Hinduistische Literatur: Unterschied zwischen den Versionen
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Chr.) zurückführen und eine auf Siegeln eingeritzte Figur als [[Yogi|Yogī]] oder [[Gott]] [[Shiva|Śiva]] interpretieren, | Chr.) zurückführen und eine auf Siegeln eingeritzte Figur als [[Yogi|Yogī]] oder [[Gott]] [[Shiva|Śiva]] interpretieren, | ||
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Mitglieder des Priesterstandes. Der Veda wurde und wird teilweise noch heute mündlich | Mitglieder des Priesterstandes. Der Veda wurde und wird teilweise noch heute mündlich | ||
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(1526-1857 n. Chr.) statt. Es gibt vier Vedas, die jeweils einer anderen Priestergruppe | (1526-1857 n. Chr.) statt. Es gibt vier Vedas, die jeweils einer anderen Priestergruppe | ||
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#Ṛgveda (Aussprache Rigveda): 'das Wissen, das in den Versen, ṛc, besteht,' | #Ṛgveda (Aussprache Rigveda): 'das Wissen, das in den Versen, ṛc, besteht,' Sammlung von 1028 Hymnen an vielerlei [[Gottheiten]], verfaßt von verschiedenen [[Weise]]n (ṛṣi-s, m.). | ||
Sammlung von 1028 Hymnen an vielerlei Gottheiten, verfaßt von verschiedenen | #Sāmaveda: 'das Wissen, das in den Melodien, sāman, besteht,' die Lieder sind hauptsächlich die des Ṛgveda, nur ca. 75 sind neu. | ||
(ṛṣi-s, m.). | #[[Yajurveda]] (Aussprache Yadschurveda): 'das Wissen, das in den Opfersprüchen, [[yajus]], besteht,' enthält auch Abschnitte in Prosa. | ||
#Sāmaveda: 'das Wissen, das in den Melodien, sāman, besteht,' die Lieder sind | #[[Atharvaveda]]: 'Wissen der Atharvans,' einer bestimmten Priestergruppe, enthält teils ähnliche Hymnen wie der Ṛgveda, teils Zaubersprüche für alle Lebenslagen. | ||
hauptsächlich die des Ṛgveda, nur ca. 75 sind neu. | |||
#Yajurveda (Aussprache Yadschurveda): 'das Wissen, das in den Opfersprüchen, | |||
yajus, besteht,' enthält auch Abschnitte in Prosa. | |||
#Atharvaveda: 'Wissen der Atharvans,' einer bestimmten Priestergruppe, enthält | |||
teils ähnliche Hymnen wie der Ṛgveda, teils Zaubersprüche für alle Lebenslagen. | |||
Jeder Veda besteht aus vier Teilen, die, grob gesehen, einer historischen Abfolge entsprechen | Jeder [[Veda]] besteht aus vier Teilen, die, grob gesehen, einer historischen Abfolge entsprechen | ||
und sich gelegentlich auch überschneiden: | und sich gelegentlich auch überschneiden: | ||
#Saṃhitā-s: 'Zusammenstellungen, Sammlungen.' | #Saṃhitā-s: 'Zusammenstellungen, Sammlungen.' | ||
#Brāhmaṇa-s: Ritualwissen, Erklärungen (nicht Beschreibungen) der Opferhandlungen. | #Brāhmaṇa-s: Ritualwissen, Erklärungen (nicht Beschreibungen) der Opferhandlungen. | ||
#Ᾱraṇyaka-s: 'zur Wildnis gehörig,' wie Brāhmaṇas, zu solchen | #Ᾱraṇyaka-s: 'zur Wildnis gehörig,' wie Brāhmaṇas, zu solchen [[Opfer]]n, die magisch so gefährlich sind, daß man die Texte nur in der Wildnis (araṇya) rezitieren kann. | ||
