Zerstreutheit

Aus Yogawiki

Zerstreutheit ist ein Phänomen , was viele Leute kennen. Man legt zum Beispiel Autoschlüssel, Fernbedienung oder Handy geistesabwesend in den Kühlschrank, und verlässt dann in zwei verschiedenen Socken die Wohnung. So was nennt man dann Zerstreutheit, Schusseligkeit, Vergesslichkeit und Unkonzentriertheit.

Beschreibung des Phänomens Zerstreutheit

Unbeabsichtigte Zerstreutheit

Sprichwörtlich ist der zerstreute Professor, der aus dem Stegreif zwanzig Theorien und ebenso viele Standardwerke zitieren kann, der aber so zerstreut ist, dass er die Kreide nicht findet oder sein Hemd links herum anzieht, den Lesesaal der Bibliothek ohne seinen Hut verlässt oder in einer Diskussion über seine Spezialwissenschaft den Namen dieser Disziplin vergisst. Die Konzentration auf einen Punkt des Denkens ruft unabsichtlich die Zerstreutheit in anderen Richtungen hervor.

Beabsichtigte Zerstreutheit

Das Beispiel Blaise Pascal (1623 – 1662) zeigt, dass es neben der unabsichtlichen auch die absichtliche Zerstreuung gibt. Um seine heftigen Zahnschmerzen zu vergessen, hat der berühmte französische Mathematiker und Philosoph eines Nachts das ihn schon lange beschäftigende Problem der Cykloide gelöst. In der Konzentration auf seine Aufgabe war er zerstreut, absichtlich zerstreut, für die Zahnschmerzen.

Strategien gegen die Zerstreutheit

Ratgeberliteratur

Gegen die alltägliche Zerstreutheit empfiehlt die Ratgeberliteratur Lösungsstrategien wie zum Beispiel:

  • auf Multitasking zu verzichten und sich stattdessen voll und ganz auf eine Sache zu konzentrieren, also auch beim Essen nicht fern zu sehen oder beim Telefonieren nicht am PC zu arbeiten
  • sich augenblicklich wieder zu disziplinieren und konzentrieren, wenn die Gedanken abschweifen
  • regelmäßig Sport zu treiben
  • den Alltag in klare abgegrenzte Blöcke zu strukturieren
  • das Gedächtnis zu trainieren

Zerstreutheit aus Sicht der Hirnforschung

Wem diese Alltagstipps nicht genügen, kann sich bei der Hirnforschung Rat holen. Von dieser Disziplin kann man lernen, dass das Gehirn aus etwa 100 Milliarden Nervenzellen, den sogenannten Neuronen besteht, die alle zu einem großen Netzwerk verbunden sind. Dieses Netzwerk ist wichtig. Denn, wie die Hirnforschung ergeben hat, denken wir niemals nur an eine einzige Sache sondern an viele verschiedene Dinge, die diese Sache ausmachen. Beispielsweise denken wir nicht nur an unsere Haustürschlüssel, sondern an die Haustür, den Hauseingang oder das Geräusch, das der Schlüsselbund macht. Wenn wir an unsere eigenen Schlüssel denken, wird ein anderes Netzwerk von Nervenzellen aktiviert, als wenn wir an die Schlüssel unseres Nachbarn denken.

Aber wie lässt es sich erklären, dass gewisse Erinnerungen komplett verschwinden – zum Beispiel die Erinnerung daran, wohin man die Fernbedienung gelegt hat, die man gerade noch in der Hand hatte? Zu diesem Problem existieren derzeit lediglich einige Theorien, von denen eine besagt, dass wir vergessen, weil Erinnerungen von neuen, spannenderen oder wichtigeren Erinnerungen überlagert oder gestört werden. Die Verbindung zu den alten Erinnerungen bricht ab, weil sie nicht mehr sie sind nicht mehr ans Netzwerk angeschlossen ist.

