Chandogya Upanishad Zweiter Prapathaka vierundzwanzigster Khanda: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 28. September 2017, 10:08 Uhr
Chandogya Upanishad Zweiter Prapathaka vierundzwanzigster Khanda - eine Interpretation von Shivapriya, welche diesen Text zusammengestellt hat für eine Studiengruppe "Upanishaden".
Verse 1-2 Chandogya Upanishad Zweiter Prapathaka vierundzwanzigster Khanda
Im letzten Khanda haben wir gelernt, wie wichtig das Opfer ist, um die uns umgebende Welt mit Distanz und angemessen wahrnehmen zu können. Im vierundzwanzigsten Khanda wird nun die Opferhandlung selbst genauer untersucht. Ausgangspunkt ist dabei die Frage: Wie ist das Verhältnis von Opferndem zu denjenigen, denen geopfert wird?
In dem Text werden interessanter Weise zwei Begriffe verbunden, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben: Spende und Platz. Wenn bei jedem der drei über den Tag verteilten Opfer die Spende (das Geopferte) den jeweils zugeordneten Göttern gehört, wo ist dann der Platz des Opfernden, wird gefragt?
Diese Frage macht nur Sinn, wenn dass, was geopfert wird, die Spende also, Platz ist. Das heißt dann aber nichts anderes als die Tatsache, dass erst durch die Opferhandlung den Göttern der Raum, der mit ihnen assoziiert ist, zugeordnet wird. Erst indem wir opfern, verwirklichen sich die Götter in dem jeweils konkreten Raum, man könnte auch sagen, erst durch das Opfer werden die Götter erkennbar real!! Erst durch das Opfer gewinnt das Unveränderliche eine Realität und letztlich Gestalt, füllt einen Platz (!), den wir erkennen können.
Dann lautet die von den Brahmanenlehrern in den Raum gestellte Frage: Wenn alle Weltenräume durch das Opfer von den Göttern in Beschlag genommen werden, wenn also die Götter durch die Tatsache, dass der Opfernde opfert, alle Weltenräume, allen Platz einnehmen, die Realität vollständigt ausfüllen, wo ist dann der Platz des Opfernden? Zu Recht schließt sich daran die Frage an, wie man sinnvoll opfern kann, wenn man sich nicht völlig über diesen Punkt klar ist.
Vers 3 Chandogya Upanishad PrII, Kh24
In Vers 3 wird zunächst eine konkrete Handlungsanweisung über die Position des Opfernden in Bezug auf das Opferfeuer und die Himmelsrichtung geben, aus der heraus die höchste Seele (Vasus) angerufen werden soll.
Vers 4 Chandogya Upanishad PrII, Kh24
Die Anrufung selbst ist eher eine Aufforderung: “Öffne die Pforte zum Weltraum (der Erde), dass wir dich schauen, Herrschaft zu erlangen.“
Geht man von der für Vers 1 entwickelten Prämisse aus, dass erst die Durchführung des Rituals die Götter erkennbare Realität werden lässt, dann wird die Anrufung zu einem Sesam-öffne-dich Spruch: Der Weltenraum Erde soll sich so zeigen, dass wir ihn als das erkennen können, was er ist: der Ausdruck des Göttlichen, wie wir ihn Kraft unseres Rituals erschaffen. Dieser von uns durch das Ritual wahrnehmbare Aspekt des Göttlichen ist quasi ein “Platzhalter“ für das Unveränderliche, Unbewegte, Gestaltlose, Absolute. Gleichzeitig ermöglicht uns erst die Wahrnehmung dieses Platzhalters, die dahinter liegende Ursache als solche zu erkennen, da sie selbst “platzlos“, d.h. gestaltlos ist. Haben wir diese Öffnung des Weltenraums Erde erreicht, indem wir uns durch das Ritual auf die göttlichen Aspekte der Erde konzentrieren, erlangen wir Herrschaft. Man kann sich jetzt sehr gut vorstellen, was mit diesem Begriff gemeint ist. Haben wir die Erde als das erkannt, was sie ist, ein Ausdruck des Absoluten, können wir uns alle Reichtümer, die die Erde bereit hält, beherrschen, d.h. stehen uns alle Möglichkeiten der Erde offen. Die Christen kennen den Spruch: Macht Euch die Erde untertan. Im Unterschied zum besprochenen vedischen Ansatz impliziert der christliche Spruch, dass Erde und Gott voneinander getrennt sind. Mit dieser Ansatz ist einer Ausbeutung Tür und Tor geöffnet. Mit dem Ansatz, dass es der Haltung eines Opfernden bedarf, um alle Möglichkeiten zu erkennen und um zu herrschen, mit dem Bewusstsein, dass die Erde völlig von einem göttlichen Aspekt besetzt ist, wird der eigene Herrschaftsanspruch deutlich beschnitten.
