Selbst: Unterschied zwischen den Versionen

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</br>"Sie gleichen mir nach Lust und Leid, Das gleiche ''Selbst'' in ihnen webt" - Wer dies von allen Wesen weiß, Zum höchsten Gleichmut sich erhebt.<ref>Bhagavadgita, Sechster Gesang, Vers 32 in der Übersetzung aus dem Sanskrit von Robert Boxberger</ref>
</br>"Sie gleichen mir nach Lust und Leid, Das gleiche ''Selbst'' in ihnen webt" - Wer dies von allen Wesen weiß, Zum höchsten Gleichmut sich erhebt.<ref>Bhagavadgita, Sechster Gesang, Vers 32 in der Übersetzung aus dem Sanskrit von Robert Boxberger</ref>


==Das Selbst Innen Wartet==
==Ramana Maharshi über das Selbst==
ein Dialog zwischen einem Schüler und seinem [[Meister]] [[Ramana Maharshi]] aus einer Nacherzählung von [[Heinrich Zimmer]] aus seinem Buch "Der Weg zum Selbst" 1944 erschienen im Rascher Verlag Zürich


Dialoge zwischen einem Schüler und seinem [[Meister]] [[Ramana Maharshi]] aus einer Nacherzählung von [[Heinrich Zimmer]] aus seinem Buch "Der Weg zum Selbst" 1944 erschienen im Rascher Verlag Zürich
===Das Selbst Innen Wartet===
:Der Schüler: Du sagst oft, »das All ist nicht ohne dich« oder »alles ist von dir her« und »was ist außer dir?« — das macht mich wirr, Die Welt war da, ehe ich geboren ward, sie wird nach meinem Tode sein, wie sie den Tod aller überdauert hat, die einst am Leben waren wie jetzt ich.
:Der Schüler: Du sagst oft, »das All ist nicht ohne dich« oder »alles ist von dir her« und »was ist außer dir?« — das macht mich wirr, Die Welt war da, ehe ich geboren ward, sie wird nach meinem Tode sein, wie sie den Tod aller überdauert hat, die einst am Leben waren wie jetzt ich.
:Der Meister: Sagte ich je, die Welt sei da, weil du da bist? Aber ich frage dich: was ist außer deinem Selbst? Dabei mußt du verstehen, daß mit deinem Selbst nicht dein Leib, weder der stofflich greifbare noch der ungreifbare feine Leib gemeint ist. Ferner lass dir gesagt sein, wenn du einmal das Selbst erkannt hast, in dem aller Gehalt beschlossen ist, auch die Idee deinerselbst und anderer deinesgleichen und die Idee der Welt, — dann erfährst du die Wahrheit, daß es eine Wirklichkeit gibt, ein höchstes Wahres: das Selbst aller Welt, die du gewahrst; das Selbst aller Selbste: »parama âman«, das höchste Ewige, verschieden vom Jîva, dem vergänglichen Ich-Selbst, Du darfst das Ich-Selbst oder das leibliche Ich nicht für den Atman nehmen.
:Der Meister: Sagte ich je, die Welt sei da, weil du da bist? Aber ich frage dich: was ist außer deinem Selbst? Dabei mußt du verstehen, daß mit deinem Selbst nicht dein Leib, weder der stofflich greifbare noch der ungreifbare feine Leib gemeint ist. Ferner lass dir gesagt sein, wenn du einmal das Selbst erkannt hast, in dem aller Gehalt beschlossen ist, auch die Idee deinerselbst und anderer deinesgleichen und die Idee der Welt, — dann erfährst du die Wahrheit, daß es eine Wirklichkeit gibt, ein höchstes Wahres: das Selbst aller Welt, die du gewahrst; das Selbst aller Selbste: »parama âman«, das höchste Ewige, verschieden vom Jîva, dem vergänglichen Ich-Selbst, Du darfst das Ich-Selbst oder das leibliche Ich nicht für den Atman nehmen.
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:Der Meister: Darauf gibt es mehr als eine Antwort, — aber wie immer sie begonnen hat, ernstliches Fragen nach dem Selbst fördert sie.
:Der Meister: Darauf gibt es mehr als eine Antwort, — aber wie immer sie begonnen hat, ernstliches Fragen nach dem Selbst fördert sie.
:Der Schüler: Das heißt doch, sich im Kreise drehen: »Ich bin zur Reife entfaltet und daher reif zum Fragen, — das Fragen aber hilft zur Reife entfalten.«
