Der Aufstieg des Geistes - Kapitel 20 - Die Suche nach dem Geist

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Swami Krishnananda an seinem 50. Geburtstag

Der Aufstieg des Geistes - Die Suche nach dem Geist


Der Aufstieg des Geistes - Die Suche nach dem Geist

Die Suche nach dem Geist ist eher die Suche nach einer Bedeutung als die Suche nach einer Substanz oder einem Objekt. Dies ist der wichtigste Punkt der gesamten spirituellen Suche. Wir begehen oft den Irrtum zu glauben, dass wir auf unserer Suche nach Gott eine Sache, eine Person, ein Objekt oder eine Substanz suchen. Obwohl unsere Vorstellungen von Gott oder dem Geist auf unserer Suche nach ihm eine gewisse Bedeutung haben, sind all diese Vorstellungen äußerst unzureichend im Vergleich zur Wahrheit und Wirklichkeit, da wir genaugenommen nach etwas suchen, das tiefer liegt als das, was an die Oberfläche unseres Bewusstseins gelangt. Um den Unterschied zwischen dem, was “Bedeutung”, und dem, was “Sache” oder “Substanz” ist, klarzumachen, kann man folgende konkrete Beispiele anführen: Wenn wir nach Nahrung verlangen, sieht es allem äußeren Anschein nach danach aus, als benötigten wir irgendeine Substanz. Wenn wir sagen: “Ich brauche etwas zu essen”, so denken wir dabei vielleicht an etwas Reis, Weizen, Gemüse, Butter, Milch und dergleichen - Dinge, die im allgemeinen als Nahrung verstanden werden. Hinter diesem Verlangen nach Nahrung steckt jedoch eine Bedeutung, die uns nicht immer klar ist. In Wahrheit sind es nämlich nicht die Nahrungsmittel, nach denen wir verlangen, sondern die Bedeutung, die hinter diesen verborgen liegt. Nahrungsmittel sind in unserem persönlichen Leben von Bedeutung in Hinsicht auf unser physisches Wohl. Hätten diese Speisen nämlich keinerlei Bedeutung für unsere körperliche Existenz, so würden wir sie auch nicht benötigen.

Wann immer wir ein Objekt betrachten, lesen wir eine Bedeutung in dieses hinein. Es “bedeutet” uns etwas. Nun ist uns diese Gewohnheit, eine Bedeutung in die Dinge hinein zu lesen, so vertraut, dass wir auf keine andere Art mehr denken können. Wir denken nicht zuerst, um dann die Bedeutung herauszulesen. Das Denken und das Lesen der Bedeutung gehen Hand in Hand. Oder, um es anders auszudrücken: das Denken und das Empfinden arbeiten in unserer Wahrnehmung simultan. Sobald wir über ein Objekt nachdenken, empfinden wir ihm gegenüber auch etwas. Mit anderen Worten heißt dies, dass wir ein Objekt im Sinne der Bedeutung erkennen, die es unserem Leben vermittelt. Diese Bedeutung ist es, die unserer Aufmerksamkeit auf unserer Suche nach Werten im Leben entgeht, denn in Wirklichkeit verlangen wir zutiefst nach Werten und nicht nach Objekten oder Dingen.

Die Bedeutung hinter den Nahrungsmitteln ist das Stillen des Hungers. Und genau das ist es, was wir brauchen - nicht bloß Säcke voll Reis. Es ist nun einmal so, dass ein Samenkorn namens Reis, wenn es in einer bestimmten Menge und auf eine bestimmte Art und Weise mit unserem physischen Körper in Berührung kommt, in der Lage ist, den Zustand einer biologischen Reaktion zu befriedigen, den wir als Hunger bezeichnen. Und es ist nun einmal so, dass dieses bestimmte Ding (Reis) diese besondere Wirkung auf uns hat. Andernfalls bräuchten wir nämlich etwas anderes.

