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===Das Problem des Einen und des Vielen, nach 2,1,27.28.31===
===Das Problem des Einen und des Vielen, nach 2,1,27.28.31===
a) Ganze oder teilweise Umwandlung. — Zunächst ist festzuhalten, dass das Brahman nicht ganz in die Welt umgewandelt wird; denn die Schrift setzt überall, wo sie von den Umwandlungen des Brahman redet, das Fortbestehen desselben voraus; so wenn sie sagt, dass „ein Teil von ihm alle Wesen, drei Teile Unsterblichkeit im Himmel" sind (Rigveda 10,90,3, S. 181); wenn sie den Tiefschlaf als ein Eingegangensein in Brahman auffasst, wobei nicht das umgewandelte Brahman verstanden werden kann, da man in dieses schon ohnehin eingegangen ist; wenn sie lehrt, dass Brahman von der Wahrnehmung nicht erreicht werden könne, was auf das umgewandelte Brahman nicht passt, usw. Weiter aber darf man auch nicht eine teilweise Umwandlung des Brahman annehmen, da die unteilbare Einheit desselben von der Schrift, die hier allein Autorität ist, auf das schärsste betont wird. — Aber kann die Schrift einen offenbaren Widerspruch lehren? Und dass das Brahman weder ganz noch teilweise zur Welt umgewandelt wird, ist doch wohl ein solcher! — Darauf ist zu erwidern, dais die ganze Vielheit der Erscheinungen auf dem Nichtwissen beruht. Ein Ding wird aber nicht dadurch ein geteiltes, weil das Nichtwissen eine Teilung desselben annimmt. Der Mond wird dadurch nicht verdoppelt, dass der Augenkranke zwei Monde wahrnimmt. Die ganze empirische Realität aber mit ihren Namen und Gestalten, wie sie sich weder als das Seiende, noch als das Gegenteil definieren lässt (Tattva-Anyatvahhya Anirvacaniya S. 483,9, eine häufige Formel, vgl. S. 96,6. 343,1. 454,10), beruht auf dem Nichtwissen, während im Sinne der höchsten Realität das Seiende ohne alle Veränderung und Umwandlung beharrt. Eine bloß auf Worten beruhende Umwandlung (S. 282) kann an der Gliederlosigkeit des Seienden nichts ändern. — Wie der Träumende viele Gestalten schafft und doch ungeteilt und einer bleibt, wie Götter und Zauberer, ohne ihre Natur zu verändern, Pferde, Elefanten usw. erscheinen lassen, so entsteht die mannigfaltige Schöpfung in dem einheitlichen Brahman, ohne dass dasselbe sein Wesen im mindesten veränderte (S. 480,11-484,14).
a) Ganze oder teilweise Umwandlung. — Zunächst ist festzuhalten, dass das Brahman nicht ganz in die Welt umgewandelt wird; denn die Schrift setzt überall, wo sie von den Umwandlungen des Brahman redet, das Fortbestehen desselben voraus; so wenn sie sagt, dass „ein Teil von ihm alle Wesen, drei Teile Unsterblichkeit im Himmel" sind (Rigveda 10,90,3, S. 181); wenn sie den Tiefschlaf als ein Eingegangensein in Brahman auffasst, wobei nicht das umgewandelte Brahman verstanden werden kann, da man in dieses schon ohnehin eingegangen ist; wenn sie lehrt, dass Brahman von der Wahrnehmung nicht erreicht werden könne, was auf das umgewandelte Brahman nicht passt, usw. Weiter aber darf man auch nicht eine teilweise Umwandlung des Brahman annehmen, da die unteilbare Einheit desselben von der Schrift, die hier allein Autorität ist, auf das schärsste betont wird. — Aber kann die Schrift einen offenbaren Widerspruch lehren? Und dass das Brahman weder ganz noch teilweise zur Welt umgewandelt wird, ist doch wohl ein solcher! — Darauf ist zu erwidern, dass die ganze Vielheit der Erscheinungen auf dem Nichtwissen beruht. Ein Ding wird aber nicht dadurch ein geteiltes, weil das Nichtwissen eine Teilung desselben annimmt. Der Mond wird dadurch nicht verdoppelt, dass der Augenkranke zwei Monde wahrnimmt. Die ganze empirische Realität aber mit ihren Namen und Gestalten, wie sie sich weder als das Seiende, noch als das Gegenteil definieren lässt (Tattva-Anyatvahhya Anirvacaniya S. 483,9, eine häufige Formel, vgl. S. 96,6. 343,1. 454,10), beruht auf dem Nichtwissen, während im Sinne der höchsten Realität das Seiende ohne alle Veränderung und Umwandlung beharrt. Eine bloß auf Worten beruhende Umwandlung (S. 282) kann an der Gliederlosigkeit des Seienden nichts ändern. — Wie der Träumende viele Gestalten schafft und doch ungeteilt und einer bleibt, wie Götter und Zauberer, ohne ihre Natur zu verändern, Pferde, Elefanten usw. erscheinen lassen, so entsteht die mannigfaltige Schöpfung in dem einheitlichen Brahman, ohne dass dasselbe sein Wesen im mindesten veränderte (S. 480,11-484,14).


