Gregorianischer Gesang: Unterschied zwischen den Versionen

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:''es gibt viele Klöster in Europa und auf der ganzen Welt, aber auch viele kirchliche Chöre und Choralscholen, die vielleicht schöner, inniger und auch hingebungsvoller
:''es gibt viele Klöster in Europa und auf der ganzen Welt, aber auch viele kirchliche Chöre und Choralscholen, die vielleicht schöner, inniger und auch hingebungsvoller singen als wir. Und ist nicht die ganze Welt übersät mit Ordensgemeinschaften, in denen Gott geliebt und gelobt wird? Vielleicht wollte Gott in einer Zeit, in der der christliche Glauben zu verdunsten droht, durch uns Zisterzienser des Stiftes Heiligenkreuz exemplarisch auf das Heilsame aufmerksam machen, das in der christlichen Liturgie, in der christlichen Spiritualität und im christlichen Gebet liegt. (...)  »Oasen der Kraft«  (...)  
singen als wir. Und ist nicht die ganze Welt übersät mit Ordensgemeinschaften, in denen Gott geliebt und gelobt wird? Vielleicht wollte Gott in einer Zeit, in der der christliche Glauben zu verdunsten droht, durch uns Zisterzienser des Stiftes Heiligenkreuz exemplarisch auf das Heilsame aufmerksam machen, das in der christlichen Liturgie, in der christlichen Spiritualität und im christlichen Gebet liegt. (...)  »Oasen der Kraft«  (...)  


Wenn Gott uns Menschen ein Geschenk macht, dann nennen
:'' (...)Einmal im Monat beruft der Abt alle Mönche zu einer Versammlung ein, die wird kurz »das Kapitel« genannt.(...) Die Stimme von Abt Gregor klingt mir noch im Ohr: »Was ist in Hype?«, fragte er in dieser Kapitelversammlung und schaute in die Runde der Mönche. Seinem Tonfall war zu entnehmen, dass er dieses neuenglische »Haaiipp« für ebenso verzichtbar
hielt wie Fastfood-Ketten und elektronische Zahnbürsten. Man muss dazu wissen, dass es bei unseren monatlichen Kapiteln um Beratungen über substantielle Themen geht: die Aufnahme
von Kandidaten, die Zulassung von Mitbrüdern  (...)
 
:''»Was ist ein Hype?«, fragte also Abt Gregor und fixierte dabei Pater Pirmin, unseren Gästepater, und mich, den Beauftragten für die Öffentlichkeitsarbeit. Zuvor hatte Pater irmin berichtet, dass unser Gästetrakt für den Sommer bereits seit vielen Monaten ausgebucht ist; dass wir anstelle der zwanzig Gästezimmer und der sechzig Stockbetten in den drei Räumen, die wir als Jugendherberge bezeichnen, die dreifache Menge an Übernachtungsmöglichkeiten brauchen würden, um der Nachfrage gerecht zu werden; dass er alle Anfragenden an die
umliegenden Herbergen im Wienerwald verweist und dass wir uns gut vorbereiten müssten, um mit dem Hype an Klostergästen in stilvoller und passender Weise fertigzuwerden. »Ein Hype«,
ergriff ich das Wort, »ist genau das, was wir in Heiligenkreuz seit einigen Jahren erleben dürfen! Dass für die Menschen unsere Liturgie, unser klösterliches Leben, unser Gebet und unser Gesang plötzlich in ist. Das ist der Grund für diesen Boom, darum will alle Welt zu uns ins Kloster zum Chillen kommen.« Kaum hatte ich den Satz vollendet, biss ich mir auf die Lippen. »Fehler! «, dachte ich. Das zeigten mir die immer noch fragend hochgezogenen Augenbrauen des Abts ebenso wie das etwas ratlose Kopfschütteln älterer Mitbrüder: »Boom, Chillen, Hype, wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu weltlich denken und reden«, meinte Abt Gregor. »Können wir statt von einem ›Hype‹ nicht einfach von einem ›Ansturm‹ der Klostergäste sprechen, statt von einem ›Boom‹ von einem gesteigerten Interesse und statt von diesem ›Chillen‹ lieber von einer verstärkten Suche nach Ruhe und geistiger Erholung?!«
 
