Theologie

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Die esoterische Theologie, nach 3,2,11-37

Artikel aus dem Buch „Das System des Vedanta“ von Paul Deussen, Elibron Classics, 2. Auflage, 1906, S. 221 - 232.

Vorbemerkung

So erhaben die Vorstellungen über das Brahman sind, die wir bisher aus den Upanishad's nach Mafsgabe der von BA-darâyana und Çankara getroffenen (nicht immer ganz glück-lichen) Auswahl gewonnen haben, so wenig tun dieselben doch, in ihrer Bildlichkeit, der völligen Ergriindung des Wesens der Gottheit Genüge. Im Gefühle hiervon ist dem theologischen Teile der Brahmasiitra's noch ein Nachtrag zu¬gefügt, welcher das esoterische Brahman zum Gegenstande hat und sich, nebst zwei andern (psychologischen) Nachträgen, im zweiten Pàda des dritten Adhyâya, also hinter der Kosmo¬logie, Psychologie und Seelenwanderungslehre vorfindet. Mag hierdurch auch im einzelnen hier und da eine gröfsere Ver¬ständlichkeit gewonnen werden, so wird dieser Vorteil doch durch die Unzuträglichkeiten überboten, welche die Behand¬lung desselben Gegenstandes an zwei weit auseinandergeris-senen Stellen mit sich führt; daher wir hier, wie noch öfter, in unserer Anordnung von der des Grundwerkes abweichen.

Der Grundgedanke der esoterischen Theologie (vgl. S.109 fg. 123 fg.) ist nun der, dais das Brahman streng genommen ohne alle Unterschiede (vigesha), Attribute (gzmna), Bestimmungen (upädhi) und Gestalten (äkâra) ist. — Dieses unterschiedlose Brahman, wie wir es kurz benennen wollen, hat aber einen zwiefachen Gegensatz: einmal die Gestalten der Erschei¬nungswelt, als welche Brahman, von den Bestimmungen ge¬trübt, sich darstellt; sodann die unvollkommenen, bildlichen Vorstellungen, welche wir uns von der Gottheit machen, um sie unserem Verständnisse und unserer Verehrung (upâsanâJ näher zu bringen. Seltsamerweise wird zwischen diesen beiden Gegensätzen des unterschiedlosen Brahman, soweit sie auch ihrer Natur nach auseinanderliegen, von Çaiikara nicht scharf geschieden, und wenn es auch nach einer Stelle (p.807,5) so scheint, als wenn er in den Erscheinungsformen den Grund (âlambanam) der Vorstellungsformen) sähe, so geht doch aus dem fortwährenden Durcheinanderfliefsen beider nicht nur an der in Rede stehenden, sondern auch an andern Stellen des Werkes 91 hervor, dafs unser Autor sich den Unterschied der¬selben nicht zum deutlichen Bewufstsein gebracht hat. Viel¬leicht ist dies von andern Kommentatoren mehr geschehen, welche aus dem einen Adhikarai am 3,2,11-21 zwei machen, von denen das erste (3,2,11-14) gegen die Vielheit der Er¬scheinungsformen und das zweite (3,2,15-21) gegen die Viel¬heit der Merkmale des Brahman gerichtet gewesen zu sein scheint, was Çankara (p. 812) als zwecklos (uyartha) ablehnt, ohne dafs wir aus seinen Worten die Meinung der Gegner vollständig entnehmen könnten.

Wir sind daher darauf beschränkt, hier die Auffassung des Çankara zu reproduzieren, und der angedeutete Mangel nötigt uns, die bei ihm verschwimmenden beiden Gegensätze des unterschiedlosen Brahman nur aus einer gewissen Entfernung zu betrachten, welche ein deutliches Sehen in allem einzelnen nicht möglich macht. Im übrigen nehmen wir unsern Weg so, dafs wir uns nicht ohne Not von der von unserm Autor getroffenen Anordnung der Gedanken entfernen.

