Ramanuja

Aus Yogawiki

Ramanuja Acharya (Sanskrit: rāmānuja achārya m.) indischer Heiliger und Philosoph (ca. 1055 - 1137). Er begründete die Vishishtadvaitavedanta, die Philosophie des qualifizierten Nicht-Dualismus. Ramanujas höchstes Lebensideal war bhakti, die Liebe zu Gott sowie die Erkenntnis, dass letztlich alle Wesen und unbelebten Dinge Formen von Gott sind.

Swami Sivananda über Ramanuja Acharya

Er schreibt in seinem Buch Lives of Saints:

Im Jahre 1017 n. Chr. wurde Ramanuja im Dorf Perumbudur geboren, etwa 25 Meilen westlich von Madras. Sein Vater war Kesava Somayaji und seine Mutter war Kantimathi, eine sehr fromme und ehrwürdige Dame. Ramanujas Tamil Name war Ilaya Perumal. Ramanuja verlor seinen Vater früh und kam bald nach Kancheepuram, um sein Studium der Veden bei einem Yadavaprakasha, einem Lehrer der Advaita Philosophie, aufzunehmen.

Ramanuja war ein brillianter Student. Yadavaprakashas Interpretationen der Vedischen Texte stellten ihn nicht gänzlich zufrieden. Ramanuja zeigte viele Fehler in den schriftlichen Arbeiten seines Meisters auf. Manchmal gab er eigene Interpretationen ab, die allen seinen Mitstudenten sehr gefielen. Dies machte Yadavaprakasha sehr eifersüchtig auf Ramanuja.

Yadavaprakasha plante, dem Leben von Ramanuja ein Ende zu setzen. Er arrangierte für Ramanuja und seinen Cousin Govinda Bhatta—einem Mitstudenten—eine Pilgerfahrt nach Varanasi. Govinda Bhatta, einer der liebsten Studenten von Yadavaprakasha, erfuhr auf der Reise von dessen Plänen. Er informierte Ramanuja sofort von der Gefahr und verhalf ihm zur Flucht. Von Gottes Gnaden floh Ramanuja mit der Hilfe eines Jägers und seiner Frau, die er zufällig auf dem Weg traf.

Gegen Ende des 10. Jahrhunderts war das Visishtadvaita Philosophiesystem im Süden Indiens sehr etabliert und die Anhänger dieses Glaubens waren die Herren wichtiger Vaishnavite Tempel in Kancheepuram, Srirangam, Tirupathi und anderen wichtigen Orten. Leiter der bedeutsamen Vaishnavite Institution war Yamunacharya, ein großer Weiser und tiefgründiger Gelehrter. Er war außerdem Leiter des Mutt (Wallfahrtszentrum) in Srirangam. Einer seiner Schüler mit Namen Kanchipurna diente im Tempel in Kancheepuram. Obwohl ein Sudra war Kanchipurna so fromm und gut, dass die Menschen dort großen Respekt und Ehrfurcht vor ihm hatten. Heute gibt es einen Tempel in Kancheepuram, wo Kanchipurnas Bild hängt und wo er als Heiliger verehrt wird.

Der junge Ramanuja kam unter Kanchipurnas Einfluss und hatte derartige Ehrbietung für ihn, dass er ihn zum Essen in sein Haus einlud. Ramanujas Intention war es, Kanchipurna persönlich zu bedienen und ihm das Abendessen zu servieren, und erst danach selber zu essen. Unglücklicherweise kam Kanchipurna zum Essen vorbei, als Ramanuja nicht zu Hause war und bekam seine Mahlzeit von Ramanujas Frau serviert. Als Ramanuja zurückkam, fand er sein Haus gewaschen und geputzt und seine Frau badete gerade, weil sie einem Sudra eine Mahlzeit serviert hatte. Dies irritierte Ramanuja sehr und brachte ihn gegen seine Frau auf, die orthodox und von unterschiedlichem sozialen Ideal war. Nach ein paar derartigen Vorfällen entsagte Ramanuja dem Leben eines Hausherrn und wurde ein Sannyasin.

