Ärger

Aus Yogawiki

Ärger:

Ärger Man muß zugeben, daß jeder von uns ohne Ausnahme Opfer dieser Krankheit ist. Ärger beherrschen führt zu höchstem Frieden und zu unschätzbarer Freude. Deshalb möchte ich Ärger in allen Einzelheiten beschreiben, seine verschiedenen Arten, seinen schlechten Einfluß auf das Nervensystem, seine enge Verwandtschaft mit der Leidenschaft, und möchte zuletzt die verschiedenen praktischen Methoden angeben, die man anwenden kann, um wirksam und sicher Wurzel wie Zweige des Ärgers auszurotten. Mein inbrünstiger Wunsch an euch alle ist, daß ihr mit Herz und Gemüt daran geht, diese böse Krankheit durch die folgenden wertvollen Übungen zu überwinden. Ärger ist ein Vritti (Gedankenschwingung), eine Bewegung, die auf dem See des Denkens entsteht, wenn die Urclemente, die Gunas: Tätigkeit und Trägheit (Rajas und Tamas) vorhanden sind. Es ist eine Welle unerfreulicher Gefühle, die sich erhebt, wenn man mit etwas nicht einverstanden ist. Es ist mit anderen Worten eine Abart des Verlangens. Ebenso wie Milch sauer 158 wird, kann ein Wunsch zum Ärger werden. Er ist der größte Feind des Friedens, der Erkenntnis und Hingabe, der geradeste Weg zur Hölle. Ärger ist eine Manifestation von Shakti. So betet man: .,Ich beuge mich wieder und wieder vor dieser Göttin, die in allen Wesen vorhanden ist unter der Form des Ärgers. « Arjuna fragt Krishna: ., Was treibt den Mensch zur Sünde, 0 Krishna, trotz seiner Selbst, gewaltsam getrieben, wie es scheint? Allein von wem denn angespornt, begeht der Mensch die sünd'ge Tat, Auch wenn er selbst es gar nicht will, als trieb' ihn irgend eine Macht?« Der göttliche Herr antwortet: .,Das ist die Gier, das ist der Zorn, der aus der Leidenschaft entspringt. Das ist der Böse, der verschlingt! Ja wisse, dieser ist der Feind. Wie's Feuer wird vom Rauch verhüllt und wie der Spiegel durch den Schmutz, Wie von der Haut der Embryo, so ist von dem umhüllt die Welt.« (Bhagavad Gita, Kap. 3,36 f.) Und wieder heißt es in der Gita (Kap. 16,21): 159 »Dreifaltig ist das Höllentor, wodurch die Seele geht zugrund: Begierde, Zorn und Habsucht sind 's - darum laß fahren diese drei! « Ärger hat seinen Sitz in Linga Sharira (dem Astralkörper), er sickert in den physischen Körper hinein wie Wasser durch die Poren eines tönernen Topfes. So wie Hitze Blei schmilzt, wie Hitze und Borax Gold schmelzen, so schmelzen Kama und Krodha (Begierde und Zorn) die hitzigen Gedanken. Ärger bringt acht Arten von Lastern hervor. Alle schlechten Eigenschaften und Handlungen entstehen aus Ärger. Wenn du einen Ärger ausrotten kannst, werden alle schlechten Eigenschaften von allein vergehen. Die acht Laster sind: Ungerechtigkeit, Übereilung, Verfolgung, Eifersucht, Besitzergreifen des Eigentums anderer, Töten, scharfe Worte, Grausamkeit. Wenn das Verlangen eines Menschen nicht erfuHt wird und jemand auf dem Weg zur Erftillung im Wege steht, wird man ärgerlich. Das Verlangen wird in Ärger umgewandelt. In der Gewalt des Ärgers begeht man alle Arten sündhafter Taten. Man verliert seine Erinnerung, das Verstehen umwölkt sich, der Intellekt wird verkehrt. »Aus dem Zorn die Betörung kommt, dann tritt Gedächtnisstörung ein, Dann geht zugrund die Einsicht ihm, und endlich geht er selbst zugrund. « (Bhagavad Gita, Kap. 