b) Das eine Brahman mit vielen Kräften. — Auch der Widerspruch, dass das Brahman ohne Unterschiede und doch mit allen Kräften verbunden ist, löst sich dadurch, dais alle Vielheit der Gestalten nur dem Reiche des Nichtwissens angehört. Die unergründliche Tiefe dieses Gegenstandes kann nicht von der Reflexion, sondern nur von der Schrift erreicht werden, welche von Brahman lehrt, dass es (Cvet. 3,19) :
b) Das eine Brahman mit vielen Kräften. — Auch der Widerspruch, dass das Brahman ohne Unterschiede und doch mit allen Kräften verbunden ist, löst sich dadurch, dass alle Vielheit der Gestalten nur dem Reiche des Nichtwissens angehört. Die unergründliche Tiefe dieses Gegenstandes kann nicht von der Reflexion, sondern nur von der Schrift erreicht werden, welche von Brahman lehrt, dass es (Cvet. 3,19) :


  „ohn' Hände greifend, ohne Füße laufend,
  „ohn' Hände greifend, ohne Füße laufend,
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Die Unhaltbarkeit eines empirischen Theismus (dem die Welt von Gott verschieden und real ist) zeigt sich nirgendwo deutlicher, als auf dem Gebiete der Moral. Denn wie man auch die Sache wenden mag, bei einer wirklichen und ernstgemeinten Schöpfung ist es immer zuletzt Gott, auf den die Verantwortlichkeit für das Übel wie das Böse der Welt zurückfällt. An dieser Konsequenz nimmt das moralisch noch unentwickelte Bewusstsein keinen Anstoß. — So heilst es Jesaia 45,7: „der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis, der ich Frieden gebe und schaffe das Übel, ich bin der Herr, der solches alles tut". Und noch viel schärfer ausgedrückt Kaushitaki-Up. 3,8: „Denn er machet das gute Werk tun den, welchen er aus diesen Welten emporführen will, und er machet das böse Werk tun den, welchen er abwärts führen will; er ist der Hüter der Welt, er ist der Gebieter der Welt, er ist der Herr der Welt." — Auf hebräischem Boden gewann man durch Hertibernahme (oder doch Ausstattung) des Satan aus der persischen Mythologie eine mehr scheinbare als wirkliche Lösung der Frage, bei der man sich indessen beruhigte; die Inder, philosophischeren Geistes, erkannten, dass es hier nur zwei Auswege gibt: entweder, indem man die Beschaffenheit (Essentia), dann aber auch die Erschaffenheit (Existentia) der Welt nicht auf Gott, sondern auf ein in ihr selbst liegendes Prinzip zurückführt, oder indem man (idealistisch) das Dasein der Welt überhaupt verneint. Beide Wege sehen wir Shankara betreten, indem wie gewöhnlich empirische und metaphysische Argumente nebeneinander behuß der Lösung des Problems aufgeboten werden.
Die Unhaltbarkeit eines empirischen Theismus (dem die Welt von Gott verschieden und real ist) zeigt sich nirgendwo deutlicher, als auf dem Gebiete der Moral. Denn wie man auch die Sache wenden mag, bei einer wirklichen und ernstgemeinten Schöpfung ist es immer zuletzt Gott, auf den die Verantwortlichkeit für das Übel wie das Böse der Welt zurückfällt. An dieser Konsequenz nimmt das moralisch noch unentwickelte Bewusstsein keinen Anstoß. — So heilst es Jesaia 45,7: „der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis, der ich Frieden gebe und schaffe das Übel, ich bin der Herr, der solches alles tut". Und noch viel schärfer ausgedrückt Kaushitaki-Up. 3,8: „Denn er machet das gute Werk tun den, welchen er aus diesen Welten emporführen will, und er machet das böse Werk tun den, welchen er abwärts führen will; er ist der Hüter der Welt, er ist der Gebieter der Welt, er ist der Herr der Welt." — Auf hebräischem Boden gewann man durch Hertibernahme (oder doch Ausstattung) des Satan aus der persischen Mythologie eine mehr scheinbare als wirkliche Lösung der Frage, bei der man sich indessen beruhigte; die Inder, philosophischeren Geistes, erkannten, dass es hier nur zwei Auswege gibt: entweder, indem man die Beschaffenheit (Essentia), dann aber auch die Erschaffenheit (Existentia) der Welt nicht auf Gott, sondern auf ein in ihr selbst liegendes Prinzip zurückführt, oder indem man (idealistisch) das Dasein der Welt überhaupt verneint. Beide Wege sehen wir Shankara betreten, indem wie gewöhnlich empirische und metaphysische Argumente nebeneinander behuß der Lösung des Problems aufgeboten werden.


