Meditationsarten
Swami Sivananda schreibt über Meditationsarten
Der indische Yogi and Weise Swami Sivananda schreibt über die verschiedenen Meditationsarten – und gibt dabei Tipps für die Meditation:
Es gibt verschiedene Arten der Meditation, der Besonderheit des Bewusstseins entsprechend. Sie passt sich dem Geschmack und Temperament, der Begabung und Gedankenart des einzelnen an. Ein Mystiker meditiert über seine Schutzgottheit, die Ishta Devata. Ein Raja Yogi meditiert über den höchsten Gott Purusha, der unberührt ist von Anfechtungen, Wünschen und Karma. Ein Hatha Yogi meditiert über die Chakras und die sie beherrschenden Gottheiten. Ein Jnana Yogi meditiert über sein Selbst oder Atman. Du musst die für dich geeignetste Art der Meditation herausfinden oder, falls du hierzu nicht fähig bist, einen Lehrer fragen, der die Selbstverwirklichung erlangt hat. Er wird die Art deines Bewusstseins und die richtige Meditationsart für dich erkennen.
Das Bewußtsein nimmt die Gestalt des Gegenstandes an, den es erkennt. Nur so ist Wahrnehmung möglich. Ein Mystiker (bhakta-yogi) wird unaufhörlich über die Gestalt seiner Ishta Devata meditieren. Seine Gedanken nehmen die Gestalt dieser Gottheit an. Hat er, in Meditation gefestigt, den Zustand der höchsten Hingabe (para-bhakti) erreicht, sieht er in allem nur noch seine Ishta Devata. Namen und Formen lösen sich .auf. Der Anbetende des Gottes Krishna sieht überall Krishna und macht die in der Bhagavad Gita beschriebene Erfahrung: IIVasudeva sarvam itti.« (Alles ist nur Vasudeva
[Krishna]). Ein Jnana-Yogi oder Vedanta-Anhänger erblickt
in allem nur sein eigenes Selbst (Atman). Die Welt der Namen und Formen entschwindet seinem Blick, und er empfindet, was die Worte des Sehers der Upanishaden ausdrücken: »sarvam khalvidam brahman« (In Wahrheit ist alles Brahma).
Die Gewohnheit des Meditierens und Schweigens ist eine
große Hilfe auf dem geistigen Weg und gibt eine Fülle geistiger
Stärke, neue Kräfte, Vitalität und Frieden.
Zum Meditieren muß das Bewußtsein ruhig sein. Nur
dann vermag der Schüler in kurzer Zeit samadhi zu erreichen.
Sind die Sinnesorgane (indriyas) beherrscht und frei von Begierde,
wird das Bewußtsein ruhig. Ein heißer Wunsch nach
Befreiung und ein auf Gott gerichtetes Denken werden zur
Tötung der Begierden führen. Herrscher aller Herrscher ist,
wer sein Bewußtsein in Ruhe hält, ein Zustand, der kaum zu
beschreiben ist.
In Meditation und Konzentration muß das Bewußtsein auf
verschiedene Weise geschult werden, um das grobstoffliche
Denken zu verfeinern (sukshma). Worüber man im Stillen
meditiert, sollte sich im täglichen Leben auswirken, sollte
Denken und Handeln in Harmonie und Gleichgewicht bringen
und inneren Frieden geben. Das sind die wahren Früchte
der Meditation.
Die oberen Körperteile - Brust, Nacken, Kopf- senkrecht
in Gleichgewicht mit dem übrigen Körper gehalten, Herz
und Gedanken unter Kontrolle gestellt, so wird der Weise auf
dem Floß Brahmas, der heiligen Silbe (OM), die gefahrvollen
Ströme der Erde durchqueren. Seine Sinne beherrschend,
die Begierden zähmend, leise durch beide Nasenlöcher atmend,
wird er sein Bewußtsein bewachen wie der Wagenlenker
seine wilden Rosse.
Offenbaren sich im Körper des Yogi, der aus Erde, Wasser,
Feuer, Luft und Äther besteht, die nachstehend beschriebenen
fünf Eigenschaften, dann wird es für ihn keine Krankheit,
. kein Alter, kein Leiden mehr geben. Sein Körper wird
im Feuer der Konzentration geläutert sein.
Ist der Körper leicht und ohne Krankheit, das Bewußtsein
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ohne Verlangen, die Haut hell, die Stimme weich, sind die
Ausscheidungen nur noch gering, dann ist die erste Stufe der
Konzentration erreicht.