Vers 5 Chandogya Upanishad PrII, Kh24
Diese andere Haltung in Bezug auf die eigene Herrschaft wird noch einmal deutlich, wenn man die eigentliche Opferanrufung betrachtet. Sie beginnt mit einer Verehrungsformel, hier für Agni, den Gott des Feuers, der auch als Besitzer des Weltraums Erde angesprochen wird. Alleine damit wird eine respektvolle Haltung ausgedrückt. Wenn man überzeugt ist, dass etwas göttlich ist, geht man damit sehr fürsorglich damit um. Schließlich bittet der Opfernde um eine Stätte, einen Platz, für sich und stellt dann auch gleich fest, dass er sie gefunden hat. Der Opfernde bekommt sie nicht durch den jeweils in dem Weltraum herrschenden Gottaspekit zugewiesen, sondern der Opfernde selbst erkennt seinen Platz. Auch hier liegt also die aktive Rolle bei dem Opferndem, nicht bei dem göttlichen Aspekt. Wenn man den Charakter, das wahre Wesen des Weltenraum Erde, einmal erkannt hat, wenn man begriffen hat, dass alle wahrnehmbaren Aspekte dieses Weltenraums Erde ein Ausdruck des Göttlichen sind, dann erkennt man natürlich auch, das man selbst, als Teil des Weltenraums Erde, Ausdruck des Göttlichen ist und damit hat man seinen Platz erkannt.
Vers 6 Chandogya Upanishad PrII, Kh24
In Vers 6 nimmt der Opfernde diese Stätte, diesen Platz dann für sich in Anspruch, indem er sie quasi für die Zeit nach seinem Leben reserviert. Es folgt eine doppelte Bekräftigung dieses Anspruchs indem die segensreiche Klangschwingung svaha bestätigend angefügt wird und außerdem auch noch eine Aufforderung: „Schiebe den Riegel auf!“
Die Tatsache, dass dieser Platz erst nach dem Leben beansprucht wird, ist nur auf den ersten Blick verwunderlich. Hat man das Bewusstsein, ein konkreter Ausdruck des Göttlichen zu sein und sieht man, dass der ganze Weltenraum Erde ebenso ein Ausdruck des Göttlichen ist, dann ist völlig offensichtlich, dass man nach dem eigenen Tod nur wieder einen Bestandteil der göttlichen Erde werden kann, man kehrt quasi wieder zu dem göttlichen Aspekt zurück, aus dem man erschaffen wurde. Die abschließende Aufforderung, den Riegel auf zu schieben kann dann leicht als die Bitte verstanden werden, diese Erkenntnis nicht wieder zu verschleiern. Erst wenn man sich dieses fundamentalen Zusammenhanges bewusst ist, kann man seinen Platz in der Welt sowohl im Leben wie nach dem Leben einnehmen. Die Frühspende ist so gesehen genau dass: die Erkenntnis des eigenen Platzes und die Tatsache, sich dessen ohne Riegel bewusst zu sein, d.h. ohne Tür, die wieder verschlossen werden kann und den klaren Blick auf die Erkenntnis verstellt.
Damit schließt sich der Kreis: Die Eingangsfrage, wo der eigene Platz in der Welt ist, angesichts der Tatsache, dass die gesamte Welt den Göttern gehört, ist beantwortet: Indem wir den Göttern opfern, spenden, indem wir den Göttern ihren Platz geben, erkennen wir unseren eigenen Platz und können diesen beanspruchen. Indem wir durch unsere Opferhandlung die ganze Erde zum Ausdruck Gottes machen, machen wir uns selbst zu Gott und können wir dieser herrschen - was für ein Segen und was für eine Verantwortung!