a) Der Weltschöpfer als Urheber des Übels. — Auf die Einwendung, dais Gott als Schöpfer der Welt an dem Übel derselben schuld ist, dient zunächst als Antwort, dais Gott bei Schöpfung der Kreaturen nicht willkürlich (Nirapeksha) verfährt, sondern gebunden ist durch eine gewisse Rücksicht, nämlich durch die Rücksicht auf die guten und bösen Werke jedes Geschöpfes in einer früheren Geburt (S. 492,6). Durch diese Auffassung, für welche, wie wir bereits sahen (S. 288), die Welt nur der Schauplatz der Abbüßung der Werke eines früheren Daseins ist, wird nun die Schöpferrolle Gottes zu einer nebensächlichen, rein instrumentalen Bedeutung herabgedrückt. Der Leib ist vergleichbar einer Pflanze (S. 492,10), die aus dem Samen aufsprießt, wächst, sich entfaltet und zuletzt stirbt; jedoch nicht gänzlich, sondern so, dass etwas von ihr zurückbleibt, — der Samen, welcher, in dem Reiche des Nichtwissens ausgestreut, eine neue Pflanze, seiner Beschaffenheit entsprechend, hervorbringt. Dieser Same des Menschen (soweit die individuelle Bestimmtheit durch ihn bedingt wird) sind seine Werke. Genau entsprechend ihrer moralischen Beschaffenheit findet die jedesmalige Gestaltung des neuen Lebenslaufes statt, indem durch sie alles Glück und Unglück, und, wie wir sehen werden, auch alle Tugend und Untugend des neuen Daseins mit unabwendbarer Notwendigkeit bedingt wird. Bei diesem Erwachsen des Daseins aus dem Samen der Werke kann die Aufgabe des Schöpfers nur eine subsidiäre sein; er ist zu vergleichen dem Regen (der Hauptbedingung für das Wachstum in Indien), der die Pflanze sprießen lässt. Dass sie wächst ist das Werk der äußern Bedingungen (Wasser, Boden, Luft, Licht, oder, wie der Inder sagt, des Regens), als was sie erwächst, das hängt nicht von jenen in Gott liegen den Bedingungen, sondern von der Beschaffenheit des Samens ab: aus Reis kann immer nur Reis, aus Gerste immer wieder nur Gerste entstehen (S. 492,9). — Diese Anschauung fordert als unweigerliche Konsequenz die Annahme, dass der Samsara ohne Anfang ist, indem, so weit wir auch zurückgehen, jedes Dasein immer in einem vorher gewesenen Dasein seine Bedingung hat (S. 494,1). — Den ältern Upanishaden liegt diese Konsequenz noch fern; sie widerspricht der von ihnen gelehrten und ursprünglich gewiss ernst gemeinten Schöpfung der Welt aus dem „Einen ohne Zweites" (S. 248) und der aus ihr notwendig folgenden Prädestination (S. 300). In dem Wunsche, diesen Widerspruch zu heben, haben wir wohl das eigentliche Motiv der schon oben (S. 244) besprochenen Periodizität der Schöpfung, der abwechselnden Evolution der Welt aus Brahman und Reahsorption in dasselbe, zu erkennen, die wir in den alten Upanishaden noch nicht finden. Shankara freilich weiß sie schon in ihnen nachzuweisen, indem er (S. 495,1) aus den Worten „ich will in diese drei Gottheiten mit diesem lebenden Selbste eingehen" (Chand. 6,3,2, siehe S. 249) herausklaubt, dass „das lebende Selbst" (die individuelle Seele) schon vor der Schöpfung dagewesen sein müsse. Aber diese Argumentation ist so wenig stichhaltig, wie seine Berufung auf den Vers (Rigveda 10,190,3) :
