Nyayas
Nyayas sind Analogien, Beispiele, Veranschaulichungen. In Yoga und Vedanta werden gerne Analogien, Nyayas, verwendet, um abstrakte Wahrheiten, philosophische Konzepte zu verdeutlichen. Nyayas eignen sich auch, um spirituelle Erfahrungen, Aufgaben und Prinzipien zu verdeutlichen.
Nyayas als Verdeutlichung der Vedanta Lehre
Aus: Swami Sivananda [1]: Vedanta für Anfänger
Die Philosophie des Vedanta lehrt man am besten durch Nyayas, praktische Beispiele aus dem täglichen Leben, denn sie ist abstrakt und für den begrenzten Intellekt nicht leicht zu verstehen. Die Hauptaussage des Vedanta ist, dass nur Brahman existiert, die Welt der Erscheinungen nicht real ist und dass die individuelle Seele nichts anderes als Brahman selbst ist. Diese seltsam anmutende Theorie kann von normalen Menschen mit geringer Auffassungsgabe, die in dieser relativen Welt der Unwissenheit gefangen sind, nicht verstanden werden. Sie erhalten daher die Unterweisung in diese höchst erhabene Lehre durch für sie geeignete Veranschaulichungen, Beispiele, die Nyayas. Dadurch können sie ihren Verstand allmählich aus mehreren Blickwinkeln auf die Realität ausrichten.
Die klassischen Nyayas
Klassische Nyayas sind die Nyayas, die in den Vedanta Schriften von Shankara und anderen Vedantins verwendet werden. Sie sind unter ihrem Sanskrit-Namen bekannt.
Rajjusarpa-Nyaya
Im Dunkeln tritt ein Mann auf ein Seil, hält es aber irrtümlich für eine giftige Schlange, springt auf und schreit vor Angst. Sein Herz pocht. Aber wenn ihm ein Freund ein Licht reicht, sieht er, dass es keine Schlange ist, sondern ein Seil. Sofort verschwindet seine Angst. Dies veranschaulicht die unwirkliche Natur der Welt als Überlagerung auf das höchste Brahman. Brahman ist die Wirklichkeit und die Welt ist nur eine Projektion auf Brahman, so wie die Schlange eine Projektion auf das Seil ist.
Mrigatrishna-Nyaya
In der Wüste sieht ein Reisender am Mittag eine Fata Morgana, bestehend aus Wasser, Wiesen, Bäumen und schönen Häusern. Er glaubt an die Existenz des Gesehenen und läuft darauf zu. Aber je näher er der Oase kommt, desto mehr scheint sich der Ort von ihm zu entfernen. Um die Oase zu erreichen, verlässt er seinen ursprünglichen Pfad und wandert tiefer und tiefer in die Wüste hinein. Dann begreift er plötzlich seinen Fehler, für eine bloße Täuschung vom Weg abgekommen zu sein, und kann von nun an nie wieder von einer solchen Erscheinung getäuscht werden. Bezogen auf die Vedanta veranschaulicht diese Geschichte die trügerische Natur des Universums. Die individuelle Seele glaubt, im Universum durch den Genuss von Sinnesobjekten Freude zu erlangen. Erkennt die Seele nun durch Jnana Wissen über das höchste Selbst, dass diese Welt gar nicht real ist und dass sie einen Fehler gemacht hat, den wahren Pfad der Vollkommenheit zu verlassen, so gibt sie den falschen Pfad auf und folgt dieser Täuschung eines Lebens voller Sinnesfreuden nicht länger. Die Welt ist nur eine Erscheinung so wie die Fata Morgana, die ein Effekt der Sonnenstrahlen ist.
Shuktirajata-Nyaya
Dieses Beispiel ähnelt ‘Akashanilima Nyaya’ oder ‘Stambha Nara Nyaya’. All diese ähneln auch Rajjusarpa Nyaya. Sie alle veranschaulichen die Projektion des Unwirklichen auf das Wirkliche. Perlmutt wird mit reinem Silber verwechselt, der eigenschaftslose Himmel erscheint blau, der Pfosten wird nachts für einen Menschen gehalten. Das Wissen über das höchste Brahman - die Realität, folgt dem rechten Verstehen durch Unterscheidung, Geduld, Ausdauer, Entsagung und Meditation. Die Welt ist eine Erscheinung Brahmans, so wie der auf den Pfosten projizierte Mensch nur eine Erscheinung des Pfostens ist und das Silber im Perlmutt eine Erscheinung des Perlmutts darstellt.
