Kalikrama

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Kalikrama (Sanskrit: कालीक्रम kālīkrama, auch: Kali Krama) bedeutet wörtlich „die Abfolge (Krama) der Kali.“ Damit ist ein spiritueller Übungs- und Erkenntnisweg gemeint, bei dem die Göttin Kali als höchste Wahrheit verehrt wird. Kalikrama ist sowohl ein philosophisches System im Kashmir Shaivismus als auch eine praktische Tantra-Tradition, die die transformierende Kraft der Göttin Kali in allen Aspekten des Lebens erfahrbar machen will.

Etymologie

  • Kali – die Schwarze Göttin, Verkörperung der Zeit, der kosmischen Kraft der Transformation und Befreiung. Sie gilt als diejenige, die Unwissenheit zerstört, das Ego auflöst und den Suchenden zur Erfahrung der höchsten Wirklichkeit führt.
  • Krama – bedeutet „Abfolge, Schritt, Prozess, Ordnung“. Im spirituellen Sinn bezeichnet Krama einen Weg, der sich in aufeinander folgenden Stufen entfaltet – von äußerer Verehrung über innere Meditation bis hin zur nicht-dualen Erkenntnis.
Die Göttin Kali - sie leitet die spirituelle Transformation des Aspiranten ein und führt sie zur Vollendung

Grundbedeutung

Kalikrama ist die „Abfolge“ oder der „Pfad der Kali“. Gemeint ist ein spiritueller Weg, bei dem man sich Schritt für Schritt in die Gegenwart und Wirklichkeit der Göttin Kali hineinbegibt.

  • Kali Krama ist also nicht nur eine Lehre, sondern auch ein lebendiger Prozess der Transformation.
  • Dieser Prozess umfasst alle Ebenen des Daseins: Körper, Geist, Seele und letztlich die Auflösung in der absoluten Wirklichkeit.

Kali Krama im Tantra

Im Shakta Tantra wird der Ausdruck Kali Krama als Bezeichnung einer besonderen tantrischen Tradition verwendet:

  • Hier gilt Kali als höchste Göttin, die alles umfasst – Geburt, Leben, Tod, Zeit und Ewigkeit.
  • Im „Krama“ wird die Wirklichkeit als stufenweise Entfaltung des göttlichen Bewusstseins verstanden. Jede Stufe des Erlebens – von der grobstofflichen Welt bis hin zur subtilsten Erfahrung der reinen Shiva-Shakti-Einheit – wird als Manifestation Kalis erkannt.
  • Der Übende lernt, in jeder dieser Stufen die Präsenz der Göttin zu sehen, bis er schließlich zur Erfahrung der Nicht-Dualität gelangt: Kali als das Absolute, das über alle Zeit hinausgeht.

Philosophischer Hintergrund

  • Im Kashmir Shaivismus wird Kali Krama als eine besonders tiefe und kontemplative Linie betrachtet. Sie wurde von Meistern wie Abhinavagupta (10.–11. Jh.) beschrieben.
  • In dieser Tradition steht Kali nicht nur für die zerstörerische Kraft, sondern für die höchste Befreiung (moksha), die jenseits von Geburt und Tod liegt.
  • Kali Krama lehrt, dass das Universum ein kontinuierlicher Prozess der Selbstoffenbarung des Göttlichen ist – und dass Kali sowohl dieser Prozess als auch das Ziel ist.

Praxis im Kali Krama

Die Praxis ist vielfältig und tiefgründig:

  • Rituale und Verehrung – Pujas, Homas und andere Verehrungsformen, um die Gegenwart der Göttin erfahrbar zu machen.
  • Mantra – Wiederholung von Kali Mantras wie Om Krim Kalikayai Namah oder dem Maha Kali Mantra, um die Schwingung der Göttin im Herzen zu erwecken.
  • Meditation – Visualisationen der Göttin, Kontemplation über Zeit (Kala) und Vergänglichkeit, Hinwendung an die formlos-transzendente Wirklichkeit.
  • Kontemplativer Krama – Bewusstes Durchschreiten der „Abfolge“ von Erfahrungsebenen: Körper, Atem, Gedanken, Gefühle, Bewusstsein – und deren Auflösung in die eine göttliche Präsenz.

Symbolische Bedeutung

Kali Krama hat eine tiefe symbolische Dimension:

  • Zeit und Ewigkeit – Kali ist „Kala“ (Zeit) selbst. Der Kali Krama ist der Weg, die Zeit nicht mehr als Bedrohung, sondern als Ausdruck des Göttlichen zu erkennen.
  • Transformation – Alles, was entsteht, vergeht auch wieder. Kali zeigt diesen Prozess, und durch den Krama wird er bewusst durchschritten, bis die Freiheit jenseits von Werden und Vergehen offenbar wird.
  • Auflösung des Ego – Die Schritte des Kali Krama sind zugleich Stufen des Loslassens: Angst, Verhaftung, Begrenzung. Kali zerschneidet die Knoten der Identifikation.
  • Nicht-Dualität – Am Ende des Kali Krama erkennt der Suchende, dass es kein Getrenntsein gibt: Alles ist Ausdruck der einen göttlichen Mutter.

Kalikrama und Yoga Vidya

Auch wenn bei Yoga Vidya nicht ausdrücklich vom „Kalikrama“ gesprochen wird, finden sich viele Elemente dieser Tradition in der Praxis:

  • Verehrung von Kali in Puja und Homa.
  • Rezitation von Kali-Mantras im Satsang und in der Mantra Meditation.
  • Das bewusste Annehmen von Wandlungsprozessen – z. B. Loslassen von Altem, Überwinden von Hindernissen, sich dem Fluss des Lebens anvertrauen.
  • Der Weg von der äußeren Praxis (Karma Yoga, Bhakti Yoga) hin zur inneren Erfahrung (Meditation, Vedanta) kann als „Krama“ gesehen werden, der letztlich zur Erfahrung des Göttlichen in seiner höchsten Gestalt führt.

Siehe auch

Literatur

  • Alexis Sanderson: Studien zu Krama und Shakta Tantra
  • Abhinavagupta: Tantraloka (verschiedene Ausgaben und Übersetzungen)
  • Gavin Flood: The Tantric Body: The Secret Tradition of Hindu Religion
  • Elizabeth U. Harding: Kali – The Black Goddess of Dakshineswar
  • Andre Padoux: Vac: The Concept of the Word in Selected Hindu Tantras