a) Der Weltschöpfer als Urheber des Übels. — Auf die Einwendung, dass Gott als Schöpfer der Welt an dem Übel derselben schuld ist, dient zunächst als Antwort, dass Gott bei Schöpfung der Kreaturen nicht willkürlich (Nirapeksha) verfährt, sondern gebunden ist durch eine gewisse Rücksicht, nämlich durch die Rücksicht auf die guten und bösen Werke jedes Geschöpfes in einer früheren Geburt (S. 492,6). Durch diese Auffassung, für welche, wie wir bereits sahen (S. 288), die Welt nur der Schauplatz der Abbüßung der Werke eines früheren Daseins ist, wird nun die Schöpferrolle Gottes zu einer nebensächlichen, rein instrumentalen Bedeutung herabgedrückt. Der Leib ist vergleichbar einer Pflanze (S. 492,10), die aus dem Samen aufsprießt, wächst, sich entfaltet und zuletzt stirbt; jedoch nicht gänzlich, sondern so, dass etwas von ihr zurückbleibt, — der Samen, welcher, in dem Reiche des Nichtwissens ausgestreut, eine neue Pflanze, seiner Beschaffenheit entsprechend, hervorbringt. Dieser Same des Menschen (soweit die individuelle Bestimmtheit durch ihn bedingt wird) sind seine Werke. Genau entsprechend ihrer moralischen Beschaffenheit findet die jedesmalige Gestaltung des neuen Lebenslaufes statt, indem durch sie alles Glück und Unglück, und, wie wir sehen werden, auch alle Tugend und Untugend des neuen Daseins mit unabwendbarer Notwendigkeit bedingt wird. Bei diesem Erwachsen des Daseins aus dem Samen der Werke kann die Aufgabe des Schöpfers nur eine subsidiäre sein; er ist zu vergleichen dem Regen (der Hauptbedingung für das Wachstum in Indien), der die Pflanze sprießen lässt. Dass sie wächst ist das Werk der äußern Bedingungen (Wasser, Boden, Luft, Licht, oder, wie der Inder sagt, des Regens), als was sie erwächst, das hängt nicht von jenen in Gott liegen den Bedingungen, sondern von der Beschaffenheit des Samens ab: aus Reis kann immer nur Reis, aus Gerste immer wieder nur Gerste entstehen (S. 492,9). — Diese Anschauung fordert als unweigerliche Konsequenz die Annahme, dass der Samsara ohne Anfang ist, indem, so weit wir auch zurückgehen, jedes Dasein immer in einem vorher gewesenen Dasein seine Bedingung hat (S. 494,1). — Den ältern Upanishaden liegt diese Konsequenz noch fern; sie widerspricht der von ihnen gelehrten und ursprünglich gewiss ernst gemeinten Schöpfung der Welt aus dem „Einen ohne Zweites" (S. 248) und der aus ihr notwendig folgenden Prädestination (S. 300). In dem Wunsche, diesen Widerspruch zu heben, haben wir wohl das eigentliche Motiv der schon oben (S. 244) besprochenen Periodizität der Schöpfung, der abwechselnden Evolution der Welt aus Brahman und Reahsorption in dasselbe, zu erkennen, die wir in den alten Upanishaden noch nicht finden. Shankara freilich weiß sie schon in ihnen nachzuweisen, indem er (S. 495,1) aus den Worten „ich will in diese drei Gottheiten mit diesem lebenden Selbste eingehen" (Chand. 6,3,2, siehe S. 249) herausklaubt, dass „das lebende Selbst" (die individuelle Seele) schon vor der Schöpfung dagewesen sein müsse. Aber diese Argumentation ist so wenig stichhaltig, wie seine Berufung auf den Vers (Rigveda 10,190,3) :