Zur etwa selben Zeit suchte Yamunacharya, der bereits sehr alt war, nach einem jungen Menschen mit ausgeprägten Fähigkeiten und gutem Charakter, der seinen Platz als Leiter des Mutt in Srirangam einnehmen sollte. Er hatte von seinen Schülern bereits von Ramanuja gehört und entschied sich, Ramanuja zu seinem Nachfolger zu machen. Er sandte nach Ramanuja, aber bis Ramanuja Srirangam erreichte war Yamunacharya tot; und Ramanuja sah wie dessen Körper von seinen Anhängern zur Feuerbestattungsstelle außerhalb des Dorfes gebracht wurde. Ramanuja folgte ihnen dort hin. Dort wurde er informiert, dass Yamunacharya, vor seinem Tod Instruktionen hinterlassen hatte, und dass er drei Wünsche hatte, die Ramanuja bitte erfüllen sollte, nämlich, dass für die Brahma Sutras von Vyasa eine Visishtadvaita Bhashya geschrieben werden sollte, da diese bislang den Schülern der Visishtadvaita Philosophie nur mündlich beigebracht wurde, und dass die Namen Parasaras, dem Autor der Vishnu Purana, und des Heiligen Sadagopa bewahrt und weitergeführt würden. Ramanuja war tief berührt und versprach direkt an der Feuerbestattungsstelle vor Yamunacharyas totem Körper, dass, so Gott wolle, er alle drei Wünsche Yamunacharyas erfüllen würde. Ramanuja lebte 120 Jahre lang und hielt sein Versprechen, indem er im Laufe seines langen Lebens alle drei Wünsche von Yamunacharya erfüllte.

Nach dem Tode Yamunas wollten seine Schüler in Srirangam und den anderen Orten, dass Ramanuja Yamunas Platz als Leiter des Tempels in Srirangam einnahm. Dies war außerdem ausdrücklicher Wunsch Yamunas gewesen. Also nahm Ramanuja die Stelle an und wurde mit allen dazugehörigen Zeremonien und Feierlichkeiten als Leiter des Visishtadvaita Tempels in Srirangam geweiht.

Danach ging Ramanuja nach Thirukottiyur, um von Nambi eine Einweisung in Japa des heiligen Mantras Om Namo Narayanaya zu erhalten. Aus irgendeinem Grunde war Nambi war nicht gewillt, Ramanuja einfach einzuweihen. Er ließ Ramanuja fast 18 mal den ganzen Weg von Srirangam nach Madurai reisen, ehe er sich entschloss, ihn einzuweihen, und dies auch nur nachdem er ihm feierliche Geheimhaltungsversprechen abverlangt hatte. Dann erst weihte Nambi Ramanuja gebührend ein und sagte: “Ramanuja! Halte dieses Mantra a geheim. Dieses Mantra ist ein mächtiges. Diejenigen, die dieses Mantra wiederholen werden Erlösung erlangen. Gib es nur an Schüler weiter, die es wirklich wert sind und es vorher schon versucht haben”. Aber Ramanuja hatte ein sehr großes Herz. Er war extrem mitfühlend und seine Liebe zur Menschheit war grenzenlos. Er wollte dass jeder die ewige Wonne von Lord Narayana genießen konnte. Er realisierte, dass das Mantra sehr mächtig war. Er rief sofort alle Menschen zusammen, sich vor dem Tempel zu versammeln, unabhängig von Kaste und Glauben. Er stand auf dem Turm über dem Eingangstor des Tempels und rief ihnen allen aus voller Kehle das heilige Mantra zu. Nambi, sein Guru, erfuhr davon. Er wurde wütend. Ramanuja sagte: “O mein geliebter Guru! Bitte bestimme eine passende Strafe für meine falsche Tat.” Ramanuja sagte: “Ich will mit Freuden Höllenqualen erleiden, wenn millionen von Menschen Erlösung erfahren könnten, indem sie von mir das Mantra hören”. Nambi gefiel diese Aussage Ramanujas sehr und er erkannte sein großes mitfühlendes Herz. Er umarmte Ramanuja und segnete ihn. Nachdem er sich so mit den nötigen Qualifikationen ausgestattet hatte, war Ramanuja Nachfolger Yamunas.

