Vision: Unterschied zwischen den Versionen

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===Interview mit Sukadev zum Thema Vision===
===Interview mit Sukadev zum Thema Vision===
SB: Was verstehen Sie unter dem Begriff Visionen?
SB: Was verstehen Sie unter dem Begriff Visionen?
Sukadev: Visionen kann man in zwei verschiedenen Begriffen
 
sehen. Zum einen ist Vision in der mystischen Tradition die
Sukadev: Visionen kann man in zwei verschiedenen Begriffen sehen.
Schau Gottes – eine tiefere meditative Erfahrung von Gottes
 
Gegenwart, die verbunden sein kann mit Licht, mit einer großen
Zum einen ist Vision in der mystischen Tradition die Schau Gottes – eine tiefere meditative Erfahrung von Gottes Gegenwart, die verbunden sein kann mit Licht, mit einer großen Liebe und einer großen Freude. Das ist die eine Weise von Vision, von der gerade auch die christlichen Mystiker sprechen. Oder es gibt den indischen Begriff Darshan, der in dem Sinne heißt, dass man Gott wahrnimmt und sieht. Es gibt bestimmte Praktiken, deren Ziel es ist, Darshan von Gott zu haben, also nicht mehr nur an Gott zu glauben, sondern ihn wahrzunehmen. Das ist die eine Bedeutung dieses Begriffes.
Liebe und einer großen Freude. Das ist die eine Weise von
 
Vision, von der gerade auch die christlichen Mystiker sprechen.
Die zweite Bedeutung von Vision ist eine übergeordnete Mission, die man im Leben sieht, wie eine Berufung, die man dort hat. Eine Sicht, wo man sieht, das will ich erreichen, dafür will ich tätig sein. Also eine tiefe Überzeugung letztlich, dass das Leben einen konkreten Sinn hat. Eine wirklich tiefe Vision, die auch länger trägt, ist eine, die nicht vom eigenen Ich kommt, sondern von etwas Übergeordnetem. Und umgekehrt ist eine echte Vision Gottes, die nicht einfach ein emotionales Wohlbefinden ist, immer auch verbunden
Oder es gibt den indischen Begriff Darshan, der in dem Sinne
mit einem Berufungserlebnis. Das unterscheidet letztlich eine tiefe Vision von den einfachen Lichtern und Schatten, die man auch mal in der Meditation haben kann.
heißt, dass man Gott wahrnimmt und sieht. Es gibt bestimmte
 
Praktiken, deren Ziel es ist, Darshan von Gott zu haben, also
SB: Gibt es aus Ihrer Sicht unterschiedliche Arten von Visionen?
nicht mehr nur an Gott zu glauben, sondern ihn wahrzunehmen.
 
Das ist die eine Bedeutung dieses Begriffes. Die zweite Bedeutung
Sukadev: Ja, ich tendiere ja immer dazu, dass es irgendwo etwas Gemeinsames gibt, aber für das Praktische kann man sagen, es gibt diese eine Vision im Sinne von Gottesschau. Die Schau Gottes kann eine einfache Lichterfahrung sein, die eine Weile mit Wonne verbunden ist, und es kann solche sein, die mit Berufung verbunden ist. Genauso der andere Aspekt von Vision. Es kann kleinere und größere Visionen geben. Wenn jemand übergeordnete Vorstellungen hat, was noch passieren kann, und diese Vision ihn beflügelt und andere mitreißt, das ist so etwas wie die große Vision. Aber Menschen können auch eine kleine Vision haben. Manchmal kommt über das Finden von kleinen Visionen dann auch die Transzendenz. Eine echte Vision braucht die Kraft, die von einem transzendenten Standpunkt
von Vision ist eine übergeordnete Mission, die man im Leben
aus kommt – also nicht aus dem Ego, nicht aus dem Intellekt, und nicht aus dem eigenen Willen, sondern von etwas Höherem. Aber manchmal können kleine Visionen einen auch öffnen für größere Visionen. Wenn man seine Perspektive erweitert, über das Alltägliche, über das, was jetzt momentan dran ist, dann öffnet man sich immer weiter.
sieht, wie eine Berufung, die man dort hat. Eine Sicht, wo
 