:Der Schüler: Das heißt doch, sich im Kreise drehen: »Ich bin zur Reife entfaltet und daher reif zum Fragen, — das Fragen aber hilft zur Reife entfalten.«
:Der Meister: In solchen Sackgassen verrennt das Denken sich immer: es will zu seiner Beruhigung eine Theorie, Wer aber ernstlich Gott nahekommen oder sein eigenes, wahres Wesen ergründen will, braucht im Grunde keine Theorie, Die heiligen Lehren nennen übrigens viele Verfahren, und gewiß ist der Umgang mit großen Menschen, mit erhabenen Seelen eine wirksame Hilfe.
===Was ist mein Selbst?===
Der Schüler: Ich möchte wissen, was dieses »Herz« ist und wo es ist, — aber vorher sollst du mir einen Zweifel klären; ich kenne meine eigene Wirklichkeit nicht; mein Wissen stößt sich an den Grenzen seiner Unvollkommenheit. Du sagst, »Ich« bedeute das Selbst (âtman), Aber vom Atman heißt es, er sei immer seiner selbst gewahr, indes ich meiner selbst nicht gewahr bin
Der Meister: Das ist ein Irrtum der vielen. Was du dein Selbst nennst, ist nicht das wahre Selbst, das nicht geboren wird noch stirbt,
Der Schüler: Damit willst du sagen, was ich mein Selbst nenne, ist der Leib oder ein Teil meines Leibes?
Der Meister: Aber der Leib ist Stoff, ist ungeistig-dumpf (jada); er erkennt nicht, sondern ist nur Gegenstand des Erkennens.
Der Schüler; Wenn ich aber weder »âtman« bin, das »Selbst«, noch »an-âtman«, das »Nichtselbst« , , .
Der Meister: Ich will dir weiterhelfen. Zwischen Geistigem und Stofflichem, zwischen Denken und Leib ersteht ein Etwas, das sich »Ich-Wesen«, »Ich-Machen« (ahamkâra) nennt: das »Ich-Selbst«, der »fîva« oder Lebensfunke, Was du dein Selbst nennst, ist dieses »Ich-Selbst«: verschieden vom Selbst, das ewig seiner selbst inne ist, und verschieden vom bewußtlosen Stoff; dabei hat es aber gleichermaßen teil am geistig Lebendigen (cetana) wie am leblos Stofflichen (f ada).
Der Schüler: Wenn du sagst, »Erkenne dich selbst«, meinst du also, ich soll dieses »Ich-Selbst« erkennen?
Der Meisten Aber in diesem Augenblick, da das »Ich-Selbst« sich selbst zu erkennen unternimmt, wandelt sich sein Wesen; es fängt an, immer weniger teilzuhaben am stofflich Leblosen, denn es wird mehr und mehr von der Bewußtheit des Selbst (âtman) auf¬gesogen.
==Die geheime Stätte des Selbst==
Der Schüler: An wen richtest du dein Geheiß, »Erkenne dich selbst«?
Der Meister: An was immer du bist, — dir gebe ich den Rat: »Erkenne dich selbst«, Wenn das »Ich-Selbst« die Notwendigkeit fühlt, seinen Ursprung zu ergründen, oder den Antrieb empfindet, sich über sich selbst zu erheben, dann nimmt es den Rat an und steigt in die Tiefe und entdeckt dort die wahre Quelle der Wirk¬lichkeit seiner selbst. Und indem es so beginnt, sich selbst zu er¬kennen, endet es damit, das Selbst zu gewahren.
Der Schüler: Du sagtest, das »Herz« sei die Stätte des Selbst?
Der Meister: Ja, es ist eine höchste Stätte des Selbst, daran zweifle nicht: das wahre Selbst wohnt dort im »Herzen« hinter dem Jîva oder »Ich-Selbst«,
Der Schüler: Sag mir, ich bitte dich: wo im Leibe ist das?
Der Meister: Mit deinem Denken wirst du das nicht erkennen. Mit deiner Phantasie kannst du es dir nicht vorstellen, wenn ich dir sage: die Stätte ist hier (damit wies der Meister rechts auf seine Brust), — der einzige unmittelbare Weg, es zu erfahren, ist, daß du dir gar nichts vorzustellen versuchst, sondern es selber zu erleben trachtest, Dann erfährst du es und fühlst ganz von selbst, daß die Stätte des »Herzens« hier liegt, In den heiligen Schriften wird sie »hrid-guhâ«, die Höhle des Herzens, genannt, tamulisch »Ullam«.
   
