Traumasensibles Yoga
Traumasensibles Yoga - ist ein achtsamer, ressourcenorientierter Ansatz, der Menschen dabei unterstützt, wieder Sicherheit, Selbstwirksamkeit und Vertrauen im eigenen Körper zu erfahren. Es verbindet yogische Praxis mit traumatherapeutischem Wissen und richtet sich besonders an Menschen mit belastenden oder überwältigenden Lebenserfahrungen.
Traumasensibles Yoga
Was ist traumasensibles Yoga?
Traumasensibles Yoga (auch trauma-informiertes oder trauma-sensitives Yoga) ist eine spezielle Form der Yogapraxis, die auf den Erkenntnissen der Psychotraumatologie, der Neurobiologie und der somatischen Körperarbeit basiert. Im Mittelpunkt steht nicht die äußere Form einer Asana, sondern die innere Wahrnehmung, das individuelle Erleben und das Gefühl von Sicherheit im eigenen Körper.
Im Gegensatz zu klassischen Yogastilen verzichtet traumasensibles Yoga auf Leistungsorientierung, Korrekturen von außen oder autoritäre Anleitungen. Stattdessen werden die Übenden eingeladen, selbstbestimmt zu wählen, wie sie sich bewegen, pausieren oder eine Übung verändern möchten. Der Körper wird nicht als Objekt, sondern als intelligenter Träger von Erfahrung und Erinnerung verstanden.
Der Fokus: Sicherheit, Selbstbestimmung und Körperwahrnehmung
Der zentrale Fokus von traumasensiblem Yoga liegt auf der Schaffung von Sicherheit – sowohl auf körperlicher als auch auf emotionaler Ebene. Viele Menschen mit Traumaerfahrungen haben den Kontakt zu ihrem Körper ganz oder teilweise verloren oder erleben ihn als unsicheren Ort. Traumasensibles Yoga setzt genau hier an.
Wichtige Schwerpunkte sind:
- das Wiedererlernen von Körperwahrnehmung (Interozeption)
- die Stärkung von Selbstwirksamkeit
- die Regulierung des Nervensystems
- das Erleben von Wahlfreiheit und Kontrolle
Statt klarer Anweisungen werden oft Einladungen formuliert („Wenn du möchtest…“, „Du kannst ausprobieren…“). Dadurch wird das autonome Nervensystem entlastet und das Gefühl von Überforderung reduziert.
Trauma, Nervensystem und Yoga
Trauma beeinflusst das Nervensystem tiefgreifend. Viele Betroffene befinden sich dauerhaft in Zuständen von Übererregung (Fight/Flight) oder Erstarrung (Freeze). Traumasensibles Yoga zielt darauf ab, das Nervensystem behutsam zu regulieren, ohne es zu überfordern.
Durch langsame Bewegungen, bewusste Pausen und eine klare Struktur kann der Körper lernen, zwischen Anspannung und Entspannung zu pendeln. Dieser Prozess wird als Pendulation bezeichnet und ist ein zentrales Prinzip in der Traumaarbeit.
Die Praxis unterstützt dabei, wieder Zugang zum sogenannten Toleranzfenster zu finden – einem Zustand, in dem innere Prozesse wahrnehmbar, aber nicht überwältigend sind.
Was unterscheidet traumasensibles Yoga von klassischem Yoga?
Traumasensibles Yoga unterscheidet sich weniger durch bestimmte Asanas als durch Haltung, Sprache und Struktur der Praxis. Die Lehrenden nehmen eine begleitende, nicht-hierarchische Rolle ein und schaffen einen Raum, in dem individuelle Grenzen respektiert werden.
Zentrale Unterschiede sind:
- kein körperliches Anfassen oder Korrigieren
- klare, vorhersehbare Abläufe
- Vermeidung von Triggern (zum Beispiel geschlossene Augen, schnelle Atemtechniken)
- Betonung von Erdung und Stabilität statt intensiver Dehnung
Der Atem wird achtsam integriert, ohne ihn zu kontrollieren. Ziel ist nicht Transformation durch Herausforderung, sondern Heilung durch Sicherheit.
Was kann man mit traumasensiblem Yoga erreichen?
Traumasensibles Yoga zielt nicht auf „Heilung“ im klassischen Sinne, sondern auf Integration, Stabilisierung und Ressourcenaufbau. Die Praxis kann Menschen dabei unterstützen,
- wieder Vertrauen in den eigenen Körper zu entwickeln
- innere Signale besser wahrzunehmen
- emotionale Selbstregulation zu stärken
- Dissoziation und Übererregung zu reduzieren
- sich sicherer im Hier und Jetzt zu verankern
Langfristig kann traumasensibles Yoga helfen, eine freundliche Beziehung zum eigenen Körper aufzubauen und alte Schutzmuster behutsam zu lösen – im eigenen Tempo und ohne Zwang.
Für wen ist traumasensibles Yoga geeignet?
Traumasensibles Yoga eignet sich für Menschen mit:
- Entwicklungs- oder Bindungstraumata
- Schock- oder Unfalltraumata
- chronischem Stress, Burnout oder Angstzuständen
- psychosomatischen Beschwerden
- dem Wunsch nach einer besonders achtsamen Yogapraxis
Auch ohne bewusste Traumaerfahrung kann diese Form des Yoga hilfreich sein, da sie einen sanften, respektvollen Zugang zum eigenen Erleben ermöglicht.
Traumasensibles Yoga im Kontext des Yoga-Weges
Im weiteren Sinne knüpft traumasensibles Yoga an die ursprüngliche Idee von Yoga als Weg der Verbindung und Bewusstwerdung an. Es erinnert daran, dass Yoga kein Leistungssystem ist, sondern eine Praxis der Selbstbegegnung, der Mitgefühl und der inneren Freiheit.
Durch die bewusste Integration moderner Traumaforschung wird Yoga zu einer zeitgemäßen, heilsamen Praxis, die den Menschen dort abholt, wo er gerade steht – mit allem, was da ist.