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| Hinduistische Literatur - eine Einführung. | | '''Hinduistische Literatur''' ist die [[Literatur]] [[Indien]]s, die man heute dem [[Hinduismus]] zuordnet. Hind ist der persische Name für den Fluss [[Indus]], Sanskrit [[Sindhu]]. Ein [[Hindu]] ist eigentlich ein [[Inder]], also jemand, der am Fluss Indus oder dahinter lebt. [[Hindustan]] war die persische Bezeichnung für Indien. |
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| Die Ursprünge des [https://www.yoga-vidya.de Yoga] liegen im Dunkeln, weil es die Quellenlage nicht erlaubt, zuverlässige
| | Erst im 19. Jahrhundert, noch mehr im 20. Jahrhundert, hat sich der Ausdruck "Hinduismus" bzw. "[[hinduistisch]]" als Bezeichnung für eine [[Religion]] durchgesetzt. Auch die indischen Angehörigen des Hinduismus haben weitestgehend diesen von Persern und Europäern geprägten persischen Begriff für ihre Religion akzeptiert - wenn es auch weiterhin Traditionalisten gibt, welche die Bezeichnung Hinduismus ablehnen und lieber z.B. von [[Sanatana Dharma]] sprechen. |
| Aussagen zu machen. Gerne würde man ihn auf die [[Indus-Kultur]] (2600-1900 v.
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| Chr.) zurückführen und eine auf Siegeln eingeritzte Figur als [[Yogi|Yogī]] oder [[Gott]] [[Shiva|Śiva]] interpretieren,
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| aber da sich die [[Indus]]-Schrift bislang einer wissenschaftlich haltbaren Entzifferung
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| entzieht, kann man nur wenig über die damaligen Vorstellungen sagen.
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| Die Indo-[[Arier]] dagegen, die seit ca. 1500 v. Chr. in das Indusgebiet einwanderten, verfaßten zahlreiche
| | Hinduistische Literatur im "alten" Sinn wäre jede [[indische Literatur]] - denn hinduistisch ist der persische Name für "indisch". |
| Texte, zunächst über [[priester]]liche, dann aber auch sonstige Belange, aus denen
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| man Rückschlüsse auf die Entwicklung des Yoga ziehen kann. Einige wichtige Textgruppen
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| sind in diesem Abschnitt aufgeführt. Die fett gedruckten Begriffe sollte man lernen.
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| ==Veda (Śruti), ca. 1500-500 v. Chr.==
| | Hinduistische Literatur im "modernen Sinn" ist alle Literatur, welche für den heutigen Hinduismus prägend ist. |
| [[Veda]] bedeutet 'Wissen,' auch [[Shruti|śruti]] genannt, 'das Hören, die geoffenbarten Texte', die als
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| nicht von Menschen gemacht (apauruṣeya) angesehen werden. Es handelt sich dabei um
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| die ältesten erhaltenen indoeuropäischen Texte, abgefaßt in vedischem Sanskrit durch
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| Mitglieder des Priesterstandes. Der Veda wurde und wird teilweise noch heute mündlich
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| weitergegeben, eine Verschriftlichung fand wahrscheinlich erst zur Zeit der Moghuls
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| (1526-1857 n. Chr.) statt. Es gibt vier Vedas, die jeweils einer anderen Priestergruppe
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| mit unterschiedlichen Pflichten bei den Opferritualen zugehören:
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| #Ṛgveda (Aussprache Rigveda): 'das Wissen, das in den Versen, ṛc, besteht,'
| | Die wichtigsten Teile hinduistischer Literatur sind: |
| Sammlung von 1028 Hymnen an vielerlei Gottheiten, verfaßt von verschiedenen Weisen
| | * [[Veden]] ([[Shruti]]) |
| (ṛṣi-s, m.). | | * [[Smriti]] (Gesetzesbücher) |
| #Sāmaveda: 'das Wissen, das in den Melodien, sāman, besteht,' die Lieder sind
| | * [[Puranas]] (Göttergeschichten) |
| hauptsächlich die des Ṛgveda, nur ca. 75 sind neu.
| | * [[Itihasas]] (Heldenepen) |
| #Yajurveda (Aussprache Yadschurveda): 'das Wissen, das in den Opfersprüchen,
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| yajus, besteht,' enthält auch Abschnitte in Prosa.