   
:Der Meister: In solchen Sackgassen verrennt das Denken sich immer: es will zu seiner Beruhigung eine Theorie, Wer aber ernstlich Gott nahekommen oder sein eigenes, wahres Wesen ergründen will, braucht im Grunde keine Theorie, Die heiligen Lehren nennen übrigens viele Verfahren, und gewiß ist der Umgang mit großen Menschen, mit erhabenen Seelen eine wirksame Hilfe.
Der Schüler: Das habe ich aber noch in keinem Buche ge-funden,
Der Meister: Lange, nachdem ich hierher kam, stieß ich in der Mâlayâlam-Uebersetzung des »Ashtânga-hridaya« (»Herz«, d. h. »Quintessenz der achtgliedrigen Wissenschaft«), diesem klassischen Kompendium der Heilkunde (âyurveda), auf einen Vers; in dem war die Rede von der »Stätte der Lebenskraft« (ojas-sthâna); sie sei auf der rechten Seite der Brust gelegen und sei die Stätte des Bewußtseins, des Sichselbergewahrseins (samvid), Aber mir ist keine andere Schrift bekannt, die darauf Bezug nimmt,
Der Schüler; Ist es sicher, daß die Alten diese Stätte als »Herz« bezeichneten?
Der Meister; Ja, das taten sie, — Aber du solltest lieber versuchen, diese Erfahrung zu hab en,  als sie irgendwo mit deiner Vorstellung zu suchen, Niemand braucht zu suchen, wo seine Augen sitzen, wenn er sehen will. Das »Herz« ist immer offen, wenn du wirklich hinein willst; es trägt alle Regungen und Be¬wegungen in dir, ohne daß du dessen gewahr wirst, Vielleicht sollte man lieber sagen: das Selbst ist das »Herz« selber, als daß es »im Herzen« sei. Fürwahr, das Selbst ist die Stätte und Mitte selber, Es ist immerdar seiner selbst inne als »Herz«, als Selbstgewahr-sein, Darum habe ich gesagt: »Herz ist dein Name« (hridayam te nâma),
Der Schüler: Hat noch sonst jemand den Höchsten Herrn als »Herz« angesprochen?
Der Meister: Lange, nachdem ich das gesagt hatte, stieß ich eines Tages auf ein Lied im »Devâram« des heiligen Appar, in dem er den Herrn »ullam«, d. h. »Herz«, nennt,
Der Schüler: Wenn du sagst, das »Herz« sei höchste Stätte und Mitte des Ewigen Wesens (purusha), des Atman, dann besagt das, es sei keines der sechs Lotoszentren, die der Kundalinî-Yoga lehrt,
Der Meister: Die sechs Lotoszentren des Yoga von der Tiefe des Leibes aufwärts bis unter die Hirnschale sind ebensoviele
Zentren des Nervensystems. Sie bezeichnen verschiedene Stufen, an denen unterschiedliche Kräfte oder Erkenntnisse sich auftun, die zum tausendblättrigen Lotos (sahasrâra)1 zuhöchst geleiten, in dem die höchste Weltkraft (shakti) wohnt, Aber das Selbst, das den ganzen Gang dieser Kraft, vom tiefsten Lotos hinauf zum höchsten, trägt, wohnt nicht in ihm, sondern trägt das Ganze vom Herzen her.
Der Schüler: Dann ist es verschieden von der sich offenbaren¬den Weltkraft (shakti)?
Der Meister: In Wirklichkeit gibt es keine Selbstoffenbarung der göttlichen Kraft (shakti) neben dem Selbst her. Das Selbst hat sich in all diese Kraft verwandelt . , , Wenn sich der Yogin in die höchste Mitte der Entrückung erhebt, in Samâdhi, ist es das Selbst im Herzen, das ihn in diesem Stande trägt, ob er es gewahr wird oder nicht. Wird er es im Herzen gewahr, so erkennt er: auf welcher Ebene, in welchem Stande und an welcher Stätte seines Wesens immer er sich bewegen mag, es ist immer dasselbe Wirk¬liche, dasselbe »Herz«, das eine Selbst, der Geist, der allerwärts zugegen ist, ewig und unwandelbar. Die Tantralehren nennen das »Herz« den »Sonnenkreis« (sûrya-mandala) und den tausendblätt¬rigen Lotos im Haupte (sahasrâra) den Mondkreis (chandra-man¬dala). Diese beiden Sinnbilder deuten an, wie die »Stätte des Selbst« (âtma-sthâna) und die »Stätte der Shakti« (shakti-sthâna) sich in ihrer Bedeutung zueinander verhalten,


