Wunschbaum

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Der Wunschbaum

Indische Geschichte aus einer Nacherzählung von Heinrich Zimmer aus seinem Buch "Weisheit Indiens. Märchen und Sinnbilder" 1938 im L.C. Wittich Verlag in Darmstadt erschienen.

Ein Wanderer war von seinem langen Wege durch die schattenlose Wüste erschöpft und am Verschmachten, da sah er sich unvermutet vor einem herrlichen Baum, der wie ein Wunder in der glühenden Öde stand. Er breitete seine Schattenkrone wie ein Fürstenzelt, und sein dunkelndes Laub barg würzige Blüten und schimmernde Früchte beisammen.

Erschöpft warf sich der Wanderer unter sein kühles Dach zu Boden, und unwillkürlich entfuhr es ihm: „Schön wäre es, wenn hier ein Ruhebett mit weichen Kissen stände und ich nicht auf der harten Erde liegen müßte."

Ehe er es sich versah, stand neben ihm ein herrliches Ruhebett mit schwellenden Kissen von leuchtender Seide. Der Baum, unter dem der Wanderer rastete, war wohl solch ein Wunschbaum, wie sie in Götterwelten wachsen und den Seligen augenblicks alle Wünsche gewähren, die sie aussprechen. Aber wer erwartet dergleichen auf Erden zu finden der Wanderer sprang in höchstem Staunen auf und zitterte an allen Gliedern. Ihm war nicht geheuer. Es dauerte eine ganze Weile, bis er seinen Schreck überwunden hatte und wieder Zutrauen zu dem Wunderbaum gewann. Schließlich aber, als weiter nichts Unheimliches geschah, faßte er sich ein Herz und streckte sich auf das verlockende Lager.