Gesundheitserziehung durch Yoga: Unterschied zwischen den Versionen

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===Gesundheitszustand von Kindern===
===Gesundheitszustand von Kindern===
Der Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen in Deutschland ist unzureichend, so das erste Fazit der bundesweit durchgeführten und repräsentativen Studie zur Kinder- und Jugendgesundheit KiGGS. [[Depression]]en sind ein typisches Krankheitsbild schon bei Minderjährigen und Suizid liegt bei den ab 15-jährigen je nach Literatur an zweiter oder dritter Stelle der Todesursachen (vgl. BZGA 2006, S. 29; BIENER 2005, S. 17). Platz eins der Todesursachen bei Kindern belegen früher wie heute Unfälle. Bereits jetzt sind 15 bis 20 % aller Schulanfänger [[übergewicht]]ig. Bewegungsmangelerkrankungen und damit verbundene Störungen in der Informationsverarbeitung führen zu vielfältigen Verhaltensauffälligkeiten wie kommunikativen Störungen, [[Angst|Ängsten]], Aggressivität, mangelnder [[Konzentration]]sfähigkeit oder Hyperaktivität und treten immer häufiger auf. Diese Symptome sind wiederum eng verbunden mit der heutigen Lebenswelt von Kindern (vgl. ZIMMER 2004, S. 59). Sie ist zunehmend mediatisiert, findet so zunehmend in Innenräumen statt und nimmt Kindern die Möglichkeit zur Eigenaktivität und Selbsterfahrung (vgl. Kap. 3.4). Luftverschmutzung, Schadstoffe in der Lebenswelt, erbliche Veranlagung, Bewegungsmangel und [[Stress]] sind weitere Risikofaktoren für Kinder und bilden die Grundlage der Zivilisationskrankheiten. Die Zivilisationskrankheiten sind mittlerweile auf Platz eins der Todesursachen der Menschen in Deutschland und dies in einer bedenklichen Höhe von 80 % (s. Kap. 3.3).
Der Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen in Deutschland ist unzureichend, so das erste Fazit der bundesweit durchgeführten und repräsentativen Studie zur Kinder- und Jugendgesundheit KiGGS. [[Depression]]en sind ein typisches Krankheitsbild schon bei Minderjährigen und Suizid liegt bei den ab 15-jährigen je nach Literatur an zweiter oder dritter Stelle der Todesursachen (vgl. BZGA 2006, S. 29; BIENER 2005, S. 17). Platz eins der Todesursachen bei Kindern belegen früher wie heute Unfälle. Bereits jetzt sind 15 bis 20 % aller Schulanfänger [[übergewicht]]ig. Bewegungsmangelerkrankungen und damit verbundene Störungen in der Informationsverarbeitung führen zu vielfältigen Verhaltensauffälligkeiten wie kommunikativen Störungen, [[Angst|Ängsten]], Aggressivität, mangelnder [[Konzentration]]sfähigkeit oder Hyperaktivität und treten immer häufiger auf. Diese Symptome sind wiederum eng verbunden mit der heutigen Lebenswelt von Kindern (vgl. ZIMMER 2004, S. 59). Sie ist zunehmend mediatisiert, findet so zunehmend in Innenräumen statt und nimmt Kindern die Möglichkeit zur Eigenaktivität und Selbsterfahrung (vgl. Kap. 3.4). Luftverschmutzung, Schadstoffe in der Lebenswelt, erbliche Veranlagung, Bewegungsmangel und [[Stress]] sind weitere Risikofaktoren für Kinder und bilden die Grundlage der Zivilisationskrankheiten. Die Zivilisationskrankheiten sind mittlerweile auf Platz eins der Todesursachen der Menschen in Deutschland und dies in einer bedenklichen Höhe von 80 % (s. Kap. 3.3).
Betrachtet man die engen Zusammenhänge zwischen mangelnder motorischer [[Entwicklung]], unausgewogenen Umweltreizen und kognitiver Entwicklung, zeichnet sich so für eine ganze Reihe von Kindern ein präkäres Bild für deren [[Zukunft]]. Dies betrifft vor allem Migrantenkinder und Kinder aus sozial schwachen und benachteiligten Herkunftsfamilien (vgl. KiGGS-Studie; GRAF 1995, S. 41; ZIMMER 2005, S. 9 und 160 f.). In der Verantwortlichkeit für unsere Zukunft und die der Kinder müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die Perspektive dieser
 
