Upaguta

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Upagupta ist eine geschichtliche Gestalt und ist — der Weissagung entsprechend — einer der ältesten Patriarchen in der Nachfolge des Buddha.

Eine Erzählung über Upagupta

Diese Erzählung über Upagupta stammt aus „Buddhistische Legenden“ von Heinrich Zimmer

Solches hören wir in der heiligen Überlieferung: Als der Erhabene zur Zeit seines völligen Erlöschens den Schlangendämon Apalala bekehrt hatte und das Tschandalaweib Kumbhakari, die Frau des Rinderhirten, kam er nach der Stadt Mathura.

Da sprach der Erhabene zum ehrwürdigen Ananda: »Wenn ich seit hundert Jahren völlig erloschen bin, Ananda, wird hier in Mathura ein Spezereihändler mit Na¬men Gupta leben. Der wird einen Sohn mit Namen Upagupta haben, und der wird ein Buddha sein, ohne die äußeren Merkmale eines Buddha an sich zu tragen, und wird, wenn ich seit hundert Jahren völlig erloschen bin, das Werk eines Buddha verrichten. Dank seiner Unterweisung werden viele Mönche alle Unvollkommenheiten von sich streifen und erlösende Heiligkeit an sich selbst erschauen. Ananda, der Mönch Upagupta wird Erster sein unter meinen Schülern, die Lehrer sind. Ananda, siehst du dort in der Ferne den blauen, tiefblauen Wolkenstreifen? — »Ja, Verehrter.« — Ananda, das ist ein Berg mit Namen Urumunda. Wenn der In der Wahrheit Gekommene seit hundert Jahren völlig erloschen ist, wird auf ihm ein Mönch mit Namen Schanakavasin ein Kloster gründen und wird Upagupta in den Orden aufnehmen. In Mathura, Ananda, werden zwei Brüder, die Gildenälteste sind, leben: Nata und Bhata. Die werden das Kloster auf dem Berge Urumunda gründen, und es wird nach ihnen „Natabhatika“ heißen. Diese Waldeinsiedelei „Natabhatika“ wird erste sein unter den Sitzen und Lagern, die der Seelenruhe günstig sind.«

Da sprach der ehrwürdige Ananda zum Erhabenen: »Wunderbar ist es, Verehrter, dass der ehrwürdige Upa¬gupta vielen Menschen so großes Heil bringen wird.« Der Erhabene sprach: »Dabei ist nichts verwunderlich. Wie er auf dem Wege der Zeit, der hinter uns liegt, sogar in niederem Leibe vielen Heil gebracht hat, so auch dann. —

Am Berg Urumunda

Der Berg Urumunda hat drei Hänge. Auf dem einen Hange hausten fünfhundert Erleuchtet-Einsame, auf dem nächsten fünfhundert brahmanische Asketen und auf dem dritten fünfhundert Affen. Nun verließ der Führer jener Affenherde seine Herde und begab sich zu dem Hange, an dem die fünfhundert Erleuchtet-Einsamen hausten. Wie er die Erleuchtet-Einsamen sah, fand er Gefallen an ihnen. Er brachte den Erleuchtet-Einsamen welke Blätter zur Lagerstatt und Wurzeln und Früchte zu essen. Und wenn sie mit verschränkten Schenkeln sitzend sich innerer Betrachtung hingaben, verneigte er sich vor dem Ältesten am einen Ende und der Reihe nach vor ihnen allen bis herab zum Jüngsten am anderen Ende und setzte sich mit verschränkten Schenkeln neben ihn. — Bis die Erleuchtet-Einsamen in völliges Erlöschen eingingen. Der Affe brachte ihnen welke Blätter und Wurzeln und Früchte, aber sie nahmen sie nicht an. Er zupfte sie am Zipfel ihrer Gewänder und ergriff ihre Füße, bis ihm der Gedanke kam: „Sie sind gewiss tot.“ Da trauerte der Affe und wehklagte. Dann ging er zum nächsten Hange des Berges, wo die fünfhundert brahmanischen Asketen hausten.