Es ist also nicht das Objekt, nach dem wir suchen, sondern nur der Wert, der in dem Objekt verborgen liegt. Dies gilt auch für Geld. Was wir brauchen, ist nicht der materielle Gegenstand an sich, sondern dessen Fähigkeit, uns mit Kaufkraft zu versorgen. Und das nennen wir dann Geld. Es geht nicht um Gold und Silber oder um Banknoten, sondern um die Bedeutung, die sich dahinter verbirgt. Und ebenso steht es auch mit allen anderen Dingen in dieser Welt. Hinter unserem Verlangen nach Dingen, hinter unserer Beziehung zu Dingen und hinter der Art und Weise, wie wir reden, wie wir uns in der Gesellschaft verhalten, wie wir denken, fühlen und handeln, steckt immer eine Bedeutung. Alle diese Dinge haben eine verborgene Bedeutsamkeit und genau die ist es, die wir wirklich suchen. Unglücklicherweise verwechseln wir diese Bedeutung mit der äußeren Form eines Objekts, so dass es danach aussieht, als wären wir eher auf der Suche nach Objekten als nach Werten. Doch dem ist nicht so. Selbst wenn wir in unserer Alltagssprache die Frage stellen: “Worin besteht der Geist dieser Lehre?”, machen wir zwischen den Buchstaben und dem Gehalt der Lehre einen Unterschied. So gibt es den Buchstaben des Gesetzes und den Geist des Gesetzes. Die Worte, die ich spreche und der Geist, in dem ich spreche, sind verschieden. Selbst im Alltag benutzen wir den Begriff “Geist”, um damit eher eine Bedeutung, als eine äußere Form zu bezeichnen, die ein bestimmtes Verhalten annimmt.

Und wie im gewöhnlichen Leben, so verhält es sich auch in unseren kosmischen Beziehungen. Wie bei den oben angeführten Beispielen von Nahrungsmitteln oder Banknoten, hinter denen eine Bedeutsamkeit steht, befindet sich auch hinter unserer eigenen Existenz als Individuum ein Geist. Und es ist allein dieser Geist, den wir benötigen, und nicht die Dinge als solche. Wenn die Bedeutung fehlt, werden wir uns auch nicht darum bemühen.

Es gibt einen Geist, den wir inmitten all der Aufmerksamkeit heischenden Einzelheiten verloren haben. Obwohl wir das Wort “Geist” schon oft gehört haben, halten wir es noch immer für ein Objekt. Wenn wir dem spirituellen Pfad folgen, müssen wir lernen, ein wenig unpersönlicher zu denken. Wir sind zu sehr mit Persönlichkeiten, Dingen und Gegenständen verbunden gewesen, so dass wir uns daran gewöhnt haben, nur noch in Begriffen körperlicher Einheiten zu denken. Wir können nicht unpersönlich denken, und es ist auch ziemlich schwierig. Ob es sich um meine, diese oder jene Person handelt, stets denken wir in persönlichen Begriffen. Das Unpersönliche ist hinter allen persönlichen Einschätzungen der Dinge verborgen, und es ist ausschließlich das Unpersönliche, das wir suchen, selbst in den Personen. Das “Allgemeine” ist im “Einzelnen” verborgen; das Unpersönliche befindet sich hinter allen Formen. Das Ungeteilte ist in allen Individualitäten gegenwärtig. In unseren Bestrebungen kann man einen allmählichen Aufstieg von den niederen zu den höheren Einzelheiten verzeichnen, wobei die höheren Einzelheiten für die niedrigeren vorübergehend das Allgemeine und Universelle sind.