==Siehe auch==
==Siehe auch==

Version vom 23. September 2013, 12:36 Uhr

Selbst ist ein uneinheitlich verwendeter Begriff mit psychologischen, soziologischen, philosophischen und theologischen Bedeutungskomponenten wie teils eher egoistisch gemäss Ahamkara geprägtem

Oder: Selbst - alle Lebewesen bestehen nach hinduistischer Auffassung aus:

  • dem Atman (das Selbst, die ewige, unzerstörbare, innere Gestalt jedes Wesens, oft auch als Seele, bisweilen Heiliger Geist übersetzt)
  • der sterblichen, physischen Hülle (der stoffliche Körper)
  • dem feinstofflichen Körper mit den folgenden vier
    • Ahamkara - sich als eine Einheit, eine Person wissen, fühlen, erleben. Was ermöglicht, dass sich die Atman-Seele mit den unterschiedlichsten psychischen und physischen Zuständen identifizieren kann.
    • Chitta - das dem Verstand zugrunde liegende Bewusstsein ist weithin unbewusst.
    • Buddhi - Intelligenz, Vernunft.
    • Manas - Denken, Fühlen, Wollen. Wird oft mit Geist oder Verstand übersetzt.

Der feinstoffliche Körper begleitet, bis nur der Atman, gemeinsam mit der feinstofflichen Hülle, den physischen Körper, die veränderliche Welt und den Kreislauf der Wiedergeburt verlässt. In der Bhagavad Gita, deren Philosophie auf eine praktische Anweisung zum Handeln zielt, wird das ewige, höhere Selbst als höchste und wichtigste Instanz für das menschliche Handeln angesehen.
So heißt es im Dritten Gesang in Vers 17:
Doch wer an seinem Selbst sich freut, An seinem eignen Selbst vergnügt, für den bleibt hier nichts mehr zu tun, weil ihm sein eignes Selbst genügt. [1]
und weiter in Vers 42: Mächt'ger als dieser der Verstand, weit mächt'ger noch das ew'ge 'Selbst' . Wenn seine Macht du hast erkannt, dann stärke durch das Selbst dein Selbst.[2]
Im sechsten Gesang wird das Verhältnis von Selbst und Triebkräften so geschildert:
Der steht mit seinem Selbst im Bund, der sich aus eigner Kraft besiegt; in Feindschaft lebt mit seinem Selbst, wer seinen Trieben unterliegt.[3]
Das Vorhandensein des Selbst in allen Wesen wird in Versform so beschrieben:
"Sie gleichen mir nach Lust und Leid, Das gleiche Selbst in ihnen webt" - Wer dies von allen Wesen weiß, Zum höchsten Gleichmut sich erhebt.[4]

Ramana Maharshi über das Selbst

Dialoge zwischen einem Schüler und seinem Meister Ramana Maharshi aus einer Nacherzählung von Heinrich Zimmer aus seinem Buch "Der Weg zum Selbst" 1944 erschienen im Rascher Verlag Zürich