so gefährlich sind, daß man die Texte nur in der Wildnis (araṇya) rezitieren kann. | #Upaniṣad-s: von upa-ni-ṣad, 'sich in die Nähe( eines [[Lehrer]]s) setzen,' wohl gebraucht im Sinn von '[[esoterisch]]em Wissen.' Sie werden auch Vedānta, Ende des Veda genannt. Vedisch sind ca. 15 Upaniṣads, es gibt allerdings rund 200, deren Abfassung teilweise bis ins 2. Jt. n. Chr. reicht. | ||
#Upaniṣad-s: von upa-ni-ṣad, 'sich in die Nähe( eines | |||
im Sinn von ' | |||
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==Smṛti (ab ca. 500 v.Chr.)== | ==Smṛti (ab ca. 500 v.Chr.)== | ||
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zentrales Thema ist der dharma, richtiges Verhalten. | zentrales Thema ist der dharma, richtiges Verhalten. | ||
#Mahābhārata: Geschichte der verfeindeten Vettern Kaurava und Pāṇḍava, umrankt | #Mahābhārata: Geschichte der verfeindeten Vettern Kaurava und Pāṇḍava, umrankt von zahlreichen Erzählungen, philosophischen Abhandlungen (wie z.B. Bhagavadgītā) | ||
von zahlreichen Erzählungen, philosophischen Abhandlungen (wie z.B. Bhagavadgītā) | |||
etc. Nach traditioneller Auffassung ist der Weise Vyāsa der Verfasser. | etc. Nach traditioneller Auffassung ist der Weise Vyāsa der Verfasser. | ||
#Rāmāyaṇa: Geschichte des Prinzen Rāma, seiner Frau Sītā und ihrer Wiedergewinnung | #Rāmāyaṇa: Geschichte des Prinzen Rāma, seiner Frau Sītā und ihrer Wiedergewinnung aus der Gefangenschaft beim Dämonen Rāvaṇa. Als Verfasser gilt Vālmīki. | ||
aus der Gefangenschaft beim Dämonen Rāvaṇa. Als Verfasser gilt Vālmīki. | |||
Purāṇa ('alt,' 'das Alte'), seit ca. 4. Jh. n. Chr. | ==Purāṇa ('alt,' 'das Alte'), seit ca. 4. Jh. n. Chr.== | ||
Die Purāṇas enthalten Mythen zu Entstehen und Vergehen der Welt, Königsgenealogien, | Die Purāṇas enthalten Mythen zu Entstehen und Vergehen der [[Welt]], Königsgenealogien, | ||
Legenden, Abhandlungen zu Recht, Kunst, Medizin etc. Oft steht eine bestimmte Gottheit | Legenden, Abhandlungen zu [[Recht]], [[Kunst]], [[Medizin]] etc. Oft steht eine bestimmte [[Gottheit]] | ||
im Mittelpunkt des Werks. Nach traditioneller Zählung gibt es 18 Haupt- und eine | im Mittelpunkt des Werks. Nach traditioneller Zählung gibt es 18 Haupt- und eine | ||
große Anzahl Nebenpurāṇas. Besonders wichtig sind das Mārkaṇḍeya-Purāṇa mit dem | große Anzahl Nebenpurāṇas. Besonders wichtig sind das Mārkaṇḍeya-Purāṇa mit dem | ||
Mythos Durgās als Dämonentöterin, und das Bhāgavatapurāṇa mit Geschichen von | Mythos Durgās als Dämonentöterin, und das Bhāgavatapurāṇa mit Geschichen von | ||
Kṛṣṇas Kindheit und Jugend in der heute autoritativsten Fassung. | Kṛṣṇas Kindheit und Jugend in der heute autoritativsten Fassung. | ||
==Sektarische Literatur== | |||
Ᾱgamas, Tantras, seit 3. Jh. bzw. seit 9. Jh. n. Chr. | Ᾱgamas, Tantras, seit 3. Jh. bzw. seit 9. Jh. n. Chr. | ||