Das unterschiedhafte und das unterschiedlose Brahman, nach 3,2,11-21

Es gibt, so äufsert sich Çafikara, über das Brahman Schriftstellen von zweierlei Art; die einen lehren dasselbe als unterschiedhaft, z. B. wenn es heifst: „Allwirkend ist er, all-wünschend, allriechend, allschmeckend" (S. 164), die andern als unterschiedlos, so in der Stelle: „es ist nicht grob und nicht fein, nicht kurz und nicht lang" (S. 143). Nun kann das höchste Brahman an sich nicht beides sein, denn es ist nicht möglich, dafs eine und dieselbe Sache an sich gestaltet und gestaltlos sei (p. 803,10). Zwar könnte man meinen, dafs das Brahman an sich unterschiedlos sei und durch die Be¬stimmungen (worunter alles zu verstehen ist, was Brahman 1. zur Erscheinung, 2. zur Vorstellung macht) unterschied-haft werde. Aber ein Ding kann dadurch nicht ein anderes werden, dafs es mit Bestimmungen verbunden erscheint: der Bergkristall bleibt klar, auch wenn man ihn mit roter Farbe bestreicht (p. 803,14); wie es nur ein Irrtum ist, wenn man ihn dann für in sich rot hält, so beruhen bei Brahman auch die Bestimmungen nur auf dem Nichtwissen (p. 804,1). Somit ist festzuhalten, dafs das Brahman von allen Unterschieden frei und völlig unveränderlich ist und nicht das Gegenteil (p. 804,3).

Aber wie kommt es, dafs in vielen Schriftstellen dem Brah-man mancherlei Gestalten zugeschrieben werden, indem es bald vierfüfsig, bald sechzehnteilig, bald zwerghaft, bald die drei Welten als Körper habend usw. genannt wird? [p. 804,9. Man beachte hier und im folgenden die fortwährende Oszil¬lation zwischen Erscheinungsformen und Vorstellungsformen.] Mufs man nicht doch vielleicht annehmen, dafs durch die Be-stimmungen eine Verschiedenheit der Gestalt in Wirklichkeit hervorgebracht wird? Denn wozu sonst die Schriftstellen, die ihm Verschiedenheit beilegen ? — Hierauf ist zunächst zu er-widern, dais jedesmal, wenn Bestimmungen vorkommen, da¬bei gesagt wird, dafs Brahman nicht durch sie betroffen werde [p. 805,1; hierfür wird ein vereinzeltes Beispiel angeführt; in Wahrheit ist es meistens nicht der Fall]; und dais an manchen Stellen (Kâth. 4,11. Brih. 4,4,19. Çvet. 1,12) ausdrücklich her-vorgehoben wird, dais es keine Vielheit gebe, und dais Prä-destinierter, Prädestiniertes und Prädestinierer eins seien in Brahman (p. 805,13). Sodann aber ist zu bemerken, dais nur die Stellen von dem unterschiedlosen Brahman den Zweck haben, über das Wesen Gottes zu belehren (p. 806,7), wäh¬rend die Stellen von dem gestalteten Brahman einem andern Zwecke, nämlich dem der Verehrung dienen (p. 806,10).

Einige Gleichnisse mögen das Verhältnis des Brahman zu seinen Erscheinungsformen erläutern. Wie das Licht der Sonne oder des Mondes, wenn es auf den Finger fällt, an den Bestimmungen desselben teilnimmt und demgemäfs, wenn er krumm ist, krumm, wenn er gerade ist, gerade erscheint, ohne an sich krumm oder gerade zu sein, so auch nimmt das Brah¬man, indem es sich mit den Bestimmungen der Erscheinungs¬welt, z. B. der Erde, verbindet, deren Gestalt an, und hierauf stützt sich (p. 807,5) die Auffassung des Brahman unter ver¬schiedenen Gestalten, wie sie zum Zwecke der Verehrung gelehrt wird. Sie ist daher keineswegs zwecklos; denn alle Upanishadworte haben ihren Zweck und dienen ohne Unter¬schied als Richtschnur (p. 807,8). Aber dies hindert nicht, dafs diese Auffassung dennoch auf dem Nichtwissen beruht; denn in dem angebornen Nichtwissen ist das weltliche Tun und auch das vom Veda vorgeschriebene befangen (p. 807,12).

Ein anderes Gleichnis findet sich in den Moksha-çâstra's:

„Wie diese Sonne, deren Wesen Licht ist, „Vielfach erscheint in vielerlei Gewässern, „Durch die Bestimmungen vervielfacht rdumlich, „So ist's auch mit dem ungebornen Atman."

Und folgendes:

„Die eine Wesensseele wohnt in jedem Wesen, „Eins ist sie und doch vieles wie der Mond im Wasser."