Das Selbst Innen Wartet

Der Schüler: Du sagst oft, »das All ist nicht ohne dich« oder »alles ist von dir her« und »was ist außer dir?« — das macht mich wirr, Die Welt war da, ehe ich geboren ward, sie wird nach meinem Tode sein, wie sie den Tod aller überdauert hat, die einst am Leben waren wie jetzt ich.
Der Meister: Sagte ich je, die Welt sei da, weil du da bist? Aber ich frage dich: was ist außer deinem Selbst? Dabei mußt du verstehen, daß mit deinem Selbst nicht dein Leib, weder der stofflich greifbare noch der ungreifbare feine Leib gemeint ist. Ferner lass dir gesagt sein, wenn du einmal das Selbst erkannt hast, in dem aller Gehalt beschlossen ist, auch die Idee deinerselbst und anderer deinesgleichen und die Idee der Welt, — dann erfährst du die Wahrheit, daß es eine Wirklichkeit gibt, ein höchstes Wahres: das Selbst aller Welt, die du gewahrst; das Selbst aller Selbste: »parama âman«, das höchste Ewige, verschieden vom Jîva, dem vergänglichen Ich-Selbst, Du darfst das Ich-Selbst oder das leibliche Ich nicht für den Atman nehmen.
Der Schüler: Meinst du damit: der Atman ist Gott?
Der Meister: Du berührst einen schwierigen Punkt. Das unterscheidende Fragen nach dem Selbst (Vichâra) ist als Verfahren von der Betrachtung »Ich bin Shiva« (d. h. »Ich bin Gott«: Shivo 'ham) oder »Ich bin ER« (so 'ham) verschieden, Ich unterstreiche das Erkennen des Selbst; denn du bist allererst mit dir selbst befaßt, ehe denn du dazu übergehen kannst, die Welt und ihren Herrn zu erkennen, Die Betrachtung »Ich bin ER« oder »Ich bin das Brahman« ist mehr oder weniger eine gedankliche Meditation. Aber das Fragen nach dem Selbst, das ich lehre, ist ein unmittelbares Verfahren und ist in der Tat dieser Meditation überlegen. Denn sobald die Strömung dieses Fragens dich erfaßt und du immer tiefer hinein gelangst, erwartet dich das wahre Selbst und zieht dich an sich, und was sich dann vollzieht, das vollzieht ein anderes an dir, und du hast keine Macht darüber. In diesem Geschehen schwinden alle Zweifel und Erörterungen von selber, wie im Schlafe die Sorgen des Tages verschwinden,
Der Schüler: Welche Gewissheit gibt es, daß ein anderes uns erwartet und willkommen heißt?
Der Meister: Wessen Seele genugsam entfaltet und reif (Pak Vin) ist, der durchdringt sich von selbst mit dieser Gewissheit.
Der Schüler: Wie geschieht diese Entfaltung?
Der Meister: Darauf gibt es mehr als eine Antwort, — aber wie immer sie begonnen hat, ernstliches Fragen nach dem Selbst fördert sie.
Der Schüler: Das heißt doch, sich im Kreise drehen: »Ich bin zur Reife entfaltet und daher reif zum Fragen, — das Fragen aber hilft zur Reife entfalten.«
Der Meister: In solchen Sackgassen verrennt das Denken sich immer: es will zu seiner Beruhigung eine Theorie, Wer aber ernstlich Gott nahekommen oder sein eigenes, wahres Wesen ergründen will, braucht im Grunde keine Theorie, Die heiligen Lehren nennen übrigens viele Verfahren, und gewiß ist der Umgang mit großen Menschen, mit erhabenen Seelen eine wirksame Hilfe.

Was ist mein Selbst?

