Gastfreundschaft

Aus Yogawiki

Gastfreundschaft im Sivananda Ashram Rishikesh verfasst von Swami Venkatesananda, Schüler von Swami Sivananda.

Oft kamen Leute zum bekannten Ananda Kutir, mit dem hingebungsvollen Wunsch, den Darshan und Segen von diesem Mahatma zu erhalten, und fanden sich zu ihrer Überraschung und Verwirrung einem stattlichen, robusten Sadhu (Mönch) gegenüber, der sich benahm, als wäre er ganz begierig auf den Darshan mit ihnen gekommen. Beispielsweise kam einmal eine Dame aus Südindien für den Darshan mit Swami Sivananda. Als sie zu ihm hereingebeten wurde, war Swamiji im Büro. Nach einiger Zeit kam sie wieder heraus und fragte einige dort stehende Ashramiten "Wo ist Swami Sivananda?" Als man ihr sagte, dass sie gerade von ihm komme, schnappte sie erstaunt nach Luft: "Oh! Ich dachte er wäre der Manager. Ist er der Heilige?" Mit Tränen in den Augen rannte sie wieder zu dem Manager-Mönch und warf sich vor seine Füße.

Ihn mit jedem scherzen zu sehen vermittelte den Eindruck, dass er ein weltlicher Mann war, aber jemand mit feinerer Wahrnehmung wurde von dem besonderen Glanz in seinen Augen, der seine spirituelle Größe verriet, geblendet. Dennoch, trotz der unverwechselbaren Atmosphäre der Gelassenheit und Würde, die seine Anwesenheit verströmte, schien jede Bewegung, jedes Wort und jede Tat zu sagen, "Ich bin dein Diener." Obwohl er einen geachteten Ruf als Seher genoss, als Lehrer und Reformer landesweit bekannt war und der Gründer und Kopf einer großen Organisation, schien Swamiji sich dieser Tatsachen nicht bewusst, sondern nur, dass er der kosmische Diener und Verehrer war. Selbst wenn ein Dutzend williger Studenten ständig bereit waren, ihm bei nur einem Wort von ihm, eilig zu Diensten zu sein, gab es Zeiten, in denen Swamiji selbst mit einer Tasse Milch und seiner kleinen weißen Tasche mit Obst für einen müden Gast aus seinem Zimmer kam, noch ehe die Tasse mit Milch für den Besucher bereitet werden konnte. Wenn er sah, dass ein Besucher ein scheues oder zurückhaltendes Temperament hatte und sich scheute, seine Bedürfnisse kundzutun, antizipierte Swamiji jedes einzelne davon und ein Ashramit wurde angewiesen, all seine Wünsche zu erfüllen, noch ehe der Gast nach irgendetwas fragte.

Auf seinem Abendspaziergang hatte Swamiji immer etwas dabei, etwas Obst, einen kleinen Leckerbissen oder vielleicht ein interessantes Buch, das er zum Zimmer von jedem trug, dem er es geben könnte. Auf dem Weg in seine Kammer zur Mittagszeit kam es vor, dass er einen Sadhu sah, der von einem Ashramiten Bhiksha erhielt. Manchmal würde Swamiji dort anhalten, um die Affen zu verscheuchen und dem Sadhu Wasser zu bringen, um seine Hände zu waschen. Bei solchen Gelegenheiten war Einspruch zwecklos. Wenn seine Anhänger ihm Obst und Süßigkeiten als Mitbringsel präsentierten, würde Swamiji sofort anfangen, diese an jede Seele zu verteilen, die in Sichtweite kam. Ob die Dienerjungen, der Friseur, der Briefträger, ein vorbeikommender Bettler oder Lumpensammler, wer gerade zur Stelle war, bekam seinen Anteil.

Besonders an Abenden regelmäßiger Feierlichkeiten, wenn Speisungen in großem Umfang durchgeführt wurden, wurde Swamiji von seiner kindlichen Ungeduld überwältigt, ehe der angemietete Koch überhaupt begonnen hatte, die spezielle Süßspeise vorzubereiten. Er offerierte schnell dem Ganges ein wenig und häufte dann alles an, was bereits fertig war, und begann es eilig zu verteilen. Nicht mit einer Hand, sondern er schaufelte mit beiden Händen vom Teller und schenkte es in jedermanns Hände aus. Manchmal vergaß er in seinem Eifer zwischen Erwachsenen und Kindern zu unterscheiden. Mehrmals konnte man den komischen Schrecken eines Kindes beobachten, das plötzlich mit weit aufgerissenen Augen mit den ausgestreckten Handflächen Swamijis konfrontiert war, beladen mit einer Menge an Süßigkeiten, die es kaum in der Lage wäre zu halten, geschweige denn zu transportieren.