Und von diesen Asketen lagen manche auf Dornenlagern, andere auf Aschenlagern, andere reckten unentwegt die Hände in die Höhe, und andere ließen sich von vier Feuern und der Sonnenglut als fünftem dörren. Der Affe hub an, ihnen allen ihr Verfahren der Askese zu verleiden. Denen, die auf Dornen lagen, zog er die Dornen heraus, denen, die in der Asche lagen, blies er die Asche weg, denen, die ihre Hände in die Luft reckten, riss er sie herunter, und denen, die zwischen fünf Feuern saßen, verstreute er die Feuerhaufen. Und als ihnen ihr Verfahren der Askese leid geworden war, setzte er sich mit verschränkten Schenkeln vor sie hin in der Haltung innerer Betrachtung. Bis ihn die brahmanischen Asketen zu ihrem Lehrer bestimmten. Da sprach er zu ihnen: „Setzt euch jetzt mit verschränkten Schenkeln hin“, und die Asketen setzten sich und verschränkten die Schenkel. Sie hatten keinen, der sie lehrte, keinen, der sie unterwies, aber sie brachten die siebenunddreißig Stücke der Erleuchtung vor ihr Angesicht und erschauten an sich selbst Einsame Erleuchtung. Da kam diesen Erleuchtet-Einsamen der Gedanke: „Was wir an Heil erlangt haben, das kommt uns alles von diesem Affen.“ — So sorgten sie fortan für den Affen mit Früchten und Wurzeln, und als er starb, verbrannten sie seinen Leib mit duftendem Holze.

Was meinst du dazu, Ananda? Der Führer jener Herde von fünfhundert Affen ist dieser Upagupta. Schon damals hat er, sogar in niederem Leibe, dort auf dem Berge Urumunda vielen Menschen Heil gebracht. Auch auf dem Wege der Zeit, die noch nicht gekommen ist, wird er, wenn ich seit hundert Jahren völlig erloschen bin, dort auf dem Berge Urumunda vielen Menschen Heil bringen.

Wenn der Älteste Schanakavasin das Kloster auf dem Berge Urumunda begründet hat, wird er sich fragen: „Ist jener Spezereihändler schon am Leben? oder kommt er jetzt noch nicht ins Leben?“ — da erschaut er: „Er ist schon ins Leben gekommen.“ — Weiter fragt er sich: „Sein Sohn, Upagupta mit Namen, ein Buddha ohne die äußeren Merkmale eines Buddha, von dem der Erleuchtete verkündet hat: „wenn ich seit hundert Jah¬ren völlig erloschen bin, wird er das Werk eines Buddha verrichten“ — ist er schon am Leben oder kommt er jetzt noch nicht ins Leben?“ — da erschaut er: „Er kommt jetzt noch nicht ins Leben.“ — Geschickt weiß er einstweilen den Spezereihändler Gupta für die Lehre des Erhabenen zu gewinnen. Und wenn der Älteste ihn dafür gewonnen hat, dann kommt er auf einen Tag mit vielen Mönchen in sein Haus. Am nächsten Tag kommt er nur mit einem einzigen Begleiter. Und wieder an einem anderen Tage kommt er ganz allein. Wie der Spezereihändler Gupta den Ältesten Schanakavasin ganz allein sieht, fragt er ihn: „Verehrter, hast du keinen Jünger, der deinen Schritten folgt?“ — Der Älteste sagt: „Unser Teil ist Altern. Was soll uns einer, der unseren Schritten folgt? Aber wenn einige das Mönchsgewand nehmen, weil der Glaube ihnen voranschreitet: die werden es sein, die unseren Schritten folgen.“

Da spricht der Spezereihändler Gupta: „Verehrter, ich bin ganz ins häusliche Leben verstrickt und hänge an den Freuden des Lebens. Ich vermag nicht das Mönchsgewand zu nehmen. Aber wenn ich einen Sohn bekomme, den will ich dir geben, Verehrter, auf dass er deinen Schritten folge.“ —

Der Älteste erwidert: „Kind, so sei es. Aber erinnere dich deines festen Versprechens.“ —