Warum sind Klöster plötzlich so im Trend?
Großereignisse haben Tradition
Ja, es gibt einen Hype auf das klösterliche Leben. Solche Phasen,
in denen das klösterliche Leben für die Menschen »draußen
« plötzlich interessant wird, hat es immer wieder gegeben.
Wir lesen etwa schon in einer mittelalterlichen Chronik, dass
zur feierlichen Weihe des hohen gotischen Chores unserer Abteikirche
am zweiten Sonntag nach Ostern 1295 so viele Menschen
herbeigeströmt waren, dass »eine halbe Meile weit der
Wald voll von Menschen war«. Eine ganze Woche lang war den
Männern und Frauen der Zugang in die Klausurräume, die
sonst nur den Mönchen vorbehalten sind, gestattet. Einen etwas
merkwürdigen »Run« auf Heiligenkreuz gab es auch im Spätmittelalter,
als sich plötzlich die Mär verbreitete, dass das Wasser
im Brunnenhaus heilkräftig sei, sodass eine Zeit lang Heilsbedürfnis
und Wundersucht die Menschen nach Heiligenkreuz
zog. Und dann kam die sinnlich-fromme Zeit des Barock, in
der man in Österreich nach der überstandenen Türkeninvasion
die mittelalterlichen Klostergebäude in prachtvolle Gottesschlösser
umbaute und die Mönche begannen, bewusst nach
außen zu wirken: im verstärkten Empfang von Pilgern, in der
Einrichtung von Schulen, Gymnasien und theologischen Lehranstalten,
aber auch in der Betreuung von Pfarreien.
Woher kommt der Hype?
Man kann also nicht behaupten, dass das Interesse an unserem
Kloster etwas völlig Neues ist. Was jedoch geschichtlich noch
nie dagewesen ist, das ist die Art und Weise, wie man sich für
uns interessiert: Denn es geht den Menschen, die nach Heiligenkreuz
kommen, nicht bloß um ein neugieriges Schielen
nach dem Kuriosen, »das sich hinter den Klostermauern verbirgt
«. Unsere Gäste kommen auch nicht aus medizinischer
Mirakelsucht und schon gar nicht, um ihre Religiosität nach
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Der »Hype« um ein altes österreichisches Stift
barocker Manier öffentlich ausleben zu können. Nein! Am Beginn
des dritten christlichen Jahrtausends spielen ganz andere
Motive eine Rolle, warum Menschen verstärkt von unseren
Klöstern fasziniert sind und es sie in die komfortlose Nüchternheit
unserer alten Abteien zieht. Woher kommt dieses gesteigerte
Interesse, etwas von dem Lebensstil erhaschen zu
wollen, den wir Mönche nach den jahrhundertealten Prinzipien
der Benediktsregel leben? Zwei Antworten können wir nicht
gelten lassen: Es ist weder richtig, dass der Boom um Heiligenkreuz
erst mit dem Papstbesuch 2007 ausgebrochen ist; und
ebenso wenig ist es korrekt, die gegenwärtige Situation nur
durch die weltweite Aufmerksamkeit für unsere CD »Chant –
Music for Paradise« erklären zu wollen.
Natürlich hat der Besuch von Papst Benedikt XVI. am 9. September
2007 die Öffentlichkeit auf uns aufmerksam gemacht,
aber es war nicht ein Stück Wüste, das erst dann zu blühen begonnen
hätte, sondern schon zuvor war unser Kloster wegen
der Pflege der liturgischen Ästhetik, wegen der Priesterausbildung
an der 1802 gegründeten Hochschule ein sehr lebendiger