Der Schüler: Ich möchte wissen, was dieses »Herz« ist und wo es ist, — aber vorher sollst du mir einen Zweifel klären; ich kenne meine eigene Wirklichkeit nicht; mein Wissen stößt sich an den Grenzen seiner Unvollkommenheit. Du sagst, »Ich« bedeute das Selbst (âtman), Aber vom Atman heißt es, er sei immer seiner selbst gewahr, indes ich meiner selbst nicht gewahr bin Der Meister: Das ist ein Irrtum der vielen. Was du dein Selbst nennst, ist nicht das wahre Selbst, das nicht geboren wird noch stirbt, Der Schüler: Damit willst du sagen, was ich mein Selbst nenne, ist der Leib oder ein Teil meines Leibes? Der Meister: Aber der Leib ist Stoff, ist ungeistig-dumpf (jada); er erkennt nicht, sondern ist nur Gegenstand des Erkennens. Der Schüler; Wenn ich aber weder »âtman« bin, das »Selbst«, noch »an-âtman«, das »Nichtselbst« , , . Der Meister: Ich will dir weiterhelfen. Zwischen Geistigem und Stofflichem, zwischen Denken und Leib ersteht ein Etwas, das sich »Ich-Wesen«, »Ich-Machen« (ahamkâra) nennt: das »Ich-Selbst«, der »fîva« oder Lebensfunke, Was du dein Selbst nennst, ist dieses »Ich-Selbst«: verschieden vom Selbst, das ewig seiner selbst inne ist, und verschieden vom bewußtlosen Stoff; dabei hat es aber gleichermaßen teil am geistig Lebendigen (cetana) wie am leblos Stofflichen (f ada). Der Schüler: Wenn du sagst, »Erkenne dich selbst«, meinst du also, ich soll dieses »Ich-Selbst« erkennen? Der Meisten Aber in diesem Augenblick, da das »Ich-Selbst« sich selbst zu erkennen unternimmt, wandelt sich sein Wesen; es fängt an, immer weniger teilzuhaben am stofflich Leblosen, denn es wird mehr und mehr von der Bewußtheit des Selbst (âtman) auf¬gesogen.

Die geheime Stätte des Selbst

Der Schüler: An wen richtest du dein Geheiß, »Erkenne dich selbst«? Der Meister: An was immer du bist, — dir gebe ich den Rat: »Erkenne dich selbst«, Wenn das »Ich-Selbst« die Notwendigkeit fühlt, seinen Ursprung zu ergründen, oder den Antrieb empfindet, sich über sich selbst zu erheben, dann nimmt es den Rat an und steigt in die Tiefe und entdeckt dort die wahre Quelle der Wirk¬lichkeit seiner selbst. Und indem es so beginnt, sich selbst zu er¬kennen, endet es damit, das Selbst zu gewahren. Der Schüler: Du sagtest, das »Herz« sei die Stätte des Selbst? Der Meister: Ja, es ist eine höchste Stätte des Selbst, daran zweifle nicht: das wahre Selbst wohnt dort im »Herzen« hinter dem Jîva oder »Ich-Selbst«, Der Schüler: Sag mir, ich bitte dich: wo im Leibe ist das? Der Meister: Mit deinem Denken wirst du das nicht erkennen. Mit deiner Phantasie kannst du es dir nicht vorstellen, wenn ich dir sage: die Stätte ist hier (damit wies der Meister rechts auf seine Brust), — der einzige unmittelbare Weg, es zu erfahren, ist, daß du dir gar nichts vorzustellen versuchst, sondern es selber zu erleben trachtest, Dann erfährst du es und fühlst ganz von selbst, daß die Stätte des »Herzens« hier liegt, In den heiligen Schriften wird sie »hrid-guhâ«, die Höhle des Herzens, genannt, tamulisch »Ullam«.