Betrachtet man die engen Zusammenhänge zwischen mangelnder motorischer [[Entwicklung]], unausgewogenen Umweltreizen und kognitiver Entwicklung, zeichnet sich so für eine ganze Reihe von Kindern ein prekäres Bild für deren [[Zukunft]]. Dies betrifft vor allem Migrantenkinder und Kinder aus sozial schwachen und benachteiligten Herkunftsfamilien (vgl. KiGGS-Studie; GRAF 1995, S. 41; ZIMMER 2005, S. 9 und 160 f.). In der Verantwortlichkeit für unsere Zukunft und die der Kinder müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die Perspektive dieser
„Risikokinder” nachhaltig zu verbessern.
„Risikokinder” nachhaltig zu verbessern.


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Diese Arbeit beschäftigt sich ausschließlich mit dem System „[[Yoga]]”. Zum einen resultiert dies aus persönlicher [[Erfahrung]] und zum anderen aus Respekt vor einer positiven Lebensbewältigungsstrategie, deren Wurzeln Jahrtausende alt sind und die bis heute in ihrer ursprünglichen Form überlebt hat. [https://www.yoga-vidya.de/yoga/ Yoga] scheint es wert zu sein, im Hinblick auf Gesundheitsauswirkungen nicht nur auf Erwachsene, sondern auch auf Kinder genauer betrachtet zu werden.
Diese Arbeit beschäftigt sich ausschließlich mit dem System „[[Yoga]]”. Zum einen resultiert dies aus persönlicher [[Erfahrung]] und zum anderen aus Respekt vor einer positiven Lebensbewältigungsstrategie, deren Wurzeln Jahrtausende alt sind und die bis heute in ihrer ursprünglichen Form überlebt hat. [https://www.yoga-vidya.de/yoga/ Yoga] scheint es wert zu sein, im Hinblick auf Gesundheitsauswirkungen nicht nur auf Erwachsene, sondern auch auf Kinder genauer betrachtet zu werden.
===Yoga als System===
Yoga war immer wieder und ist derzeit in aller Munde. Madonna macht [[Yoga]], Britney Spears, Sting, Sabrina Setlur, Yvonne Catterfeld, Nina Hagen, um nur einige zu nennen (vgl. PRISMA 42/2006). Auch der Violinvirtuose [[Yehudi Menuhin]] hat sich schon dazu bekannt1. Erfahrungsberichte über und Tuchfühlungen mit Yoga häufen sich, so z. B. in der Wochenzeitung „Die Zeit”, in der Heike FALLER  von ihrer ersten Yoga-Übungsstunde erzählt: „Warum ich vor ein paar Monaten zum ersten Mal im [[Padmasana|Lotussitz]] auf einer Yogamatte saß, [[Om]]mmmm summte, meine Hände faltete und mich vor der [[Lehrer]]in, oder vielleicht sogar einem anderen höheren Wesen, verbeugte? Die kurze Antwort ist: [[Rücken]]. [...] So sieht Yoga von außen aus [Abbildung]. Von innen passiert etwas anderes, etwas, was vertraut und trotzdem sensationell ist. Yoga versetzt einen an einen Ort in einem selbst, in einen Bewusstseinszustand, den man wahrscheinlich auch durch dieses oder jenes, durch Drogen oder Gartenarbeit erreichen kann. Auch ich selbst bin in meinem Leben schon oft über diese Lichtung gestolpert, beim Schreiben oder einem Ball hinterherlaufend, aber immer zufällig, absichtslos. Yoga gibt einem das beruhigende Gefühl, dass man diesen Ort mit ein paar einfachen Übungen und etwas Glück jederzeit wiederfinden kann. [...] Probleme werden nicht, wie im westlichen Denkmodell, verdrängt, sondern man lässt sie weiterziehen, als existierten sie außerhalb des eigenen Kopfes, wie lästige Wolken, denen man nachhängen kann oder auch nicht. Am Anfang ist es nicht leicht. Dann, schon in der ersten
Stunde, erreicht man die Lichtung, für ein paar Sekunden nur, und das Gefühl ist so überzeu-
1 Menuhin schrieb z. B. das Vorwort zum Yogabuch seines Lehrers IYE NGAR (1969).
gend schön, dass man von nun an bereit ist, alles zu tun, was diese Lehrerin da vorne sagt. Etwa ein Drittel der Yogaschüler, sagt Patricia, kommt nur einmal, ein weiteres Drittel kommt wegen einer akuten Krise, der Rest macht langfristig Yoga. [...] Ich habe mir gar nicht die Mühe gemacht, mich ausführlich mit den spirituellen Hintergründen von Yoga zu beschäftigen, weil mich das kurze Glücksgefühl an sich schon überzeugte. [...] Denn wann immer ich Zweifel an der Wirksamkeit des Yogaweges bekomme, lasse ich diesen Gedanken einfach an mir vorbei- ziehen. Ich lenke alle Konzentration auf den Atem und auf das Geräusch, das der Atem macht. Spüren, wie der Boden dich trägt. Dann ganz langsam ausatmen” (2006).