Kanakakundala-Nyaya
Dies ähnelt ‘Mrittika Ghata Nyaya’ und der Analogie von Eisen und Werkzeug. Alle Ornamente werden aus dem gleichen Gold gefertigt, aber sie unterscheiden sich in ihrer Form. In Wahrheit bestehen sie alle aus Gold. Es gibt viele Gefäßarten wie Krüge, Töpfe, Kessel, kleine und große, runde und schmale, mit vielen Formen. Aber sie bestehen letztlich nur aus Ton. Viele Arten von Werkzeugen werden hergestellt, mit vielen Formen und Einsatzmöglichkeiten, aber alle bestehen in Wahrheit nur aus Eisen. Ihre Namen und Formen sind falsch, weil sie in Wahrheit nur die ursprüngliche Substanz sind, nämlich das Gold, der Ton oder das Eisen. Dies soll veranschaulichen, dass die vielen Namen, Formen und Inhalte dieser Welt einfach falsch sind, weil sie ihrer Wesenheit nach alle nur Brahman sind. Nur Brahman erscheint uns in den vielen Namen und Formen.
Samudrataranga-Nyaya
Im weiten Ozean sind zahllose Wellen. Jede Welle ist von den anderen verschieden und kann separat wahrgenommen werden. Aber sie alle sind nur Wasser and vom großen Ozean nicht zu trennen. In der Realität sind sie alle eins. Die Unterschiede existieren nur scheinbar. Dies soll zeigen, dass alle individuellen Seelen, auch wenn sie anscheinend getrennt voneinander existieren, in Wahrheit der eine Ozean aus Satchidananda (Sein, Wissen, Wonne) und mit ihm identisch sind. Es gibt weder Unterschiede noch Vielfalt.
Sphatikavarna-Nyaya
Dies ist das Gleichnis von den Farben im Kristall. Der Sphatika (Kristall) ist rein und hat keine eigene Farbe. Aber wenn ein farbiges Objekt in seiner Nähe ist, reflektiert er dessen Farbe und scheint diese Farbe tatsächlich zu haben, sei es Blau, Rot oder was auch immer. Auf dieselbe Weise ist Brahman oder Atman farblos, makellos und eigenschaftslos, aber die Upadhis, die begrenzenden Eigenschaften, lassen Brahman als ein Phänomen voller unterschiedlicher Eigenschaften, Namen und Formen erscheinen.
Padmapatra-Nyaya
Dies ist das Gleichnis vom Lotusblatt und dem Wasser. Regenwasser perlt vom Lotusblatt ab. Das Wasser haftet nicht an dem Blatt. Auf gleiche Weise ist Atman bzw. Brahman makellos, auch wenn zahllose Welten innerhalb von Brahman existieren und zahllose Wesen von Brahman in die Welt eingebracht worden sind.
Vatagandha-Nyaya
Der Wind trägt jeden Duft und verbreitet ihn überall hin. Aber die Luft selbst ist rein und weder durch schlechte Gerüche verunreinigt noch durch angenehme Gerüche angereichert. Dieser Vergleich ähnelt obigem Gleichnis vom Lotusblatt und dem Wasser, um zu verdeutlichen, dass Atman bzw. Brahman unverhaftet sind, auch wenn viele Namen, Formen und Taten in der phänomenalen Welt erscheinen.
Urnanabhi-Nyaya
Die Spinne erzeugt im Mund die Fäden, um ihr Netz zu spinnen und zieht diese wieder in ihren Mund zurück. Aber das Netz ist nichts als der Körper selbst und ist eins mit ihm. Genauso ist diese Welt von Brahman hervorgebracht und projiziert und wird von ihm eines Tages wieder aufgelöst. Die Welt ist nichts außer das Wesen Brahmans. Dies zeigt, dass nur Brahman real ist.