Wie das Wasser von Salz oder Zucker gesättigt sein kann,
so sollte man sein Bewußtsein mit erhabenen Gedanken an
Gott, an Seine Herrlichkeit, Seine Allgegenwart erfüllen und
dadurch die Seele zum Geistigen führen. Nur auf diese Weise
wird man im göttlichen Bewußtsein ruhen.
Fünf Dinge sind Voraussetzung für eine wirksame Meditation,
für ein schnelles Erreichen von samadi1i, der Selbstverwirklichung.
Es sind: Schweigen (mauna), leichte Diät aus
Milch oder Früchten, Einsamkeit in einer schönen Umgebung,
persönliche Verbindung mit einem Meister und ein
kühler Ort.
Nur wenn man ein moralisches Leben führt, kann man in
tiefe Meditation eingehen. Ferner sind Unterscheidung und
die anderen Stufen des Bewußtseins aufzubauen. Die Gedanken
werden sich an die Konzentration gewöhnen und der
Schüler sich endlich ganz der Meditation hingeben. Je reiner
das Leben ist, um so mehr wird man meditieren, um so größer
werden die Möglichkeiten sein, die höchste Verwirklichung
(nirvikalpasamadhi) zu erreichen und, vom Rad der Geburt
und des Todes erlöst, ewige Glückseligkeit zu erfahren.
Was lehrt Krishna, wenn er die Flöte in seinen Händen
hält? Was ist die symbolische Bedeutung seiner Flöte? Es ist
das Symbol der heiligen Silbe OM. Sie lehrt: »Mache dich
leer von deinem Egoismus, damit ich auf der Flöte deines
Körpers spielen kann. Laß deinen Willen eins werden mit
meinem Willen. Nimmst du Zuflucht zu OM, wirst du in
mein Wesen eingehen. Nimm die innere Musik der Seele in
dich auf, laß dich von ihr beruhigen und ruhe im ewigen
Frieden.«
Samadhi kann man durch Konzentration und Meditation
erreichen, wenn man nur leichte Kost zu sich nimmt. Fühlt
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man sich nach zwei oder drei Stunden Meditation ermüdet,
ruhe man sich eine halbe Stunde aus. Nachdem man eine
Tasse Milch getrunken hat, versetze man sich erneut in Meditation
und wiederhole diese Übung wieder. Ist der Abend
gekommen, kann man auf der Terrasse spazierengehen.
Aber auch dann darf man nicht, selbst nicht für Minuten,
weltliche Gedanken in das Bewußtsein eindringen lassen.
Wie der Schüler an seinem Studium der Mathematik oder
Geometrie, das ihm zu Anfang unerträglich erscheint, langsam
Interesse gewinnt, indem er sich die späteren Vorteile
einer bestandenen Prüfung vorstellt, so muß man auch an der
Meditation Interesse gewinnen, indem man der unzähligen
Wohltaten gedenkt, die aus ihr erwachsen: Unsterblichkeit,
höchster Frieden, ewige Glückseligkeit. Empfindet man Abneigung
gegen die Arbeit, hat man einzig das Bedürfnis nach
Meditation, kann man ein zurückgezogenes Leben führen
und sich allein von Milch und Früchten nähren. Auf diese
Weise wird man gute geistige Fortschritte machen. Steigt
aber Verlangen nach Arbeit auf und schwächt das Bedürfnis
nach Meditation ab, soll man sich wieder der Arbeit widmen.
Durch allmählich sich steigernde Übung wird das Bewußtsein
verändert.
Ein Eisen im offenen Feuer färbt sich rot, verliert aber die
Röte, sobald man es zurückzieht. Soll es rot bleiben, muß es
im Feuer gelassen werden. Ebenso muß man sein Bewußtsein,
soll es immer von göttlicher Weisheit erfüllt sein, ständig
in Berührung mit dem Feuer der Erkenntnis Brahmas
durch ununterbrochen tiefe Meditation halten und darf den
nicht endenden Strom des Brahma-Bewußtseins nicht unterbrechen.
Auf diese Weise wird man den »Natürlichen Zustand
« (sahaja avastha) erreichen.
