Innenschau
Innenschau, auch Meditation, Kontemplation oder Versenkung, ist das Sich-nach-innen-Wenden. Die Aufmerksamkeit wird dabei den Objekten der äußeren Welt entzogen und nach innen gelenkt. Wenn die Gedanken und Gefühle mittels regelmäßiger Praxis zur Ruhe kommen, entsteht ein innerer Raum der Stille, in dem man das eigene Selbst erforschen und sein wahres Wesen erkennen kann. Innenschau gibt es in verschiedenen Traditionen. Aus der japanischen Kultur kennen wir zum Beispiel Naikan (Nai: innen, kan: beobachten). In der christlichen Tradition gibt es die Kontemplation.
Meditation praktizieren - Grundlagen des Jnana Yoga
Auszug aus dem Buch "Jnana Yoga" von Swami Sivananda, S. 15-19
Der Neophyt lese täglich die wichtigen Vedantischen Werke, nur so werden seine Zweifel vergehen und nur so wird er sicher auf dem Weg fortschreiten. Die wichtigsten Aussagen sind:
‚Nur das Seiende war am Anfang, Eines nur, ohne ein Zweites‘ aus der Chandogya Upanishade VI.2.1.
‚Zu Anfang war Atman allein‘ aus der Aitareya Upanishade I.1.1.
‚Brahman ist ohne Ursache und ohne Absicht. Dieses Selbst ist Brahman, alles wahrnehmend‘. Brihadaranyaka Upanishad II-5-19
Lebe im hier und jetzt. Schaue nicht zurück in die Vergangenheit, denke nicht an die Zukunft. Nur so wirst du wirklich glücklich. Du wirst frei von Sorgen, Zweifeln und Ängsten. Du wirst ein langes Leben haben. Vernichte die Sankalpas durch eifriges Bemühen. Meditiere ohne Unterlass über Satchidananda Brahman. Mögest du in Herrlichkeit voranschreiten! Mögest du eintauchen in Licht und Segen Brahmans! Dieser unsterbliche Atman kann nur durch stetiges Praktizieren erkannt werden. Deshalb soll, wer Unsterblichkeit und Freiheit erlangen möchte, für lange Zeit auf das Selbst oder Brahman meditieren. Das höchste ist Brahman, das Eine ohne ein Zweites. Es kennt weder Klang noch Farbe. Es kennt keine Hinderung. Dein einziger Gefährte zu Beginn deiner Praxis ist Brahman. So du in tiefer Meditation ‚Das‘ geworden bist, bist du allein. (Sivah Kevaloham). Atman ist der Quell der Energie. An Atman zu denken ist ein dynamischer Weg, Energie und Kraft zu verstärken. Nur für eine Sekunde an den alldurchdringenden, reinen, unsterblichen Satchidananda Atman zu denken kommt 1008 Mal Baden im heiligen Triveni (Zusammenfluss von Ganges, Yamuna, Sarasvati) in Prayag gleich. Nimm das mentale, heilige Bad. Das physische Bad ist nichts gegen dieses Bad in Weisheit und Erkenntnis. Verehre Gott, Atman, mit Blüten aus Jnana, Zufriedenheit, Frieden, Freude und Gleichmut. Das ist wahre Verehrung. Rosen, Jasmin, Sandel, Räucherwerk, Süßes und Früchte bringen nur Unwissende dar. Diese Darbringungen sind nichts im Vergleich zu Jnana. Identifiziere dich mit dem unsterblichen, reinen Atman, der in deinem Herzen weilt. Denke und fühle stets: ‚Ich bin dieser reine Atman‘. Dieser eine Gedanke nimmt Schwierigkeiten und dumme Gedanken hinweg. Der Geist will dich in die Irre führen. Wandle deine Gedanken. Der Geist lauert wie ein Dieb. Sei wachsam.