Zwischenzeitlich hatte sich Ramanujas Ruhm weithin herumgesprochen. Er wurde ein sehr guter Kontroversdiskutant. Er schrieb eine Erläuterung der Brahma Sutras, bekannt als Sri Bhashya. Das Visishtadvaita System ist ein sehr altes. Es wurde etwa 400 v. Chr. von Bodhayana in seinem Vritti dargelegt. Es ist das selbe wie das von Ramanuja dargelegte; und Ramanuja folgte Bodhayana in seinen Interpretationen der Brahma Sutras. Ramanujas Glaubensgemeinschaft der Vaishnavas wird Sri Sampradaya genannt. Ramanuja schrieb auch drei andere Bücher--Vedanta Sara (Essenz des Vedanta), Vedanta Sangraha (ein Resümé des Vedanta) und Vedanta Deepa (das Licht des Vedanta).

Ramanuja reiste durch ganz Indien, um den Pfad der Hingabe zu verbreiten. Er besuchte alle heiligen Orte Indiens, inklusive Kashi, Kashmir und Badrinath. Auf dem Rückweg besuchte er die Tirupathi Hügel. Dort fand er die Shaiviten und die Vaishnaviten, die sich miteinander stritten. Die eine Seite mit der Meinung, dass das Bild des Herrn in den Tirupathi Hügeln das eines Shaiviten war, die andere Seite der Meinung, es sei das eines Vaishnaviten. Ramanuja schlug vor, dass sie es dem Herrn selber überlassen, den Disput zu entscheiden. Also legten sie Zeichen von sowohl Shiva als auch Vishnu vor die Füße des Herrn, und nachdem sie die Türen des Tempels verschlossen hatten, hielten beide Parteien draußen Wache. Am Morgen, als die Türen geöffnet wurden, sahen sie, dass das Bild des Herrn die Zeichen Vishnus trug, während die Zeichen Shivas noch immer vor seinen Füßen lagen, wie am Abend zuvor. Dies entschied, dass der Tempel ein Vaishnaviter war und so ist es geblieben.

Ramanuja besuchte danach alle Vaishnaviten Gedenkstätten in Südindien und erreichte schließlich Srirangam. Hier ließ er sich nieder und fuhr mit seiner Arbeit, die Visishtadvaita Philosophie und Bücher zu schreiben fort. Tausende von Menschen scharten sich täglich um ihn, um seine Vorträge zu hören. Er reinigte den Tempel, legte die dort einzuhaltenden Rituale fest und beseitigte viele soziale Ungerechtigkeiten, die sich in der Gemeinschaft eingeschlichen hatten. Er hatte eine Gemeinde von 700 Sannyasins, 74 Würdenträgern in speziellen Ministerämtern und tausender heiliger Männer und Frauen, die ihn als Gott verehrten. Er konvertierte hunderttausende Menschen zum Pfad des Bhakti. Er weihte sogar Wäscher. Er war nun 70 Jahre alt, aber es war seine Bestimmung, noch viele weitere Jahre zu leben, mehr Mutts zu etablieren, weitere Tempel zu bauen und viele weitere tausend Menschen zu konvertieren.

Der König Cholas zu dieser Zeit war Kulothunga I und er war ein überzeugter Shaivite. Er befahl Ramanuja seinen Glauben an Shiva anzunehmen und Shiva als Herrn und Meister anzuerkennen.

Zwei der Schüler Ramanujas, Kuresa und Mahapurna, kleideten sich in die orangefarbenen Roben der Sannyasin und besuchten den Hof Kulothungas I an Stelle von Ramanuja. Dort argumentierten sie für die Überlegenheit Vishnus. Der Monarch lehnte es ab, ihnen zuzuhören und ließ ihnen die Augen herausnehmen.

Die beiden Unglücklichen machten sich auf nach Srirangam—ihrem Geburtsort. Mahapurna war ein sehr alter Mann, und starb unterwegs, unfähig, die Schmerzen zu ertragen. Kuresa kehrte alleine nach Srirangam zurück.

