Stufen der Erkenntnis

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Stufen der Erkenntnis -

Stufen der Erkenntnis - Die sieben Bhumikas – Teil 1

Wie heißen die sieben Bhumikas und was bedeuten sie?

Die 7 Bhumikas sind wie eine Landkarte. Sie zeigen, welche Hauptstrecken wir vor uns haben. Für jede Ebene sind unterschiedliche Aufgaben zu meistern. Auch Psyche des Menschen ist anders auf jeder Ebene und zeigen nicht 100 %ig, wie es dann wirklich ist.

Wer ist mit dem Auto gekommen? Wie seid ihr hergekommen? – durch Wegbeschreibung, Erklärung, aufs Geratewohl. War der Weg genauso, wie ihr euch ihn vorgestellt habt? – nein. Trotzdem habt ihr hergefunden. So ist es auch mit den sieben Bhumikas. Es fühlt sich auf den Bhumikas anders an, als man es sich vorgestellt hat, man findet aber leichter bis zur höchsten Wahrheit, wenn man sie kennt, denn man weiß die wesentlichen Aufgaben.

Ihr kennt die Geschichte von Chudulai und Shikidwaja. Sie ist eine Geschichte aus der Yoga Vashishta zum Thema Jnana Yoga, die vor einigen 1000 Jahren geschrieben wurde. Das Yoga Vashishta ist ein Zwiegespräch des Königssohns Rama mit dem Weisen Vashishta. Die sieben Bhumikas sind diesem berühmten Dialog entnommen. Die folgende Geschichte ist die Vorgeschichte, wie es zu diesem Dialog kam.

Geschichte vom Königssohn Rama

Rama soll demnächst gekrönt werden. Sein Vater, Dasharatha hat das Königreich Ayodhya lange genug regiert und will es an ihn übergeben. Bevor Rama bereit ist zur Regierung, möchte er das Königreich sehen. Er reist mehrere Wochen und Monate durch alle Teile des Königreichs. Als er zurückkommt, ist er tief deprimiert. Er isst kaum noch etwas, spricht mit niemandem und schaut sich nichts mehr an. Der König ruft die besten Ärzte herbei, um herauszufinden, was mit ihm los ist. Sie überprüfen die Temperatur und den Puls, lassen ihn den Mund öffnen, schauen sich Urin und Exkremente an und schauen nach allem möglichen anderen. Rama lässt alles über sich ergehen und spricht nicht.

Da keiner Rat weiß, ruft der König die großen Weisen seines Königreichs. Vishwamitra, einer der besonders großen Weisen, wird gebeten, mit Rama zu sprechen. Der ganze Königshof und alle Weisen sind zugegen. Vishwamitra fragt ihn einfach und direkt: „Was ist mit dir los? Was fehlt Dir? Warum bist du unglücklich?“ Rama spürt, dass Vishwamitra ihn wirklich verstehen und nicht nur an ihm herumdoktorn, ihn nicht einfach verändern will. Seit langer Zeit spricht er zum ersten Mal wieder:

„Ich war jetzt eine ganze Zeit in meinem Königreich gewesen. Ich habe die Menschen beobachtet und mit ihnen gesprochen. Ich habe Krüppel, Kranke, Greise und Tote gesehen. Menschen streben nach Glück, aber keiner findet es. Menschen wollen nicht sterben, doch Krankheit und Tod erwartet sie. Menschen verbringen so viel Zeit, um Dinge zu erwerben oder aufzubauen – aber alles ist vergänglich. Welchen Sinn soll das alles machen? Welchen Sinn kann das Leben haben? Überall streben die Menschen nach etwas, aber keiner weiß wonach? Ich weiß nicht, welchen Sinn das Leben machen soll. Und wie viel Sinn soll es machen, ein Königreich zu regieren – über Menschen, die nicht wissen, wozu sie überhaupt da sind?“

Vishwamitra sagte also zum König: „Rama ist nicht krank - er hat auch keine psychische Störung". Er ist auf der ersten Stufe des Wissens angelangt (Shubecha):

  • Er hat Verlangen nach Wahrheit.
  • Er will wissen, was wirklich ist.
  • Er will den ganzen Sinn des Daseins wissen und verwirklichen.
  • Er wird nicht zu einem großartigen König durch immer größere Vergnügungen und indem du ihn von der Welt fernhältst.
  • Er ist an einem Punkt, wo er regelmäßig meditieren und spirituelle Praktiken machen muss und vor allem spirituelle Unterweisungen erhalten muss.