Er erstaunte die orthodoxen Sannyasins durch seine Art, seinen Anhängern zu dienen. Ein Gast bekam das Gefühl, dass er das Monopol von Swamijis gesamter Zeit und Aufmerksamkeit bekam und dass dieser ihm außergewöhnliche Betreuung gewährte, um ihm Komfort zu bieten. Sobald ein Besucher sein Zimmer zugeteilt bekommen hatte, wurde er sofort mit Nachfragen nach seinen Bedürfnissen überschüttet. Er bekam Wasser ins Zimmer gebracht, sofort bekam er eine Lampe, im Sommer ein Moskitonetz oder in der kalten Jahreszeit ein oder zwei extra Decken, ein älterer oder gebrechlicher Mensch bekam einen Sessel. Schließlich würde Swamiji den Bibliothekar anweisen, dem Gast jedes Buch auszugeben, das dieser gerne studieren würde

Die Beobachtung dieser extremen und sorgfältigen Art von Swamijis Betreuung und Behandlung war für viele Besucher eine Offenbarung, und sie sagten ganz offen, "Wir sind wirklich von Swamiji beschämt. Er bringt uns Haushältern bei, wie man wirklich Gäste behandelt und bedient. Swamiji hat die Kunst des Gastgebens perfektioniert, und wir haben das Gefühl, dass wir noch viele Punkte von ihm lernen müssen. Wir dachten, dass wir als Haushälter diesbezüglich schon beinahe alles wüssten, aber hier ist jemand, der ein wahres Vorbild ist, dem selbst wir nacheifern müssen."

Die Art, wie Besucher und Gäste in diesem fernen Ashram behandelt wurden, war wahrhaft Augen öffnend. Die Ashramiten und alle mit ihnen verbundenen konnten sehr stolz darauf sein. Swamiji war in dieser Hinsicht wie ein Wachhund. Die Anweisung an seine geliebten Mitarbeiter war, niemals herablassend zu Besuchern zu sein. Er sagte immerzu: "Wenn du versuchst, alles als Atman zu sehen, musst du das in all deinen Taten ausdrücken. Es ist nicht gut mit dem Kopf in den Wolken herumzulaufen, während du in den Hosentaschen die Fäuste ballst. Es ist egal, ob sie daraus einen besonderen spirituellen Nutzen ziehen oder nicht, aber Leute, die hier eine Weile bleiben, sollen zumindest wahren Frieden genießen. Später, wann immer sie sich an die Liebe und den Frieden erinnern, die ihnen hier zuteil wurden, werden sie sich auch den Frieden des Ganges erinnern, an die Kirtans und andere spirituelle, mit diesem Ort assoziierte Ideen. Diene ihnen daher mit Bhava (Gefühl). Ashrams und Mathematik müssen als Beispiele dienen, um zu zeigen, was selbstloser Dienst und uneigennützige Liebe bedeuten."

Durch seine liebevolle Aufmerksamkeit und Güte erreichte Swamiji sein Ziel, jeden zu dem Grad zu erwecken, der dessen Fähigkeiten entsprach. Mit Gastfreundschaft und Service schaffte er es innerhalb ihres kurzen Aufenthaltes, die Gedanken, Meinungen und das Verhalten der Leute zu transformieren. Er tat dies auf seine ganz eigene Art und Weise, brachte ihnen ein wenig Kirtan bei, ließ sie ein paar Asanas lernen, etwas einfaches Pranayama machen und sie ein paarmal vor einem kleinen Publikum vorlesen. Er machte sie mit der Praxis von Likhit Japa (Mantras schreiben) bekannt und lehrte sie die Methode, ein spirituelles Tagebuch zu führen, und wie man eine vernünftige tägliche Routine erarbeitet. Die Besucher lernten auch, wie man meditiert, betet und unterrichtet. Kurz gesagt, bei ihrer Abreise trug jeder von ihnen das Potential in sich, göttliche Gedanken und spirituelle Praktiken verbreiten zu können. Innerhalb der kurzen Zeit von einer Woche oder zehn Tagen lernte der besuchende Aspirant oder Anhänger viele Dinge auf knappe, aber klare und präzise Art.

