Meditations(er)forschung – „Neuronale Korrelate der Unterdrückung der Schreckreaktion unter Zen-Meditation“

Aus Yogawiki


Einleitung

Verschiedene Studien belegen, dass regelmäßige Meditationspraxis nicht nur positive Effekte auf den subjektiven Allgemeinwohlzustand hat, sondern ebenso wissenschaftlich nachweisbare Effekte auf den Körper und das Gehirn. Diese Effekte sind nicht auf die Meditationsphase beschränkt, sondern können als nachhaltige Wirkung auf Körper und Geist festgestellt werden. Damit einhergehend kann sich das Verhalten, das Erleben und die gesamte „Persönlichkeit“ grundlegend verändern.

Der meditative Bewusstseinszustand wird als komplexer, mentaler Prozess beschrieben, der Änderungen in Kognition, sensorischer Wahrnehmung, Affekten, Hormonen & autonomer Aktivität beinhaltet (u.a. Ott 2004). Er ist ein hochkonzentrierter, veränderter Bewusstseins- zustand, der verschieden vom Schlaf- und einfachen Wachzustand ist, sowohl physiologisch als auch in der Gehirnaktivität (Coromaldi 2004)

Aus diversen wissenschaftlichen Untersuchungen ist bereits bekannt, dass unterschiedliche Meditationsformen verschiedene Effekte auf die Physiologie des Meditierenden zeigen.

„Just as aerobics sculpts the muscles, so mental training sculpts the grey matter in ways scientists are only beginning to fathom.” – Sharon Begley-


Allgemeine physiologische bzw. hirnphysiologische Effekte

  • allgemeine Senkung des Blutdrucks & Stoffwechsels
  • Stärkung der Immunfunktion (Davidson et al. 2003)
  • Aktivitätsanstieg in Regionen, die das autonome Nervensystem und die Achtsamkeit regulieren (Lazar et al. 2000)
  • überwiegend positive Emotionen & Affekte (Davidson et al. 2003)
  • dauerhafte Veränderung der Gehirnaktivität im EEG zu messen (Lutz et al.)
  • Synchronisierung der Hemisphären-Gamma-Oszillation (Lutz et al. 2004)
  • Anuraga (=beständige frische Wahrnehmung) (Coromaldi et al. 2004)

Psychologische Effekte

  • Verstärkung der positiven Affekte und subjektiv empfundenen Emotionen
  • Schwächung von Abwehrmechanismen
  • Stress- & Angstreduktion
  • bessere Konzentration
  • größere Wachheit & Aufmerksamkeit
  • Akzeptanz des Gegebenen („Hier und Jetzt“)
  • Steigerung des Selbstbewusstseins
  • Stärkung der kognitiven Selbstkontrolle

Diverse Studien, u.a. von Richard Davidson, haben gezeigt, dass die Aktivität des linken präfrontalen Cortex, einer Region im vorderen Teil des Stirnhirns, mit subjektiv empfundenen positiven Emotionen einhergeht, während die rechts-präfrontale Aktivtät mit negativen Emotionen korreliert (u.a. Davidson et al. 1999). Bei Langzeit-Meditierenden kann eine Übergewichtung (Lateralisierung) der präfrontalen Aktivität auf der linken Seite des Gehirns festgestellt werden (Goleman 2003).

Je nach emotionalem Grundzustand kann die Reaktion auf aversive, bzw. erschreckende Stimuli verschieden sein. Schreckreize z.B. können bei subjektiv empfundenen negativen Emotionen sehr starke Schreckreaktionen auslösen. Der emotionale Grundzustand bedingt somit die Schreckreaktion (startle response), welche als primitiver Reflex gilt, die mit einer Kaskade von raschen Muskelkontraktionen (speziell um die Augen herum: Eye-Blink-Reflex (EBR)) und Veränderungen der peripher physiologischen Parameter, wie Atemfrequenz, Puls und Hautwiderstand einhergeht.

Die Intensität der Schreckreaktion lässt auf die Stärke der negativen Emotionen schließen. Je größer die Schreckreaktion, desto stärker die Neigung des Betroffenen, negative Emotionen zu empfinden (Goleman 2003). Destruktive Emotionen korrelieren mit der Aktivierung evolutionär primitiver subcorticaler Systeme (wie Amygdala und die neuralen Strukturen zu denen diese projiziert). Das Motivationale System vermittelt spezifische Autonomie (z.B. Veränderungen der Herzrate) und somatische Reflexe (z.B. „startle response“-Veränderungen). Je stärker das motivationale System aktiviert ist, desto stärker ist die Schreckreaktion (Lang 2000).

Aus Studien von Paul Ekman mit den Mönchen des Dalai Lama ist bekannt, dass die Langzeit-Meditierenden (LM) die Schreckreaktion nach Präsentation eines auditiven Schreckreizes intentional unterdrücken konnten bzw. dass es nicht zu den typischen Reaktionen kam, die bei Nicht-Meditierenden (NM) auftritt. Den tibetischen Mönchen gelang es, die typischen Muskelkontraktionen und die physiologischen Veränderungen fast vollständig zu unterdrücken (Goleman 2003). Grundlegend bemerkenswert ist dabei, dass es bisher keiner, der von Paul Ekman untersuchten Versuchspersonen (Nicht-Meditierende) gelang die Auswirkungen einer Schreckreaktion willentlich zu unterdrücken.

In der derzeit laufenden Studie an der Universität Bremen werden LM und NM im Kernspintomographen (KT) untersucht, um die Unterschiede der Hirnaktivität und der Physiologie bei der Präsentation von auditiven Stimuli festzustellen. Dabei wird indirekt der emotionale Grundzustand in der Meditation untersucht.

Umsetzung der Studie an der Uni Bremen:

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Über die Referentin:

Stefanie Tangeten studierte unter anderem Neurobiologie und Neuropsychologie an der Universität Bremen. Mit ihrer Diplomarbeit hatte sie die Gelegenheit Langzeit-Meditierende im Kernspintomographen untersuchen zu können. Als Zenpraktizierende ist sie im Vorstand des Zenkreises Bremen e.V. aktiv und leidenschaftliche Yoga-Praktizierende. Engagiert im Arbeitskreis Ken Wilber ist sie an einer integralen Sicht von Körper und Geist interessiert und veranstaltet zusammen mit Prof. Gottwald und Dennis Wittrock das Seminar „Jean Gebser & Ken Wilber – Integrales Bewusstsein in der Gegenwart„ an der Universität Oldenburg.

 

“Beides, Wissenschaft und die Lehren des Buddha erzählen uns von der fundamentalen Einheit aller Dinge.” –Dalai Lama-