Unter den anwesenden Weisen ist Vashishta der am besten geeignete Guru für Rama. An den nächsten Abenden traf sich der ganze Königshof mit Vashishta, denn alle wollten dabei sein und Vashishta war ein ganz besonders großer Weiser. Er lehrte Rama Abend für Abend über Jnana Yoga, die Weisheit des Selbst. Er sagt, hinter allem ist das unsterbliche Selbst. Rama war relativ jung und kein Intellektueller, deshalb erzählte er ihm ohne lange große Abhandlungen, viele Geschichten.

Schlussfolgerung: durch Erfüllung der Pflichten im täglichen Leben kommt man zum diesem Selbst. Es ist keine Entsagungsphilosophie. In der Yoga Vashishta wird der Standpunkt vertreten: gerade weil hinter allem das kosmische Bewusstsein steht, gerade weil hinter allem das Göttliche ist – gerade deshalb ist das Handeln im täglichen Leben dazu geeignet, dieses göttliche Bewusstsein zum Ausdruck zu bringen.

In einer anderen mythologischen Geschichte, dem Ramayana, heißt es, dass Rama tatsächlich später den Thron bestiegen hat. Es gab noch viele Schwierigkeiten, die auf ihn warteten, bis er ein glorreicher König geworden ist. Heute wird Rama als Inkarnation Gottes verehrt, aber in der Yoga Vashishta ist er ein einfacher Aspirant auf der ersten Stufe zur Erkenntnis

Die sieben Stufen

Subecha – Sehnsucht nach Wahrheit

Wir beginnen, Fragen zu stellen „Wo ist Gott?“. Diese Stufe ist gekennzeichnet durch vier Hauptkriterien:

Vairagya – Entsagung und Leidenschaftslosigkeit

  • Abneigung gegen weltliche Vergnügungen
  • entsteht aus innerer Verwirklichung, dass nichts auf dieser Welt einen dauerhaft glücklich macht
  • für viele Menschen hat das zunächst etwas deprimierendes
  • die letzten 30 Jahre hat man festgestellt, dass depressive Krankheiten in westlichen Industriegesellschaften erheblich zunehmen - dreimal soviel Leute beklagen sich im Vergleich zu vor 30-40 Jahren trotz besserer Lebensverhältnisse, weniger materieller Ängste, gesunkener Arbeitszeit.

Gründe:

  • lernen nicht mehr, genug Muße zu haben, allein und in der Ruhe zu sein
  • geben ihre Energie aus
  • für spirituelle Sehnsucht findet man in der Gesellschaft kaum etwas allgemein akzeptiertes
  • festzustellen, dass Berufsleben, Beziehung, Familie, Haus, Internet Surfen nicht glücklich macht ist zunächst etwas Deprimierendes
  • viele Menschen versuchen, diese Sehnsucht durch Sucht zu betäuben
    • einige Anwesende haben sicher schon eine Phase der Sucht hinter sich
    • einige steigen aus und gehen auf Weltreise
    • einige decken sich mit Arbeit zu, um nicht zur Ruhe zu kommen
    • einige kompensieren mit Essen, um vor Problemen wegzurennen
    • manche stellen sich der Depression
      • können sie nicht aushalten und begehen Selbstmord
      • suchen weiter, ob es etwas gibt, das sie glücklich macht

so entsteht viveka

Viveka – Unterscheidungskraft

• zwischen dem Vergänglichen und dem nicht Vergänglichen • zwischen dem, was glücklich macht und was nicht glücklich macht • zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen - wenn viveka erwacht, wird subecha angenehmer • man sieht, es gibt doch was und kommt auf spirituelle Systeme • da gibt es Leute, die behaupten, es gibt etwas, das ewig ist • man findet seinen eigenen Gemütszustand sehr gut in den Schriften beschrieben - Rama war nach seiner Reise durch’s Königreich verzweifelt • hat keinen glücklichen Menschen gefunden • sie rennen Dingen hinterher, die alle Illusionen (Maya) sind • wirklich glücklich ist keiner und jeder Mensch stirbt irgendwann - man braucht nicht denken, dass man psychisch krank ist • es hilft nichts, irgendwelche Mittelchen zu schlucken • man erkennt, es ist eigentlich eine notwendige Stufe zur Befreiung hin • wenn Geist konzentriert ist, empfinden wir Glück • wenn man mehr sucht, wird man das finden und damit erwacht viveka • streben nach höheren Zielen  mit der viveka erwacht mumukshutwa