Swamiji sagte: "Heutzutage muss man die Strategie von ‘kurz und bündig‘ verfolgen. Die traditionelle Frömmigkeit fällt besonders durch ihre Abwesenheit auf, und die Menschen haben heute nur wenig Zeit. Alles muss an die Gelegenheit angepasst werden. Das Leben ist kurz und die Tage und Jahre vergehen. Wenn die Menschen also bei mir sind, gebe ich ihnen so schnell ich kann, das, was ich geben kann, angepasst an ihre Bedürfnisse und ihren Charakter." Swamijis Interesse beschränkte sich nicht auf die Besucher des Ashrams, sondern umfasste auch weniger willkommene ‘Gäste’. Er würde es niemandem erlauben, auch nur einem Lebewesen zu schaden. Einmal hatte ein Ashramit das Feldbett, auf dem Swamiji schlief, herausgetragen und entdeckt, dass es zu einem Heim für Käfer geworden war. ‘Guru-Bhakti’ (Hingabe an den Lehrer) brandete in seinem Herzen auf und er wollte die kleinen Viecher ausrotten, die Swamijis Schlaf störten. Er nahm einen großen Lappen, tauchte diesen in Kerosin und begann ihn auf die Verstecke der Käfer zu geben. Die Käfer hatten Glück (warum auch nicht, sie waren jede Nacht in den Genuss von Swamijis heiliger Gesellschaft gekommen!). Swamiji kam hinzu. Der Ausdruck intensiven Schmerzes auf seinem Gesicht, gebot dem Schüler in seinem destruktiven Tun Einhalt. "Ohji, bitte tu das nicht," sagte er. "Aber Swamiji, dieses Bett ist voller Käfer, deswegen kann Swamiji nicht schlafen," antwortete der Schüler. "Das macht nichts. Nimm das Bett und lasse es für ein paar Tage im Dschungel; und gib mir in der Zwischenzeit ein anderes Bett," war Swamijis schnelle Antwort. Ähnlich war der Schutz, den dieRatten genossen, die Zuflucht in Swamijis Unterkunft gesucht hatten. Einige von ihnen begannen, die Papiere aufzufressen und Bettzeug und Kleidung zu zerstören. Die dort arbeitenden Schüler fingen sie und konnten nichts tun, außer den Ratten eine Spritztour in einer bequemen Leinentasche zu bescheren; aber die Ratten kamen immer am selben Abend wieder zurück. Sie begannen sogar Swamijis Erbarmen zu reizen, indem sie nachts an seinen Zehen knabberten. Für einen Diabetiker konnte das gefährlich sein. Ein Experte kam in den Ashram und gab seinen Expertenrat zur Eliminierung der Rattenplage. Natürlich hatte er keine andere Lösung als die, die Ratten zu vergiften. Swamiji, der sich immer verständnisvoll jedes Thema anhörte - angenehm oder unangenehm, heilig oder profan – weigerte sich zum ersten Mal, zuzuhören. "Nein, nein." Er schüttelte energisch den Kopf. "Die Ratten sollten nicht getötet werden. Stattdessen sollten wir auf die Dinge aufpassen, die wir nicht von den Ratten zerstört haben möchten. Manuskripte sollten in Stahlschränken bleiben; Bettzeug und Kleidung, sollten ebenfalls gut vor den Ratten geschützt werden. Sie sollten niemals getötet werden!" Hätte der Experte noch mehr gesagt, hätte er für die Ratten ein regelmäßiges Futter verdient, wie das schon andere getan hatten, die dafür plädiert hatten, dass dieAffen, die im Umkreis des Ashrams lebten, vertrieben werden sollten. Swamiji konterte diesen Vorschlag blitzschnell, indem er den Affen eine regelmäßige Nahrungsration bewilligte!

1949 wurde der abendliche Satsang manchmal Swamijis Kutir abgehalten. Nach dem Satsang breitete Purushottamji Swamijis Bettzeug aus. Als er eines Abends den Almirah öffnete, um ein Laken herauszunehmen, fand er ein neues und teures Laken komplett von einer Ratte in Stücke gerissen, und darin waren ihre vier Neugeborenen. Sie hatten kaum die Augen geöffnet. Purushottamji nahm das Laken und die kleinen Ratten, um sie Swamiji zu zeigen. Als Swamiji die winzigen Kreaturen sah, war sein Herz von Mitgefühl erfüllt und es schmerzte ihn sehr, die Ratten in ihrem Nest gestört zu haben. Er bat Purushottamji sie sofort wieder an den Ursprungsort zurück zu bringen und den Originalzustand wieder herzustellen, damit die Mutter sie nicht vermisse. Ein oder zwei Tage später jedoch, fand die Mutter-Ratte durch eine Katze den Tod. Kurz danach starben unglücklicherweise auch die kleinen Ratten. Als Swamiji die toten Ratten sah, kam ein Ausdruck des Schmerzes über sein Gesicht. Er führte einen Maha Mantra Kirtan für die Seelen der verstorbenen Ratten durch.

Während der Sommermonate gibt es viele Skorpione. Auf der Veranda von Swamijis Kutir, wo vorher der abendliche Satsang stattfand, wurde eine lange Zange aufbewahrt, um die Skorpione aufzulesen und wegzuwerfen. Eines Nachts sah ein Besucher einen Skorpion zur Kirtanzeit. Er zerquetschte ihn mit seiner Taschenlampe. Swamiji sah den Vorgang und sofort nach dem Kirtan rief er den Besucher zu sich und fragte ihn, warum er den Skorpion getötet hätte. Der Mann antwortete: "Es ist eine grausame Kreatur, die die Leute sticht." Swamiji erwiderte: "Indem du einen Skorpion tötest, bist du in der Lage, die Leute vor Skorpionstichen zu bewahren, von denen es auf dem Land millionen gibt? Es dauerte wahrscheinlich nur ein paar Sekunden, das Tier zu töten. Aber kannst du ihm sein Leben wiedergeben? Wenn du nicht die stärke hast, der toten Kuh das Leben zurückzugeben, solltest du Leben nehmen?" Der Besucher war bestürzt, warf sich vor Swamiji nieder und sagte, dass ihm der Vorgang leid tue und dass er nie wieder in seinem Leben ein Lebewesen töten würde.


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Copyright dieses Artikels von Swami Venkatesananda bei http://www.sivanandaonline.org Divine Life Society, Sivananda Ashram Rishikesh