Suryacandramasau (Zhata Yathaplirvam Akalpayat, welcher nach dem Zusammenhange nur heißen kann: „der Schöpfer schuf Sonne und Mond" — Yatheipurvam — „der Reihe nach", nicht aber, wie Shankara (S. 495,7) will: „wie vordem".
Suryacandramasau (Zhata Yathaplirvam Akalpayat, welcher nach dem Zusammenhange nur heißen kann: „der Schöpfer schuf Sonne und Mond" — Yatheipurvam — „der Reihe nach", nicht aber, wie Shankara (S. 495,7) will: „wie vordem".

Version vom 23. Januar 2014, 09:57 Uhr

Lösung der kosmologischen Probleme

Artikel aus dem Buch „Das System des Vedanta“ von Paul Deussen, Elibron Classics, 2. Auflage, 1906, S. 294-304.

Die von uns Kap. XVIII, S. 270 fg. zusammengestellten kosmologischen Probleme finden sich, gefolgt von ihrer jedesmaligen Lösung, im Grundwerke teils vor, teils nach der Darlegung der Identitätslehre. Unsere Umstellung und Verteilung der Probleme und ihrer Lösungen an zwei verschiedene, durch die Identitätslehre getrennte Kapitel hat ihre Berechtigung darin, dass die Aufwertung jener Probleme nur auf empirischem Standpunkte und somit vor der Identitätslehre, die völlige Lösung nur nach derselben möglich ist. Wenn unsere Autoren es anders halten, so liegt dies daran, dass die von ihnen selbst auf das bestimmteste aufgestellte Untersoheidung des empirischen und des metaphysischen Standpunktes (Vyava Hariki und Paramarthiki Avasta, S. 113 fg.) in ihrem Werke mangelhaft durchgeführt wird. Soweit dieser Mangel durch eine bloße Umstellung gehoben werden kann, glaubten wir ihn heben zu dürfen und dabei in keinem Falle weiter zu gehen, als etwa ein Übersetzer, wenn er die von dem Autor selbst nachträglich gegebenen Verbesserungen im Werke desselben durchführt; wenn aber, wie wir sehen werden, die Lösung der kosmologischen Probleme vielfach zunächst von empirischem Standpunkte, und erst wo dieses nicht mehr gehen will durch Berufung auf die metaphysische Lehre von der Identität gesucht wird, so hielten wir uns nicht zu einer Remedur befugt: vielmehr musste das Hin- und Herschwanken zwischen empirischem und metaphysischem Standpunkte, wie wir es es in dem Folgenden bemerken werden, unangetastet bleiben, als historisches Denkmal einer Stufe, auf welcher der Philosoph sich erst zur vollen Klarheit durchkämpft, ohne die Spuren der überwundenen Halbheit in seinem eigenen Werke völlig zu tilgen. Möglich wäre es auch, und manche Anzeichen sprechen dafür (vgl. S. 30. 150 und Anm.17. 45. 21. 22), dass an der uns vorliegenden Form des Kommentars zu den Brahmasutras verschiedene Hände gearbeitet haben; aber diese Anzeichen sind zu unbestimmt, und das ganze Gepräge der Darstellung ist zu wenig individuell, um jene Möglichkeit zu irgend welchen Hypothesen zu verdichten.

Wir geben die Lösungen in derselben Reihenfolge wie die Probleme, welche von Punkt zu Punkt in Kap. XVIII nachzusehen sind.

