahren den Tod eines Märtyrers.
Lehren von Swami Dayananda
1. Die Quelle allen wahren Wissens ist das Höchste Wesen.
2. Gott ist allumfassende Wahrheit und Schönheit. Er ist allgegenwärtig, allmächtig und allwissend. Er ist formlos, gerecht, wohlwollend, ungeboren, anfangslos, unendlich und endlos, unveränderlich, die Grundlage von allem, unvergänglich und unverweslich, angstlos, ewig, einzig und allein Schöpfer des gesamten Universums. Nur ihm allein gilt alle Verehrung.
3. Der Veda ist die Schrift des wahren Wissens. Es ist vorrangige Pflicht jedes Ariers, den Veda zu hören, zu lernen, zu lehren und zu predigen.
4. Akzeptiere die Wahrheit und löse dich von der Unwahrheit.
5. Richte deine Handlungen nach dem Dharma aus, nachdem du reichlich über richtig und falsch nachgedacht hast..
6. Das Hauptziel von Arya Samaj ist Gutes für die Welt zu tun, um physisch, sozial und spirituell das Gute für jedes Wesen zu fördern.
7. Dein Umgang mit allem sollte von Liebe, Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit geprägt sein.
8. Zerstöre Unwissenheit und fördere physischen und spirituellen Einsatz und Service.
9. Suche nach deinem Guten in dem Guten aller.
10. Befolge die Gesetze der Gesellschaft, welche mit bestem Gewissen gemacht wurden, um das Wohlergehen aller zu gewährleisten und zu fördern.