Unstrittig ist indessen die Auffassung, dass „vergessen“ überlebenswichtig ist. Würde unser Gehirn alle Informationen, die es an einem Tag bekommt, abspeichern, kämen wir im Alltag nicht mehr zu recht. Wir könnten nicht mehr zwischen Wichtigem und Unwichtigem, dringenden und aufschiebbaren Projekten unterscheiden. Außerdem besitzt unser Gehirn die Fähigkeit, Informationen zu filtern, so dass Informationen von großer Bedeutung und solche für die es im Gedächtnis bereits emotionale Anknüpfungspunkte oder Erfahrungen gibt, als „merk-würdig“ eingestuft werden.

Und noch etwas haben die Hirnforscher herausgefunden. Wenn wir gestresst, überfordert oder übermüdet sind, kann unser Gedächtnis nicht so viel leisten – wir werden vergesslich. Bei Stress versucht das Gedächtnis, sich mehrere Dinge, die alle erledigt werden müssen, gleichzeitig zu merken. Wer ohnehin zu den „Zerstreuten“ gehört, lässt oft auch von ihrer eigenen Zerstreutheit stressen, was dafür sorgt, dass die Zerstreutheit größer wird.

Die Hirnforschung belehrt uns aber nicht nur über die Ursachen von Zerstreutheit, sondern hat auch Methoden entdeckt, wie sie sich vermeiden lässt. So empfehlen die Kenner der Materie beispielsweise Objekte mit anderen Objekten zu verbinden, da unsere Nervenzellen so neue Verbindungen herstellen und wir weniger schnell vergessen. Z. B. nach dem Muster Supermarkt, Reis, Paella. Man kann den Gegenstand, um den es geht, auch mit einer Geschichte verknüpfen. Und je verrückter desto besser. Es hilft auch, sich eine Prioritätenliste zu machen: Wenn ich weiß, was wichtig und dringend ist, muss der Rest ganz einfach warten.

Klangtraining gegen Zerstreutheit

Ein Spezielles Training haben die Hirnforscher für Senioren entwickelt. Älteren Menschen fällt es schwerer, sich bei Ablenkung auf eine Sache zu konzentrieren. Auch das Hirn altert. In Experimenten mit Senioren haben US-Forscher eine relativ einfache Methode entwickelt, um dieser Alterserscheinung effektiv entgegenwirken kann. Sie brachten ihren Probanden bei, einen bestimmten Ton zu erkennen, während Töne anderer Frequenzen von dieser Aufgabe ablenken sollten. Die Ergebnisse des Trainings waren eindeutig: das kognitive Training half dabei, die Zerstreutheit und Ablenkbarkeit zu schmälern. Die Senioren konnten ihre Fähigkeiten steigern und machten mit fortscheitendem Training immer weniger durch die Ablenkung hervorgerufene Fehler. Die Leistungen von Gedächtnis und Aufmerksamkeit verbesserten sich und die neuronalen Reaktionen in bestimmten Hirnbereichen spiegelten diese Verbesserung wieder. Die Wissenschaftler folgern aus ihren Versuchen, dass das von ihnen entwickelte Hirntraining nicht nur die Konzentrationsfähigkeit von Senioren verbessert, sondern auch dass das Gehirn im fortgeschrittenen Alter noch lernen kann. Schon hoffen die Forscher, mit modifizierten Verfahren auch schwere Erkrankungen therapieren zu können wie die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen, Schlaganfälle, Schädel-Hirn-Traumata, Depressionen und Alzheimer.

Konzentration und Konzentrationsübungen

Konzentration. Absage an Multitasking!

Konzentration ist das Gegenteil von Zerstreutheit. Während Zerstreutheit die Konzentration auf etwas anderes oder auf mehrere andere Sachen bedeutet, beinhaltet Konzentration höchste Aufmerksamkeit sowie die Fähigkeit, sich mit einer Aufgabe oder Sache über einen längeren Zeitraum auseinander zu setzen. Sie erfordert geistige Sammlung (Zentrierung) und Merkfähigkeit. Gute Konzentration hängt nicht vom Willen ab. Sie ist das Produkt aus persönlichem Interesse, Motivation, Zuversicht, positivem Denken und - nicht zuletzt - Entspannung. Negative Gedanken und Einstellungen, sowie Stress und Ängste führen zu Konzentrationsblockaden.