2,63) Ein Mensch kann im Ärger einen Mord begehen und er weiß selbst nicht, was er tut. Er wird erregt und impulsiv. Wenn er sich ärgert, spricht und tut er, was ihm gerade einfällt. Ein hei- 160 ßes Wort fuhrt zu Kampf und Stechereien. Der Mensch steht unter einem Rausch. Er verliert seinen Verstand und ist nur Beute des Ärgers. Erregbarkeit, Unwille, Entrüstung, Wut, Zorn sind Abarten des Ärgers in verschiedenen Graden. Es gibt einen »gerechten« oder »geistigen« Ärger. Dann nämlich, wenn ein Mensch eines anderen Laster korrigieren oder ausreißen will und dabei einen leichten, selbstlosen Ärger zeigt als eine Kraft, zu zügeln und zu bessern. Nur wenn der Ärger gierigen oder selbstsüchtigen Motiven entspringt, ist er schlecht. Wenn ein Mann eine Frau belästigt oder beschimpft und ein neben ihm Stehender ärgerlich wird, kann man von einl"r »gerechten Entrüstung« oder einer .>edlen Wut« sprechen. Manchmal hat ein religiöser Lehrer ein wenig Ärger zu bekunden, um seine Schüler zu bessern. Dann ist dies nicht von Übel. Dies muß geschehen, aber er sollte innerlich kühl und nur nach außen heiß und impulsiv sein. Der Ärger darf keine tiefen Wurzeln in seinem Inneren fassen, sondern im nächsten Augenblick wieder vorübergehen wie eine Welle im Meer, die zur Ruhe kommt. Wenn ein Mensch sich über nichtige Dinge sehr oft erregt, ist dies ein sicheres Zeichen mentaler Schwäche. Wenn dich dagegen ein Mensch ausnutzt, dir etwas fortnimmt und du trotzdem ruhig bleibst, dann ist dies Zeichen einer inneren Stärke. Selbstzucht oder Selbstbeherrschung sind Zeichen großer mentaler Kraft. Ein leicht erregbarer Mensch ist immer ungerecht. Er wird von Impulsen und Emotionen getrieben. Der Ärger wird stärker durch Wiederholungen. Wenn er hier oder dort gezügelt wird, gewinnt der Mensch eine ungeheure Willensstärke. Ärger, der beherrscht wird, verwandelt sich in geistige Energie und vermag die drei Welten zu bewegen. Ebenso wie Hitze oder Licht in Elektrizität verwandelt werden, wird Ärger in geistige Kraft (Ojas) transmutiert. Die Energie 161 nimmt eine andere Form an. Sie wird in ungeheurem Maße verschwendet, wenn man ärgerlich wird. Das ganze Nervensystem wird beim Ausbruch von Ärger durcheinander geschüttelt. Die Augen werden rot, der Körper zittert, Beine und Hände beben. Niemand kann einen wütenden Menschen beruhigen. Er gewinnt eine riesige Kraft. Nachher aber fallt er in der Reaktion zusammen. Durch Ärger wird das Blut vergiftet. Feurige Pfeile schießen aus dem astralen Körper, wenn der Mensch voller Wut ist. Man kann si/': hell seherisch wahrnehmen. Viele Krankheiten entstammen diesem Laster. Das Nervensystem braucht Zeit. bis es wieder ausgeglichen ist. Die Hauptursache der Erregbarkeit urid des Ärgers ist zuviel Samenverlust. Leidenschaft ist die Wurzel, Ärger der Stamm. Du mußt die Wurzel, die Leidenschaft, zuerst zerstören, dann wird der Stamm, der Ärger, von allein sterben. Ein Mann, der seine Samenkraft verschwendet hat, wird sich selbst über kleine Dinge schnell erregen. Wer Entsagung übt, wird immer ausgeglichen sein. Er hat zu allen Zeiten einen klaren Kopf. Die Hauptwurzel des Ärgers ist Unwissenheit und Selbstsucht. Durch Sclbsterforschung kann der Egoismus entfernt werden. Erst dann ist der Ärger vollkommen zu