Die Begriffe Ᾱgama und Tantra sind oft austauschbar, allerdings liegt der Schwerpunkt | Die Begriffe Ᾱgama und [[Tantra]] sind oft austauschbar, allerdings liegt der Schwerpunkt | ||
der Ᾱgamas auf eher äußerlicher Verehrung von Gottheiten, Tempelbau, Weihung von | der Ᾱgamas auf eher äußerlicher Verehrung von Gottheiten, Tempelbau, Weihung von | ||
Götterfiguren, Festen usw., während in den Tantras meist Aspekte persönlicher Praxis | Götterfiguren, Festen usw., während in den Tantras meist Aspekte persönlicher Praxis | ||
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Nāth-Yogīs, die u.a. die Grundlagen für den heutigen Haṭhayoga legten. Darunter | Nāth-Yogīs, die u.a. die Grundlagen für den heutigen Haṭhayoga legten. Darunter | ||
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1250), Grundlagenwerk zum Nāth- bzw. Kuṇḍalinī-yoga. | #Siddhasiddhāntapaddhati, Gorakṣanātha/Gorakhnāth zugeschrieben (ca. 1000-1250), Grundlagenwerk zum Nāth- bzw. Kuṇḍalinī-yoga. | ||
#Gorakṣaśataka Gorakṣanātha zugeschrieben (ca. 1200-1250) | |||
#Haṭhayogapradīpikā von Svātmārāma Yogin (ca. 1350-1400) | |||
#Gheraṇḍasaṃhitā (ca. 1650-1700) | |||
#Śivasaṃhitā (ca. 1650-1700) | |||
#Ṣaṭcakranirūpaṇa von Pūrṇānanda (ca. 1600-1700), eine der ausführlichsten Beschreibungen der sechs cakras. | |||
der sechs cakras. | |||
Ungefähr im 10. Jh. entstand das Yogavāsiṣṭha, in dem die praktische Seite des Yoga in | Ungefähr im 10. Jh. entstand das Yogavāsiṣṭha, in dem die praktische Seite des Yoga in | ||
sieben Bhūmikās gefaßt ist (s. 2.13). Zwischen 1200 und 1600 liegt die Entstehungszeit | sieben Bhūmikās gefaßt ist (s. 2.13). Zwischen 1200 und 1600 liegt die Entstehungszeit | ||
der Yoga-Upaniṣads, die vorwiegend Spezialthemen des Kuṇḍalinī- und Haṭhayoga behandeln. | der Yoga-Upaniṣads, die vorwiegend Spezialthemen des Kuṇḍalinī- und Haṭhayoga behandeln. | ||
==Literatur in modernen Sprachen== | |||
Seit dem 6. Jh. n. Chr. in Südindien, verstärkt seit dem 13. Jh. in Mittel- und Nordindien, | Seit dem 6. Jh. n. Chr. in Südindien, verstärkt seit dem 13. Jh. in Mittel- und Nordindien, | ||
gewannen die Volkssprachen literarische Bedeutung. Dies war oft den sog. Dichterheiligen | gewannen die Volkssprachen literarische Bedeutung. Dies war oft den sog. Dichterheiligen | ||
zu verdanken, die mit ihren Liedern für das Aufblühen einer landesübergreifenden | zu verdanken, die mit ihren Liedern für das Aufblühen einer landesübergreifenden | ||
Frömmigkeit auch innerhalb solcher Bevölkerungsschichten sorgten, die keinen Zugang | [[Frömmigkeit]] auch innerhalb solcher Bevölkerungsschichten sorgten, die keinen Zugang | ||
zu Sanskrit hatten. Seit der Kolonialzeit kam eine Fülle von vorwiegend englischen | zu Sanskrit hatten. Seit der Kolonialzeit kam eine Fülle von vorwiegend englischen | ||