Danach wird dem Spezereihändler Gupta ein Sohn geboren, und er gibt ihm den Namen Aschvagupta. Wenn er groß geworden ist, besucht der Älteste Schanakavasin den Spezereihändler Gupta und spricht: „Kind, du hast versprochen: „wenn ich einen Sohn bekomme, will ich ihn dir geben, Verehrter, auf dass er deinen Schritten folge,, erlaube, dass ich ihm das Mönchsgewand anlege.“ Der Spezereihändler sagt: „Verehrter, das ist mein einziger Sohn, hab Mitleid! Wenn ich noch einen zweiten bekomme, den will ich dir geben, Verehrter, auf dass er deinen Schritten folge.“ — Da fragt sich der Älteste Schanakavasin: „Ist dieser Upagupta?“— und erschaut: „er ist es nicht.“ Und jenem war der Bescheid vom Ältesten: „So sei es.“ —

Danach bekommt er einen zweiten Sohn. Den nennt er Dharmagupta. Wenn er groß geworden ist, spricht der Älteste Schanakavasin abermals zum Spezereihändler Gupta: „Kind, du hast versprochen: „wenn ich einen Sohn bekomme, den will ich dir geben, Verehrter, auf dass er deinen Schritten folge.“ Und hier ist dir ein Sohn geboren. Erlaube, dass ich ihm das Mönchsgewand anlege.“ — Der Spezereihändler sagt: „Verehrter, hab Mit- leid! Der eine meiner Söhne soll außer dem Hause das Gut zusammenbringen und der andere es drinnen im Hause verwalten. Aber wenn ich einen dritten Sohn be¬kommte, der gehört dir, Verehrter.“ —

Da fragt sich der Älteste Schanakavasin: „Ist dieser Upagupta?“ — und erschaut: „er ist es nicht.“ Darauf spricht der Älteste: „So sei es.“ —

Danach wird dem Spezereihändler Gupta ein dritter Sohn geboren. Der ist lieblich, schön und reizend. Sei¬ne Schönheit übertrifft menschliches Maß, ohne göttliches zu erreichen. Man feiert seine Geburt und gibt ihm den Namen Upagupta. Wenn er groß geworden ist, kommt wieder der Älteste Schanakavasin zum Spezereihändler Gupta und spricht: „Kind, du hast versprochen: „den dritten Sohn, den ich bekomme, will ich dir, Verehrter, geben, auf dass er deinen Schritten folge.“ Nun hast du hier einen dritten Sohn. Erlaube, dass ich ihm das Mönchsgewand anlege.“ — Der Spezereihändler Gupta antwortete: „Verehrter, wenn mir aus unserem Abkommen nicht Schaden und Ruin erwächst, will ich's zufrieden sein.“ —

Wie sich so beide einig werden, macht der Versucher, der Herr der Sinnenwelt, ganz Mathura toll nach Wohlgerüchen, und alle Welt kauft Wohlgerüche bei Upagupta. Er wird ihnen reichlich geben. Dann kommt der Älteste Schanakavasin zu Upagupta, und Upagupta steht im Spezereiladen. Er versieht das Geschäft ehrlich und verkauft Wohlgerüche. Der Älteste Schanakavasin spricht ihn an: „Kind, was für Gedanken gehen durch deinen Sinn? Reine oder unreine?“ — Upagupta sagt: „Verehrter, nicht eben weiß ich, was für Gedanken in meinem Sinne rein sind, und was für welche unrein.“ — Der Älteste Schanakavasin sagt: „Kind, wenn du nicht um dein ganzes Sinnen zu wissen vermagst, vermagst du nicht den Widersacher zu zwingen, dich freizugeben.“

Er gibt ihm einen schwarzen Zeugstreifen und einen weißen.

„Wenn ein unreiner Gedanke dir aufkommt, dann leg ein schwarzes Zeugstückchen vor dich hin, kommt dir ein reiner Gedanke auf, dann leg ein weißes Zeugstückchen vor dich hin. Wecke in deinem Geiste lauteres Gedenken an den Buddha und bewege es in dir.“ — So weist er ihn an. Wenn nun unreine Gedanken in ihm aufkommen, legt er zwei von den schwarzen Zeugstückchen vor sich hin und ein weißes. Bis er zur Hälfte schwarze und zur Hälfte weiße hinlegt und danach zwei weiße und ein schwarzes. Bis schließlich lauter lichte Gedanken in ihm aufkommen und er einen Zeugstreifen aus lauter weißen Stückchen vor sich legt.