Beseitige Hindernisse
Wenn du die Meditation übertreibst, über deine Grenzen hinauswachsen möchtest, dann stellen sich Faulheit und Trägheit ein. Meditation soll von selbst in dir wachsen durch Stille im Geiste und durch die Praxis von Sama, Dama, Uparati und Pratyahara. Wenn du Samadhi anstrebst werden dich viele Hindernisse zu übermannen versuchen, Schlaf, Faulheit, Stillstand, Verwirrung, Gefühle, Verlockungen, weltliche Freuden und ein Gefühl der Leere. Du musst auf der Hut sein. Du musst wachsam und umsichtig sein. Schritt für Schritt musst du mit Geduld diese Hindernisse überwinden. Du musst ebenso die Leere durchqueren. Was dir, so die Vrittis dahingeschwunden sind, als Leere erscheinen mag, ist keine wirkliche Leere. Es ist Avyaktam. Sobald du diese Leere überwunden hast ruhst du im Selbst. Schreckliche Furcht wird dich beschleichen, wenn du im Angesicht der Leere stehst, denn du bist alleine nun. Es gibt nichts mehr zu sehen und nichts mehr zu hören. Niemand erfreut dich. Du musst dich ganz auf dein eigenes Selbst verlassen. In diesem kritischen Moment ist die ganze Aufmerksamkeit des Geistes gefordert. Der Weise Uddalaka hatte ebenso große Probleme, diese Leere zu durchleben. Doch kein Hindernis kann vor einem Menschen bestehen, der ein brennendes Interesse und einen eisernen Willen hat. Einige Aspiranten beenden ihren Sadhana wenn sie Avyaktam erreicht haben. Sie hatten eine falsche Vorstellung von Zufriedenheit. Sie lagen falsch damit, dass sie dachten, das höchste Ziel bereits erreicht zu haben. Das ist ein trauriger Irrtum. Sie verwickeln sich selbst in Avyaktam und werden Prakritilayas. Prakritilayas werden wieder in die Welt geboren. Du musst versuchen, jenseits von Avyaktam zu gelangen. Dann erreichst du Bhuma, das unveränderliche Brahman. Vasanas sind sehr machtvoll. Sinne und Geist sind unruhig und impulsiv. Immer wieder muss der Kampf geführt werden. Deshalb nennt die Katha Upanishade es den ‚Weg auf der Rasierklinge‘. Keine Schwierigkeiten mit der Rasierklinge hat der Mensch, der ein brennendes Interesse und einen eisernen Willen besitzt. Mit jedem Schritt nimmt die Ausdauer zu. Extreme Askese oder Kasteiung sind nicht notwendig, um das Wissen über das Selbst zu erlangen. Gehe den mittleren Weg. Zu viel Fasten macht schwach und verzögert den vitalen spirituellen Sadhana. Faste hin und wieder, lebe von Milch und Früchten an Sonntag und zu Ekadasi. Der ethische Aspekt ist von grundlegender Wichtigkeit. Der Wunsch, Siddhis zu erlangen muss abgelegt werden. Wer nach Siddhis strebt lebt noch unter der Macht von Maya. Nur wenn dieses Verlangen erlischt, erreicht der Schüler die Grenze zu Jnana, zum spirituellen Königreich. Der Schüler führe täglich ein spirituelles Tagebuch, so können Fehlentwicklungen korrigiert und der Geist kontrolliert werden. Der Geist von ‚Dienst am Nächsten‘ muss im Herzen eines jeden Aspiranten erwachen. Sattva Tugenden, wie Barmherzigkeit, Großzügigkeit, Toleranz, Vergebung und Würde müssen auf ein hohes Niveau gebracht werden. Yogalehrer und Weise legen auf diese Punkte besonderen Wert. Verzage auf keinen Fall. Schreite wie ein Löwe voran. Überwinde eine Schwierigkeit nach der anderen. Sorge dich nicht um öffentliche Kritik. Auch heute noch missachten