In der Zwischenzeit erreichte Ramanuja, zusammen mit ein paar Anhängern, die Ausläufer der westlichen Ghats, etwa 40 Meilen westlich von Mysore, durch strammes Gehen bei Tag und Nacht. Dort ließ er sich nach großen Schwierigkeiten nieder und verbrachte einige Jahre damit zu predigen und Leute zur Visishtadvaita Philosophie zu bekehren.

Der König dieses Ortes war Bhatti Deva aus der Hoysala Dynastie. Die Tochter des Raja war von einem Dämon besessen und niemand war in der Lage sie zu heilen. Ramanuja exorzierte den Dämon erfolgreich und die Prinzessin erlangte wieder gute Gesundheit. Der König war sehr zufrieden mit Ramanuja, wurde sein bereitwilliger Schüler und wurde von Ramanuja zu einem Vaishnaviten konvertiert. Danach ließ sich Ramanuja fest im Herrschaftsgebiet des Mysore Königs nieder, baute in Melkote einen Tempel und erschuf dort eine starke Vaishnavitengemeinschaft. Die Pariahs oder Unterklassen (heute Harijans genannt) des Ortes halfen Ramanuja sehr; und Ramanuja gab ihnen das Recht, den Tempel von Melkote zu betreten—an festen Tagen und mit limitierten Privilegien—was ihnen bis heute erlaubt ist.

Ramanuja baute noch einige Vishnu Tempel in und um Mysore, etablierte eine starke Gemeinschaft von Vaishnaviten und übertrug dieser die Verantwortung für seine Schüler, um seine Arbeit fortzuführen und die Visishtadvaita Philosophie und Verehrung Vishnus im Herrschaftsgebiet des Königs zu verbreiten. So führte er seine dortige Arbeit für fast zwanzig Jahre fort und seine Anhänger zählten mehrere Tausend.

In der Zwischenzeit starb Kulothunga Chola 1, der Ramanuja verfolgt hatte. Die Anhänger Ramanujas informierten ihn sofort darüber und baten ihn zurück nach Srirangam zu kommen. Ramanuja sehnte sich danach zu seinen Anhängern in Srirangam zurückzukehren und im dortigen Tempel zu huldigen. Aber seine neuen Schüler und Anhänger in Melkote und anderen Orten in Mysore wollten ihn nicht gehen lassen. Also baute er einen Tempel für sich selbst, installierte dort sein eigenes Abbild für seine Schüler und Anhänger, und machte sich dann wieder auf nach Srirangam. Er wurde dort von seinen Freunden und Schülern willkommen geheißen. Der Nachfolger von Kulothunga Chola I war ein pro-Vaishnavite und ließ Ramanuja in Ruhe. Ramanuja führte seine Arbeit für weitere 30 Jahre fort und beschloss seine lange und aktive Karriere im bemerkenswerten Alter von 120 Jahren.

Ramanuja war der Vertreter der Visishtadvaita Philosophie oder dem qualifizierten Nicht-Dualismus. Ramanujas Brahman (Konzept des Göttlichen) ist Sa-visesha Brahman, d.h. Brahman mit Eigenschaften. Nach Ramanujas Lehren ist Lord Narayana oder Bhagavan die oberste Wesenheit; die individuelle Seele ist Chit; Materie ist Achit. Ramanuja betrachtet die Eigenschaften als real und beständig, aber der Kontrolle Brahmans unterworfen. Die Eigenschaften werden Prakaras oder Formen genannt. Lord Narayana ist der Herrscher des Universums. Jiva ist Sein Diener und Huldiger. Jiva sollte sich dem Herrn ganz hingeben. Die Einheit Gottes ist im Einklang mit der Existenz von Eigenschaften, da die Eigenschaften oder Shaktis für ihre Existenz von Gott abhängig sind.

Dieser Abschnitt stammt aus dem Buch "Lives of Saints" von Swami Sivananda, Divine Live Society, Sivananda Ashram

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