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Wir haben Brahman kennen gelernt als ein geistiges Wesen; als solches scheint er bei seinen Handlungen eines Motives zu bedürfen. Denn wir sehen im Leben, wie ein geistiges Wesen, welches erkennt bevor es handelt, z. B. ein Mensch, zu keinem Vornehmen, sei es | Wir haben Brahman kennen gelernt als ein geistiges Wesen; als solches scheint er bei seinen Handlungen eines Motives zu bedürfen. Denn wir sehen im Leben, wie ein geistiges Wesen, welches erkennt bevor es handelt, z. B. ein Mensch, zu keinem Vornehmen, sei es groß oder gering, sich anschickt, ohne dass ihn ein Motiv dazu triebe (S. 488,12). Die Anwendung dieser Erfahrungsregel auf Brahman wird, wie es scheint, auch durch die Schrift bestätigt, wenn sie lehrt (siehe S. 186), dass ihm die Welt nicht um der Welt willen, sondern um seiner selbst willen lieb ist (S. 489,2). — Nimmt man nun ein Motiv Gottes an, welches ihn zur Schöpfung der Welt bestimmte, so widerspricht dies seiner Allgenügsamkeit (pari-triptatvam), nimmt man aber kein solches an, so wird das Schaffen unmöglich (S. 489,6). — Oder soll man dafür halten, dass Brahman, wie ein unsinniger Mensch, aufs Geratewohl und ohne Motiv zum Schaffen geschritten sei? Dieses wiederum würde seiner Allweisheit (sarvajnatvani) widersprechen. | ||
Man | Man muss wohl annehmen, dass, wie ein Fürst oder Grösser, welcher alles hat, was er wünscht, auch ohne weiteres Motiv zum bloßen Spiele und Zeitvertreib etwas vornimmt (S. 490,1). oder, wie das Ausatmen und Einatmen ohne äußeres Motiv von selbst vor sich geht (S. 490,2), so auch Gott von selbst und ohne Motiv zum bloßen Spaße (Lila) die Welt geschaffen hat; denn ein weiteres Motiv geben Nachdenken und Schriftoffenbarung nicht an die Hand", auch ist es nicht möglich, Gott selbst darüber zu befragen (S. 490,6). Übrigens scheint nur uns die Anordnung dieser Weltscheibe etwas so schwieriges zu sein, für Gott hingegen ist sie, vermöge seiner unermesslichen Allmacht, ein bloßes Spiel (S. 490,8). Und wenn im Leben selbst zum Spiele immer ein schwaches Motiv vorhanden sein muss, so ist doch bei Gott gar kein solches anzunehmen, weil die Schrift verbietet, ihm ein Verlangen zuzuschreiben (S. 490,9). Dass er deswegen nicht zum Handeln schreiten könne, ist gegen die Schriftlehre von der Schöpfung, dass er unsinnig und aufs Geratewohl gehandelt habe, gegen die Lehre von seiner Allweisheit (S. 490,11). | ||
Übrigens, so schliefst Chankara diesen Abschnitt, darf man nicht vergessen, dass die ganze Schöpfungslehre sich nur auf diese vom Nichtwissen aufgestellte Welt der Namen und Gestalten bezieht, und dass sie eigentlich nur den Zweck hat, die Identität der Natur mit Brahman zu lehren (S. 491,1); — eine Bemerkung, welche auch für das gilt, was wir weiter darzustellen haben, und aus dem Streben entspringt, auch die exoterische Schriftlehre als vollgültig festzuhalten. | |||
===Brahman ist die bewirkende und zugleich die materielle Ursache der Welt, nach 1,4,23-27=== | ===Brahman ist die bewirkende und zugleich die materielle Ursache der Welt, nach 1,4,23-27=== |
Version vom 4. Dezember 2013, 09:38 Uhr
Brahman als Schöpfer der Welt
Artikel aus dem Buch „Das System des Vedanta“ von Paul Deussen, Elibron Classics, 2. Auflage, 1906, S. 239 - 247.