geistlicher Ort, eine »Oase der Kraft«, wie es der Papst dann in
seiner Ansprache hervorhob. Wie alle anderen Stifte und Klöster
in Österreich auch. Stift Heiligenkreuz ist auch nicht erst
durch die CD »Chant – Music for Paradise« bekannt geworden,
denn schon davor kamen jährlich zwischen einhundertvierzig-
bis einhundertsiebzigtausend Touristen in das Wienerwaldkloster,
vorwiegend um die Bauanlage zu besichtigen, die
eine in Jahrhunderten gewachsene Harmonie von Mittelalter,
Barock und Moderne ist. Nur knappe achtzehn Kilometer von
der Stadtgrenze Wiens entfernt, dennoch geborgen und abgeschieden
in einem sanften Tal, ist das alte Stift gleichsam prädestiniert
ein touristischer Anziehungspunkt zu sein. Ich musste
unsere Betreuer von Universal Music manchmal sanft darauf
aufmerksam machen, dass wir nicht erst durch sie entdeckt und
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Warum sind Klöster plötzlich so im Trend?
promotet worden sind. Die Anziehungskraft von Heiligenkreuz
beginnt nicht erst mit dem Jahr 2008 und dieser kleinen
CD. Freilich – die CD hat die Akzente in der öffentlichen
Wahrnehmung unseres Klosters verschoben: Kam man früher,
um das Kloster zu besichtigen und dann im gemütlichen Klostergasthof
einzukehren, so wollen jetzt viele Touristengruppen
auch bei einer Gebetszeit der Mönche dabei sein. Heiligenkreuz
wird nicht mehr nur deshalb besucht, weil es ein
ästhetisch-kultureller Genuss für die Augen, sondern weil es
ein akustisch-spirituelles Erlebnis ist. Dabei beten wir Mönche
dasselbe wie vor achthundert Jahren, dasselbe wie zur Zeit Mozarts,
dasselbe wie in den düsteren Jahren der Hitler-Diktatur,
dasselbe wie immer. Offensichtlich hat der Gregorianische
Choral die Kraft, geheimnisvolle Sphären der Seele anzurühren.
Sonst wäre der Erfolg nicht erklärbar.
Das grundsätzliche Interesse am Klosterleben
Mit einer gewissen Enttäuschung erinnere ich mich, dass junge
Leute in den Achtzigerjahren die Teilnahme an unserem Chorgebet
als »ur-fad« empfanden. Teilweise konnte ich das nachvollziehen,
denn auch ich hatte nach meinem Ordenseintritt
Jahre gebraucht, um mich für den Gregorianischen Choral und
das lateinische Rezitieren der Psalmen zu begeistern. In den
Siebziger- und Achtzigerjahren galt es außerdem in den etablierten
innerkirchlichen Kreisen als eine Art Verbrechen gegen
den »Geist des 2. Vatikanischen Konzils«, dass wir Mönche
im Stift Heiligenkreuz die Liturgie zwar ganz nach den Normen
des 2. Vatikanischen Konzils feierten, aber das Latein als
Liturgiesprache beibehalten hatten und treu täglich im Gregorianischen
Choral sangen. Damals war Stift Heiligenkreuz out,
was Gott aber offensichtlich wenig kümmerte, denn er schickte
immer wieder Menschen, die sich zum Mönchtum ber
wir das eine »Gnade«. Wir Zisterzienser vom Stift
wir das eine »Gnade«. Wir Zisterzienser vom Stift
Heiligenkreuz empfinden den Gregorianischen Choral als eine
Heiligenkreuz empfinden den Gregorianischen Choral als eine