Das Kausalitätsproblem, nach 2,1,6.7.9

a) Die Wesensverschiedenheit des Brahman und der Welt. — Auf den Einwurf, dass Brahman nicht die Ursache der Welt sein könne, weil beide wesensverschieden sind, wird zunächst empirisch, durch Hinweisung auf Beispiele geantwortet, in denen die Wirkung von der Ursache verschieden ist: so entstehen aus dem geistigen Menschen die nichtgeistigen Haare und Nägel, aus dem nichtgeistigen Mist der geistige Mistkäfer (Vriccika = Gomayakita). Aber wie hier Ursache und Wirkung bei aller Verschiedenheit der Form doch das Gemeinsame haben, dass beide aus der Erde entsprungen sind, so haben Brahman und die Welt als gemeinsames Merkmal das Sein (Satta). — Was soll das überhaupt für eine 'Wesensverschiedenheit (Vilakshanetvam) sein, auf Grund deren der Gegner die Weltschöpfung durch Brahman bestreitet? Soll sie 1) darin liegen, dass die Natur nicht ganz und gar mit dem Wesen Brahman's übereinstimmt? Nun, ohne ein gewisses Uber-sich-hinausreichen (Atikaya) der Ursache findet überhaupt kein Verhältnis von Ursache und Wirkung statt. Oder soll 2) die Differenz beider eine totale sein? Das lässt sich doch nicht behaupten, denn der Augenschein lehrt, dass das Sein (Satta), welches die Wesenheit Brahmans ausmacht, in den Dingen, aus denen die Natur besteht, sich gleichfalls findet. Oder soll 3) die Natur deswegen nicht aus Brahman entsprungen sein können, weil ihr die Geistigkeit (Chaitanyam) teilweise fehlt? Dagegen spricht die dem Gegner mangelnde Argumentationsbasis (Drishtanta-Abhavah); und nicht nur sie, sondern auch die Offenbarung der Schrift. Es ist aber ein bloßes [unberechtigtes] Postulat (Manoratha-Matram), dass Brahman deswegen , weil es ein faktisch Vorhandenes (Pari-nishpannam) ist, auch den weltlichen Erkenntnismitteln ergreifbar sein soll: denn die Wahrnehmung kann das Brahman nicht erfassen, weil es keine Gestalt, die Folgerung usw. nicht, weil es kein Merkmal (lingam) hat; und wenn nichtsdestoweniger die Reflexion auch von der Schrift empfohlen wird, so ist dies eben nur von einer auf die Schrift gerichteten, nicht von einer von ihr abgelösten Reflexion zu verstehen. — Übrigens muss man nicht glauben, dass die Welt deswegen, weil sie eine Wirkung Brahmans ist, vor ihrer Schöpfung ein Nichtseiendes gewesen wäre. Auch damals schon war sie, jedoch nur in Gestalt ihres ursächlichen Selbstes (Karana-Atmana), so wie sie auch gegenwärtig nur kraft dieses ursächlichen Selbstes ihr Bestehen hat (S. 424,9-429,13).

Die letzte Wendung weist, indem sie das Kausalverhältnis von der Form der zeitlichen Aufeinanderfolge emanzipiert und zu einem simultanen macht, schon deutlich auf die Identitätslehre hin.

