Selbst
Selbst ist ein uneinheitlich verwendeter Begriff mit psychologischen, soziologischen, philosophischen und theologischen Bedeutungskomponenten wie teils eher egoistisch gemäss Ahamkara geprägtem
- Selbstkonzept und
- Selbstwertgefühl.
Oder: Selbst - alle Lebewesen bestehen nach hinduistischer Auffassung aus:
- dem Atman (das Selbst, die ewige, unzerstörbare, innere Gestalt jedes Wesens, oft auch als Seele, bisweilen Heiliger Geist übersetzt)
- der sterblichen, physischen Hülle (der stoffliche Körper)
- dem feinstofflichen Körper mit den folgenden vier
- Ahamkara - sich als eine Einheit, eine Person wissen, fühlen, erleben. Was ermöglicht, dass sich die Atman-Seele mit den unterschiedlichsten psychischen und physischen Zuständen identifizieren kann.
- Chitta - das dem Verstand zugrunde liegende Bewusstsein ist weithin unbewusst.
- Buddhi - Intelligenz, Vernunft.
- Manas - Denken, Fühlen, Wollen. Wird oft mit Geist oder Verstand übersetzt.
Der feinstoffliche Körper begleitet, bis nur der Atman, gemeinsam mit der feinstofflichen Hülle, den physischen Körper, die veränderliche Welt und den Kreislauf der Wiedergeburt verlässt.
In der Bhagavad Gita, deren Philosophie auf eine praktische Anweisung zum Handeln zielt, wird das ewige, höhere Selbst als höchste und wichtigste Instanz für das menschliche Handeln angesehen.
So heißt es im Dritten Gesang in Vers 17:
Doch wer an seinem Selbst sich freut,
An seinem eignen Selbst vergnügt, für den bleibt hier nichts mehr zu tun, weil ihm sein eignes Selbst genügt.
[1]
und weiter in Vers 42:
Mächt'ger als dieser der Verstand, weit mächt'ger noch das ew'ge 'Selbst' .
Wenn seine Macht du hast erkannt, dann stärke durch das Selbst dein Selbst.[2]
Im sechsten Gesang wird das Verhältnis von Selbst und Triebkräften so geschildert:
Der steht mit seinem Selbst im Bund, der sich aus eigner Kraft besiegt; in Feindschaft lebt mit seinem Selbst, wer seinen Trieben unterliegt.[3]
Das Vorhandensein des Selbst in allen Wesen wird in Versform so beschrieben:
"Sie gleichen mir nach Lust und Leid, Das gleiche Selbst in ihnen webt" - Wer dies von allen Wesen weiß, Zum höchsten Gleichmut sich erhebt.[4]
Das Selbst Innen Wartet
ein Dialog zwischen einem Schüler und seinem Meister Ramana Maharshi aus einer Nacherzählung von Heinrich Zimmer aus seinem Buch "Der Weg zum Selbst" 1944 erschienen im Rascher Verlag Zürich
Der Schüler: Du sagst oft, »das All ist nicht ohne dich« oder »alles ist von dir her« und »was ist außer dir?« — das macht mich wirr, Die Welt war da, ehe ich geboren ward, sie wird nach meinem Tode sein, wie sie den Tod aller überdauert hat, die einst am Leben waren wie jetzt ich. Der Meister: Sagte ich je, die Welt sei da, weil du da bist? Aber ich frage dich: was ist außer deinem Selbst? Dabei mußt du verstehen, daß mit deinem Selbst nicht dein Leib, weder der stofflich greifbare noch der ungreifbare feine Leib gemeint ist. Ferner laß dir gesagt sein, wenn du einmal das Selbst erkannt hast, in dem aller Gehalt beschlossen ist, auch die Idee deinerselbst und anderer deinesgleichen und die Idee der Welt, — dann erfährst du die Wahrheit, daß es eine Wirklichkeit gibt, ein höchstes Wahres: das Selbst aller Welt, die du gewahrst; das Selbst aller Selbste: »parama âman«, das höchste Ewige, verschieden vom Jîva, dem vergänglichen Ich-Selbst, Du darfst das Ich-Selbst oder das leibliche Ich nicht für den Atman nehmen. Der Schüler: Meinst du damit: der Atman ist Gott? Der Meister: Du berührst einen schwierigen Punkt. Das unterscheidende Fragen nach dem Selbst (Vichâra) ist als Verfahren von der Betrachtung »Ich bin Shiva« (d. h. »Ich bin Gott«: Shivo 'ham) oder »Ich bin ER« (so 'ham) verschieden, Ich unterstreiche das Erkennen des Selbst; denn du bist allererst mit dir selbst befaßt, ehe denn du dazu übergehen kannst, die Welt und ihren Herrn zu erkennen, Die Betrachtung »Ich bin ER« oder »Ich bin das Brahman« ist mehr oder weniger eine gedankliche Meditation. Aber das Fragen nach dem Selbst, das ich lehre, ist ein unmittelbares Verfahren und ist in der Tat dieser Meditation überlegen. Denn sobald die Strömung dieses Fragens dich erfaßt und du immer tiefer hinein gelangst, erwartet dich das wahre Selbst und zieht dich an sich, und was sich dann vollzieht, das vollzieht ein anderes an dir, und du hast keine Macht darüber. In diesem Geschehen schwinden alle Zweifel und Erörterungen von selber, wie im Schlafe die Sorgen des Tages verschwinden, Der Schüler: Welche Gewißheit gibt es, daß ein anderes uns erwartet und willkommen heißt? Der Meister: Wessen Seele genugsam entfaltet und reif (Pak Vin) ist, der durchdringt sich von selbst mit dieser Gewissheit. Der Schüler: Wie geschieht diese Entfaltung? Der Meister: Darauf gibt es mehr als eine Antwort, — aber wie immer sie begonnen hat, ernstliches Fragen nach dem Selbst fördert sie. Der Schüler: Das heißt doch, sich im Kreise drehen: »Ich bin zur Reife entfaltet und daher reif zum Fragen, — das Fragen aber hilft zur Reife entfalten.«
Der Meister: In solchen Sackgassen verrennt das Denken sich immer: es will zu seiner Beruhigung eine Theorie, Wer aber ernstlich Gott nahekommen oder sein eigenes, wahres Wesen ergründen will, braucht im Grunde keine Theorie, Die heiligen Lehren nennen übrigens viele Verfahren, und gewiß ist der Umgang mit großen Menschen, mit erhabenen Seelen eine wirksame Hilfe.
Siehe auch
Literatur
- Der Weg Zum Selbst von Heinrich Zimmer, Rascher Verlag Zürich, 1944, 1. Auflage
- ↑
Bhagavadgita: Das Lied der Gottheit in der Übersetzung aus dem Sanskrit von Robert Boxberger - ↑ Bhagavadgita in der Übersetzung aus dem Sanskrit von Leopold von Schroeder
- ↑ Bhagavadgita, Sechster Gesang, Vers 6 in der Übersetzung aus dem Sanskrit von Robert Boxberger
- ↑ Bhagavadgita, Sechster Gesang, Vers 32 in der Übersetzung aus dem Sanskrit von Robert Boxberger