Er versieht sein Geschäft ehrlich. — In Mathura lebt eine Hetäre, Vasavadatta mit Namen. Eines ihrer Mädchen geht zu Upagupta und kauft Wohlgerüche. Und Vasavadatta sagt: „Mädchen, du bestiehlst den Spezereihändler, du bringst so viel Wohlgerüche.“ — Das Mädchen antwortet: „Tochter aus gutem Hause, Upagupta, der junge Spezereihändler, von schöner Gestalt und voll Lieblichkeit und Süße, versieht sein Geschäft ehrlich.“ Und Vasavadatta wird in ihrem Sinn von Neigung zu Upagupta erfasst. Darauf schickt sie ihr Mädchen zu Upagupta: „Ich werde zu dir kommen. Mich verlangt danach, mit dir vereint mich der Liebe zu freuen“ —, das wird Upagupta von dem Mädchen ausgerichtet. Upagupta sagt: „Es ist nicht an der Zeit für dich, Schwester, mich zu sehen.“

Um fünfhundert Silberstücke ist Vasavadattas Hin¬gabe feil. Ihr kommt der Gedanke: „Gewiss kann er keine fünfhundert Silberstücke bezahlen.“

Darauf schickt sie ihr Mädchen zu Upagupta: „Ich will nicht ein einziges Kupferstück von dir, Sohn aus gutem Hause, ich will nur mit dir vereint mich der Liebe freuen.“

So bestellt ihm das Mädchen. — Upagupta sagt: „Es ist nicht an der Zeit für dich, Schwester, mich zu sehen.“

Am Leichenverbrennungsacker

Da ist der Sohn irgendeines Gildenältesten zu Vasavadatta ins Haus gekommen. Und ein reisender Händ¬ler, der fünfhundert Pferde als Tauschware mit sich führt, kommt aus dem Nordlande nach Mathura. Der fragt: „Welche Hetäre ist die schönste von allen?“ und hört: „Vasavadatta.“ Da nimmt er fünfhundert Goldstücke und viele Geschenke und begibt sich zu Vasavadatta. Da packt die Habgier Vasavadattas Sinn, sie bringt den Sohn des Gildenältesten um und wirft ihn in den Abtritt und gibt sich dem reisenden Händler hin. Später aber wird der Sohn des Gildenältesten aus dem Abtritt herausgezogen, und es wird dem König gemeldet. Darauf verordnet der König: „Geht, Verehrte, schneidet Vasavadatta Hände und Füße, Ohren und Nase ab und lasst sie draußen auf den Leichenverbren¬nungsacker liegen.“ Darauf schneiden sie Vasavadatta Hände und Füße, Ohren und Nase ab und lassen sie draußen auf dem Leichenverbrennungsacker liegen. Da hört Upagupta: „Sie haben Vasavadatta Hände und Füße, Ohren und Nase abgeschnitten und sie auf dem Leichenverbrennungsacker liegen lassen.“ Ihm kommt der Gedanke: „Vormals verlangte sie aus Sinneslust danach, mich zu sehen; nun aber sind ihr Hände und Fü¬ße, Ohren und Nase abgeschnitten: nun ist es an der Zeit, sie zu sehen.“ Und er spricht:

“Als feinste Stoffe ihren Leib umhüllten, den Leib von mannigfachem Schmucke schön, war den Erlösungsernst-Erfüllten, den Lebens-Abgewandten Heil: sie nicht zu sehn.
Jetzt aber ist die Zeit gekommen, sie zu sehen, der Sinnenfreude, Leidenschaft und Stolz geschwunden sind, die mit scharfem Schwert verstümmelt und gezwungen ist, in ihrem wahren Wesen zu erscheinen.“

Da nimmt er einen Sonnenschirm und begibt sich mit einem einzigen Begleiter ruhevollen Wesens zum Leichenverbrennungsacker hinaus. Und bei Vasavadatta weilt aus Liebe ihre Dienerin, weil sie früher gut zu ihr gewesen ist, und wehrt die Krähen und anderes Getier von ihr ab. Und sie vermeldet Vasavadatta: „Du Tochter aus gutem Hause, derselbe Upagupta, zu dem du mich wieder und wieder entsandtest, der naht sich hier. Gewiss ist er von Liebesleidenschaft gequält hierher gekommen.“ Und Vasavadatta hört es und spricht: „Wie soll er Liebesleidenschaft empfinden, wenn er mich sieht, deren Glanz erloschen ist, die schmerzgequält vom roten Blut überströmt am Boden liegt?“ Darauf spricht sie zur Dienerin: „Füge zusammen Hände und Füße und Ohren und Nase, die mir vom Leibe geschnitten sind.“ Darauf fügt die Dienerin sie zusammen und verhüllt Vasavadatta mit einem Tuche. Und Upagupta tritt herzu und bleibt vor Vasavadatta stehen. Darauf spricht Vasavadatta, wie sie Upagupta vor sich stehen sieht: „Du Sohn aus gutem Hause, als mein Leib heil war und geschickt zu Lust und Sinnenfreuden, da habe ich wieder und wieder eine