Betrachet man die von FUCHS  (1990) beschriebene geschichtliche Entwicklung des Yoga in Deutschland, stellt man fest, dass die Popularität des Yoga hierzulande quasi wellenfömig auf und ab verlief. Derzeit scheint nach FUCHS  (2007) wieder ein Hoch zu sein. Die Wellness- Bewegung, Gesundheitsreformen in Zeiten knapper Kassen und massive Stressbelastungen in verschiedensten Lebenssituationen bewegen Menschen dazu, sich wieder stärker selbst in die Verantwortung für ihr eigenes Wohlbefinden zu nehmen.
Haben Menschen bereits Strategien zur Stressbewältigung erfolgreich erprobt, liegt es nahe, dass sie bei Bedarf zukünftig immer wieder darauf zurückgreifen werden. So wird Yoga schon Kindern als Bewältigungsstrategie für ein glückliches Leben vermittelt. Erfahrungsberichte von Kindern über ihre Yogapraxis sind leider nicht zu finden. So kann keine Aussage darüber ge- troffen werden, ob Kinder mit Yoga genauso glücklich und zufrieden sind, wie z. B. FALLER (2006) es beschrieben hat. Anzunehmen ist, dass Kinder höchst selten von selbst auf die Idee kommen, Yoga zu praktizieren, wenn es ihnen nicht vorgelebt wird. Meist wird es ihnen von Erwachsenen quasi verordnet. Doch auch Erwachsene lassen sich von anderen Menschen zu einer Yogapraxis anregen oder sind wie FALLER durch körperliche Beschwerden gezwungen, geeignete Maßnahmen zu deren Bewältigung zu ergreifen. An dieser Stelle soll nicht die Ent- scheidungsfreiheit von Erwachsenen mit den Möglichkeiten von Kindern, an Entscheidungen zu partizipieren, gleichgesetzt werden. Jedoch soll darauf hingewiesen werden, dass Menschen jeden Alters äußeren Einflüssen und Zwängen unterliegen, die lediglich in deren Wahrnehmung der Entscheidungsfreiheit differieren.
Yoga ist nicht etwa eine esoterische Disziplin, sondern ein komplexes Übungssystem, das viel Disziplin erfordert, um es zu erlernen. Die Forschungsanstrengungen rund um Yoga sind hoch, zahlreiche internationale Institute wie die Yoga Research and Education Foundation (YREF, Homepage: http://www.yrec.org) oder Research on Yoga in Education (RYE, Homepage: http:// rye.free.fr/pres-al.html) und nationale Institute wie die Gesellschaft für Geisteswissenschaftli-
che Fortbildung e. V. (GGF, Homepage: http://www.ggfyoga.de) oder das Institut für Yoga- Forschung (Homepage: http://www.yoga-akademie.de/Institut.htm) belegen dies. EBERT konn- te 1988 die Wirkung des Yoga auf den menschlichen Körper medizinisch nachweisen und erklä- ren. Desweiteren wurden Effekte auf einzelne psychische Kompontenten von Menschen nach- gewiesen. Eine Wirkung auf den gesamten Organismus Mensch in den Dimensionen Körper, Geist und Seele zu erforschen, ist westlichen Forschungskulturen fremd. Die Seele eines Men- schen zu Forschungszwecken zu operationalisieren, erscheint unmöglich. In unserem Sprach- raum wird die Seele mit Psyche oder Geist gleichgesetzt (vgl. PRECHTL & BURKARD 1999, S.
527). Ob diese Gleichsetzung der Dimension der Seele gerecht wird, sei in dieser Arbeit dahin- gestellt. Die große Verbreitung von Yoga und die stetig wachsende Zahl an persistent Übenden bestätigen jedenfalls die Annahme, dass Yoga bei den Übenden gerade dort wirkt, wo es sich nicht ohne weiteres nachweisen lässt. Yoga lindert laut FEUERABE ND T  (2005) und EBERT (1988) nicht nur Krankheiten, sondern löst auch emotionale Blockaden und führt zu innerer Stärke. Da dies auch vielen anderen Sportarten - Sport im weitesten Sinn - nachgesagt wird, gilt es nun, das Besondere an Yoga herauszufiltern.