Zwar sind Sonne und Mond gestaltet und von ihren Spiegel¬bildern örtlich getrennt, der Atman hingegen ist nicht ge¬staltet (lies mûrto p. 810,7) und nicht von den Bestimmungen räumlich getrennt, sondern allgegenwärtig und mit allem identiseh (p. 810,8), aber kein Gleichnis pafst mehr, wenn man das tertium comparationis (vivakshitam ançam) verläfst; wäre es mit dem Verglichenen identisch, so wäre es eben kein Gleichnis mehr (p. 810,13). Dasselbe besagt nur, dafs das im wahren Sinne unwandelbare und. Wesenseine Brahman, indem es in die Bestimmungen wie den Leib usw. eingeht, gleich¬sam teilnimmt an den Beschaffenheiten dieser Bestimmungen (p. 811,6).

Aber wenn das Brahman an sich so völlig unterschiedlos ist, wie sind dann die Schriftstellen von dem unterschiedhaften Brahman zu erklären (p. 813,12)? — Einige meinen, auch sie lehrten das unterschiedlose Brahman, indem man die ge¬forderte Vernichtung der Erscheinungswelt auch auf die von ihnen gelehrten Gestalten des Brahman anwenden müsse (p. 814,3). Doch ist dies Verfahren nur da zulässig, wo der¬gleichen in einer Stelle vorkommt, welche die esoterische Lehre (paravidy(t behandelt (p. 814,4), nicht aber da, wo von Vorschriften der Verehrung die Rede ist (p. 814,8). Lber-haupt mufs man die Stellen, welche die Natur des Brahman lehren, und die, welche eine Verehrung desselben vorschrei¬ben, auseinanderhalten (p. 815,6). Jene bezwecken Erlösung, diese haben als Frucht je nach der Anweisung Tilgung von Sünde, Erlangung von Herrlichkeit oder Stufenerlösung (p. 815,5). Und während die letztem Stellen zum Kanon der Vorschrift gehören, so schliefsen die erstem jedes imperative Element aus und bezwecken nur die Erkenntnis des Gegen¬standes (p. 815,10).

Was sollte auch wohl die Vorschrift bei der Erkenntnis des Brahman vorschreiben? etwa, (lie Vielheit zu vernichten, wie man jemandem befiehlt, durch Beleuchtung eines Gegen¬standes die Finsternis zu verscheuchen (p. 816,6)? — Da müssen wir fragen: wie soll man sich diese Vernichtung der Vielheit denken? Ist es ein realer Vorgang, etwa wie die Vernichtung der Härte der Butter dadurch, dais man sie ans Feuer setzt (p. 816,10)? — Aber eine solche wirkliche Ver¬nichtung der Erscheinungswelt kann nicht von einem blofsen Menschen vollbracht, also auch nicht befohlen werden (p. 816,15). Auch würde in diesem Falle durch einen einzigen Erstlingserlösten die ganze Vielheit mit Erde usw. vernichtet sein und jetzt die Welt leer stehen (p. 817,2).

Man mufs also annehmen, dais es sich nur um Vernich-tang des Nichtwissens handelt, welches dem einen Brahman die Vielheit der Erscheinungen andichtet. Das Nichtwissen aber wird getilgt durch Belehrung allein und ohne Befehl (p. 817,6) , während hundert Befehle ohne die Belehrung es nicht beseitigen können (p. 817,9). Also: weder zur Erkennt¬nis des Brahman noch zur Vernichtung der Vielheit können Befehle etwas beitragen; beide werden vielmehr vollbracht durch die Belehrung allein (p. 817,12).

Und wem sollte dor Befehl, die Vielheit zu vernichten, gelten? Der individuellen Seele? Aber die wird ja mit ver¬nichtet! Oder der höchsten Seele? Der läfst sich ja doch nicht befehlen (p. 818,1-4).

Zwar heifst es auch in der höhern Wissenschaft: „man soll es sehen ! " (S. 187). Aber der Befehl bedeutet hier nur, dais man es vor Augen bringen, seine Aufmerksamkeit darauf richten, nicht dais man es erkennen soll (p. 818,7). Ob letz¬teres geschieht oder nicht, das hängt nioht von einem Be¬fehle, sondern von der Beschaffenheit des Objektes und der Erkenntnisfähigkeit ab (p. 818,12). Wäre dem nioht so, hinge die Erkenntnis vom Willen ab, so würde es unerklärlich sein, dafs man sich irren kann (p. 819,1); nun aber hängt sie nicht vom Menschen, sondern vom Objekte ab und kann daher nicht befohlen werden (p. 819,4).