Auf der Suche nach dem Geist des Lebens suchen wir nicht nach irgendeinem vorhandenen Objekt, denn der Geist ist kein Objekt. Um noch einmal auf unser Beispiel zurückzugreifen: Der Geist des Gesetzes ist nichts, was man mit den Augen sehen kann, und trotzdem wissen wir, was es bedeutet. Der Geist hat eine unfassbare Bedeutsamkeit, die sich nicht unseren Sinnen mitteilt, sondern einem unserem Sein verwandten Etwas. Der Geist der Dinge kann mit den Sinnen nicht wahrgenommen werden und wird selbst vom Verstand nicht richtig beurteilt, da dieser immer in Kooperation mit den Sinnen arbeitet. In unserer eigenen Individualität gibt es etwas, das man durchaus als die Bedeutung unserer eigenen Existenz bezeichnen könnte. Was wir mit “uns” oder “ich” meinen, ist die verborgene Bedeutung hinter dem, was wir selbst zu sein glauben. Dieser Vergleich kann auch auf unsere Persönlichkeit angewendet werden. Der Geist meines Seins unterscheidet sich von meiner körperlichen Existenz.

Wenn ich nach dem Geist suche, wonach suche ich dann? Was ist Spiritualität? Spiritualität ist jener Zustand des Bewusstseins, in dem man mehr nach dem Geist der Dinge verlangt als nach deren Form oder Körper. Man interpretiert die Dinge nicht mehr in objekt- und personenbezogenen Begriffen, so dass die Bewertungen des Lebens nicht mehr von Personen und Dingen abhängen. Man lernt eher vom Standpunkt des Allgemeinen und Universellen aus zu denken, als vom Standpunkt der Einzelheiten und körperlichen Existenzen. Dies also wäre Spiritualität, wobei es gleichgültig ist, in welchem Grad sie sich äußert, sei es auch der niedrigste.

Spirituell zu sein bedeutet, in zunehmendem Maße von einem allgemeineren Standpunkt aus zu leben statt von einem speziellen, was bedeutet, dass man damit beginnt, in der eigenen Existenz auch andere Werte einzuschließen, wozu man bis dahin nicht in der Lage war. Im gegenwärtigen Stadium unserer körperlichen Existenz ist unsere Wahrnehmung jedoch auf unsere körperlichen Bedürfnisse beschränkt. “Mein Hunger”, “mein Durst”, “meine Müdigkeit”, “meine Schwierigkeiten”, “meine Probleme” - all dies beschäftigt unsere Aufmerksamkeit in einem solchen Ausmaß, dass wir die Grenzen unserer körperlichen Bedürfnisse nicht überschreiten können. Dies ist der niedrigste Aspekt des menschlichen Lebens, in dem die eigenen Gedanken und Gefühle dermaßen auf die körperliche Hülle beschränkt sind, dass es darüber hinaus keinerlei Gedanken und Empfindungen mehr gibt. Sobald man jedoch dazu fähig wird, die Bedeutung des Lebens anderer Menschen zu erkennen, und zwar eher in Bezug auf deren Geist, als auf ihre Form, und wenn man gleichzeitig lernt, die eigenen persönlichen Werte mit den im Moment als außerhalb befindlich erscheinenden Werten zu verbinden, dann vergrößert sich das eigene Selbst. Was wir das Selbst nennen, ist nichts anderes als der Geist, der in uns und in allen Dingen und Wesen wohnt. Wenn wir vom Selbst sprechen oder wenn wir über das Selbst nachdenken, halten wir es wahrscheinlich für eine Art Substanz. Philosophen haben die Seele oft als eine Substanz definiert. Sie ist aber keine Substanz; zumindest nicht im Sinne von irgend etwas, das wir begreifen könnten. Sie ist kein greifbares Objekt. Sie ist jenseits der Sinne, wie unsere heiligen Schriften unermüdlich wiederholen. Die Bedeutung unserer Persönlichkeit und die Bedeutung der gesamten Schöpfung ist übersinnlich. Dass sie übersinnlich ist, bedeutet, dass man sie nicht sehen kann, sie nicht mit den Händen fühlen kann, sie auch nicht riechen kann, hören oder schmecken, und dass man keinerlei verstandesmäßige Beziehung zu ihr haben kann. Ebenso steht es mit dem Geist der Dinge.


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Siehe auch

Literatur

Seminare

Spirituelles Retreat

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