Der Schüler: Das habe ich aber noch in keinem Buche ge-funden, Der Meister: Lange, nachdem ich hierher kam, stieß ich in der Mâlayâlam-Uebersetzung des »Ashtânga-hridaya« (»Herz«, d. h. »Quintessenz der achtgliedrigen Wissenschaft«), diesem klassischen Kompendium der Heilkunde (âyurveda), auf einen Vers; in dem war die Rede von der »Stätte der Lebenskraft« (ojas-sthâna); sie sei auf der rechten Seite der Brust gelegen und sei die Stätte des Bewußtseins, des Sichselbergewahrseins (samvid), Aber mir ist keine andere Schrift bekannt, die darauf Bezug nimmt, Der Schüler; Ist es sicher, daß die Alten diese Stätte als »Herz« bezeichneten? Der Meister; Ja, das taten sie, — Aber du solltest lieber versuchen, diese Erfahrung zu hab en, als sie irgendwo mit deiner Vorstellung zu suchen, Niemand braucht zu suchen, wo seine Augen sitzen, wenn er sehen will. Das »Herz« ist immer offen, wenn du wirklich hinein willst; es trägt alle Regungen und Be¬wegungen in dir, ohne daß du dessen gewahr wirst, Vielleicht sollte man lieber sagen: das Selbst ist das »Herz« selber, als daß es »im Herzen« sei. Fürwahr, das Selbst ist die Stätte und Mitte selber, Es ist immerdar seiner selbst inne als »Herz«, als Selbstgewahr-sein, Darum habe ich gesagt: »Herz ist dein Name« (hridayam te nâma), Der Schüler: Hat noch sonst jemand den Höchsten Herrn als »Herz« angesprochen? Der Meister: Lange, nachdem ich das gesagt hatte, stieß ich eines Tages auf ein Lied im »Devâram« des heiligen Appar, in dem er den Herrn »ullam«, d. h. »Herz«, nennt, Der Schüler: Wenn du sagst, das »Herz« sei höchste Stätte und Mitte des Ewigen Wesens (purusha), des Atman, dann besagt das, es sei keines der sechs Lotoszentren, die der Kundalinî-Yoga lehrt, Der Meister: Die sechs Lotoszentren des Yoga von der Tiefe des Leibes aufwärts bis unter die Hirnschale sind ebensoviele

Zentren des Nervensystems. Sie bezeichnen verschiedene Stufen, an denen unterschiedliche Kräfte oder Erkenntnisse sich auftun, die zum tausendblättrigen Lotos (sahasrâra)1 zuhöchst geleiten, in dem die höchste Weltkraft (shakti) wohnt, Aber das Selbst, das den ganzen Gang dieser Kraft, vom tiefsten Lotos hinauf zum höchsten, trägt, wohnt nicht in ihm, sondern trägt das Ganze vom Herzen her. Der Schüler: Dann ist es verschieden von der sich offenbaren¬den Weltkraft (shakti)? Der Meister: In Wirklichkeit gibt es keine Selbstoffenbarung der göttlichen Kraft (shakti) neben dem Selbst her. Das Selbst hat sich in all diese Kraft verwandelt . , , Wenn sich der Yogin in die höchste Mitte der Entrückung erhebt, in Samâdhi, ist es das Selbst im Herzen, das ihn in diesem Stande trägt, ob er es gewahr wird oder nicht. Wird er es im Herzen gewahr, so erkennt er: auf welcher Ebene, in welchem Stande und an welcher Stätte seines Wesens immer er sich bewegen mag, es ist immer dasselbe Wirk¬liche, dasselbe »Herz«, das eine Selbst, der Geist, der allerwärts zugegen ist, ewig und unwandelbar. Die Tantralehren nennen das »Herz« den »Sonnenkreis« (sûrya-mandala) und den tausendblätt¬rigen Lotos im Haupte (sahasrâra) den Mondkreis (chandra-man¬dala). Diese beiden Sinnbilder deuten an, wie die »Stätte des Selbst« (âtma-sthâna) und die »Stätte der Shakti« (shakti-sthâna) sich in ihrer Bedeutung zueinander verhalten,

Siehe auch

Literatur

  • Der Weg Zum Selbst von Heinrich Zimmer, Rascher Verlag Zürich, 1944, 1. Auflage

  1. Bhagavadgita: Das Lied der Gottheit in der Übersetzung aus dem Sanskrit von Robert Boxberger
  2. Bhagavadgita in der Übersetzung aus dem Sanskrit von Leopold von Schroeder
  3. Bhagavadgita, Sechster Gesang, Vers 6 in der Übersetzung aus dem Sanskrit von Robert Boxberger
  4. Bhagavadgita, Sechster Gesang, Vers 32 in der Übersetzung aus dem Sanskrit von Robert Boxberger