beseitigen. Ocr Ärger kann auch durch Entwicklung der Gegenkräfte wie Liebe, Freundschaft, Friedfertigkeit etc. beherrscht werden . Atma Jnana, Selbsterkenntnis, kann allein alle Samskaras (Eindrücke) des Ärgers austilgen. Wenn ein Schüler den Ärger beherrscht, ist die Hälfte des Pfades zurückgelegt. Beherrschung des Ärgers ist Beherrschung der Lust und der Gedanken. Wer seinen Ärger gezügelt hat, kann keine bösen Handlungen mehr vollbringen. Er ist immer gerecht. Es ist schwer zu sagen, wann ein Mensch einen Wutanfall bekommt. Ganz plötzlich geschieht dies bei den geringsten 162 Anlässen. Wenn der Arger eine ernste Form annimmt, ist es nicht mehr leicht, ihn zu zügeln. Darum sollte man dies schon tun, wenn erst kleine Wellen im Unbewußten (Chitta) sich zeigen. Man muß die Gedanken sehr, sehr vorsichtig beobachten. Sobald sich die geringsten Symptome oder Anzeichen leisester Erregbarkeit zeigen, ist es noch leicht, den Arger unter Kontrolle zu bekommen. Sei sorgfaltig und wachsam und beobachte die Wellenbewegungen. Nur dann bist du sicher. Wenn auch nur wenig Erregbarkeit entsteht, höre sofort mit reden auf und bewahre Schweigen (Mouna). Übe dieses am Tag ein oder zwei Stunden. Dies ist eine große Hilfe ftir die Beherrschung des Argers. Versuche immer freundlich zu sprechen. Die Worte müssen liebenswürdig und die Argumente hart sein. Das Gegenteil führt zu Unstimmigkeit lind Disharmonie. Injeder Zunge liegt ein scharfes Schwert. Wenn du es schwierig [lndest, deinen Arger zu zügeln, dann gehe sofort hinaus und mache einen schnellen Lauf. Trinke gleich kaltes Wasser. Dies kühlt Körper und Geist. Rufe zehn Minuten lang wie ein Löwe "OM«, und singe dann in Gedanken oder mit Worten fünf Minuten »Om Shanti«. Denke an das Bild deiner Ishta-Devata. Bete. Wiederhole dein Ishta-Mantram zehn Minuten lang. Allmählich vergeht der Arger. Finde die wirkliche Ursache deines Argers heraus und versuche, diese auszutreiben. Wenn ein Mensch dich mit häßlichen Namen beschimpft und lästert, wirst du sofort wütend und dein Blut erhitzt sich. Warum tlihlst du dich beleidigt, warum erregst du dich über kleinliche Dinge? Frage dich, ob solche Lästerung nicht einfach eine Bewegung der Luft ist. Du selbst bist Atma. Niemand kann Atma beleidigen. Atma des Lästernden und Atma des Gelästerten sind eins. Gewinne ich wirklich etwas durch Vergeltung? Ich vergeude doch nur meine Energie und treffe die Gefühle anderer Men- 163 sehen. Ich beunruhige und beschmutze die Gedankenwelt und fUge ihr tatsächlichen Schaden zu, wenn ich einen Strom von Haß aussende. Diese Welt ist unwirklich. Ich werde hier nur kurze Zeit leben. Möge ich diese Beleidigung ertragen und die Beleidigungen entschuldigen. Ich werde innere geistige Kraft entwickeln und die Fähigkeit durchzuhalten. Auf diese Weise kann man sehr wirksam das GefUhl des Argers ausrotten . Es wird dann die Zeit kommen, daß du auch nicht ein bißehen mehr von harten Worten und Beleidigungen erregt wirst. Du wirst gar nicht mehr achtgeben , wenn ein Mensch behauptet, daß man häßliche Worte gegen dich gebraucht hat. Du wirst die ganze Angelegenheit einfach fortlachen. Ein erregbarer Mensch ist sehr schwach und hat keine geistigen Kräfte. Du mußt selbst unter den stärksten Herausforderungen kühl bleiben. Wenn