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| #Atharvaveda: 'Wissen der Atharvans,' einer bestimmten Priestergruppe, enthält
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| teils ähnliche Hymnen wie der Ṛgveda, teils Zaubersprüche für alle Lebenslagen.
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| Jeder Veda besteht aus vier Teilen, die, grob gesehen, einer historischen Abfolge entsprechen
| | ==Siehe auch== |
| und sich gelegentlich auch überschneiden:
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| #Saṃhitā-s: 'Zusammenstellungen, Sammlungen.'
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| #Brāhmaṇa-s: Ritualwissen, Erklärungen (nicht Beschreibungen) der Opferhandlungen.
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| #Ᾱraṇyaka-s: 'zur Wildnis gehörig,' wie Brāhmaṇas, zu solchen Opfern, die magisch
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| so gefährlich sind, daß man die Texte nur in der Wildnis (araṇya) rezitieren kann.
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| #Upaniṣad-s: von upa-ni-ṣad, 'sich in die Nähe( eines Lehrers) setzen,' wohl gebraucht
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| im Sinn von 'esoterischem Wissen.' Sie werden auch Vedānta, Ende des Veda genannt
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| (s. 2.14). Vedisch sind ca. 15 Upaniṣads, es gibt allerdings rund 200, deren Abfassung
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| teilweise bis ins 2. Jt. n. Chr. reicht.
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| ==Smṛti (ab ca. 500 v.Chr.)==
| | * [[Hinduismus]] |
| Als smṛti, 'Erinnerung,' bezeichnet man nachvedische Gesetzestexte, die im Gegensatz
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| zur śruti als von Menschen gemacht angesehen werden. Die älteren Gesetzestexte sind in
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| sūtra-Form verfaßt, in möglichst kurzen, prägnanten Sätzen (Leitfäden'), wie u.a. auch
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| Abhandlungen zum Ritual und später zur Philosophie (s. 2.15). Jüngere smṛti-s sind in
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| Versform. Teilweise werden auch Epos und Purāṇas zur smṛti gerechnet. Die Anerkennung
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| der Autorität von śruti und smṛti gilt als eine der Voraussetzungen des Hinduseins.
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| ==Itihāsa (iti ha āsa: 'so ist es gewesen,' Geschichte)==
| | [[Kategorie:Hinduismus]] |
| Der Begriff bezieht sich auf die beiden großen Epen Indiens, deren literarische Anfänge
| | [[Kategorie:Literatur]] |
| ins 4. Jh. v. Chr. zurückreichen. Sie haben über zwei Jahrtausende Religion, Kunst und
| | [[Kategorie:Yoga Geschichte]] |
| Literatur Süd- und Südostasiens geprägt. Ihr Ursprung liegt im Milieu der Kriegerkaste,
| | [[Kategorie:Indien]] |
| zentrales Thema ist der dharma, richtiges Verhalten.
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| #Mahābhārata: Geschichte der verfeindeten Vettern Kaurava und Pāṇḍava, umrankt
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| von zahlreichen Erzählungen, philosophischen Abhandlungen (wie z.B. Bhagavadgītā)
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| etc. Nach traditioneller Auffassung ist der Weise Vyāsa der Verfasser.
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| #Rāmāyaṇa: Geschichte des Prinzen Rāma, seiner Frau Sītā und ihrer Wiedergewinnung
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| aus der Gefangenschaft beim Dämonen Rāvaṇa. Als Verfasser gilt Vālmīki.
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| Purāṇa ('alt,' 'das Alte'), seit ca. 4. Jh. n. Chr.
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| Die Purāṇas enthalten Mythen zu Entstehen und Vergehen der Welt, Königsgenealogien,
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| Legenden, Abhandlungen zu Recht, Kunst, Medizin etc. Oft steht eine bestimmte Gottheit
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| im Mittelpunkt des Werks. Nach traditioneller Zählung gibt es 18 Haupt- und eine
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| große Anzahl Nebenpurāṇas. Besonders wichtig sind das Mārkaṇḍeya-Purāṇa mit dem
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| Mythos Durgās als Dämonentöterin, und das Bhāgavatapurāṇa mit Geschichen von
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| Kṛṣṇas Kindheit und Jugend in der heute autoritativsten Fassung.
