Untätigkeit
Aus Yogawiki
Vollkommene Erkenntnis — keine Untätigkeit
ein Dialog zwischen einem Schüler und seinem Meister Ramana Maharshi aus einer Nacherzählung von Heinrich Zimmer aus seinem Buch "Der Weg zum Selbst" 1944 erschienen im Rascher Verlag Zürich
- Der Schüler: Kann einer, der die Vollendung (Siddhi), wie du sie beschreibst, erlangt hat, sich bewegen, handeln und reden?
- Der Meister: Warum nicht? Meinst du, die Wirklichkeit des Selbst erleben, heißt zu Stein werden oder zu nichts?
- Der Schüler: Ich weiß nicht; aber es heißt, der höchste Stand sei, sich von aller Tätigkeit der Sinne, allen Gedanken und Re-gungen und allen Erfahrungen des Leibes zurückzuziehen.
- Der Meister: Wenn dem so wäre, — wo wäre da ein Unter-schied zwischen diesem Stand und tiefem Schlaf? Weiter: wäre es ein Stand noch so erhaben, der käme und schwände und daher dem Selbst nicht naturhaft und eigen wäre, — wie könnte er die ewige Gegenwart des Höchsten Selbst darstellen, das auf allen Ebenen besteht und sie alle übersteht? — Wahr ist: dieser Zu-stand ist für manche unabweislich, als zeitweilige Phase auf ihrem Gange zur Vollendung (Sâdhanâ) oder als ein Zustand, der bis ans Ende ihres Lebens dauert, wenn das der Wille des höchsten Wesens ist oder die Folge ihres angesponnenen (Prârabdha) Karman, dessen Frucht sie ernten müssen, Jedenfalls kann man das nicht den höchsten Stand nennen, Von grofaen Wesen, Erlösten (Mukta) und Vollendeten (Siddha) heißt es: sie waren sehr tätig, und waren in Wahrheit tatlos, Der Höchste Herr, der Geist, der über dem All waltet und seinen Gang leitet, ist gewiß nicht in diesem völlig untätigen Stande. Sonst könnte man sagen, daß Gott und die Erlösten (Mukta Purusha) nicht den höchsten Stand erreicht haben.
- Der Schüler: Aber du hast immer großen Nachdruck auf Still¬sein (Mauna) gelegt.
- Der Meister: Ja, — aber Stillsein bedeutet nicht Verneinung des Tätigseins oder trägen Stillstand. Stille ist nicht bloße Verneinung von Gedanken und Regungen, sondern etwas Positiveres, als du dir vorstellen kannst.
- Der Schüler: Die Stille ist unvorstellbar?
- Der Meister: Ja. Solange du mit dem eilenden Winde dahin-fährst, wirst du sie nicht erlangen. Die Stille des Selbst ist allgegenwärtig. Sie ist höchster Friede, Schweigen, reglos wie ein Fels, der alle Regungen alles Tätigseins auf seiner Oberfläche trägt. In dieser schweigenden Stille wurzelt Gott, wurzeln die Erlösten.
Siehe auch
Literatur
- Der Weg Zum Selbst von Heinrich Zimmer, Rascher Verlag Zürich, 1944, 1. Auflage