du hungrig oder krank bist, erregst du dich leichter auch über geringfügige Dinge. Die Welt ist eine bessere Schule fUr die Beherrschung des Ärgers als die Abgeschiedenheit, in der ein Sannyasin kaum Möglichkeiten zum Ärger hat . Man muß achtsam sein in der Nahrung, keinen Alkohol trinken, kein Fleisch essen und nicht rauchen und auch sonst Enthaltsamkeit üben. Meditiere und bete. um diese schreckliche Krankheit auszurotten. Sei sorgfaltig in der Wahl deiner Umwelt. Meide Gemeinschaft mit unguten Menschen. Rede wenig, halte dich zurück und versenke dich in den geistigen Pfad. Meditiere am Morgen zehn Minuten lang über die Tugend der Geduld. Bedenke und wiederhole in Gedanken die Worte: »OM Geduld« täglich einige Zeit lang. Gedenke der Heiligen und ihres Lebens. Sage zu dir: oIch bin vonjetzt an geduldig. Ich will mich von heute an nie mehr erregen. Ich will die Tugend der Geduld in meinem täglichen Leben üben. Es wird besser und besser.(( Du mußt das Gefühl haben, als hättest du einen großen Vorrat an Geduld. Denke nach über die Vorteile dieser Tugend 164 und die Nachteile der Erregbarkeit. Du magst oft versagen, aber allmählich entwickelst du Geduld und wirst die Verkörperung eines geduldigen Menschen. Zuletzt möchte ich die Worte von Sri Krishna wiederholen: Und: » Wer, eh er sich vom Körper löst, den gier- und zorngebornen Drang zu bezwingen imstande ist, der Mann ist fromm und glücklich def.« (Bhagavad Gita Kap. 5,23) »Asketen, die dm Sinn bezähmt, von Gier und Zorn sich ganz befreit, Des Atma Wesen kennen, die sind dem Verwehn in Brahman nah.(, (Bhagavad Gita Kap. 5,26) Identifiziere dich nicht mit der Gedankenschwingung (Vritti) Ärger. Wenn eine Welle des Ärgers im Gedankenmeer aufsteigt, dann stelle dich ihr prüfend entgegen und sage dir: »Ich bezeuge diese Bewegung, aber ich stehe abseits von ihr.« Sie wird absterben und dich nicht mehr beunruhigen. Die Identifizierung mit der Gedankenschwingung ist die Ursache der menschlichen Leiden. Identifiziere dich mit dem Selbst. Stelle dich hin wie ein Löwe und betrachte die Menagerie deiner Gedanken. Lebe im Geist dieser beiden Gita- Verse. Reiße den Ärger aus und bekunde innere Geisteskraft. Verwirkliche Satchitananda-Atma.


Ein mögliches Zitat, Thich Nhat Hanh von einem seiner Verlage zusammengefaßt:

"Wer Ärger empfindet, leidet. Voll Bitterkeit beschuldigt er andere für seine Probleme. Aber es sind nicht die anderen, die Schuld an unserem Leid tragen. Wir selbst lassen zu, dass der Ärger unseren Geist und unseren Körper vergiftet. Thich Nhat Hanh lehrt uns, Ärger nicht zu unterdrücken oder zu verstecken, sondern ihn in die positiven Energien des Verstehens und des Mitleids umzuwandeln. Anhand zahlreicher Beispiele belegt er, wie sich Frustketten innerhalb der Familie oder über Generationen hinweg bilden. Thich macht deutlich, dass die grundlegende Bedingung für Glück Freiheit ist, nicht nur politische Freiheit, sondern vor allem von eigenen Verhaftungen, Ärger, Kummer, Eifersucht und anderen negativen Gefühlen. Sein Buch vermittelt die Kraft der Erkenntnis und enthält eine Fülle von Übungen, um die Flammen des Ärgers zu löschen und emotionale Verwundungen zu heilen." Siehe auch: Leseprobe gratis.


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