Übersetzungen aus dem Sanskrit und anderen | Übersetzungen aus dem Sanskrit und anderen [[indisch]]en Sprachen in den Westen, und | ||
selbständige Werke indischer Schriftsteller in Englisch entstanden. | selbständige Werke indischer Schriftsteller in Englisch entstanden. | ||
==Zur Geschichte des Yoga== | |||
Was Yoga anbelangt, so enthalten die vedischen Texte wenig, was den späteren Übungsmethoden | Was Yoga anbelangt, so enthalten die vedischen Texte wenig, was den späteren Übungsmethoden | ||
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(Yoga des Wissens, Handelns und der Hingabe) eingeführt werden. | (Yoga des Wissens, Handelns und der Hingabe) eingeführt werden. | ||
Im indischen Mittelalter traten die Nāth-yogīs hervor. Ihr Ansatz unterscheidet sich | Im indischen Mittelalter traten die Nāth-yogīs hervor. Ihr Ansatz unterscheidet sich | ||
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(1896) den Haṭhayoga als spirituell nutzlos bezeichnet, gelangte dieser in Indien zu | (1896) den Haṭhayoga als spirituell nutzlos bezeichnet, gelangte dieser in Indien zu | ||
ungeahnten Ehren seit Zeiten des Freiheitskampfes als einheimisches System der Körperertüchtig. | ungeahnten Ehren seit Zeiten des Freiheitskampfes als einheimisches System der Körperertüchtig. | ||
Veröffentlichungen wie | Veröffentlichungen wie [[Iyengar]]s 'Light on Yoga' oder Yogānandas 'Autobiography | ||
of a Yogi' trugen zur Globalisierung des Yoga bei. | of a Yogi' trugen zur Globalisierung des Yoga bei. | ||
Quellen | |||
Alter, J.S., Yoga in Modern India, Princeton University Press 2004 (bes. Kap. 5). | ==Quellen== | ||
Bhagavadgītā: translated by Alladi Mahadev Sastry, Madras (Samata Books) 1977 [=1901]. | *Alter, J.S., Yoga in Modern India, Princeton University Press 2004 (bes. Kap. 5). | ||
Briggs, George Weston, Gorakhnāth and the | *Bhagavadgītā: translated by Alladi Mahadev Sastry, Madras (Samata Books) 1977 [=1901]. | ||
Deussen, Paul, Sechzig Upanishad's des Veda, Leipzig (Brockhaus) 1897 (s. bes. Bṛhadāraṇyaka U. 4.4.22, | *Briggs, George Weston, Gorakhnāth and the Kānphatha Yogīs, Delhi (Motilal Banarsidass), 1982 [= 1938]. | ||
Kaṭha U.). | *Deussen, Paul, Sechzig [[Upanishad]]'s des Veda, Leipzig (Brockhaus) 1897 (s. bes. Bṛhadāraṇyaka U. 4.4.22, Kaṭha U.). | ||
Flood, GAvin, An introduction to | *Flood, GAvin, An introduction to [[Hindu]]ism, New [[Delhi]] (Foundation Books) 1998, p. 75ff. | ||
Kiehnle, C., The Secret of the Nāths, The Ascent of | *Kiehnle, C., The Secret of the Nāths, The Ascent of [[Kundalini]] according to Jñāneśvarī 6.151-328, Bulletin d'Études Indiennes 22-23, Paris 2005 | ||
d'Études Indiennes 22-23, Paris 2005 | *Larson, G.J., R.S. Bhattacharya, Yoga: India's Philosophy of [https://www.yoga-vidya.de/meditation.html Meditation], Encyclopaedia of Indian Philosophies, Vol. XII, Delhi (Motilal Banarsidass) 2008. | ||