De.r Schüler muß stets ein konkretes oder abstraktes VorsteUungsbild
Gottes oder Brahmas vor Augen haben, bevor
er mit der Meditation beginnt. Wenn er die konkrete Gestalt
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Krishnas beim Meditieren mit offenen Augen erblickt, nennt
man es die konkrete Form der Meditation. Wenn er sich das
Bild Krishnas mit geschlossenen Augen vorstellt, ist dies
noch eine konkrete, aber schon subtilere Form. Meditiert er
über das unendliche Licht, ist dies abstrakte Meditation. Die
beiden ersten Arten gehö"ren zu der Meditation, die Eigenschaften
oder Attribute (saguna) beobachtet, die letztere
kennt weder Form noch Attribut (nirguna). Bei ihr gibt es
zunächst noch eine abstrakte Form, die notwendig ist, um die
Gedanken zu konzentrieren, die sich aber später auch auflöst,
wenn Meditierender und Meditiertes eins werden.
Während der Meditation soll man sorgfältig beobachten,
wie lange man alle weltlichen Gedanken auszuschalten vermag.
Hat man zwanzig Minuten erreicht, bemühe man sich,
die Dauer auf dreißig oder vierzig Minuten zu verlängern
und so fort . Immer und immer muß man das Bewußtsein mit
Gedanken an Gott erfüllen.
Ist das Bewußtsein in der Meditation ruhig geworden,
werden die Augäpfel unbeweglich. Ein Yogi mit regungslosem
Bewußtsein hat auch regungslose, nicht blinzelnde
Augen, die rot oder ganz weiß sind.
Innere wie äußere Handlungen können nur vollzogen werden,
wenn das Bewußtsein mit den Organen verbunden ist.
Der Gedanke ist die eigentliche Handlung. Vermag man
durch ununterbrochene Übung seine Gedanken zu beherrschen,
hat man seine Erregungen und Stimmungen unter
Kontrolle, wird man niemals unsinnige oder falsche Handlungen
begehen. Die Meditation wird viel dazu beitragen,
Erregungen und Impulse in Zaum zu halten.
Konzentriere dich und meditiere über die Weite des Horizonts,
eine Abart der attributlosen Meditation (nirguna) . Auf
diese Weise werden deine Gedanken nicht mehr auf endliche
Dinge gerichtet sein, sondern sich allmählich im Meer des
Friedens auflösen, da sie von ihrem Inhalt, das heißt von
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ihren verschiedenartigen Formen geleert sind. Das Bewußtsein
wird immer subtiler.
Manche Schüler ziehen vor, sich mit offenen Augen zu
konzentrieren, während andere die Augen schließen oder
halb geöffnet halten. Beim Meditieren mit geschlossenen
Augen verhütet man das Eindringen von Fremdkörpern in
die Augen. Schüler, die sich vor Licht und plötzlichen Störungen
fürchten, behalten die Augen lieber offen. Beim Meditieren
mit geschlossenen Augen kann den Schüler leicht
Schlaf überfallen, während die Gedanken bei offenen Augen
anfänglich gern von einem Gegenstand zum anderen wandern.
Mit gesundem Menschenverstand wird der Schüler
wissen, was fur ihn am besten ist, und durch welche Methoden
er diese und andere Schwierigkeiten zu überwinden vermag.
Es ist von besonderer Wichtigkeit, daß die Meditationsübungen
regelmäßig ausgeführt werden. Das ist der-Preis für
schnellen Fortschritt und guten Erfolg. Selbst wenn man
zunächst keine greifbaren Erfolge wahrnimmt, muß man mit
Ernst, Geduld und Ausdauer fortfahren und unter keinen
Umständen, nicht einmal einen Tag lang, die Übungen auslassen,
bis sich nach einiger Zeit der Erfolg einstellt. Das wird
bestimmt der Fall sein.
Immer und immer wieder muß der Schüler das Bewußtsein
mit erhabenen, reinen und göttlichen Gedanken erfüllen.
Neue Kanäle und Wege werden sich bilden. Wie in eine
Grammophonplatte schmale Kerben eingegraben sind, so
schaffen sich die mit höchsten göttlichen Eigenschaften erfüllten
sattva-Gedanken neue heilsame Wege in Bewußtsein
und Gehirn. Neue unbewußte Eindrücke (samskara) werden
entstehen.
Prana, die kosmische Energie, ist die Hülle des Bewußtseins.
Die Schwingungen des feinstofflichen Prana bilden die
Gedanken. Durch Schulung des Atems (pranayama) kann
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man das Bewußtsein beruhigen und die Meditation verbessern.