Wäre nun die Schrift nur dazu da, zu befehlen, so hätte, was nicht Befehl in ihr ist, keine Bedeutung; somit würde sie nicht erklären (avyâcakshita, Optativ mit u privativum, p. 819,8) , dafs die Erkenntnis des Brahman als Seele un-befehlbar sei, sondern dieselbe dem Menschen befehlen: hier¬durch aber würde nioht nur der eine Befehlskanon zwei ent¬gegengesetzte Zwecke (Werke und. Belehrung) verfolgen und dadurch mit sich selbst in Widerspruch treten [man sieht nicht recht, warum], sondern auch die Erlösung würde in die Sphäre der verdienstlichen Werke (adrishta) herabgedrückt und damit zu etwas Vergänglichem werden (p. 820,1). End¬lich würde, wenn der ganze Inhalt des Veda unter den Begriff des Gebotes gestellt würde, dieses Gebot mit sich selbst in Widerspruch treten, indem es einerseits Vernichtung der Viel¬heit, anderseits teilweise Aufrechterhaltung derselben beföhle. Darum also mufs man die imperativen Stellen von dem unter-schiedhaften Brahman und die nicht-imperativen von dem unterschiedlosen Brahman auseinanderhalten (p. 820).

Charakteristik des esoterischen Brahman, nach 3,2,16.17.22

Als Yrishkali den Bähva bat, ihm das Brahman zu Iehren, da schwieg der 'Weise. Jener wiederholte seine Bitte zum zweiten und dritten Male. Endlich sprach Bcihra: „Ich lehre dir es ja, du aber verstehst es nicht; dieser Atman ist stille."

Diese von Çankara p. 808,11 als Çruti mitgeteilte Erzäh¬lung, deren Ursprung uns im übrigen unbekannt ist (vgl. Anm. 24, S. 38), findet ihre Deutung in verschiedenen, zu¬gleich mit ihr (p. R08) zitierten Schriftstellen; so wenn es heifst (Taitt. 2,4):

„Vor dem die Worte kehren um „Und die Gedanken, ohne ihn zu finden," —

und an einer andern Stelle (Kena 1,3):

„Verschieden ist's von allem, was wir kennen, .,Und höher als das Ungekannte auch;"

wie denn auch die Smriti (Bhag. G. 13,12, im Anklange an 1ligv. 10,129,1) das Brahman als „weder seiend, noch nich t-seiend" bezeichnet. Am schärfsten aber wird die völlige Unerkennbarkeit des Urgrundes der Dinge ausgedrückt durch die Formel: „Nefi, neti!" — „es ist nicht so, es ist nicht so" 92, welche in der Brihadâranyaka-Upanishad nicht weniger als fünfmal vorkommt (2,3,6. 3,9,26. 4,2,4. 4,5,15 und in etwas anderer Verwendung 3,2,11). An der ersten dieser Stellen folgt sie auf eine Darstellung der beiden Erscheinungs¬formen (rerpe) des Brahman, von denen die eine „gestaltet, sterblich, ruhend, seiend", die andere „ungestaltet, unsterblich, beweglich, jenseitig" genannt wird. Letztere begreift den Wind und den Luftraum, den Odem und den Raum inner¬halb des Leibes, erstere alles übrige in der Natur und am Menschen. Beides wird nach Çafikara (der zu 3,2,22 p. 821-826 diese Stelle einer längeren Betrachtung unterwirft) durch die Formel „neti, neti" von Brahman negiert; die Erkenntnis seiner wahren Gestalt besteht.darin, dafs man ihm alle Gestalt abspricht (p. 824,12), mag man nun das zweimalige na iti auf die beiden vorher aufgestellten Erscheinungsformen (p. 825,0) oder auf die Erscheinungsformen und Vorstellungsformen (p. 825,10) oder allgemein auf alles, was man nur wahrnehmen mag, beziehen (p. 825,11). Somit wird von Brahman alles objektive Sein negiert und nur sein objektitätloses Sein als innere Seele bleibt übrig (p. 825,14). Diese Negation aller Unterschiede an Brahman bedeutet aber [da Brahman das allein wahrhaft Seiende ist] eine Negation der ganzen, dem Brahman fälschlich aufgebürdeten Erscheinungswelt (p.825,15); darum wird die Formel neti, neti in Brih. 2,3,6 durch die Worte erklärt: „denn aufser ihm — darum heifst es a es ist nicht „so » — gibt es weiter kein anderes ;" er selber aber i s t nicht nicht (p. 826,6).