Larson, G.J., R.S. Bhattacharya, Yoga: India's Philosophy of | *Limaye, V.P., R.D. Vāḍekar, Ashtadasha-upanishadah, prathamaḥ khaṇḍaḥ, Puṇe. | ||
*Malinar, Angelika, Hinduism, UTB 3197, Göttingen (Vandenhoeck und Ruprecht) 2009, S. 62. | |||
Limaye, V.P., R.D. Vāḍekar, | *Mānava Dharma-Śāstra, edited by J. Jolly, London (Trübner etc.) 1887, p.14, 15. | ||
Malinar, Angelika, Hinduism, UTB 3197, Göttingen (Vandenhoeck und Ruprecht) 2009, S. 62. | *Manusmriti, Manus Gesetzbuch, Übers./Hrsg. Axel Michaels, Anand Mishra, Berlin (Insel Verlag) 2010. | ||
Mānava Dharma-Śāstra, edited by J. Jolly, London (Trübner etc.) 1887, p.14, 15. | *Michaels, Axel, Der Hinduismus, München (Verlag C.H.Beck) 1998, S. 285-299, S. 74. | ||
*Nyāyakośa: Dictionary of technical terms of Indian philosophy, by Mahāmahopādhyāya Bhīmācārya Jhalakīkar, Poona (BORI) 1978. | |||
Michaels, Axel, Der Hinduismus, München (Verlag C.H.Beck) 1998, S. 285-299, S. 74. | * Patañjali's Yoga Sutras, transl. by Rama Prasada, New Delhi (Munshiram Manoharlal) 1988. | ||
Nyāyakośa: Dictionary of technical terms of Indian philosophy, by Mahāmahopādhyāya Bhīmācārya | *Rocher, Ludo, The Purā(as, Wiesbaden (Otto Harrassowitz) 1986. | ||
Jhalakīkar, Poona (BORI) 1978. | *Vaudeville, Charlotte, Kabir, Oxford (Clarendon Press) 1974. | ||
Patañjali's Yoga Sutras, transl. by Rama Prasada, New Delhi (Munshiram Manoharlal) 1988. | *[[Vivekananda]], [[Raja Yoga]], 22. ed., Calcutta (Advaita Ashrama) 1995 (1896), p. 20ff. | ||
Rocher, Ludo, The Purā(as, Wiesbaden (Otto Harrassowitz) 1986. | *Witzel, Michael, Das alte [[Indien]], [https://www.yoga-vidya.de/center/muenchen/ München] (Verlag C.H.Beck) 2003. | ||
Vaudeville, Charlotte, Kabir, Oxford (Clarendon Press) 1974. | *S.W. Jamison, Vedic Hinduism, 1992, online abrufbar. | ||
Vivekananda, Raja | |||
Witzel, Michael, Das alte Indien, München (Verlag C.H.Beck) 2003. | ==Siehe auch== | ||
* [[Hinduismus]] | |||
[[Kategorie:Hinduismus]] | |||
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Version vom 6. März 2016, 11:34 Uhr
Hinduistische Literatur - eine Einführung aus indologischer Sicht. Die Ursprünge des Yoga liegen im Dunkeln, weil es die Quellenlage nicht erlaubt, zuverlässige Aussagen zu machen. Gerne würde man ihn auf die Indus-Kultur (2600-1900 v. Chr.) zurückführen und eine auf Siegeln eingeritzte Figur als Yogī oder Gott Śiva interpretieren, aber da sich die Indus-Schrift bislang einer wissenschaftlich haltbaren Entzifferung entzieht, kann man nur wenig über die damaligen Vorstellungen sagen.
Die Indo-Arier dagegen, die seit ca. 1500 v. Chr. in das Indusgebiet einwanderten, verfaßten zahlreiche Texte, zunächst über priesterliche, dann aber auch sonstige Belange, aus denen man Rückschlüsse auf die Entwicklung des Yoga ziehen kann. Einige wichtige Textgruppen sind in diesem Abschnitt aufgeführt. Die fett gedruckten Begriffe sollte man lernen.
Veda (Śruti), ca. 1500-500 v. Chr.