Surya-Bimba-Nyaya
Die Welt wird durch eine einzige Sonne erhellt. Durch Reflektionen in Teichen, Becken, Flüssen, Spiegeln etc. kann der Eindruck entstehen, dass es viele Sonnen gibt. Die Sonne wird in allen Gewässern gespiegelt, aber es gibt in Wahrheit nur eine Sonne. Es gibt auch nur ein höchstes absolutes Sein, das unendliche Brahman, aber diese eine Realität wird durch die Upadhis (Verhüllung) der Maya und Avidya (Unwissenheit) als verschiedene Welten und individuelle Seelen reflektiert. Das ist falsch, weil es nur Reflektionen, Spiegelungen, sind. In Wahrheit ist alles eins.
Ghatakasha-Nyaya
Es gibt das Gleichnis vom Raum in einem Glas. Auf der einen Seite gibt es den Raum, der das ganze Universum ausfüllt. Und da ist der gleiche Raum innerhalb eines Glases. Aber der Raum in dem Glas kann vom restlichen Raum unterschieden werden, weil er durch das Glas abgegrenzt ist. Der Raum im Glas ist durch das Glas in keinster Weise verändert. Sollte das Glas zerbrechen, so vereinigt sich der Raum wieder mit dem großen Raum, ohne sich in der Zwischenzeit verändert zu haben. Genauso ist der Atman (höheres Selbst) im Individuum durch Geist und Körper begrenzt, aber in Wirklichkeit eins mit dem Paramatman, der höchsten Seele. Wenn der Körper zerfällt und der Geist sich auflöst, wird der Atman wieder eins mit dem höchsten Brahman, ohne sich vorher von der Begrenzung durch den Geist oder durch den Körper auch nur im geringsten verändert zu haben.
Bhramara-Kita-Nyaya
Man sagt über die Wespe, dass sie die Insekten, die sie zu ihrem Wespennest bringt, mit ihrem Stich derart vergiftet, dass die Insekten zu jeder Zeit nur noch die Anwesenheit der Wespe wahrnehmen. Man könnte sagen, die Insekten meditieren über die Anwesenheit der Wespe und werden dadurch sozusagen selbst zu Wespen. Dies soll zeigen, dass durch Meditation über das Mantra „Aham Brahma Asmi“ oder „Ich bin Brahman“ die individuelle Seele letztlich zu Brahman selbst wird.
Dagdhapata-Nyaya
Dies ist das Gleichnis vom verbrannten Stück Stoff. Wenn Stoff verbrannt ist, hat er seine Form nicht verändert. Aber durch die leichteste Berührung mit der Hand zerfällt er zu Staub. So ist auch der Körper des Jnani oder Jivanmukta (im Körper Befreiter) beschaffen. Er besitzt keinen Körper, sondern es verhält sich wie mit dem verbrannten Stück Stoff. Die Form erscheint uns zwar, aber sie ist nicht real. Der Körper wurde durch das Feuer der Weisheit verbrannt und es ist kein Ego da, um ihn zu erhalten. Der Jnani ist frei von weltlichen Makeln. Er macht den Eindruck, einen Körper zu haben und erlangt Sadyo-Mukti (sofortige Befreiung) oder Kaivalya-Mukti (individuelle Befreiung).
Arundhati-Nyaya
Um jemandem den Stern Arundhati am Himmel zu zeigen, weist man zuerst zu einem großen, besser erkennbaren Stern in dessen Nähe und behauptet, dies wäre bereits Arundhati. Dann wird diese Behauptung zurückgenommen und der tatsächliche Stern in dessen Nähe gezeigt. So erhält auch der spirituelle Aspirant zuerst äußere Methoden durch Dienst und Anbetung von göttlichen Formen, um sich der Realität anzunähern. Danach wird er schrittweise zur höchsten Wahrheit geführt, die formlos und unpersönlich ist.