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| 2.14.3 Sektarische Literatur
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| Ᾱgamas, Tantras, seit 3. Jh. bzw. seit 9. Jh. n. Chr.
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| Die Begriffe Ᾱgama und Tantra sind oft austauschbar, allerdings liegt der Schwerpunkt
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| der Ᾱgamas auf eher äußerlicher Verehrung von Gottheiten, Tempelbau, Weihung von
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| Götterfiguren, Festen usw., während in den Tantras meist Aspekte persönlicher Praxis
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| behandelt werden, insbes. auch Kuṇḍalinīyoga. Hierher gehören die Texte der śivaitischen
| |
| Nāth-Yogīs, die u.a. die Grundlagen für den heutigen Haṭhayoga legten. Darunter
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| sind besonders wichtig:
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| 1) Siddhasiddhāntapaddhati, Gorakṣanātha/Gorakhnāth zugeschrieben (ca. 1000-
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| 1250), Grundlagenwerk zum Nāth- bzw. Kuṇḍalinī-yoga.
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| 2) Gorakṣaśataka Gorakṣanātha zugeschrieben (ca. 1200-1250)
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| 3) Haṭhayogapradīpikā von Svātmārāma Yogin (ca. 1350-1400)
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| 4) Gheraṇḍasaṃhitā (ca. 1650-1700)
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| 5) Śivasaṃhitā (ca. 1650-1700)
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| 6) Ṣaṭcakranirūpaṇa von Pūrṇānanda (ca. 1600-1700), eine der ausführlichsten Beschreibungen
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| der sechs cakras.
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| Ungefähr im 10. Jh. entstand das Yogavāsiṣṭha, in dem die praktische Seite des Yoga in
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| sieben Bhūmikās gefaßt ist (s. 2.13). Zwischen 1200 und 1600 liegt die Entstehungszeit
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| der Yoga-Upaniṣads, die vorwiegend Spezialthemen des Kuṇḍalinī- und Haṭhayoga behandeln.
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| 2.14.4 Literatur in modernen Sprachen
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| Seit dem 6. Jh. n. Chr. in Südindien, verstärkt seit dem 13. Jh. in Mittel- und Nordindien,
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| gewannen die Volkssprachen literarische Bedeutung. Dies war oft den sog. Dichterheiligen
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| zu verdanken, die mit ihren Liedern für das Aufblühen einer landesübergreifenden
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| Frömmigkeit auch innerhalb solcher Bevölkerungsschichten sorgten, die keinen Zugang
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| zu Sanskrit hatten. Seit der Kolonialzeit kam eine Fülle von vorwiegend englischen
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| Übersetzungen aus dem Sanskrit und anderen indischen Sprachen in den Westen, und
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| selbständige Werke indischer Schriftsteller in Englisch entstanden.
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| 2.14.5 Zur Geschichte des Yoga
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| Was Yoga anbelangt, so enthalten die vedischen Texte wenig, was den späteren Übungsmethoden
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| vergleichbar wäre. Wohl aber kannte man im Ṛgveda veränderte Bewußtseinszustände
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| und Visionen, die man mit Hilfe von tapas (Hitze, Askese) und dem Saft der haluzinogenen
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| Somapflanze zu erreichen trachtete. Ziel war nicht Erlösung, sondern
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| dichterische Fähigkeit, Macht, Ruhm, Reichtum u.ä. In den Upaniṣads entwickelte sich
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| die Idee, daß Erkenntnis von ātman bzw. brahman das einzig Erstrebenswerte und durch
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| Entsagung, Zügelung der Sinne (yoga), Atemübungen, Innenschau und samādhi zu erreichen
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| sei. Ähnliche Vorläufer des achtgliedrigen Yoga des Patañjali (s. 2.15) finden sich
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| auch im Mahābhārata, wo in der Bhagavadgītā zusätzlich Jñāna-, Karma- und Bhaktiyoga
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| (Yoga des Wissens, Handelns und der Hingabe) eingeführt werden.
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| Im indischen Mittelalter traten die Nāth-yogīs hervor. Ihr Ansatz unterscheidet sich
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| grundsätzlich vom Yoga des Patañjali: während es in den Yogasũtras um die Trennung
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| von Geist und Materie durch Disziplinierung des Denkens geht, streben die Nāths nach
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| Einheit von Geist und Materie (Śiva und Śakti) mit Hilfe von Kuṇḍalinī- bzw. Haṭhayoga.