[[Kategorie:Kinderyoga]]
[[Kategorie:Kinderyoga]]

Version vom 6. Juli 2014, 15:54 Uhr

Eine Untersuchung gegenwärtiger Konzepte von Yoga mit Kindern und deren Beitrag zur Gesundheitserziehung

Diplomarbeit der Erziehungswissenschaft, Universität Bielefeld, Fakultät für Pädagogik

1. Gutachter: Dr. Holger Grabbe
2. Gutachter: Claus-Peter Mosner

vorgelegt von Sabine Martin, Beckum

Datum: 15.08.2007

Mit freundlicher Genehmigung von Sabine Martin

Einleitung

Gesundheitszustand von Kindern

Der Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen in Deutschland ist unzureichend, so das erste Fazit der bundesweit durchgeführten und repräsentativen Studie zur Kinder- und Jugendgesundheit KiGGS. Depressionen sind ein typisches Krankheitsbild schon bei Minderjährigen und Suizid liegt bei den ab 15-jährigen je nach Literatur an zweiter oder dritter Stelle der Todesursachen (vgl. BZGA 2006, S. 29; BIENER 2005, S. 17). Platz eins der Todesursachen bei Kindern belegen früher wie heute Unfälle. Bereits jetzt sind 15 bis 20 % aller Schulanfänger übergewichtig. Bewegungsmangelerkrankungen und damit verbundene Störungen in der Informationsverarbeitung führen zu vielfältigen Verhaltensauffälligkeiten wie kommunikativen Störungen, Ängsten, Aggressivität, mangelnder Konzentrationsfähigkeit oder Hyperaktivität und treten immer häufiger auf. Diese Symptome sind wiederum eng verbunden mit der heutigen Lebenswelt von Kindern (vgl. ZIMMER 2004, S. 59). Sie ist zunehmend mediatisiert, findet so zunehmend in Innenräumen statt und nimmt Kindern die Möglichkeit zur Eigenaktivität und Selbsterfahrung (vgl. Kap. 3.4). Luftverschmutzung, Schadstoffe in der Lebenswelt, erbliche Veranlagung, Bewegungsmangel und Stress sind weitere Risikofaktoren für Kinder und bilden die Grundlage der Zivilisationskrankheiten. Die Zivilisationskrankheiten sind mittlerweile auf Platz eins der Todesursachen der Menschen in Deutschland und dies in einer bedenklichen Höhe von 80 % (s. Kap. 3.3).

Betrachtet man die engen Zusammenhänge zwischen mangelnder motorischer Entwicklung, unausgewogenen Umweltreizen und kognitiver Entwicklung, zeichnet sich so für eine ganze Reihe von Kindern ein prekäres Bild für deren Zukunft. Dies betrifft vor allem Migrantenkinder und Kinder aus sozial schwachen und benachteiligten Herkunftsfamilien (vgl. KiGGS-Studie; GRAF 1995, S. 41; ZIMMER 2005, S. 9 und 160 f.). In der Verantwortlichkeit für unsere Zukunft und die der Kinder müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die Perspektive dieser „Risikokinder” nachhaltig zu verbessern.