Version vom 3. November 2010, 18:09 Uhr

Gregorianischer Gesang wird auch mit Mantras verglichen und "Gesang der Engel".

Hör-Beispiel Münsterschwarzach (u.a. auch mit Anselm Grün...): [1]

3, 5 Stden. tägl. in der Zisterzienserabtei von Karl Wallner; vgl. ders.: "Der Gesang der Mönche...." heilsam Gregorianischer Choral in Heiligenkreuz. Kellner dort: "Macht Ihr das öfters, toll, dass Ihr in den Pop-Charts seid". Ebenda München: Random House Verlag Irisiana. (S. 15).


es gibt viele Klöster in Europa und auf der ganzen Welt, aber auch viele kirchliche Chöre und Choralscholen, die vielleicht schöner, inniger und auch hingebungsvoller singen als wir. Und ist nicht die ganze Welt übersät mit Ordensgemeinschaften, in denen Gott geliebt und gelobt wird? Vielleicht wollte Gott in einer Zeit, in der der christliche Glauben zu verdunsten droht, durch uns Zisterzienser des Stiftes Heiligenkreuz exemplarisch auf das Heilsame aufmerksam machen, das in der christlichen Liturgie, in der christlichen Spiritualität und im christlichen Gebet liegt. (...) »Oasen der Kraft«  (...)
(...)Einmal im Monat beruft der Abt alle Mönche zu einer Versammlung ein, die wird kurz »das Kapitel« genannt.(...) Die Stimme von Abt Gregor klingt mir noch im Ohr: »Was ist in Hype?«, fragte er in dieser Kapitelversammlung und schaute in die Runde der Mönche. Seinem Tonfall war zu entnehmen, dass er dieses neuenglische »Haaiipp« für ebenso verzichtbar

hielt wie Fastfood-Ketten und elektronische Zahnbürsten. Man muss dazu wissen, dass es bei unseren monatlichen Kapiteln um Beratungen über substantielle Themen geht: die Aufnahme von Kandidaten, die Zulassung von Mitbrüdern (...)

»Was ist ein Hype?«, fragte also Abt Gregor und fixierte dabei Pater Pirmin, unseren Gästepater, und mich, den Beauftragten für die Öffentlichkeitsarbeit. Zuvor hatte Pater irmin berichtet, dass unser Gästetrakt für den Sommer bereits seit vielen Monaten ausgebucht ist; dass wir anstelle der zwanzig Gästezimmer und der sechzig Stockbetten in den drei Räumen, die wir als Jugendherberge bezeichnen, die dreifache Menge an Übernachtungsmöglichkeiten brauchen würden, um der Nachfrage gerecht zu werden; dass er alle Anfragenden an die

umliegenden Herbergen im Wienerwald verweist und dass wir uns gut vorbereiten müssten, um mit dem Hype an Klostergästen in stilvoller und passender Weise fertigzuwerden. »Ein Hype«, ergriff ich das Wort, »ist genau das, was wir in Heiligenkreuz seit einigen Jahren erleben dürfen! Dass für die Menschen unsere Liturgie, unser klösterliches Leben, unser Gebet und unser Gesang plötzlich in ist. Das ist der Grund für diesen Boom, darum will alle Welt zu uns ins Kloster zum Chillen kommen.« Kaum hatte ich den Satz vollendet, biss ich mir auf die Lippen. »Fehler! «, dachte ich. Das zeigten mir die immer noch fragend hochgezogenen Augenbrauen des Abts ebenso wie das etwas ratlose Kopfschütteln älterer Mitbrüder: »Boom, Chillen, Hype, wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu weltlich denken und reden«, meinte Abt Gregor. »Können wir statt von einem ›Hype‹ nicht einfach von einem ›Ansturm‹ der Klostergäste sprechen, statt von einem ›Boom‹ von einem gesteigerten Interesse und statt von diesem ›Chillen‹ lieber von einer verstärkten Suche nach Ruhe und geistiger Erholung?!«

