Nasruddin
Mullah Nasruddin ist mit Baron Münchhausen oder mit Till Eulenspiegel vergleichbar. Es ist nicht sicher, ob er überhaupt existiert hat. Angeblich soll er im 13. Jahrhundert im Gebiet der heutigen Türkei gelebt haben. Nasruddin wird als volkstümlicher Lehrer, Philosoph und weiser Mann angesehen, als „Held der türkisch-islamischen Volksliteratur“. Seine Geschichten sind vor allem im Orient sehr bekannt und ebenso beliebt.
Namen
Viele Menschen des nahen und mittleren Ostens und in Zentralasien sprechen von Nasruddin als ihrem Landsmann (z.B. Türken, Afghanen, Iraner und Uzbeken). Sein Name wird in zahlreichen Variationen geschrieben und gesprochen: Nasrudeen, Nasrudin, Nasruddin, Nasredin, Naseeruddin, Nusrettin, Nasretin, Nasrettin, Nazaruddin. Oft geht dem Namen ein Titel oder Ehrenname aus der entsprechenden Kultur voraus wie z.B. „Hoxha“, „Hodja“, „Hoja“, „Hojja“, „Hodscha“, „Hodža“, „Hoca“, „Molla“, „Mula“, „Mulla“, „Mullah“, „Efendi“, „Afandi“, „Afanti“, „Afangti“ „Ependi“, „Hajji“ oder aber der Titel wird alleine benutzt.
In arabisch-sprechenden Ländern ist er bekannt als "Juha", "Djoha", "Djuha", "Dschuha", "Giufà", "Chotzas", "Goha". Die Geschichten mit unterschiedlichen Titelhelden wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts vom Arabischen ins Türkische und Persische übersetzt und dabei verschmolzen die vielfältigen Charaktereigenschaften zu einer Person.
Auch in China sind seine Geschichten sehr verbreitet. Allerdings unter den Namen aus den Umschreibungen seiner uigurischen Abstammung (Uighuren, Uiguren, Eigenbezeichnung: Uyghur) im Westen von China. Die Uiguren glauben, dass er aus Xinjiang kommt während die Uzbeken ihn aus Bukhara (Buxoro, Usbekistan) zurückverfolgen. Das „Shanghai Animation Film Studio“ drehte 1979 die 13teilige Animation „Die Geschichte von Afanti“. Sie wurde zu einem der einflussreichsten Animationsfilmen in Chinas Geschichte.
In Zentralasien ist er allgemein als „Afandi“ bekannt.
Geschichten
Die Geschichten von Nasruddin sind im ganzen mittleren Osten bekannt und haben weltweit Kulturen beeinflusst. Die meisten Geschichten werden als Schwank, humorvolle Erzählung oder lehrreiche Anekdoten betrachtet. Sie werden erzählt, weitererzählt und abgewandelt in Teehäusern, in asiatischen Karawanserien. Manchmal werden sie auch im Radio gesendet. Hier sind einige Beispiele seiner Geschichten:
Wahrheit
- Ein Nachbar kam zu Nasruddin und fragte: "Leihst Du mir heute deinen Esel?"
- "Sonst sehr gerne, aber heute habe ich meinen Esel schon an jemand anderen ausgeliehen." sagte der Mullah. In diesem Augenblick schreit der Esel: "Iaaah".
- "Aber Mullah, sprach der Nachbar, „ich höre deinen Esel doch dort hinter der Mauer.“
- "Glaubst du mir oder dem Esel?", entgegnete der Mullah entrüstet.
Erleuchtung
- Nasruddin besuchte den Basar. Eine große Schar von Menschen folgte ihm. Egal was er auch tat, die Menschenmenge machte es ihm sofort nach. Ging er zum Beispiel ein paar Meter, hielt :dann an, verbeugte sich und rief „OM OM OM“, dann tat die Menschenmenge es ihm gleich. Ein befreundeter Händler fragte Nasruddin: "Was tust du da, und warum machen es dir alle nach?" :"Ich bin ein Sufi Guru geworden", antwortete Nasruddin, "und dies alles sind meine Anhänger. Ich führe sie zur Erleuchtung."
- "Woran merkst Du, dass sie ihr Ziel erreicht haben?"
- "Das ist eine ganz simple Sache. Jeden Morgen zähle ich die Anhänger. Diejenigen, die gegangen sind, haben die Erleuchtung erlangt."
Wer bin ich?
- Nasruddin besuchte einmal die Stadt Bagdad. Es war die größte Stadt, die er bis dahin gesehen hatte. Die Vielzahl und Unterschiedlichkeit der Menschen machte ihn unsicher. Er :überlegte: "Wie kann ich es anstellen, dass ich bei so vielen Menschen nicht verlorengehe? Ich muss mir genau merken, wer ich bin."
- Am Abend suchte er sich ein Quartier für die Nacht. Neben ihm lagerte ein Schalk. Mit diesem besprach Nasruddin seine Zweifel und von seiner Angst, sich selbst zu verlieren.
- Der Spaßmacher war nicht verlegen und riet Nasruddin: "Kein Problem, mein Freund. Nimm diesen Luftballon, puste ihn auf und binde ihn an dein linkes Bein fest. Wenn du aufwachst, :schaue dich nach dem Mann mit dem Ballon um, und der bist du."
- "Grossartige Idee!" sagte Nasruddin.
- Ein paar Stunden später wachte Nasruddin auf. Er schaute sich nach dem Ballon um und entdeckte ihn am Bein des Spaßvogels.
- "Da bin ich ja!" dachte er. Dann aber weckte er den Schalk und sprach voller Angst zu ihm: "Es ist eingetreten, was ich befürchtet habe." Nasruddin zeigte auf den Ballon: "Der Ballon :ist an deinem Bein, also bist du ich. Aber - wenn du ich bist - wer, bin dann ich?"