Hebt man Zitronen- und Tamarindensaft in einer goldenen
Schale auf, verdirbt er nicht und verliert nicht seine
Farbe, während er in einem Messing- oder Kupfergefaß sofort
verdirbt und giftig wird. Ebenso werden sinnliche Gedanken
(visha-vrittis), die in den reinen Geist eines Menschen
eindringen, der unaufhörlich Meditation übt, nicht beflecken
und keine leidenschaftlichen Erregungen (vikara) hervorrufen,
während sinnliche Gedanken in Menschen unreinen
Geistes Erregungen auslösen werden, sobald sie mit sinn li,:
hen Dingen in Berührung kommen.
Die Stellung (asana) festigt den Körper, gewisse Muskelspannungen
(bandas) und Handstellungen (mudras) kräftigen
ihn. Atemschulung (pranayama) macht den Körper gewichtslos,
die Reinigung der Kanäle (nadisIHlddhi) schafft
vollkommenes und ungestörtes inneres Gleichgewicht (samyavastha).
Ist dies alles erreicht, soll der Schüler die Gedanken
auf Brahma richten. Erst dann wird die Meditation
glücklich verlaufen.
Übe um vier Uhr morgens fünf Minuten lang die Stellung
»Oben nach Unten« (shirshasana). Nach einer Ruhepause
von weiteren fünf Minuten beginne mit der Meditation, die
nun besonders erfolgreich verlaufen wird. Eine Woche lang
sollte man nur Milch und Früchte zu sich nehmen, um eine
angenehme Meditation zu erreichen; denn diese Diät macht
den Menschen gewichtslos und voll erhabener Gedanken.
Abends sollte man nur einen halben Liter Milch trinken, um
nicht müde zu werden, da schwere Nahrung am Abend
schnell schläfrig macht.
Wer vier oder fünf Stunden hintereinander meditiert, kann
zu Beginn zwei Stellungen wechseln: den Lotussitz (padma)
und den Donnerkeil Shivas (vajra) , oder den vajra-Sitz und
die »vollkommene« Stellung (siddhasana). Da manchmal zu-
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viel Blut in Beine oder Schenkel dringt und Unruhe verursacht,
sollte nach zwei Stunden die Stellung gewechselt oder
die Beine ausgestreckt werden. Am angenehmsten ist es,
sich gegen die Wand oder gegen ein Kissen zu lehnen, so
daß die Wirbelsäule gerade bleibt. Man kann aber auch zwei
Stühle voreinander stellen, sich auf den einen setzen und die
Beine auf den anderen legen.
Ein Anfänger setzt sich am besten im Lotussitz (padmasana)
in ein abgeschlossenes Zimmer, schließt die Augen
und meditiert über das Strahlen der Sonne, die Herrlichkeit
des Mondes, den Glanz der Sterne oder die Schönheit des
Himmels.
Der Schüler sollte seine Gedanken auf verschiedenste Art
zur Konzentration schulen. Er kann sich auf das Geräusch
des Herzens (anahata) konzentrieren, indem er seine Ohren
schließt. Er kann sich auf den Atem konzentrieren, indem er
»So 'ham«: Ich bin Er, wiederholt. Die Konzentration kann
auf irgendein konkretes Bild erfolgen, auf den blauen Himmel
oder das allesdurchdringende Licht der Sonne. Der
Schüler kann sich auf die verschiedenen Chakren des Körpers
konzentrieren oder auf abstrakte Ideen wie Wahrheit
(satya), Erkenntnis Unana), Unendlichkeit (ananta), Einheit
(ekam), Ewigkeit (nitya). Am Ende seiner Übungen aber
darf er sich nur noch auf eine dieser Möglichkeiten konzentrieren.
Weder Augen noch Gehirn dürfen beim Meditieren angestrengt
werden. Man soll gegen seine Gedanken nicht ankämpfen,
sondern sich entspannen und allmählich die göttlichen
Gedanken einlassen, indem man fest an den Gegenstand
der Meditation (lakshya) denkt. Eindringende Gedanken
dürfen nicht willentlich oder gewaltsam zurückgestoßen
werden. Stellt man sich ganz auf erhabene Gedanken
ein, so verschwinden die lasterhaften von allein.
Strengt die Meditation den Schüler zu sehr an, so muß er
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die Anzahl der Stunden für einige Tage herabsetzen und nur
leichte Meditation üben, bis er seine normale Spannkraft
wieder erreicht hat. Auf dem ganzen Weg geistiger Schulung
(sadhana) muß er von seinem gesunden Menschenverstand
Gebrauch machen. Das sollte er nie vergessen.