Veda bedeutet 'Wissen,' auch śruti genannt, 'das Hören, die geoffenbarten Texte', die als nicht von Menschen gemacht (apauruṣeya) angesehen werden. Es handelt sich dabei um die ältesten erhaltenen indoeuropäischen Texte, abgefaßt in vedischem Sanskrit durch Mitglieder des Priesterstandes. Der Veda wurde und wird teilweise noch heute mündlich weitergegeben, eine Verschriftlichung fand wahrscheinlich erst zur Zeit der Moghuls (1526-1857 n. Chr.) statt. Es gibt vier Vedas, die jeweils einer anderen Priestergruppe mit unterschiedlichen Pflichten bei den Opferritualen zugehören:
- Ṛgveda (Aussprache Rigveda): 'das Wissen, das in den Versen, ṛc, besteht,' Sammlung von 1028 Hymnen an vielerlei Gottheiten, verfaßt von verschiedenen Weisen (ṛṣi-s, m.).
- Sāmaveda: 'das Wissen, das in den Melodien, sāman, besteht,' die Lieder sind hauptsächlich die des Ṛgveda, nur ca. 75 sind neu.
- Yajurveda (Aussprache Yadschurveda): 'das Wissen, das in den Opfersprüchen, yajus, besteht,' enthält auch Abschnitte in Prosa.
- Atharvaveda: 'Wissen der Atharvans,' einer bestimmten Priestergruppe, enthält teils ähnliche Hymnen wie der Ṛgveda, teils Zaubersprüche für alle Lebenslagen.
Jeder Veda besteht aus vier Teilen, die, grob gesehen, einer historischen Abfolge entsprechen und sich gelegentlich auch überschneiden:
- Saṃhitā-s: 'Zusammenstellungen, Sammlungen.'
- Brāhmaṇa-s: Ritualwissen, Erklärungen (nicht Beschreibungen) der Opferhandlungen.
- Ᾱraṇyaka-s: 'zur Wildnis gehörig,' wie Brāhmaṇas, zu solchen Opfern, die magisch so gefährlich sind, daß man die Texte nur in der Wildnis (araṇya) rezitieren kann.
- Upaniṣad-s: von upa-ni-ṣad, 'sich in die Nähe( eines Lehrers) setzen,' wohl gebraucht im Sinn von 'esoterischem Wissen.' Sie werden auch Vedānta, Ende des Veda genannt. Vedisch sind ca. 15 Upaniṣads, es gibt allerdings rund 200, deren Abfassung teilweise bis ins 2. Jt. n. Chr. reicht.
Smṛti (ab ca. 500 v.Chr.)
Als smṛti, 'Erinnerung,' bezeichnet man nachvedische Gesetzestexte, die im Gegensatz zur śruti als von Menschen gemacht angesehen werden. Die älteren Gesetzestexte sind in sūtra-Form verfaßt, in möglichst kurzen, prägnanten Sätzen (Leitfäden'), wie u.a. auch Abhandlungen zum Ritual und später zur Philosophie (s. 2.15). Jüngere smṛti-s sind in Versform. Teilweise werden auch Epos und Purāṇas zur smṛti gerechnet. Die Anerkennung der Autorität von śruti und smṛti gilt als eine der Voraussetzungen des Hinduseins.
Itihāsa (iti ha āsa: 'so ist es gewesen,' Geschichte)
Der Begriff bezieht sich auf die beiden großen Epen Indiens, deren literarische Anfänge ins 4. Jh. v. Chr. zurückreichen. Sie haben über zwei Jahrtausende Religion, Kunst und Literatur Süd- und Südostasiens geprägt. Ihr Ursprung liegt im Milieu der Kriegerkaste, zentrales Thema ist der dharma, richtiges Verhalten.
- Mahābhārata: Geschichte der verfeindeten Vettern Kaurava und Pāṇḍava, umrankt von zahlreichen Erzählungen, philosophischen Abhandlungen (wie z.B. Bhagavadgītā)
etc. Nach traditioneller Auffassung ist der Weise Vyāsa der Verfasser.
- Rāmāyaṇa: Geschichte des Prinzen Rāma, seiner Frau Sītā und ihrer Wiedergewinnung aus der Gefangenschaft beim Dämonen Rāvaṇa. Als Verfasser gilt Vālmīki.
Purāṇa ('alt,' 'das Alte'), seit ca. 4. Jh. n. Chr.