c) mumukshutva – Sehnsucht nach Befreiung - in jedem Menschen ist dieser Wunsch vorhanden - Sehnsucht, auch diese Befreiung selbst zu erlangen - man wird zum Aspiranten - wenn dieser Wunsch stärker als alle anderen wird, ist spiritueller Fortschritt rasch - welcher Wünsche sind hinderlich, welche gehören zum Karma? - man kann mal so tun, als ob man selbstverwirklicht wäre • was hält mich an der Erde? • man muss Individualität und Ego aufgeben • täglich an 3 Dinge erinnern: Tod, Gott, Heilige  auf dieser Ebene sind auch die 6 edlen Tugenden (was subecha von psychischer Störung unterscheidet)

d) shatsampat – die 6 edlen Tugenden - Beherrschung der physischen und geistigen Organe - wir sind wie Roboter – wenn jemand mit uns ärgerlich ist, sind wir es auch - Achtsamkeit – was geschieht mir gerade? - Beherrschung des Geistes ist nicht von äußeren Umständen abhängig - es läuft darauf hinaus, dass Geist gewisse Ruhe und Gleichmut hat • Sama – Beherrschung des Geistes • Dama – Beherrschung der Sinne • Uparati – Meiden • Titiksha – Duldungskraft, ertragen können • Shraddha – Vertrauen, Selbstvertrauen, in göttliche Natur anderer, was kommt ist gut, in Schriften und Lehrer • Samadhana – Gleichmut des Geistes

- Menschen, die auf dieser Stufe stecken bleiben • Verzweifelte - man erkennt Sinnlosigkeiten und ist deprimiert - fühlen sich einsam und unverstanden - versuchen, so zu sein wie die anderen - haben noch keinen Weg gefunden • spirituelle Schaufenstergucker: window-shoppers - erreichen nur die Oberfläche, keine Tiefe - keine Hauptpraxis - keine Regelmäßigkeit • Intellektuelle - Leser und Denker, die nicht praktizieren - in Indien gibt es die Pandits

- man geht einen Weg den Berg hoch (es gibt unterschiedliche Wege)  wenn man praktiziert, was die Lehrer erzählt haben, ist das bereits vicharana

2. Vicharana – rechtes Befragen

- bedeutet, sich auf dem Weg zu befinden, rechte Suche • ein Schüler ist einer der bereit ist, sich zu schulen • im Englischen heißt Schüler disciple – kommt von Disziplin • nicht ein Anhänger – manche Meister haben Anhänger, Anhängsel, die nur anhängen und sich nicht schulen • nicht nur alles angucken, ohne was zu machen • Sadhaka hat seine Praxis gefunden und praktiziert regelmäßig • er ist bereit, seinen niederen Geist zu überwinden • nicht aufhören, wenn es schwierig wird und man Schattenseiten ins Auge schaut • akzeptieren und Licht in die Schattenseiten bringen – integrieren • Sattwa erreichen wir nicht durch Abspaltung, sondern durch Integration - jemand hat sich vorgenommen zu meditieren und wacht morgens müde auf • jemand auf subecha schläft weiter • bei vicharana ist der Wunsch stark genug geworden, dass wir bereit sind, etwas zu tun (zunächst Kapalabhati, Aufladeübung, usw.) • wir halten unsere Vorsätze ein - das Schöne ist, es gibt eine Perspektive • wir wissen, es gibt so etwas wie Befreiung • wir haben einen Weg dazu gefunden, den wir gehen

- die Hauptfragestellung im Leben ist dann  „Was führt mich näher zur Wahrheit und wie kann ich näher zur Wahrheit kommen?“ • bei allen wichtigen Entscheidungen ist diese Frage • es ist nicht wie ein Hobby • Psychologie ist eine andere als für die meisten Menschen, die nur überlegen: - „Wie kann ich mehr für mich kriegen?“ - „Wie kann ich meine Wünsche befriedigen?“ - das heißt nicht, dass er allem entsagt • spiritueller Fortschritt widerspricht dem anderen nicht • diesen bestimmten Beruf zu ergreifen kann helfen - um Wünsche auszuleben - um Menschen zu helfen, was gewisse Befriedigung und Sicherheit gibt - Persönlichkeit zu entwickeln - Gott zu dienen - Freiheit zu haben, ansonsten spirituelle Disziplin zu üben • es spielt auch eine Rolle bei der Freizeitgestaltung und bei der Partnerwahl - manchmal müssen wir Entscheidungen treffen, die nicht leicht und eindeutig sind  deshalb brauchen wir vicharana