Konzentrationsmangel

Die Liste der Gründe, die zu Konzentrationsmangel und -störungen führen können, ist lang Überforderung durch fehlende Begabung, kann ebenso die Ursache sein wie Überlastung durch zu viele Projekte auf einmal. Es gibt Menschen, deren Konzentrationsfähigkeit durch Ängste, Nervosität und mangelndes Selbstwertgefühl beeinträchtigt wird. Bei anderen sind es Ungerechtigkeiten und Mobbing am Arbeitsplatz oder Trennungen und Streit im Privatleben. Manche lassen sich durch Geräusche, Lärm, Handy und Fernseher usw. ablenken, bei anderen fehlt ganz einfach die Übung sich auf eine Sache zu konzentrieren. Dazu können weitere Gründe kommen wie Mangel an Interesse und Motivation, unklare Ziele, gesundheitliche Probleme, Stress, Müdigkeit, Bewegungs- oder Sauerstoffmangel.

Tipps und Übungen

Tipps

Manchmal lässt sich die Konzentration ganz einfach dadurch verbessern, dass man sich in einen ruhigen Raum zurückzieht, Prioritäten setzt, seine Leistungsansprüche herunterschraubt, sich selbst motiviert, hin und wieder auch mal selber lobt, sich gesund ernährt und sich genügend Pausen, Bewegung und Schlaf gönnt.

Wenn das nicht ausreicht kann man es mit autogenem Training, Progressiver Muskelentspannung, Yoga, Thai Chi, Quigong und anderen aktiven Entspannungstechniken versuchen. Auch passive Entspannung wie Musikhören, Kochen, Lesen und Wellness-Anwendungen sind hilfreich.

Daneben gibt es eine Reihe von Konzentrationsübungen. Man kann das Radio leise und versuchen Sie alles mitzubekommen. Oder sich sich beim Zeitungslesen auf den Buchstaben „e“. konzentrieren. Oder mit den Augen ein Objekt fixieren und dabei zwei Minuten lang gar nichts denken. Oder zwei Minuten lang dem Sekundenzeiger einer Uhr zuschauen. Oder auch einen Störenfried beauftragen, einen aus der Ruhe bringen. Oder sich nach kurzem Hinschauen möglichst viel Details einer Spielkarte merken. Oder zählen Sie ihren Atemzüge - immer von 1 -10 und dann wieder von vorne anfangen.

Zerstreutheit Zitate

  • "Darum können Zeitungen so sehr schaden, weil sie den Geist so unsäglich dezentrieren, recht eigentlich zerstreuen." - Christian Morgenstern, Stufe
  • "Denn ein äußerlich Zerstreuen, // Das sich in sich selbst zerschellt, // Fordert inneres Erneuen, // Das den Sinn zusammenhält." - Johann Wolfgang von Goethe, Inschriften, Denk- und Sendeblätter 5, Der Prinzessin Maria von Sachsen-Weimar und Eisenach
  • "In der Provinz ist schon Regen eine Zerstreuung." - Edmond und Jules de Goncourt, Idées et sensations

"Warten ist noch eine Beschäftigung. Auf nichts warten - das ist schrecklich." - Cesare Pavese, Das Handwerk des Lebens

  • "Wer immer in Zerstreuungen lebt, wird fremd in seinem eignen Herzen." - Adolph Freiherr Knigge, Über den Umgang mit Menschen
  • "Wo Liebe ist und Weisheit, da ist weder Furcht noch Ungewissheit; wo Geduld und Demut, weder Zorn noch Aufregung; wo Armut und Freude, nicht Habsucht und Geiz; wo Ruhe und Besinnung, nicht Zerstreuung noch Haltlosigkeit." - Franz von Assisi, Mahnung an die Brüder

"Für die Mehrheit der Menschen ist Arbeit die einzige Zerstreuung, die sie auf Dauer aushalten können." - Dennis Gábor

"Zerstreutheit ist ein Zeichen von Güte und Klugheit. Dumme und boshafte Menschen sind immer geistesgegenwärtig." - Charles Joseph Fürst von Ligne (1735 - 1814), österreichischer Feldmarschall und Diplomat

Weblinks