b) Inquinierung des Brahman durch die Welt. — Auf die Einwendung, dass das Brahman, wenn es die Welt reabsorbiert, durch dieselbe befleckt werde, ist zu erwidern, dass nach der Erfahrung eine Ursache, wenn die Wirkung in sie zurückkehrt, von deren Qualitäten nicht betroffen wird: so kehren die Gefäße in den Ton, das Goldgeschmeide in das Gold, die Wesen in die Erde zurück, ohne dieselben durch ihre Beschaffenheit zu alterieren. Überhaupt würde es kein wahres Zurückkehren sein, wenn die Wirkung, in die Ursache eingehend, ihre Qualitäten festhielte. Vielmehr (und hiermit springt unser Autor zur metaphysischen Erklärung über) besagt die Lehre von der Identität der Ursache und Wirkung, dass die Wirkung der Ursache, nicht aber, dass die Ursache der Wirkung wesensgleich ist. Die obige Einwendung ist zu eng gefasst: nicht nur bei ihrem Zurückkehren, sondern auch während ihres Bestehens würde die Welt das Brahman beflecken; denn zu aller Zeit, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist die Welt mit Brahman identisch; aber weder ihr Bestehen noch ihr Zurückgehen befleckt das Brahman, und zwar deshalb, weil die Weltwirkung mitsamt ihren Qualitäten nur durch das Nichtwissen [der Seele] aufgebürdet ist. „Wie daher der Zauberer, durch das von ihm hervorgebrachte Blendwerk (Maya), selbst nicht berührt wird, weil dasselbe wesenlos (Avastu) ist, so wird auch der Paramatman durch das Blendwerk des Samsara nicht berührt. Und gleichwie der Träumende von dem Blendwerk des Traumes nicht berührt wird — weil (nach Brih. 4,3,15.16, S. 205) die Seele von Schlaf und Wachen nicht betroffen wird [scheint ein unechter Zusatz zu sein] — also wird der eine unwandelbare Zuschauer der drei Zustände [Wachen, Traumschlaf, Tiefschlaf] durch die wechselnden drei Zustände nicht betroffen. Denn das Erscheinen der höchsten Seele in den drei Zuständen ist nur ein Blendwerk, vergleichbar dem Erscheinen des Strickes als Schlange. Darum sagen die Lehrer, welche der Überlieferung der Vedantalehre kundig sind (Gaudapada ad Mandukya-Up. 1,16, S. 384):

„Wenn aus des anfanglosen Blendwerks Schlummer
Die Seele aufwacht, dann erwacht in ihr
Das ungebor'ne schlummerlose Eine."

„Folglich ist es falsch, dass die Ursache durch die Qualitäten der in sie eingehenden Wirkung wie Materialität usw. befleckt werde" (S. 431,1-433,4).

c) Unmöglichkeit einer neuen Differenzierung. — Auf diesen Einwand ist zu erwidern: gleichwie die Seele im Tiefschlafe und in der Meditation (vorübergehend) zu ihrer ursprünglichen Einheit zurückkehrt, beim Erwachen aus diesen Zuständen aber, sofern sie noch nicht vom Nichtwissen befreit ist, ihre individuelle Existenz zurückerhält, so ist es auch bei ihrem Eingehen in das Brahman. „Denn so wie, „zur Zeit des Bestehens der Welt, zufolge der falschen Erkenntnis das Treiben der Geteiltheit in dem ungeteilten Pararnatrnan wie ein Traum ungehemmt vor sich geht, so muss man annehmen, dass auch nach der Rückkehr in Brahman die Differenzierungskraft, durch die falsche Erkenntnis bedingt, fortbesteht" (S. 433,4-434,2).

d) Gefahr einer Rückkehr der Erlösten. — Aus dem Gesagten folgt, dass die Erlösten nicht wiederum geboren werden können, weil bei ihnen durch die volle Erkenntnis jene das individuelle Dasein bedingende falsche Erkenntnis aufgehoben ist (S. 434,1-2), indem bei ihnen, wie es an einem andern Orte (S. 342,7) heilst, die Samenkraft (S. 246) durch das Wissen verbrannt ist.