Um den Gesundheitszustand der Deutschen nachhaltig zu verbessern, ist es nach GRAF sinnvoll, entsprechende Maßnahmen schon bei Vorschulkindern anzuwenden, um zum einen Gesundheit zu erzielen (vgl. 1995, S. 33), aber zum andern auch um gesunde Arbeitnehmer zu schaffen und die Behandlungskosten auf ein wirtschaftlich zu verkraftendes Maß zu senken (s. Kap. 3.3). Da die gesetzlichen Krankenkassen das Gros der Gesundheitsausgaben tragen, ist es nicht verwunderlich, dass sie gesundheitspräventive Maßnahmen anbieten bzw. finanziell fördern. Die ARBEITSGEMEINSCHAFT DER SPITZENVERBÄNDE DER KRANKENKASSEN hat gemeinsame und einheitliche Handlungsfelder und Kriterien zur Umsetzung der 2000 in Kraft getretenen Gesundheitsreform, die den Krankenkassen „wieder einen erweiterten Handlungsspielraum in der Gesundheitsprävention und der betrieblichen Gesundheitsförderung” (2006, S. 5) ermöglicht haben, erarbeitet. Im Bereich der Entspannungsverfahren werden z. B. Kurse für die Versicherten in Hatha Yoga, Autogenem Training, Chi Gong und Tai Chi finanziell gefördert (vgl. ebd., S. 40).

Diese Arbeit beschäftigt sich ausschließlich mit dem System „Yoga”. Zum einen resultiert dies aus persönlicher Erfahrung und zum anderen aus Respekt vor einer positiven Lebensbewältigungsstrategie, deren Wurzeln Jahrtausende alt sind und die bis heute in ihrer ursprünglichen Form überlebt hat. Yoga scheint es wert zu sein, im Hinblick auf Gesundheitsauswirkungen nicht nur auf Erwachsene, sondern auch auf Kinder genauer betrachtet zu werden.

Yoga als System

Yoga war immer wieder und ist derzeit in aller Munde. Madonna macht Yoga, Britney Spears, Sting, Sabrina Setlur, Yvonne Catterfeld, Nina Hagen, um nur einige zu nennen (vgl. PRISMA 42/2006). Auch der Violinvirtuose Yehudi Menuhin hat sich schon dazu bekannt1. Erfahrungsberichte über und Tuchfühlungen mit Yoga häufen sich, so z. B. in der Wochenzeitung „Die Zeit”, in der Heike FALLER von ihrer ersten Yoga-Übungsstunde erzählt: „Warum ich vor ein paar Monaten zum ersten Mal im Lotussitz auf einer Yogamatte saß, Ommmmm summte, meine Hände faltete und mich vor der Lehrerin, oder vielleicht sogar einem anderen höheren Wesen, verbeugte? Die kurze Antwort ist: Rücken. [...] So sieht Yoga von außen aus [Abbildung]. Von innen passiert etwas anderes, etwas, was vertraut und trotzdem sensationell ist. Yoga versetzt einen an einen Ort in einem selbst, in einen Bewusstseinszustand, den man wahrscheinlich auch durch dieses oder jenes, durch Drogen oder Gartenarbeit erreichen kann. Auch ich selbst bin in meinem Leben schon oft über diese Lichtung gestolpert, beim Schreiben oder einem Ball hinterherlaufend, aber immer zufällig, absichtslos. Yoga gibt einem das beruhigende Gefühl, dass man diesen Ort mit ein paar einfachen Übungen und etwas Glück jederzeit wiederfinden kann. [...] Probleme werden nicht, wie im westlichen Denkmodell, verdrängt, sondern man lässt sie weiterziehen, als existierten sie außerhalb des eigenen Kopfes, wie lästige Wolken, denen man nachhängen kann oder auch nicht. Am Anfang ist es nicht leicht. Dann, schon in der ersten Stunde, erreicht man die Lichtung, für ein paar Sekunden nur, und das Gefühl ist so überzeu-