Botin zu dir gesandt, aber du gabst zur Antwort: „es ist nicht an der Zeit für dich, Schwester, mich zu sehen.“ Jetzt sind mir Hände und Füße, Ohren und Nase abgeschnitten, und hier liege ich im Schmutzgerinnsel meines eigenen Blutes: wozu bist du jetzt gekommen?“ und spricht:

„Als wie ein Lotusblüteninnres zart
mein Leib war, war er wert gesehn zu werden; Ich Ärmste, als ihn Prunk und Schmuck beschwerten,
da hab ich dich zu sehn umsonst geharrt.
Was bist du jetzt den Leib zu sehn gekommen, dem lockend Spiel, Lust, Reiz und Stolz genommen,
den anzuschaun vor Graun das Auge bebt, an dem statt Salbe Blutgerinnsel klebt?“

Upagupta spricht: Nicht kam ich, Schwester, weil mich Liebe quält, ich kam, unreiner Wünsche wahres Wesen zu sehn. Schmuck und Gewänder auserlesen und alles, was als Liebeslockung zählt, verhüllten dich in deinem wahren Sein, drang auch ein Auge prüfend auf dich ein. Jetzt zeigst du dich, wie du in Wahrheit bist, wo, was verschönt, von dir genommen ist. Verwesung bist du. Lustvoll arme Toren sind's, die an deinen Leichnam sich verloren.

Von Blut berieselt und in Haut gebunden hüllt ihn Gewebe ein, mit Fleisch beschmiert
den Leib, von tausend Adern rings durchwunden —,
wer ist's, der sich an ihn — warum? — verliert?

und weiter, Schwester:

es nimmt der Tor die äußere Schönheit wahr und wird in Leidenschaft verstrickt, des Weisen Sinn wird wunschlos rein und klar, weil er ins Unrein-Innre blickt.
Der leichenhafte Leib: gemein ist er und unrein. Doch die Lust noch lusterfüllt, doch heilsbewusst sich fern zu halten: das ist rein.

Denn an diesem leichenhaften Leibe wird schlechter Geruch durch mancherlei Wohlgerüche unreiner Art abgewehrt, Ungestalt nach außen verborgen durch Gewand und vielerlei Schmuck. Schweiß, Feuchtigkeit und andere Unreinheiten entfernt der Mensch mit Wasser, mit Wasser wird der unreine Schädel von den Lusterfüllten gepflegt. Aber die das Wort des Völlig Erleuchteten hören, dessen Worte wahr sind, und danach tun, die geben die Wünsche auf, die Erschöpfung, Leid und Schmerz erzeugen und von den Guten immerdar verworfen sind. Sie gehen hinaus in die Stille, in einsame Wildnis, in ihrem Geist erlöst von den Erregern der Wünsche. Sie besteigen das Boot, das hinüberführt und gelangen an das andere Ufer des großen Meers des Lebens.“ Als Vasavadatta diese Worte hört, schnellt sie auf aus dem Samsara, dem wahnerfüllten Kreislauf von Geburt

und Tod. Sie gedenkt der Größe des Buddha und ihr Herz wandelt sich. Und sie spricht: „So ist es. Alles ist so, wie du sagst, du Weiser! Da ich dich Vollendeten finden durfte, habe ich des Buddha eigenes Wort gehört.“ Darauf unterweist Upagupta Vasavadatta in aufsteigender Lehrweise und enthüllt ihr die Wahrheiten. — Und Upagupta erreicht völlige Leidenschaftslosigkeit der Sinne, als er ersieht, wie Vasavadatta verstümmelt ist. Durch die Unterweisung in der Wahrheit, die er selbst erteilt, geht ihm die Wahrheit in klarer Erkenntnis auf, und er erntet die Frucht, in kein neues Leben mehr zu treten. Und Vasavadatta erntet die Frucht, in den Strom zu gelangen, der zur Erlösung führt. Und Vasavadatta, die Wahrheit vor Augen, spricht liebevoll zu ihm:

„Dank deiner Macht schloss sich der Weg nach unten,
der Schlund der Tiefen: Stätte voller Qualen, erschloss der Himmelspfad sein lichtes Strahlen: Ich habe des Erlöschens Weg gefunden.“

Darum suche ich hier mein Heil im Erhabenen, in der Wahrheit Gekommenen, dem Heiligen, Wahrhaft Erleuchteten, suche ich mein Heil in der wahren Lehre und in der Gemeinde der Mönche.“ Und sprach:

„Hier gehe ich zu meinem Heile ein zum Sieger, dessen Augen licht und rein wie Lotusblüten sind, die sich entfalten, den huldigend der Götter Schar und: Weise rings in Ehren halten, hier gehe ich zu seinem Orden ein, der aller Leidenschaften bar.“

Danach schritt Upagupta, nachdem er Vasavadatta in der Wahrheit unterwiesen hatte, von dannen. Und nicht lange war er von dannen gegangen, als Vasavadatta starb und in ein neues Leben unter den Göttern trat. Und Gottheiten verkündeten in der Stadt Mathura: „Vasavadatta empfing von Upagupta die Lehre der Wahrheit, erschaute die heiligen Wahrheiten und ist im Himmel bei den Göttern zu neuem Leben erstanden.“ Als das Volk von Mathura solches vernahm, feierte es Vasavadattas Leichnam.«

Erläuterung zu Upagupta

»Durch die Unterweisung in der Wahrheit, die er selbst erteilt, geht ihm die Wahrheit in klarer Erkenntnis auf, und er erntet die Frucht, in kein neues Leben mehr zu treten. Und Vasavadatta erntet die Frucht, in den Strom zu gelangen, der zur Erlösung führt«,: — das ist das Wagnersche Thema »durch Mitleid wissend — der reine Tor« in einer indischen Urfassung. Wagner kannte die Geschichte von Upagupta und Vasavadatta aus Burnoufs »Introduction à l'histoire du Bouddhisme Indien«, wo sie 1844 zum ersten Male der westlichen Welt geboten wurde. Es ist bekannt, dass sein Parsifal auf Beschäftigung mit dem Buddhismus zurückgeht, und in manchen Zügen der Gralsgemeinschaft schimmern Ei-gentümlichkeiten des »Mönchsordens aller Weltgegenden« durch, dessen Buddhas und Bodhisattvas mit Wunderkraft rastlos die Welt durchwalten, Rettung und Erlösung wirkend. Es ist bekannt, dass Züge buddhistischer Haltung in den »Parsifal« eingingen, nachdem eine geplante Buddhaoper nicht zur Ausführung kam, und bekannt ist auch, dass ihr Stoff, dessen Disposition nach Akten und Szenen im Entwurf »Die Sieger« erhalten ist, aus Burnoufs Buch stammt. (S. 205/09.) Freilich aus einer ganz anderen Legende, in der das Motiv »durch Mitleid wissend« nicht anklingt. Aber auch in Burnoufs Wiedergabe der Upagupta-Legende kommt das Motiv nicht zur Geltung, denn er bricht seine Übersetzung vorzeitig ab, da er Vasavadattas Schicksal nur anführt, um einen Beleg für die königliche Strafgewalt im buddhistischen Indien zu geben. Es ist wohl so, dass es Wagners Genius, der wie wenige seiner Epoche eine ursprüngliche Beziehung zu den Urmotiven menschlichen Seins besaß, angemessen und darum gleichsam vorbehalten war, aus reiner Versenkung in den Geist des Buddhismus, der ihm aus Burnoufs unverwelktem Werk entgegen stieg, sein buddhistisches Parsifalthema von sich aus zu erschauen.

Siehe auch

Literatur

  • Buddhistische Legenden von Heinrich Zimmer, Insel Verlag Frankfurt am Main, 1985, 1. Auflage