Die Purāṇas enthalten Mythen zu Entstehen und Vergehen der Welt, Königsgenealogien, Legenden, Abhandlungen zu Recht, Kunst, Medizin etc. Oft steht eine bestimmte Gottheit im Mittelpunkt des Werks. Nach traditioneller Zählung gibt es 18 Haupt- und eine große Anzahl Nebenpurāṇas. Besonders wichtig sind das Mārkaṇḍeya-Purāṇa mit dem Mythos Durgās als Dämonentöterin, und das Bhāgavatapurāṇa mit Geschichen von Kṛṣṇas Kindheit und Jugend in der heute autoritativsten Fassung.
Sektarische Literatur
Ᾱgamas, Tantras, seit 3. Jh. bzw. seit 9. Jh. n. Chr. Die Begriffe Ᾱgama und Tantra sind oft austauschbar, allerdings liegt der Schwerpunkt der Ᾱgamas auf eher äußerlicher Verehrung von Gottheiten, Tempelbau, Weihung von Götterfiguren, Festen usw., während in den Tantras meist Aspekte persönlicher Praxis behandelt werden, insbes. auch Kuṇḍalinīyoga. Hierher gehören die Texte der śivaitischen Nāth-Yogīs, die u.a. die Grundlagen für den heutigen Haṭhayoga legten. Darunter sind besonders wichtig:
- Siddhasiddhāntapaddhati, Gorakṣanātha/Gorakhnāth zugeschrieben (ca. 1000-1250), Grundlagenwerk zum Nāth- bzw. Kuṇḍalinī-yoga.
- Gorakṣaśataka Gorakṣanātha zugeschrieben (ca. 1200-1250)
- Haṭhayogapradīpikā von Svātmārāma Yogin (ca. 1350-1400)
- Gheraṇḍasaṃhitā (ca. 1650-1700)
- Śivasaṃhitā (ca. 1650-1700)
- Ṣaṭcakranirūpaṇa von Pūrṇānanda (ca. 1600-1700), eine der ausführlichsten Beschreibungen der sechs cakras.
Ungefähr im 10. Jh. entstand das Yogavāsiṣṭha, in dem die praktische Seite des Yoga in sieben Bhūmikās gefaßt ist (s. 2.13). Zwischen 1200 und 1600 liegt die Entstehungszeit der Yoga-Upaniṣads, die vorwiegend Spezialthemen des Kuṇḍalinī- und Haṭhayoga behandeln.
Literatur in modernen Sprachen
Seit dem 6. Jh. n. Chr. in Südindien, verstärkt seit dem 13. Jh. in Mittel- und Nordindien, gewannen die Volkssprachen literarische Bedeutung. Dies war oft den sog. Dichterheiligen zu verdanken, die mit ihren Liedern für das Aufblühen einer landesübergreifenden Frömmigkeit auch innerhalb solcher Bevölkerungsschichten sorgten, die keinen Zugang zu Sanskrit hatten. Seit der Kolonialzeit kam eine Fülle von vorwiegend englischen Übersetzungen aus dem Sanskrit und anderen indischen Sprachen in den Westen, und selbständige Werke indischer Schriftsteller in Englisch entstanden.
Zur Geschichte des Yoga
Was Yoga anbelangt, so enthalten die vedischen Texte wenig, was den späteren Übungsmethoden vergleichbar wäre. Wohl aber kannte man im Ṛgveda veränderte Bewußtseinszustände und Visionen, die man mit Hilfe von tapas (Hitze, Askese) und dem Saft der haluzinogenen Somapflanze zu erreichen trachtete. Ziel war nicht Erlösung, sondern dichterische Fähigkeit, Macht, Ruhm, Reichtum u.ä. In den Upaniṣads entwickelte sich die Idee, daß Erkenntnis von ātman bzw. brahman das einzig Erstrebenswerte und durch Entsagung, Zügelung der Sinne (yoga), Atemübungen, Innenschau und samādhi zu erreichen sei. Ähnliche Vorläufer des achtgliedrigen Yoga des Patañjali (s. 2.15) finden sich auch im Mahābhārata, wo in der Bhagavadgītā zusätzlich Jñāna-, Karma- und Bhaktiyoga (Yoga des Wissens, Handelns und der Hingabe) eingeführt werden.