Sonach bleibt als einziges Merkmal des Brahman das Sein bestehen, und zwar ein Sein, welches allem empirischen Sein entgegengesetzt ist, so dafs es, diesem gegenüber, ebensowohl als ein Nichtsein bezeichnet werden kann (vgl. S. 139).

Aber welches sind die positiven Merkmale dieses esoteri¬schen, die Negation aller Unterschiede voraussetzenden Brah¬man? — Der spätere Vedànta nennt deren drei, welche den bekannten Namen des Brahman: Sac-cid-ânanda, d. h. „Sein, Geist und Wonne", bilden; dieses Kompositum, welches, so¬viel uns bekannt, zuerst in der Nrisinha-tâcpanîya-npanishad (Ind. St. IX, 60.84. 143. 147. 148. 154) vorkommt, findet sich in Çankara's Kommentar nirgends und scheint unserm Autor noch unbekannt zu sein. Zwar auch er erklärt wiederholt, da wo von Brahman als Wonne die Rede ist, dafs diese Bestimmung dem esoterischen, attributlosen Brahman zukomme (p. 127,16. 868,11), hier aber, im eigentlich esoterischen Teile, ist von ihr nicht die Rede, vielleicht, weil Çankara sie als Freiheit von Leiden mit unter die negativen Bestimmungen rechnet [vgl. über die Negativität der Wonne ad Brih. 3,9 Schlufs], und so bleibt, neben dem Sein, als einzige positive Qualität des esoteri-schen Brahman die Geistigkeit übrig; p. 808,2: „Die Schrift „erklärt, dafs das unterschiedlose Brahman reine Geistigkeit „und frei von allem, was davon verschieden ist, sei, denn sie „sagt (Brih. 4,5,13): «wie ein Salzblock kein [unterschied-„liches] Innere oder Äufsere hat, sondern durch und durch „ganz aus Geschmack besteht, so fürwahr hat auch dieser ,.Atman kein [unterschiedliches] Innere oder Äufsere, sondern „besteht durch und durch ganz aus Erkenntnis.» Das heifst: ,,dieser Atman ist durch und durch nichts anderes als „Geistiges; das Geistige ist seine ausschliefsliche (nirantara) „Natur, wie der Salzgeschmack die des Salzklumpens."

Wie verhalten sich nun die beiden allein übrig bleibenden Merkmale des Brahman, Sein und Denken (bodha) zuein¬ander? — Die Behandlung dieser von andern Kommentatoren der Brahmasûtra's erörterten Frage lehnt Çankara als zweck - los ab (p. 812,10) und bemerkt dazu nur folgendes: 1) Brah¬man kann nicht Sein ohne Denken sein, weil dies der (eben zitierten) Schriftstelle widerspricht, und weil er sonst nicht das Selbst der individuellen Seele wäre, welche geistiger Natur ist; 2) aber auch nicht Denken ohne Sein, weil dies unmög¬lich ist; 3) ebensowenig Sein und Denken in ihrer Vereinze¬lung, weil damit eine Vielheit gesetzt sein würde, die bei Brahman nicht statthaft ist; somit bleibt nur übrig, dafs 4) das Sein gleich dem Denken und das Denken gleich dem Sein ist (satlâ eva bodho, bodha' eve ca sattâ, p. 813,7), so dafs zwischen beiden keine gegenseitige Aussehliefsung stattfindet. „So könnte man sagen", Mgt Çankara hinzu, indem er über diese für uns so interessante Frage als nebensächlich hinweg¬geht.