Bija-Vriksha-Nyaya
Der Samen ist die Ursache für den Baum und der Baum ist die Ursache für den Samen. Niemand kann sagen, was die letzte Ursache von wem ist. Dies soll zeigen, dass jede Frage und jedes Argument eine Gegenfrage und ein Gegenargument mit sich bringen. Jedes „dies hier“ ist auch ein „das dort“. Die ganze Welt unterliegt der Relativität. Die letzte Wahrheit ist die Stille, die Dakshinamurti (Shiva-Aspekt als Lehrer des Jnana) lehrte.
Markata-Kishora-Nyaya
Das Affenbaby ergreift aktiv die Brust seiner Mutter und verweilt dort auch in Zeiten höchster Gefahr. Es verlässt sich für die eigene Sicherheit nicht passiv auf die Mutter, sondern kämpft für sich selbst. Dies verdeutlicht den Weg des Aspiranten auf dem Pfad des Jnana-Sadhana. Er verlässt sich nicht auf äußere Hilfe oder Gnade für seine Befreiung, sondern bemüht sich selbst und erreicht das Wissen um das Selbst.
Ashma-Loshta-Nyaya
Dies ist das Gleichnis von Stein und Lehm. Verglichen mit Wolle ist Lehm sehr hart, aber verglichen mit Stein ist er weich. Dies zeigt, dass Dinge im Vergleich zu besseren Dingen schlecht erscheinen mögen. Oder sie erscheinen gut, verglichen mit niedrigeren Dingen. Die Dinge selbst besitzen also keine ihnen innewohnende Qualität. Es gibt keine Vielheit. Unterschiede existieren bloß in der Vorstellung.
Kakadanta-Nyaya
Dies ähnelt Vandhya-putra-Nyaya, Gaganaaravinda-Nyaya, Gandharvanagara-Nyaya oder Shashavishna-Nyaya. Es bringt gar nichts, nach den Zähnen einer Krähe zu suchen, weil sie keine Zähne hat. Genauso ist es mit dem Sohne einer unfruchtbaren Frau, einem Lotus im Himmel, einer Stadt in den Wolken und den Hörnern eines Hasen. Folglich ist es sinnlos, nach den Widersprüchen und Mysterien der Existenz zu fragen, wie z.B.: „Warum hat ein perfekter Gott eine unvollkommene Welt erschaffen?“ etc., denn in Wahrheit gibt es keine Veränderung und keine Schöpfung. Diese Fragen kommen so lange auf, wie die Sonne der Weisheit noch nicht am Horizont aufgegangen ist.
Dandapoopa-Nyaya
Wenn viele Kekse an einen Stock gebunden sind und gesagt wird: „Der Stock ist weg und kann nicht mehr gefunden werden“, so bedeutet dies automatisch, dass auch die Kekse verschwunden sind. So vergehen auch alle Zweifel und Begierden, sobald wir begreifen, dass die Existenz ewig, unendlich, ohne Veränderung, ungeteilt, intelligent und glückselig ist! Zweifel und Wünsche steigen nur auf, wo es Veränderungen und Werden gibt.
Kshaurikaputra-Nyaya
Einst bat der König einen Barbier, ihm den schönsten Jungen im Königreich zu bringen. Aber im ganzen Land konnte der Barbier keinen wirklich schönen Jungen finden. Dies war ihm sehr unangenehm und er kehrte unzufrieden nach Hause zurück. Dort sah er seinen Sohn. Dieser war eigentlich die personifizierte Hässlichkeit, aber für den Barbier war er der schönste Junge in der ganzen Welt und so brachte er ihn zum König. Dies veranschaulicht, dass wir all das für das Beste und Wertvollste halten, für das wir die meiste Zuneigung und Anhaftung besitzen. Menschen lieben die Welt, weil sie an ihr haften. Jeder einzelne ist in seiner eigenen begrenzten individuellen Erfahrung eingesperrt.
Visha-Krimi-Nyaya
Würmer, die in giftigen Substanzen leben, sind davon unbeeinflusst und können dort glücklich leben. Ein Ding kann also für jemanden wertlos sein, aber sehr nützlich für jemand anderen und für einen Weiteren das Wichtigste, wonach er strebt und umgekehrt. Die Wesen dieser Welt sind in der Welt glücklich, weil sie nichts Höheres kennen.