man sieht, das will ich erreichen, dafür will ich tätig sein. Also
SB: Kann man Visionen fördern? Wenn ja, wie genau fördern Sie Visionen bei den Menschen?
eine tiefe Überzeugung letztlich, dass das Leben einen konkreten
Sinn hat.
Eine wirklich tiefe Vision, die auch länger trägt, ist eine, die
nicht vom eigenen Ich kommt, sondern von etwas Übergeordnetem.
Und umgekehrt ist eine echte Vision Gottes, die nicht
einfach ein emotionales Wohlbefinden ist, immer auch verbunden
mit einem Berufungserlebnis. Das unterscheidet letztlich
eine tiefe Vision von den einfachen Lichtern und Schatten,
die man auch mal in der Meditation haben kann.
SB: Gibt es aus Ihrer Sicht unterschiedliche Arten von
Visionen?
Sukadev: Ja, ich tendiere ja immer dazu, dass es irgendwo
etwas Gemeinsames gibt, aber für das Praktische kann man sagen,
es gibt diese eine Vision im Sinne von Gottesschau. Die
Schau Gottes kann eine einfache Lichterfahrung sein, die eine
Weile mit Wonne verbunden ist, und es kann solche sein, die
mit Berufung verbunden ist. Genauso der andere Aspekt von Vision.
Es kann kleinere und größere Visionen geben. Wenn jemand
übergeordnete Vorstellungen hat, was noch passieren
kann, und diese Vision ihn beflügelt und andere mitreißt, das
ist so etwas wie die große Vision. Aber Menschen können auch
eine kleine Vision haben. Manchmal kommt über das Finden von
kleinen Visionen dann auch die Transzendenz. Eine echte Vision
braucht die Kraft, die von einem transzendenten Standpunkt
aus kommt – also nicht aus dem Ego, nicht aus dem Intellekt,
und nicht aus dem eigenen Willen, sondern von etwas Höherem.
Aber manchmal können kleine Visionen einen auch öffnen
für größere Visionen. Wenn man seine Perspektive erweitert,
über das Alltägliche, über das, was jetzt momentan dran ist,
dann öffnet man sich immer weiter.
SB: Kann man Visionen fördern? Wenn ja, wie genau
fördern Sie Visionen bei den Menschen?
Sukadev: Wer eine große Vision hat, der empfängt sie als
Sukadev: Wer eine große Vision hat, der empfängt sie als
Geschenk, als Gnade, als Segen, der wird nie sagen: ich hab’ hart
Geschenk, als Gnade, als Segen, der wird nie sagen: ich hab’ hart

Version vom 9. Februar 2013, 10:31 Uhr

Vision, vom Lateinischen Visio "Anblick, Erscheinung" kann für eine spirituelle Erfahrung/Erscheinung stehen, für ein erstrebenswertes übergeordnetes Ziel, sowie für Halluzination.

Visionen von Beruf und Berufung

Fragen an Sukadev Volker Bretz und Leela Mata. Sabine Bläsing führte die Interviews mit Sukadev Volker Bretz und Leela Mata im Rahmen ihrer Dissertation „Visionen im Kontext von Beruf und Berufung“. Das Interview erschien auch im Yoga Vidya Journal Oktober 2010.

Interview mit Sukadev zum Thema Vision

SB: Was verstehen Sie unter dem Begriff Visionen?

Sukadev: Visionen kann man in zwei verschiedenen Begriffen sehen.

Zum einen ist Vision in der mystischen Tradition die Schau Gottes – eine tiefere meditative Erfahrung von Gottes Gegenwart, die verbunden sein kann mit Licht, mit einer großen Liebe und einer großen Freude. Das ist die eine Weise von Vision, von der gerade auch die christlichen Mystiker sprechen. Oder es gibt den indischen Begriff Darshan, der in dem Sinne heißt, dass man Gott wahrnimmt und sieht. Es gibt bestimmte Praktiken, deren Ziel es ist, Darshan von Gott zu haben, also nicht mehr nur an Gott zu glauben, sondern ihn wahrzunehmen. Das ist die eine Bedeutung dieses Begriffes.

Die zweite Bedeutung von Vision ist eine übergeordnete Mission, die man im Leben sieht, wie eine Berufung, die man dort hat. Eine Sicht, wo man sieht, das will ich erreichen, dafür will ich tätig sein. Also eine tiefe Überzeugung letztlich, dass das Leben einen konkreten Sinn hat. Eine wirklich tiefe Vision, die auch länger trägt, ist eine, die nicht vom eigenen Ich kommt, sondern von etwas Übergeordnetem. Und umgekehrt ist eine echte Vision Gottes, die nicht einfach ein emotionales Wohlbefinden ist, immer auch verbunden mit einem Berufungserlebnis. Das unterscheidet letztlich eine tiefe Vision von den einfachen Lichtern und Schatten, die man auch mal in der Meditation haben kann.

SB: Gibt es aus Ihrer Sicht unterschiedliche Arten von Visionen?

Sukadev: Ja, ich tendiere ja immer dazu, dass es irgendwo etwas Gemeinsames gibt, aber für das Praktische kann man sagen, es gibt diese eine Vision im Sinne von Gottesschau. Die Schau Gottes kann eine einfache Lichterfahrung sein, die eine Weile mit Wonne verbunden ist, und es kann solche sein, die mit Berufung verbunden ist. Genauso der andere Aspekt von Vision. Es kann kleinere und größere Visionen geben. Wenn jemand übergeordnete Vorstellungen hat, was noch passieren kann, und diese Vision ihn beflügelt und andere mitreißt, das ist so etwas wie die große Vision. Aber Menschen können auch eine kleine Vision haben. Manchmal kommt über das Finden von kleinen Visionen dann auch die Transzendenz. Eine echte Vision braucht die Kraft, die von einem transzendenten Standpunkt aus kommt – also nicht aus dem Ego, nicht aus dem Intellekt, und nicht aus dem eigenen Willen, sondern von etwas Höherem. Aber manchmal können kleine Visionen einen auch öffnen für größere Visionen. Wenn man seine Perspektive erweitert, über das Alltägliche, über das, was jetzt momentan dran ist, dann öffnet man sich immer weiter.