Im indischen Mittelalter traten die Nāth-yogīs hervor. Ihr Ansatz unterscheidet sich grundsätzlich vom Yoga des Patañjali: während es in den Yogasũtras um die Trennung von Geist und Materie durch Disziplinierung des Denkens geht, streben die Nāths nach Einheit von Geist und Materie (Śiva und Śakti) mit Hilfe von Kuṇḍalinī- bzw. Haṭhayoga. Die Gründer der Nāth-Schule, Matsyendranāth und Gorakhnāth, sind in vielen Legenden (sogar buddhistischen) als Wundertäter in der Volksreligiosität Indiens und Nepals verankert. Auch in Liedern und sonstigen Texten mittelalterlicher Dichterheiliger ist der Einfluß der Nāths sichtbar. Einer der Nationalheiligen Maharashtras, Jñāndev (13. Jh.), selbst ein Nāthyogī, schildert z.B. im 6. Kapitel seines berühmten Bhagavadgītā- Kommentars ausführlichst den Aufstieg der Kuṇḍalinī. Auch das Werk des nordindischen Dichters Kabīr (15. Jh.), dessen Lieder bis heute in ganz Indien bekannt sind, enthält Nāth-Vorstellungen und Begriffe. Während Vivekānanda in seinem Buch über Rājayoga (1896) den Haṭhayoga als spirituell nutzlos bezeichnet, gelangte dieser in Indien zu ungeahnten Ehren seit Zeiten des Freiheitskampfes als einheimisches System der Körperertüchtig. Veröffentlichungen wie Iyengars 'Light on Yoga' oder Yogānandas 'Autobiography of a Yogi' trugen zur Globalisierung des Yoga bei.
Quellen
- Alter, J.S., Yoga in Modern India, Princeton University Press 2004 (bes. Kap. 5).
- Bhagavadgītā: translated by Alladi Mahadev Sastry, Madras (Samata Books) 1977 [=1901].
- Briggs, George Weston, Gorakhnāth and the Kānphatha Yogīs, Delhi (Motilal Banarsidass), 1982 [= 1938].
- Deussen, Paul, Sechzig Upanishad's des Veda, Leipzig (Brockhaus) 1897 (s. bes. Bṛhadāraṇyaka U. 4.4.22, Kaṭha U.).
- Flood, GAvin, An introduction to Hinduism, New Delhi (Foundation Books) 1998, p. 75ff.
- Kiehnle, C., The Secret of the Nāths, The Ascent of Kundalini according to Jñāneśvarī 6.151-328, Bulletin d'Études Indiennes 22-23, Paris 2005
- Larson, G.J., R.S. Bhattacharya, Yoga: India's Philosophy of Meditation, Encyclopaedia of Indian Philosophies, Vol. XII, Delhi (Motilal Banarsidass) 2008.
- Limaye, V.P., R.D. Vāḍekar, Ashtadasha-upanishadah, prathamaḥ khaṇḍaḥ, Puṇe.
- Malinar, Angelika, Hinduism, UTB 3197, Göttingen (Vandenhoeck und Ruprecht) 2009, S. 62.
- Mānava Dharma-Śāstra, edited by J. Jolly, London (Trübner etc.) 1887, p.14, 15.
- Manusmriti, Manus Gesetzbuch, Übers./Hrsg. Axel Michaels, Anand Mishra, Berlin (Insel Verlag) 2010.
- Michaels, Axel, Der Hinduismus, München (Verlag C.H.Beck) 1998, S. 285-299, S. 74.
- Nyāyakośa: Dictionary of technical terms of Indian philosophy, by Mahāmahopādhyāya Bhīmācārya Jhalakīkar, Poona (BORI) 1978.
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