Menschen Mahadeva, Sri Sankaracharya, Krishna und Rama. Sie werden es ewig tun. Auf der Welt wimmelt es von Tamas Menschen. Sattva Menschen sind die Ausnahme. Diszipliniere deinen Geist. Bleibe standhaft unter allen Umständen und zu allen Zeiten. Habe einen ausgeglichenen Geist. Diene der Welt mit doppelter Kraft. Mögest du in Herrlichkeit wachsen. Mögest du Kaivalya erreichen! So der Geist in Sattva ruht erwacht deine Intuition. Du wirst dichten. Du wirst die Upanishaden verstehen. Doch der Neophyt kann diesen Zustand nicht lange halten. Tamas und Rajas werden versuchen den Geist zu vereinnahmen. Zu Beginn mag der Fortschritt auf sich warten lassen. Du denkst, du hast das Ziel bereits erreicht und erleidest die nächsten 6 oder 20 Tage nichts als Enttäuschung. Der Erfolg springt von Stufe zu Stufe, es ist keine konstante Entwicklung. Übe dich in Vairagya und praktiziere anhaltend Sadhana. Bleibe unter der Führung deines Gurus für einige Jahre, dann wirst du stetig vorwärts kommen. Oh Ram! Du bist Satyakama, der Liebhaber der Wahrheit. Du bist mir besonders lieb. Zögernd gehst du den Weg der Wahrheit, den Weg der Erkenntnis des Selbstes. Du wirst vorankommen. Alle Hindernisse werden weichen wie der Nebel im Sonnenlicht. Mache dir keine Sorgen. Habe keine Furcht, wenn sich die Herabkunft des göttlichen Lichtes verzögert. Gehe mutig voran auf dem spirituellen Weg. Oh geliebter Ram! Du bist in einer spirituellen Festung nun. Keine Verlockung kann dich beeinflussen. Du bist vollkommen sicher. Vital kann dein Sadhana sein, ohne Furcht. Du hast nun eine feste spirituelle Stütze, lehne dich an. Werde ein mutiger Kämpfer. Vernichte den Feind, den Geist. Trage die spirituellen Lorbeeren, die da sind Frieden und Zufriedenheit mit dir. Das Licht Brahmans strahlt schon aus deinem Antlitz. Der gütige Gott hat dir bereits alle Annehmlichkeiten, wie Gesundheit und einen Guru, der dich führt, zukommen lassen. Was möchtest du noch? Wachse, entwickle dich, erkenne die Wahrheit und verbreite sie.
Siehe auch
- Meditation
- Versenkung
- Kontemplation
- Kontrolle
- Jnana Yoga
- Vedanta
- Vedanta Schulen
- Guru
- Meister
- Wer bin ich
- Brahma Jnanavali Mala
- Erkenntnis
- Satchidananda
- Glückseligkeit
- Selbstverwirklichung
- Erfahrung
- Mumukshu
- Moksha
- Samadhi
- Swami Sivananda
- Shankara
- Ramana Maharshi
- Adyashanti
- Sannyasin
- Heilige
- Hingabe
- Bhakti
- Inspiration
Literatur
- Swami Sivananda, Die Kraft der Gedanken (2012)
- Swami Sivananda, Götter und Göttinnen im Hinduismus (2008)
- Swami Sivananda, Inspirierende Geschichten (2005)
- Swami Sivananda, Japa Yoga (2003)
- Swami Sivananda, Göttliche Erkenntnis (2001)
- Swami Sivananda, Autobiographie von Swami Sivananda (1999)
- Swami Sivananda, Shrimad Bhagavad Gita. Erläuternder Text und Kommentar von Swami Sivananda (1998)
- Swami Sivananda, Gedanken zur Kontemplation (1996)
- Swami Sivananda, Hatha-Yoga. Der sichere Weg zu guter Gesundheit, langem Leben und Erweckung der höheren Kräfte (1964)
- Swami Sivananda, Sadhana – Ein Lehrbuch mit Techniken zur spirituellen Vollkommenheit
- Swami Sivananda: Feste und Fastentage im Hinduismus, Yoga Vidya Verlag
- Die Yogaweisheit des Patanjali für Menschen von Heute
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