Warum sind Klöster plötzlich so im Trend? Großereignisse haben Tradition Ja, es gibt einen Hype auf das klösterliche Leben. Solche Phasen, in denen das klösterliche Leben für die Menschen »draußen « plötzlich interessant wird, hat es immer wieder gegeben. Wir lesen etwa schon in einer mittelalterlichen Chronik, dass zur feierlichen Weihe des hohen gotischen Chores unserer Abteikirche am zweiten Sonntag nach Ostern 1295 so viele Menschen herbeigeströmt waren, dass »eine halbe Meile weit der Wald voll von Menschen war«. Eine ganze Woche lang war den Männern und Frauen der Zugang in die Klausurräume, die sonst nur den Mönchen vorbehalten sind, gestattet. Einen etwas merkwürdigen »Run« auf Heiligenkreuz gab es auch im Spätmittelalter, als sich plötzlich die Mär verbreitete, dass das Wasser im Brunnenhaus heilkräftig sei, sodass eine Zeit lang Heilsbedürfnis und Wundersucht die Menschen nach Heiligenkreuz zog. Und dann kam die sinnlich-fromme Zeit des Barock, in der man in Österreich nach der überstandenen Türkeninvasion die mittelalterlichen Klostergebäude in prachtvolle Gottesschlösser umbaute und die Mönche begannen, bewusst nach außen zu wirken: im verstärkten Empfang von Pilgern, in der Einrichtung von Schulen, Gymnasien und theologischen Lehranstalten, aber auch in der Betreuung von Pfarreien. Woher kommt der Hype? Man kann also nicht behaupten, dass das Interesse an unserem Kloster etwas völlig Neues ist. Was jedoch geschichtlich noch nie dagewesen ist, das ist die Art und Weise, wie man sich für uns interessiert: Denn es geht den Menschen, die nach Heiligenkreuz kommen, nicht bloß um ein neugieriges Schielen nach dem Kuriosen, »das sich hinter den Klostermauern verbirgt «. Unsere Gäste kommen auch nicht aus medizinischer Mirakelsucht und schon gar nicht, um ihre Religiosität nach 21 Der »Hype« um ein altes österreichisches Stift barocker Manier öffentlich ausleben zu können. Nein! Am Beginn des dritten christlichen Jahrtausends spielen ganz andere Motive eine Rolle, warum Menschen verstärkt von unseren Klöstern fasziniert sind und es sie in die komfortlose Nüchternheit unserer alten Abteien zieht. Woher kommt dieses gesteigerte Interesse, etwas von dem Lebensstil erhaschen zu wollen, den wir Mönche nach den jahrhundertealten Prinzipien der Benediktsregel leben? Zwei Antworten können wir nicht gelten lassen: Es ist weder richtig, dass der Boom um Heiligenkreuz erst mit dem Papstbesuch 2007 ausgebrochen ist; und ebenso wenig ist es korrekt, die gegenwärtige Situation nur durch die weltweite Aufmerksamkeit für unsere CD »Chant – Music for Paradise« erklären zu wollen. Natürlich hat der Besuch von Papst Benedikt XVI. am 9. September 2007 die Öffentlichkeit auf uns aufmerksam gemacht, aber es war nicht ein Stück Wüste, das erst dann zu blühen begonnen hätte, sondern schon zuvor war unser Kloster wegen der Pflege der liturgischen Ästhetik, wegen der Priesterausbildung an der 1802 gegründeten Hochschule ein sehr lebendiger geistlicher Ort, eine »Oase der Kraft«, wie es der Papst dann in seiner Ansprache hervorhob. Wie alle anderen Stifte und Klöster in Österreich auch. Stift Heiligenkreuz ist auch nicht erst durch die CD »Chant – Music for Paradise« bekannt geworden, denn schon davor kamen jährlich zwischen einhundertvierzig- bis einhundertsiebzigtausend Touristen in das Wienerwaldkloster, vorwiegend um die Bauanlage zu besichtigen, die eine in Jahrhunderten gewachsene Harmonie von Mittelalter, Barock und Moderne ist. Nur knappe achtzehn Kilometer von der Stadtgrenze Wiens