Lotos
Lotos wächst weit über den Spiegel des manchmal schlammigen Wassers in dem er gedeiht. So wie er sich also aus dem „Dreck“ erhebt und dann wunderschön blüht, wird zu einem Symbol des Geistes, der sich über die Niedrigkeiten der Welt erhebt.
Das Mädchen aus der Lotosblüte
von Manjari-Malati, erschienen im Yoga Vidya Journal Nr. 16
„Das Mädchen aus der Lotosblüte“ erzählt die Geschichte von Radha, der Göttin der Liebe und Ihrem Erscheinen in dieser Welt. In Indien wird diese Erzählung von Generation zu Generation weitergegeben.
Vor vielen tausend Jahren, lebte im fernen Indien, in einem Ort names Ravall, ein sich innig liebendes Königspaar: König Vrisabhanu und seine wunderschöne Frau Kirtida. Jeder in ihrem Staat war glücklich und zufrieden und alles im Land blühte. Es gab nur eine Sache, die das königliche Paar traurig stimmte: Obwohl es ihr Herzenswunsch war, ihre Liebe mit einem Kind zu krönen, konnten sie kein Kind bekommen. Ihre Trauer und Verzweiflung wuchs und so suchten sie Zuflucht in Meditation und Gebet. Täglich nahmen sie grosse Entsagungen und Bußen auf sich, meditierten und beteten. Ihr Palast befand sich nahe dem Fluss Yamuna. Von diesem Fluss wird gesagt, er sei ein mystischer Fluss, der nicht nur die Körper, sondern auch die Herzen der darin Badenden reinige. Und so nahmen sie jeden Tag für eine lange, lange Zeit, ihr Bad in dem Fluss Yamuna. Eines Tages, König Vrishabanu war diesmal alleine zum Baden in den Fluss gegangen, sah er in der Mitte des Flusses ein strahlendes Licht. Er watete tiefer in das Wasser, um herauszufinden, woher das Leuchten käme. In der Mitte des Flusses sah er einen wunderschöne, leuchtende Lotosblume. Als er sich der mystischen Lotosblume genähert hatte, zog er sich am Rand hoch, um zu sehen, woher der strahlende Glanz kam. Sein Herz blieb fast stehen und er konnte seinen Augen kaum trauen: Bequem eingebettet in der Lotosblume, schlummerte friedlich ein wunderschönes, goldenes Baby. In diesem Moment erklang eine Stimme vom Himmel. Brahma, der Schöpfer des Universums sprach: „Vrishabanu, dieses Mädchen ist die Göttin des Glücks und der Liebe. Ihr Name ist Radha. Sie ist euch gegeben worden, als Antwort auf euer Gebet. Kümmert euch gut um sie.“ Sanft hob Maharaj Vrishabanu die kleine Radha in seine Arme. Sein Herz tanzte in Freude und seine Augen füllten sich mit Tränen der Liebe. Rasch eilte er nach Hause zu seiner Frau Kirtida. Ihre Freude hatte keine Grenzen. Sie umarmten sich und tanzten vor Glück, während Baby Radha friedlich schlief.
Einige Tage vergingen, aber die kleine Radha öffnete nicht ihre Augen. Sie schien in einem tiefen, friedliche Schlaf zu sein. Das Königspaar wurde verwirrt: „Was sollte das bedeuten?“ Ein Kind, von den Göttern gegeben, das aber nur schläft und nicht die Augen öffnet? Hatten sie etwas falsches getan? In ihrer Verzweiflung riefen sie nach dem berühmten Priester Narada, von dem gesagt wird, er kenne Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Narada bereist ständig das gesamte Universum während er süsse Melodien auf seiner Vina spielt. Als der Priester Narada kam und die kleine Radha sah, fing er vor Freude an zu singen und zu tanzen und das schlafende Baby zu umkreisen, bis er letztendlich auf die Knie fiel und dem kleinen Mädchen Gebete dar brachte. Als sich der Priester beruhigt hatte, erzählten Vrishabanu und Kirtida ihm von ihrem Problem: Sie öffnete nicht ihre Augen! Priester Narada war darüber keineswegs beunruhigt. Er empfahl ihnen, ein grosses Geburtstagsfest für Radha zu machen und alle benachbarten Kuhhirten einzuladen und so verliess er tanzend und singend ihr Haus und zog seines Weges. Ziemlich verwirrt, ob des ungewöhnlichen Ratschlags, folgten Vrisabhanu und Kirtida dennoch dem Rat des Priester und trafen Vorkehrungen für eine grosse Geburtstagsfeier zu Ehren von Radha. Botschafter wurden in alle benachbarten Dörfer gesandt und ein grossartiges Festessen wurde vorbereitet.
Als der grosse Tag gekommen war, kamen alle benachbarten Kuhhirten mit ihren Familien und vielen wunderschönen Geschenken für die kleine Radha. Aus dem benachbarten Dorf, names Vraja, kamen König Nanda und seine Frau Yashoda, mit ihrem kleinen Sohn Krishna. Jeder war bestrebt, die kleine Radha zu sehen und ihr Geschenke und Glückwünsche zu geben. Als alle Kuhhirten sich um das kleine Bettchen, das mit feinster Seide ausgelegt war, versammelt hatten, kam plötzlich der kleine Krishna und wollte sie auch sehen. Er versuchte sich am Bettchen hochzuziehen. Seine Mutter Yashoda half ihm und hielt ihn genau über Radha, damit er sie sehen könne. Als Krishna die kleine Radha sah, fing er an, in die Hände zu klatschen und vor lauter Freude zu lachen. Radha hörte seine Stimme, roch die Sandelholzpaste auf seinem Körper und fühlte seine Gegenwart. In diesem Moment öffnete sie ihre Augen - und sah direkt in sein lachendes Gesicht. Denn ihre Augen sind bestimmt, um Ihn zu sehen. Sie sahen sich an und lachten - sie sind die Götter der Liebe und des Glücks - seit immer und für immer gehören sie zusammen - zwei Körper aber ein Herz und eine Seele. Sie lachten und alle fingen an zu lachen, und zu tanzen und das grosse Fest fing an. Die Götter sahen vom Himmel aus zu und liessen Blumen auf das göttliche Paar regnen.
Und die Moral von der Geschicht?
Liebe lässt uns die Augen öffnen. Nur Liebe lässt uns sehen. Liebe gibt uns das Augenlicht. Nur Liebe gibt die wahre Sicht