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| Die Gründer der Nāth-Schule, Matsyendranāth und Gorakhnāth, sind in vielen Legenden
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| (sogar buddhistischen) als Wundertäter in der Volksreligiosität Indiens und Nepals
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| verankert. Auch in Liedern und sonstigen Texten mittelalterlicher Dichterheiliger ist
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| der Einfluß der Nāths sichtbar. Einer der Nationalheiligen Maharashtras, Jñāndev (13.
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| Jh.), selbst ein Nāthyogī, schildert z.B. im 6. Kapitel seines berühmten Bhagavadgītā-
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| Kommentars ausführlichst den Aufstieg der Kuṇḍalinī. Auch das Werk des nordindischen
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| Dichters Kabīr (15. Jh.), dessen Lieder bis heute in ganz Indien bekannt sind, enthält
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| Nāth-Vorstellungen und Begriffe. Während Vivekānanda in seinem Buch über Rājayoga
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| (1896) den Haṭhayoga als spirituell nutzlos bezeichnet, gelangte dieser in Indien zu
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| ungeahnten Ehren seit Zeiten des Freiheitskampfes als einheimisches System der Körperertüchtig.
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| Veröffentlichungen wie Iyengars 'Light on Yoga' oder Yogānandas 'Autobiography
| |
| of a Yogi' trugen zur Globalisierung des Yoga bei.
| |
| Quellen:
| |
| Alter, J.S., Yoga in Modern India, Princeton University Press 2004 (bes. Kap. 5).
| |
| Bhagavadgītā: translated by Alladi Mahadev Sastry, Madras (Samata Books) 1977 [=1901].
| |
| Briggs, George Weston, Gorakhnāth and the Kānpha�ha Yogīs, Delhi (Motilal Banarsidass), 1982 [= 1938].
| |
| Deussen, Paul, Sechzig Upanishad's des Veda, Leipzig (Brockhaus) 1897 (s. bes. Bṛhadāraṇyaka U. 4.4.22,
| |
| Kaṭha U.).
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| Flood, GAvin, An introduction to Hinduism, New Delhi (Foundation Books) 1998, p. 75ff.
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| Kiehnle, C., The Secret of the Nāths, The Ascent of Ku()alinī according to Jñāneśvarī 6.151-328, Bulletin
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| d'Études Indiennes 22-23, Paris 2005
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| Larson, G.J., R.S. Bhattacharya, Yoga: India's Philosophy of Mediation, Encyclopaedia of Indian Philos,
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| ophies, Vol. XII, Delhi (Motilal Banarsidass) 2008.
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| Limaye, V.P., R.D. Vāḍekar, A8�ādaśa-upani8ada9, prathamaḥ khaṇḍaḥ, Puṇe.
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| Malinar, Angelika, Hinduism, UTB 3197, Göttingen (Vandenhoeck und Ruprecht) 2009, S. 62.
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| Mānava Dharma-Śāstra, edited by J. Jolly, London (Trübner etc.) 1887, p.14, 15.
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| Manusm<ti, Manus Gesetzbuch, Übers./Hrsg. Axel Michaels, Anand Mishra, Berlin (Insel Verlag) 2010.
| |
| Michaels, Axel, Der Hinduismus, München (Verlag C.H.Beck) 1998, S. 285-299, S. 74.
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| Nyāyakośa: Dictionary of technical terms of Indian philosophy, by Mahāmahopādhyāya Bhīmācārya
| |
| Jhalakīkar, Poona (BORI) 1978.
| |
| Patañjali's Yoga Sutras, transl. by Rama Prasada, New Delhi (Munshiram Manoharlal) 1988.
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| Rocher, Ludo, The Purā(as, Wiesbaden (Otto Harrassowitz) 1986.
| |
| Vaudeville, Charlotte, Kabir, Oxford (Clarendon Press) 1974.
| |
| Vivekananda, Raja-Yoga, 22. ed., Calcutta (Advaita Ashrama) 1995 (1896), p. 20ff.
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| Witzel, Michael, Das alte Indien, München (Verlag C.H.Beck) 2003.
| |
| " S.W. Jamison, Vedic Hinduism, 1992, online abrufbar.
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