Kakataliya-Nyaya
Eine Krähe setzte sich auf eine Palmyrapalme. In dem Moment fiel eine Frucht des Baumes herunter und tötete die Krähe. Die fallende Frucht hatte nichts mit dem Hinsetzen des Vogels zu tun. Das Zusammentreffen beider Ereignisse war rein zufällig. Dies soll die Natur zufälliger Ereignisse veranschaulichen. Die Yoga Vasishtha (Jnana-Schrift) sagt, dass die Erscheinung einer gemeinsamen Welt für alle individuellen Seelen, die jeweils in ihrer eigenen unabhängigen Welt leben, ein vergleichbarer Zufall ist - ohne tiefere Bedeutung oder Ursache.
Modernere Nyayas
Butter in Milch
Butter ist in Milch vorhanden. Aber wo befindet sie sich? Sie kann als solche nicht wahrgenommen werden. Trotzdem ist sie überall vorhanden – in jedem Tropfen. Es gibt keine Milchpartikel in denen Butter nicht vorhanden wäre. Auf gleiche Weise ist Brahman überall vorhanden und es gibt keinen noch so kleinen Ort, wo Brahman nicht ist. Es ist die Essenz der Existenz und doch für einen weltlich-orientierten Menschen nirgends zu sehen. Dies verdeutlicht die Allgegenwart von Brahman.
Feuer im Holz
Feuer ist in jedem Holzstück bereits latent vorhanden, so wie die Butter in der Milch. In allen Hölzern existiert nur ein Feuer, aber sobald es sichtbar wird, unterscheidet es sich bezüglich Name, Form und Ablauf. Brahman, die Realität hinter allen Dingen, erscheint auch mannigfach in Bezug auf Name, Form und Handlung in all den individuellen Seelen und zahllosen Welten. Aber in Wahrheit ist es eins und erscheint uns nur irrtümlich in dieser Vielheit.
Rauch und Feuer
Rauch entsteigt dem Feuer. Der dichte Rauch umhüllt das helle Feuer und so ist es nicht mehr sichtbar. Aber der Rauch entstammt dem Feuer und ist somit ein Teil des brennenden Feuers. Er ist eins mit dem Feuer. Auf ähnliche Weise entstammt die Illusion (Maya) aus Brahman und verdeckt es, so dass Brahman nicht wahrgenommen werden kann und die Vielheit und die Unterschiede tatsächlich zu existieren scheinen. Aber Maya ist eins mit Brahman und eine bloße Erscheinung Brahmans, des strahlenden, glückseligen Bewusstseins.
Kette und Faden
Ein Halsband besteht aus vielen Perlen unterschiedlicher Form, aber es gibt einen Faden, der sie zu einer Einheit verbindet. Der Faden ist der wichtigste Halt und das Wesen der Kette. Genauso ist das höchste Brahman das verbindende Lebensprinzip in allen individuellen Seelen und Welten. Es vereinigt die gesamte Existenz und ist der Halt und die Wesenheit aller Dinge.
Tragen von Kleidung
Alte gebrauchte Kleidung wird weggeworfen. Neue Kleidung wird angezogen. In der Bhagavad Gita wird damit gezeigt, wie die individuelle Seele einen alten verbrauchten Körper wegwirft und einen neuen annimmt. Daher stirbt die individuelle Seele niemals.
Das Chamäleon
Ein Chamäleon passt seine Farbe der Farbe der Umgebung an. Wer das Chamäleon in Rot sieht, behauptet, dass das Tier rot sei. Wer es in Grün gesehen hat, wird behaupten, dass es grün sei. Aber wer das Chamäleon aufmerksam längere Zeit unter den Bäumen beobachtet hat, kennt all seine Farben und hat keine Zweifel mehr über die wahre Natur seiner Farbe. Dies zeigt, dass die Menschen Gott nur teilweise verstehen und sich untereinander darüber streiten, was richtig und falsch ist. Gott ist dies, Gott ist das usw. Ein Brahma-Jnani, der in Stille die Natur des gesamten Seins beobachtet hat, kennt seine wahre Natur. Er hat keine Zweifel mehr über die Natur des Absoluten.