Wir aber möchten darauf aufmerksam machen, dafs beide Begriffe zuletzt zurückgehen auf den der Kraft. Alles Da sein ist seinem ganzen Wesen nach nichts anderes als Mani-festation von Kraft, und alles Erkennen läfst sich betrachten als eine Reaktion gegen den Andrang der Eindrücke und somit als eine Betätigung von Kraft. Dafs das indische caitanyam diesem Begriffe nahe kommt, haben wir schon oben (S. 62) bemerkt und werden den Belegen dazu im weitern Verlaufe noch begegnen.

Über die Erkennbarkeit des esoterischen Brahman,, nach 3,2,23-30

So sehr wir dem Vedanta zustimmen, wenn er eine Er-gründung des Ansichseienden nur in dem eigenen Ich für möglich hält und in seiner Metaphysik, alles Objektive bei¬seite schiebend, sich allein an das Subjekt hält, so wenig können wir doch mit ihm einverstanden sein, wenn er, un¬geachtet der Einwendungen seiner Gegner, die wir S. 146 fg. kennen gelernt haben, den letzten Urgrund des Seins in dem Subjekte des Erkennens findet. Die Folge davon ist, dais er sich einen unmittelbaren Einblick in das letzte Wesen der Dinge verschliefst: denn das Subjekt des Erkennens kann nie Objekt für uns werden, eben weil es bei jeder Erkenntnis als Subjekt fungieren mufs. — Wir wollen jetzt sehen, wie der Inder nichtsdestoweniger eine Erkennbarkeit des Subjektes, des Geistes, des Brahman zu gewinnen weifs.

Unsere Autoren geben zunächst die soeben erhobene Ein-wendung gegen die Erkennbarkeit des Brahman offen zu: dasselbe ist das Unoffenbare (avyakfam), nicht Wahrnehmbare, weil es bei aller Wahrnehmung als Zuschauer (sûkshin), d. h. als Subjekt des Erkennens, in Anspruch genommen wird (p. 827,3). Trotzdem aber bleibt eine Möglichkeit, Gott zu erkennen: der Yogin nämlich, d. h. hier der mit Gott Eins¬gewordene, sieht ihn im Zustande des Samriidhanam, wörtlich: der Vollbefriedigung, welchen Çankara erklärt als ein sich-Versenken (pra-ni-dhainam) in fromme Meditation (p. 827,10; vgl. 601,9). Diesen Zustand schildert die Schrift (Kath. 4,1) wie folgt:

„Nach auswärts hat die Höhlungen gebohrt „Der durch sich selbst ist, darum sieht der Mensch „Nach aufsen nur, nicht in die inn're Seele; — „Ein Weiser wohl sah umgewandten Auges „Das inn're Selbst, Unsterblichkeit ersehnend."

Aber besteht nicht auch hierbei die Scheidung von Subjekt und Objekt, zwischen dem, welcher sich versenkt und dem, worein er sich versenkt (p. 828,6)? — Unsere Autoren ver¬neinen diese Frage, wissen sich aber, zur Begründung ihrer Ansicht, nur auf Gleichnisse und Schriftstellen zu berufen. Sie erinnern zunächst daran, dais diese Scheidung nur ver¬möge der Bestimmungen (upâdhi) besteht (p. 828,11), dafs diese aber nur auf dem Nichtwissen beruhen, nach dessen Ab¬schüttelung die individuelle Seele mit der höchsten identisch sei (p. 829,3); sie vergleichen diese Identität mit der zwischen der Schlange und ihren Ringelungen (p. 830,1), zwischen der Sonne und ihrem Lichte (p. 830,5), sie machen geltend, dais die in der Vereinigung liegende Erlösung unmöglich werde, wenn man die Trennung für real im strengsten Sinne halte (p. 830,13) und folgern aus der Schrift, dais mit Vernichtung der Vielheit nur das Erkennende in uns und somit der Atman als Einheit übrig bleibe (p. 831,7); — aber eine Erklärung dieser Verschmelzung von Subjekt und Objekt (wie sie tat¬sächlich in den Phänomenen der ästhetischen Kontemplation und der religiösen Andacht stattfindet) kann aus ihren Er¬örterungen nicht entnommen werden.

Über etliche uneigentlich von Brahman gebrauchte Ausdrücke

Der Vollständigkeit halber möge hier der Abschnitt 3,2,31-37 kurz berührt werden, in welchem anhangsweise einige Aus¬drücke ihre Besprechung finden, welche scheinbar der Negation alles Seins aufser Brahman, seiner Allerfüllung und Allgegen¬wart Abbruch tun.