entfernt, dennoch geborgen und abgeschieden in einem sanften Tal, ist das alte Stift gleichsam prädestiniert ein touristischer Anziehungspunkt zu sein. Ich musste unsere Betreuer von Universal Music manchmal sanft darauf aufmerksam machen, dass wir nicht erst durch sie entdeckt und 22 Warum sind Klöster plötzlich so im Trend? promotet worden sind. Die Anziehungskraft von Heiligenkreuz beginnt nicht erst mit dem Jahr 2008 und dieser kleinen CD. Freilich – die CD hat die Akzente in der öffentlichen Wahrnehmung unseres Klosters verschoben: Kam man früher, um das Kloster zu besichtigen und dann im gemütlichen Klostergasthof einzukehren, so wollen jetzt viele Touristengruppen auch bei einer Gebetszeit der Mönche dabei sein. Heiligenkreuz wird nicht mehr nur deshalb besucht, weil es ein ästhetisch-kultureller Genuss für die Augen, sondern weil es ein akustisch-spirituelles Erlebnis ist. Dabei beten wir Mönche dasselbe wie vor achthundert Jahren, dasselbe wie zur Zeit Mozarts, dasselbe wie in den düsteren Jahren der Hitler-Diktatur, dasselbe wie immer. Offensichtlich hat der Gregorianische Choral die Kraft, geheimnisvolle Sphären der Seele anzurühren. Sonst wäre der Erfolg nicht erklärbar. Das grundsätzliche Interesse am Klosterleben Mit einer gewissen Enttäuschung erinnere ich mich, dass junge Leute in den Achtzigerjahren die Teilnahme an unserem Chorgebet als »ur-fad« empfanden. Teilweise konnte ich das nachvollziehen, denn auch ich hatte nach meinem Ordenseintritt Jahre gebraucht, um mich für den Gregorianischen Choral und das lateinische Rezitieren der Psalmen zu begeistern. In den Siebziger- und Achtzigerjahren galt es außerdem in den etablierten innerkirchlichen Kreisen als eine Art Verbrechen gegen den »Geist des 2. Vatikanischen Konzils«, dass wir Mönche im Stift Heiligenkreuz die Liturgie zwar ganz nach den Normen des 2. Vatikanischen Konzils feierten, aber das Latein als Liturgiesprache beibehalten hatten und treu täglich im Gregorianischen Choral sangen. Damals war Stift Heiligenkreuz out, was Gott aber offensichtlich wenig kümmerte, denn er schickte immer wieder Menschen, die sich zum Mönchtum ber wir das eine »Gnade«. Wir Zisterzienser vom Stift Heiligenkreuz empfinden den Gregorianischen Choral als eine solche Gnade. Seit der Gründung unserer Abtei 1133 verbinden die jahrhundertealten Melodien des Zisterzienserchorals uns betende Mönche mit Gott. Das Gnadenhafte und Heilsame des Gregorianischen Chorals liegt darin, dass er die Grenzen zwischen Mensch und Gott, Erde und Himmel, Diesseits und Jenseits übersteigt. Für uns ist der Choral daher nicht bloß Musik um der Musik willen, sondern er ist unser tägliches Gebet, das wir hinaufsingen in die Sphären des Ewigen. Mit dem weltweiten Erfolg unserer CD »Chant – Music for Paradise« ist der Gregorianische Choral aber auch zu einer Gnade für viele Menschen außerhalb des Klosters geworden. Die positiven Reaktionen aus der ganzen Welt haben uns freudig überrascht.


Sie bestärken uns in der Überzeugung, dass die Schönheit des Gregorianischen Chorals ein Geschenk ist, das Gott durch uns an viele Menschen weitergeben wollte. Es ist offensichtlich, dass der uralte Gregorianische Choral auch und gerade heute die Kraft hat, die Herzen der Menschen zu berühren. Wie wir an der Flut der E-Mails, Internetpostings und Briefe ablesen können, sind diese gesungenen Gebete mit ihren Melodien, die so ganz außerhalb unseres gewohnten Klangbogens liegen, ein Schlüssel zu den religiösen Empfindungen der Menschen. Es ist interessant, dass der Choral gerade