1 Menuhin schrieb z. B. das Vorwort zum Yogabuch seines Lehrers IYE NGAR (1969).


gend schön, dass man von nun an bereit ist, alles zu tun, was diese Lehrerin da vorne sagt. Etwa ein Drittel der Yogaschüler, sagt Patricia, kommt nur einmal, ein weiteres Drittel kommt wegen einer akuten Krise, der Rest macht langfristig Yoga. [...] Ich habe mir gar nicht die Mühe gemacht, mich ausführlich mit den spirituellen Hintergründen von Yoga zu beschäftigen, weil mich das kurze Glücksgefühl an sich schon überzeugte. [...] Denn wann immer ich Zweifel an der Wirksamkeit des Yogaweges bekomme, lasse ich diesen Gedanken einfach an mir vorbei- ziehen. Ich lenke alle Konzentration auf den Atem und auf das Geräusch, das der Atem macht. Spüren, wie der Boden dich trägt. Dann ganz langsam ausatmen” (2006). Betrachet man die von FUCHS (1990) beschriebene geschichtliche Entwicklung des Yoga in Deutschland, stellt man fest, dass die Popularität des Yoga hierzulande quasi wellenfömig auf und ab verlief. Derzeit scheint nach FUCHS (2007) wieder ein Hoch zu sein. Die Wellness- Bewegung, Gesundheitsreformen in Zeiten knapper Kassen und massive Stressbelastungen in verschiedensten Lebenssituationen bewegen Menschen dazu, sich wieder stärker selbst in die Verantwortung für ihr eigenes Wohlbefinden zu nehmen. Haben Menschen bereits Strategien zur Stressbewältigung erfolgreich erprobt, liegt es nahe, dass sie bei Bedarf zukünftig immer wieder darauf zurückgreifen werden. So wird Yoga schon Kindern als Bewältigungsstrategie für ein glückliches Leben vermittelt. Erfahrungsberichte von Kindern über ihre Yogapraxis sind leider nicht zu finden. So kann keine Aussage darüber ge- troffen werden, ob Kinder mit Yoga genauso glücklich und zufrieden sind, wie z. B. FALLER (2006) es beschrieben hat. Anzunehmen ist, dass Kinder höchst selten von selbst auf die Idee kommen, Yoga zu praktizieren, wenn es ihnen nicht vorgelebt wird. Meist wird es ihnen von Erwachsenen quasi verordnet. Doch auch Erwachsene lassen sich von anderen Menschen zu einer Yogapraxis anregen oder sind wie FALLER durch körperliche Beschwerden gezwungen, geeignete Maßnahmen zu deren Bewältigung zu ergreifen. An dieser Stelle soll nicht die Ent- scheidungsfreiheit von Erwachsenen mit den Möglichkeiten von Kindern, an Entscheidungen zu partizipieren, gleichgesetzt werden. Jedoch soll darauf hingewiesen werden, dass Menschen jeden Alters äußeren Einflüssen und Zwängen unterliegen, die lediglich in deren Wahrnehmung der Entscheidungsfreiheit differieren. Yoga ist nicht etwa eine esoterische Disziplin, sondern ein komplexes Übungssystem, das viel Disziplin erfordert, um es zu erlernen. Die Forschungsanstrengungen rund um Yoga sind hoch, zahlreiche internationale Institute wie die Yoga Research and Education Foundation (YREF, Homepage: http://www.yrec.org) oder Research on Yoga in Education (RYE, Homepage: http:// rye.free.fr/pres-al.html) und nationale Institute wie die Gesellschaft für Geisteswissenschaftli-


che Fortbildung e. V. (GGF, Homepage: http://www.ggfyoga.de) oder das Institut für Yoga- Forschung (Homepage: http://www.yoga-akademie.de/Institut.htm) belegen dies. EBERT konn- te 1988 die Wirkung des Yoga auf den menschlichen Körper medizinisch nachweisen und erklä- ren. Desweiteren wurden Effekte auf einzelne psychische Kompontenten von Menschen nach- gewiesen. Eine Wirkung auf den gesamten Organismus Mensch in den Dimensionen Körper, Geist und Seele zu erforschen, ist westlichen Forschungskulturen fremd. Die Seele eines Men- schen zu Forschungszwecken zu operationalisieren, erscheint unmöglich. In unserem Sprach- raum wird die Seele mit Psyche oder Geist gleichgesetzt (vgl. PRECHTL & BURKARD 1999, S. 527). Ob diese Gleichsetzung der Dimension der Seele gerecht wird, sei in dieser Arbeit dahin- gestellt. Die große Verbreitung von Yoga und die stetig wachsende Zahl an persistent Übenden bestätigen jedenfalls die Annahme, dass Yoga bei den Übenden gerade dort wirkt, wo es sich nicht ohne weiteres nachweisen lässt. Yoga lindert laut FEUERABE ND T (2005) und EBERT (1988) nicht nur Krankheiten, sondern löst auch emotionale Blockaden und führt zu innerer Stärke. Da dies auch vielen anderen Sportarten - Sport im weitesten Sinn - nachgesagt wird, gilt es nun, das Besondere an Yoga herauszufiltern.