1. Brahman wird „die Brücke, welche diese Welten aus-einanderhält", genannt (S. 174, vgl. S. 143-144), worunter man gewöhnlich ein Aggregat aus Holz und Erde versteht, zum Zwecke, eine zusammenhängende Wassermasse zu durchschnei-den (p. 832,2); ja, es ist von einem Überschreiten dieser Brücke die Rede, und dieses alles scheint etwas anderes aufser Brah¬man vorauszusetzen (p. 832,4). — Hierauf ist zu entgegnen, dais Brahman nur darin mit einer Brücke verglichen wird, dafs er die Welt und ihre Grenzen (oder Ordnungen, z. B. Kasten, Âçrama s usw., p. 258,1) auseinanderhält. (p. 834,12). wie die Brücke ihre lifer [was sie allerdings, zumal nach der oben angegebenen, primitiven Definition derselben, nicht tut]; das überschreiten der Brücke aber (S. 174) soll nur das Er¬langen des Brahman bedeuten, wie man ja auch sagt: „er hat die Grammatik durch", um auszudrücken, dais einer sie be¬sitzt (p. 834,15).

2. Weiter wird Brahman wiederholt durch Maisbestim¬mungen wie „vierfüfsig, achtklauig, sechzehnteilig" bezeichnet, was eine Beschränktheit desselben vorauszusetzen scheint, denn alles Mefsbare ist von begrenzter Gröfse (p. 832,5t). — Indes geschieht dies nur, um ihn unserm [beschränkten] Verstehen. wie Bâdarïâyana sagt, unserer Verehrung, wie Çankara erklä¬rend hinzufügt, näher zu bringen (p. 835,1.4); denn es ist für den Menschen nicht möglich, das Unwandelbare, Unendliche zu fassen (p. 835,7).

3. Wiederholt ist von einer Verbindung der höchsten mit der individuellen Seele und wiederum (in der Kap. IK, 6, 6. 151 fg. besprochenen Stelle) von einer (durch sie bedingten) Spaltung innerhalb des Brahman die Rede, vermöge deren zwei Teile desselben wie die Reiche Mâgadha und Vaideha gegeneinander abgegrenzt werden (p. 832-833). — Beides aber geschieht nur unter dem Gesichtspunkte der Bestimmungen (upddhi), über deren Verhältnis zu Brahman im Vorigen ge¬handelt worden ist (p. 836,7). Die Verbindung der individuellen Seele mit Brahman ist in Wahrheit ein Eingehen derselben in ihr eigenes Selbst (p. 836,15), und die Spaltung in Brah¬man ist ebensowenig real, wie die zwischen dem Weltraume und dem Raume innerhalb des Leibes (p. 837,5). Somit ist bewiesen, dafs es nichts aufser Brahman gibt (p. 837,10), dafs er allem innerlich (p. 837,16) und allgegenwärtig ist (p. 838,3).

Siehe auch

Literatur

  • Vedanta für Anfänger von Swami Sivananda
  • Vedanta - Der Ozean der Weisheit von Swami Vivekananda
  • Paul Deussen: Das System des Vedanta, Elibron Classics, 2. Auflage, 1906.
  • Soami Divyanand: Vedamrit - Die Botschaft der Veden. ISBN 3-926696-03-6 (Übersetzung der Veden auf Deutsch, Bd. 1); ISBN 3-926696-13-3 (Bd. 2); ISBN 3-926696-26-5 (Bd. 3)
  • Wilfried Huchzermeyer: Die heiligen Schriften Indiens - Geschichte der Sanskrit-Literatur.(edition-sawitri.de) ISBN 3-931172-22-8
  • Moritz Winternitz: Geschichte der Indischen Literatur, Leipzig, 1905 - 1922, Vol. I - III. Reprint in englischer Übersetzung: Maurice Winternitz: History of Indian Literatur, Motilal Barnarsidass, Delhi, 1985.
  • Aurobindo: Das Geheimnis des Veda, 2. Auflage 1997, Hinder + Deelmann, ISBN 3-873481-65-0
  • Lokamanya Bâl Gangâdhar Tilak: Orion ou Recherches sur l'Antiquité des Védas, Milan, Éditions Archè, 1989

Weblinks

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