SB: Kann man Visionen fördern? Wenn ja, wie genau fördern Sie Visionen bei den Menschen? Sukadev: Wer eine große Vision hat, der empfängt sie als Geschenk, als Gnade, als Segen, der wird nie sagen: ich hab’ hart an meiner Vision gearbeitet, und jetzt hab’ ich sie erreicht. Das ist dann etwas Heiliges. Dennoch kann man etwas tun, um sie zu begünstigen. Es gibt dann auch nicht mehr die kleinen und die großen Visionen. Die kleine Vision ist, was hätte ich gerne in einem Jahr – man denkt sich aus, überlegt sich Szenarien, aber selbst da muss eine Intuition dabei sein. Und irgendwo spürt man dann, wo zieht es mich hin und was hat Kraft mich zu ziehen, dass ich selbst dann weiter mache, wenn Hindernisse in den Weg kommen, und wo ich bereit bin etwas zu tun. Manche Menschen denken ja auch, wenn sie nur ihre Vision oder Mission gefunden hätten, dann würde alles von selbst gehen (alle lachen). SB: Haben Sie persönlich eine Vision? Wenn ja, wie sind Sie an sie gekommen? Sukadev: Mein Leben ist von Visionen geprägt. Visionen im mystischen Sinne hatte ich als Kind, wo ich Lichterfahrungen hatte und Visionen von Jesus und das Gefühl, dass ich irgendeine besondere Mission im Leben haben würde. Das ist dann verschwunden, und das war dann eine sehr schwierige Zeit. Mit 13 kam dann die Frage „Wer bin ich - und was soll das Ganze?“ Gibt es irgendetwas Höheres? Da war schon intensives Suchen - und danach die Zeit, in der ich diesen Holocaust-Film gesehen hatte und diese Bilder von Äthiopien mit verhungernden Kindern, wo ich dann gedacht hab, was soll das Ganze, was kann es dort geben? Da habe ich sehr breit gelesen, Psychologie- Bücher, Philosophie-Bücher, also praktisch die ganze Schulbibliothek. Und dann gab es eben Bücher - Herrmann Hesse, Steppenwolf, Siddharta und noch ein paar andere Mystiker. Das war dann noch keine Vision, aber irgend so ein Ziel: Da will ich hinkommen. Und dann hat mein Leben plötzlich eine Richtung gehabt. Ja, es gibt ein höheres Ziel im Leben, es gibt irgendwelche Erklärungen, dass Leiden einen Sinn hat. Zwar nicht immer erfassbar und nicht wirklich erklärbar, aber doch nicht nur als rein schlimm, sondern auch schlimm, aber irgendwo doch Sinn dabei. Das hat mich dann auf den Yoga-Weg gebracht, auch die Meditation. Bin zum indischen Meister gegangen, bin dort ja auch irgendwann zum Mönch geweiht worden – zum Swami. Und dann, 1987, das war bei der 100. Jahrfeier von Swami Sivananda, war ich in Kanada und bin eines Morgens um drei, halbvier aufgewacht, und konnte nicht mehr schlafen. Dann bin ich halt in den Meditationsraum gegangen, und da hatte ich plötzlich eine Vision, eine mystische Vision von Swami Sivananda - überlebensgroß, als Lichtgestalt. Wo er mir dann so mehr oder weniger bedeutet hat, es könnte ein goldenes Zeitalter von Frieden, Verständnis, ohne Hunger und ohne Kriege kommen. Und da würde eine neue Weltkultur entstehen, dort würde Yoga eine große und wichtige Rolle spielen, und ich hätte dort auch meine Funktion dabei. Und das würde nicht als Swami passieren, sondern es wäre dann auch meine Aufgabe, dass ich dabei demokratisch humanistische Prinzipien verbinden müsste mit der klassischen indischen Spiritualität. Gut, die indische Spiritualität ist ja so eine eigenartige Mischung aus Chaos und Regeln, auch Autorität und voller Verantwortung des Schülers. Das ist für einen Westler kaum verstehbar – vielleicht im Unterschied zum Japanischen und Chinesischen, da ist es straight und strikt –, aber diese Guru-Schüler-Beziehung ist dann letztlich nicht so ganz westlich demokratisch. Gut, dann habe ich erst gedacht, ich könnte das bei dem Meister machen, wo ich war. Der hat mich erst auch sehr gestützt und gefördert,

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