Wasser und Salz
Ein Salzkorn fällt in ein großes Wassergefäß, löst sich auf und ist für das Auge nicht mehr wahrnehmbar. Jeder Tropfen Wasser schmeckt nun salzig. Auf gleiche Weise löst sich die individuelle Seele durch die gewonnene Weisheit in „Sein-Wissen-Glückseligkeit“ auf und wird eins mit Allem. Alles wird als höchste Glückseligkeit erfahren und ist überall gleich.
Zwei Dornen
Wenn ein Dorn im Bein steckt, kann er mit einem anderen Dorn vorsichtig entfernt werden. Anschließend werden beide Dornen weggeworfen und das Problem ist beseitigt. Genauso sollten durch gute Eigenschaften und wahres Wissen die negativen Eigenschaften und Unwissenheit entfernt werden. Nachdem man Frieden gefunden hat, muss man beides loslassen und alle Unterschiede transzendieren.
Schwert und Stein der Weisen
Nach der Berührung mit dem Stein der Weisen ist das scharfe Eisen eines Schwertes zu Gold geworden. Nun sieht es noch wie ein Schwert aus, kann aber nicht mehr schneiden. Auch das Ego eines Siddha-Jnani (verwirklichter Weiser) oder Jivanmukta (in diesem Körper Befreiter) mag wie ein Individuum erscheinen und einen Körper bewohnen, bindet ihn aber nicht mehr an den Kreislauf der Wiedergeburt. Denn er ist durch die Berührung der höchsten Weisheit des Absoluten zu Shuddha-Sattva (höchste Reinheit) transformiert.
Kronleuchter und Elektrizität
Viele verschieden geformte Glühbirnen mit unterschiedlichen Farben befinden sich in einem Kronleuchter. Aber die Grundlage für das Leuchten, die grundlegende Kraft hinter dieser Erscheinung, ist die Elektrizität. Sie hat weder Farbe noch Unterschiede. Genauso gibt es verschiedenste Welten und Kreaturen facettenreichster Namen und Formen. Aber sie alle haben ihre Wurzeln in der einen Kraft, dem höchsten Brahman, das eigenschaftslos und unteilbar, namenlos und formlos ist.
Zwei Vögel
Zwei Vögel leben als Gefährten im selben Baum. Einer von ihnen isst die süßen Früchte des Baumes und verliert sich dadurch allmählich in Anhaftung und Täuschung. Der andere Vogel hingegen isst nichts davon und bleibt ein ewiger Zeuge. Von dieser Analogie wird im Rigveda (einer der vier Veden) und der Mundaka Upanishad berichtet. Sie zeigt, dass sowohl die individuelle Seele als auch der Paramatman (das höchste Selbst) in demselben Körper wohnen, aber die Seele genießt die Freuden und Leiden der relativen Existenz und entwickelt Anhaftung, wohingegen der Paramatman (Kutastha), die höchste Seele, Zeuge bleibt und für immer im Absoluten existiert.
Der Mann mit der Halskette
Ein Mann trägt eine goldene Halskette um den Hals. Aber vor lauter Aufregung und Verwirrung sucht er eines Tages überall nach seiner Kette. Völlig in Eile sucht er mal hier und mal dort, kann sie aber nirgends finden. Sie ist ja bereits um seinen Hals. Auf gleiche Weise sucht die individuelle Seele Perfektion und Glückseligkeit überall in der Außenwelt und vergisst, dass Brahman ihre wahre Natur ist und sie identisch mit Brahman ist.
Seidenraupe und Kokon
Die Seidenraupe spinnt sich selbst mit dem Faden aus ihrem Mund einen Kokon. Durch Unwissenheit und Anhaftung bindet sich die individuelle Seele auf gleiche Weise fest und leidet unter dieser Bindung an die körperliche Existenz mit ihren vielen Geburten und Toden.