- es gibt mehrere Dinge, die einen leiten • die Intuition – innere Stimme erwacht • besonders wichtig ist Unterscheidungskraft – innere Stimme kann täuschen • Schriften erklären, wo auch andere Aspiranten schon durchgegangen sind • klassischerweise findet man einen Lehrer, der einen führen und lenken kann - es ist wichtig, einen Lehrer zu haben, der den Weg schon gegangen ist - Shankaracharya sagte, dass 3 Dinge wertvoll sind auf dieser Welt o manushyatam - menschliche Geburt o mumukshutvam - Wunsch nach Befreiung o mahapurusha samshrayaha - liebevolle Fürsorge durch eine große Seele - solange wir nicht wissen, wer unser Lehrer ist o praktizieren wir nach bestem Wissen und Gewissen weiter o suchen Ratschläge von anderen Aspiranten und Lehrern o „Ist der Schüler bereit, ist der Lehrer nicht weit.“ - es gibt verschiedene Möglichkeiten o man findet einen Lehrer und bleibt dabei (Swami Vishnu-devananda) o andere haben verschiedene Lehrer, wie Swami Sivananda selbst - Voraussetzung ist, man ist demütig genug, von jemandem etwas zu lernen o auf Subecha gibt es dickschädelige Aspiranten, die denken: „Ich bin mir selbst Sucher genug“ o sie machen 100 Fehler, ehe sie bei Vicharana landen - es ist wichtig, dass man einen Weg geht – nicht so wichtig, welchen Weg - allerdings müssen wir aufpassen, wen wir als Lehrer nehmen  es gibt sattwige, rajasige, tamasige Lehrer und Wege o Fanatismus, Satanskult und Hass o Ego spielt eine große Rolle (besser und weiter als die anderen) o Endzeitstimmung o behaupten, der einzige große Lehrer der jetzigen Zeit zu sein o macht alle Arbeit für einen o Ausstrahlung: Charisma allein ist nicht ausreichend - auch dem Herzen sollte man zunächst misstrauen und mit viveka prüfen - Hitler war der Retter Deutschlands und Messias für manche Menschen - war Vegetarier und hat schwarzmagische Praktiken aus dem Tantra geübt - 43% haben ihn in freien und geheimen Wahlen gewählt - manche haben gesagt, dass er sie von einer subtilen Ebene leitet - nur ein Selbstverwirklichter kann einen Selbstverwirklichten erkennen - Kriterien, einen Meister einzuschätzen o sollte die Wahrheit selbst erfahren haben o sollte einer Tradition folgen und sich auf alte Schriften beziehen o in Übereinstimmung mit anderen Meistern sein o sollte sich an Yamas und Niyamas halten (ethischer und selbstloser Charakter) o sollte nicht Wasser predigen und Wein trinken (praktizieren, was er lehrt) o seine Schüler in die Freiheit und nicht in die Abhängigkeit führen o sich nicht über andere Menschen stellen o betonen, dass der Schüler selbst praktizieren muss • in schwerer Phase - in Ashram oder zum Yogakurs - Kassetten und CDs

- auf dieser Ebene findet der Kampf der Asuras (Dämonen) gegen die Devas (Engel) statt • es fällt uns nicht immer leicht, das Richtige zu machen und das Gute zu tun • wir haben die alten Wünsche und Bedürfnisse, Neurosen und Frustrationen, Negativitäten • aber wir wissen, was wir machen wollen

- wir müssen es vermeiden, in spirituellem Materialismus zu versinken • nicht zu Lebensstil werden lassen, der irgendwann aufhört, uns zu verändern • erste Stufe ist, tamas zu überwinden und regelmäßig zu praktizieren – wir haben - Lindenstrasse durch Meditation ersetzt - Tennis durch Asanas und Pranayama ersetzt - Kaffeekränzchen durch Besuch im Yogazentrum und gemütliches Beisammensein ersetzt - wir haben neue Freunde gefunden - wir gehen in sattwige Restaurants und tragen sattwige Kleidung - wir haben gelernt, uns selbst zu lieben und zu akzeptieren • wir dürfen es uns nicht zu gemütlich machen, wenn wir täglich üben, sonst kommt Trägheit • wir können zu Gott beten, um wieder spirituelle Fortschritte zu machen • Aufgabe des spirituellen Lehrers ist es, das Leben unbequem zu machen

 Schritt für Schritt üben wir eine Disziplin und kommen zu Tanumanasa