Über das Motiv der Schöpfung, nach 2,1,32-33
Wir haben Brahman kennen gelernt als ein geistiges Wesen; als solches scheint er bei seinen Handlungen eines Motives zu bedürfen. Denn wir sehen im Leben, wie ein geistiges Wesen, welches erkennt bevor es handelt, z. B. ein Mensch, zu keinem Vornehmen, sei es groß oder gering, sich anschickt, ohne dass ihn ein Motiv dazu triebe (S. 488,12). Die Anwendung dieser Erfahrungsregel auf Brahman wird, wie es scheint, auch durch die Schrift bestätigt, wenn sie lehrt (siehe S. 186), dass ihm die Welt nicht um der Welt willen, sondern um seiner selbst willen lieb ist (S. 489,2). — Nimmt man nun ein Motiv Gottes an, welches ihn zur Schöpfung der Welt bestimmte, so widerspricht dies seiner Allgenügsamkeit (pari-triptatvam), nimmt man aber kein solches an, so wird das Schaffen unmöglich (S. 489,6). — Oder soll man dafür halten, dass Brahman, wie ein unsinniger Mensch, aufs Geratewohl und ohne Motiv zum Schaffen geschritten sei? Dieses wiederum würde seiner Allweisheit (sarvajnatvani) widersprechen.
Man muss wohl annehmen, dass, wie ein Fürst oder Grösser, welcher alles hat, was er wünscht, auch ohne weiteres Motiv zum bloßen Spiele und Zeitvertreib etwas vornimmt (S. 490,1). oder, wie das Ausatmen und Einatmen ohne äußeres Motiv von selbst vor sich geht (S. 490,2), so auch Gott von selbst und ohne Motiv zum bloßen Spaße (Lila) die Welt geschaffen hat; denn ein weiteres Motiv geben Nachdenken und Schriftoffenbarung nicht an die Hand", auch ist es nicht möglich, Gott selbst darüber zu befragen (S. 490,6). Übrigens scheint nur uns die Anordnung dieser Weltscheibe etwas so schwieriges zu sein, für Gott hingegen ist sie, vermöge seiner unermesslichen Allmacht, ein bloßes Spiel (S. 490,8). Und wenn im Leben selbst zum Spiele immer ein schwaches Motiv vorhanden sein muss, so ist doch bei Gott gar kein solches anzunehmen, weil die Schrift verbietet, ihm ein Verlangen zuzuschreiben (S. 490,9). Dass er deswegen nicht zum Handeln schreiten könne, ist gegen die Schriftlehre von der Schöpfung, dass er unsinnig und aufs Geratewohl gehandelt habe, gegen die Lehre von seiner Allweisheit (S. 490,11).
Übrigens, so schliefst Chankara diesen Abschnitt, darf man nicht vergessen, dass die ganze Schöpfungslehre sich nur auf diese vom Nichtwissen aufgestellte Welt der Namen und Gestalten bezieht, und dass sie eigentlich nur den Zweck hat, die Identität der Natur mit Brahman zu lehren (S. 491,1); — eine Bemerkung, welche auch für das gilt, was wir weiter darzustellen haben, und aus dem Streben entspringt, auch die exoterische Schriftlehre als vollgültig festzuhalten.
Brahman ist die bewirkende und zugleich die materielle Ursache der Welt, nach 1,4,23-27
Brahman ist zu Eingang des Werkes (1,1,2) definiert worden als „dasjenige, wodurch Ursprung usw. [Bestand und Untergang] der Welt ist" (vgl. die Definitionen, S. 132), also als die Ursache der Welt. Das Wort „Ursache" kann aber zweierlei bedeuten, entweder die materielle Ursache (praleriti, upâdâna»+1, oder die bewirkende Ursache (ni-»tittant); so ist die Ursache des Gefäfses einerseits der Ton, anderseits der Töpfer, die des Goldschmuckes einerseits das Gold, anderseits der Goldschmied (p. 396,10). — Es fragt sich, in welchem Sinne Brahman als die Ursache der Welt zu betrachten ist?
Man könnte meinen, dafs Brahman nur als die bewirkende Ursache der Welt gelten kann, weil es von ihm, ehe er zum Schaffen schreitet, heilst.: „er beabsichtigte" (S. 146), und weil er „der Herr" (ifvara) genannt wird; beides scheint nur auf eine bewirkende Ursache zu passen (p. 397,5.8). — Dazu kommt, dafs Ursache und Wirkung gleichartig sein müssen; die Welt nun ist vielheitlich, ungeistig und unrein (p. 397,10), was auf Brahman nicht pafst und eine materielle Ursache neben ihm als Trägerin dieser Qualitäten zu fordern scheint 1 p. 398,1). Die Antwort auf diese Bedenken lautet, dafs Brahman beides, sowohl die materielle als auch die bewirkende Ursache der Welt ist (p. 398,3).
Die Begründung dieser Behauptung an der Eingangsstelle der Kosmologie, von der wir hier handeln, ist eine rein theo¬logische (durch Berufung auf Vedastellen) und kann auf dem Standpunkte, den wir zunächst einnehmen, keine andere sein, weil (ganz abgesehen von dem beregten Bedenken der Un-gleichartigkeit von Welt und Brahman, welches hier von unsern Autoren noch übergangen und erst bei einer spätem Diskussion wieder aufgenommen und in Betracht gezogen wird, vgl. Kap. XVIII, 1,a) eine Auflösung des Begriffs der Materie von dem empirischen Standpunkte aus, den wir hier noch nicht überschritten haben, unmöglich ist, indem vielmehr die allein richtige Konsequenz dieses Standpunktes die Ewig¬keit der Materie sein würde.
Unter diesen Umständen ist es begreiflich, dafs Çankara sich hier begnügt, auf die Schriftstellen hinzuweisen, nach welchen mit der Erkenntnis des Brahman alles verkannt ist, in welchen er mit dem Tone verglichen wird, dessen Um-wandlungen alle auch nur Ton sind; wie es denn z. B. aus¬drücklich heifst, vor dem Ursprung sei nur eines gewesen ohne zweites, Brahman habe begehrt, vieles zu sein, er habe selber sich selbst gemacht, er sei die Geburtsstätte der Wesen, er lasse sie hervorgehen aus sich und ziehe sie wieder zurück wie die Spinne den Faden, usw. usw. (p. 398-403). Zum Schlusse fertigt unser Autor die oben gemachten Einwendun¬gen und die Berufung auf die Erfahrung mit der Erklärung ab (übersetzt S. 98), es brauche sich hier nicht zu verhalten wie in der Erfahrung, denn es sei hier nicht von einem Gegen¬stande der Vernunfterkenntnis (anumûnam), sondern der Offen¬barung die Rede (p. 403,7), und verweist übrigens auf die spätern Untersuchungen.
Siehe auch
Literatur
- Vedanta für Anfänger von Swami Sivananda
- Vedanta - Der Ozean der Weisheit von Swami Vivekananda
- Paul Deussen: Das System des Vedanta, Elibron Classics, 2. Auflage, 1906.
- Soami Divyanand: Vedamrit - Die Botschaft der Veden. ISBN 3-926696-03-6 (Übersetzung der Veden auf Deutsch, Bd. 1); ISBN 3-926696-13-3 (Bd. 2); ISBN 3-926696-26-5 (Bd. 3)
- Wilfried Huchzermeyer: Die heiligen Schriften Indiens - Geschichte der Sanskrit-Literatur.(edition-sawitri.de) ISBN 3-931172-22-8
- Moritz Winternitz: Geschichte der Indischen Literatur, Leipzig, 1905 - 1922, Vol. I - III. Reprint in englischer Übersetzung: Maurice Winternitz: History of Indian Literatur, Motilal Barnarsidass, Delhi, 1985.
- Aurobindo: Das Geheimnis des Veda, 2. Auflage 1997, Hinder + Deelmann, ISBN 3-873481-65-0
- Lokamanya Bâl Gangâdhar Tilak: Orion ou Recherches sur l'Antiquité des Védas, Milan, Éditions Archè, 1989
Weblinks
- Meditation Anleitungen, darunter einige abstrakte Techniken aus dem Vedanta
- Artikel von Swami Sivananda: Vedanta
- Divine Life Society - Sivananda Ashram
Seminare
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