Das Problem des Einen und des Vielen, nach 2,1,27.28.31

a) Ganze oder teilweise Umwandlung. — Zunächst ist festzuhalten, dass das Brahman nicht ganz in die Welt umgewandelt wird; denn die Schrift setzt überall, wo sie von den Umwandlungen des Brahman redet, das Fortbestehen desselben voraus; so wenn sie sagt, dass „ein Teil von ihm alle Wesen, drei Teile Unsterblichkeit im Himmel" sind (Rigveda 10,90,3, S. 181); wenn sie den Tiefschlaf als ein Eingegangensein in Brahman auffasst, wobei nicht das umgewandelte Brahman verstanden werden kann, da man in dieses schon ohnehin eingegangen ist; wenn sie lehrt, dass Brahman von der Wahrnehmung nicht erreicht werden könne, was auf das umgewandelte Brahman nicht passt, usw. Weiter aber darf man auch nicht eine teilweise Umwandlung des Brahman annehmen, da die unteilbare Einheit desselben von der Schrift, die hier allein Autorität ist, auf das schärsste betont wird. — Aber kann die Schrift einen offenbaren Widerspruch lehren? Und dass das Brahman weder ganz noch teilweise zur Welt umgewandelt wird, ist doch wohl ein solcher! — Darauf ist zu erwidern, dass die ganze Vielheit der Erscheinungen auf dem Nichtwissen beruht. Ein Ding wird aber nicht dadurch ein geteiltes, weil das Nichtwissen eine Teilung desselben annimmt. Der Mond wird dadurch nicht verdoppelt, dass der Augenkranke zwei Monde wahrnimmt. Die ganze empirische Realität aber mit ihren Namen und Gestalten, wie sie sich weder als das Seiende, noch als das Gegenteil definieren lässt (Tattva-Anyatvahhya Anirvacaniya S. 483,9, eine häufige Formel, vgl. S. 96,6. 343,1. 454,10), beruht auf dem Nichtwissen, während im Sinne der höchsten Realität das Seiende ohne alle Veränderung und Umwandlung beharrt. Eine bloß auf Worten beruhende Umwandlung (S. 282) kann an der Gliederlosigkeit des Seienden nichts ändern. — Wie der Träumende viele Gestalten schafft und doch ungeteilt und einer bleibt, wie Götter und Zauberer, ohne ihre Natur zu verändern, Pferde, Elefanten usw. erscheinen lassen, so entsteht die mannigfaltige Schöpfung in dem einheitlichen Brahman, ohne dass dasselbe sein Wesen im mindesten veränderte (S. 480,11-484,14).

b) Das eine Brahman mit vielen Kräften. — Auch der Widerspruch, dass das Brahman ohne Unterschiede und doch mit allen Kräften verbunden ist, löst sich dadurch, dass alle Vielheit der Gestalten nur dem Reiche des Nichtwissens angehört. Die unergründliche Tiefe dieses Gegenstandes kann nicht von der Reflexion, sondern nur von der Schrift erreicht werden, welche von Brahman lehrt, dass es (Cvet. 3,19) :

„ohn' Hände greifend, ohne Füße laufend,
ohn' Augen sehend, ohne Ohren hörend"

keinerlei Werkzeuge gebraucht und dennoch alles zu vollbringen imstande ist (S. 488,1-8).

Das moralische Problem, nach 2,1,34-36. 22-23

Die Unhaltbarkeit eines empirischen Theismus (dem die Welt von Gott verschieden und real ist) zeigt sich nirgendwo deutlicher, als auf dem Gebiete der Moral. Denn wie man auch die Sache wenden mag, bei einer wirklichen und ernstgemeinten Schöpfung ist es immer zuletzt Gott, auf den die Verantwortlichkeit für das Übel wie das Böse der Welt zurückfällt. An dieser Konsequenz nimmt das moralisch noch unentwickelte Bewusstsein keinen Anstoß. — So heilst es Jesaia 45,7: „der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis, der ich Frieden gebe und schaffe das Übel, ich bin der Herr, der solches alles tut". Und noch viel schärfer ausgedrückt Kaushitaki-Up. 3,8: „Denn er machet das gute Werk tun den, welchen er aus diesen Welten emporführen will, und er machet das böse Werk tun den, welchen er abwärts führen will; er ist der Hüter der Welt, er ist der Gebieter der Welt, er ist der Herr der Welt." — Auf hebräischem Boden gewann man durch Hertibernahme (oder doch Ausstattung) des Satan aus der persischen Mythologie eine mehr scheinbare als wirkliche Lösung der Frage, bei der man sich indessen beruhigte; die Inder, philosophischeren Geistes, erkannten, dass es hier nur zwei Auswege gibt: entweder, indem man die Beschaffenheit (Essentia), dann aber auch die Erschaffenheit (Existentia) der Welt nicht auf Gott, sondern auf ein in ihr selbst liegendes Prinzip zurückführt, oder indem man (idealistisch) das Dasein der Welt überhaupt verneint. Beide Wege sehen wir Shankara betreten, indem wie gewöhnlich empirische und metaphysische Argumente nebeneinander behuß der Lösung des Problems aufgeboten werden.

a) Der Weltschöpfer als Urheber des Übels. — Auf die Einwendung, dass Gott als Schöpfer der Welt an dem Übel derselben schuld ist, dient zunächst als Antwort, dass Gott bei Schöpfung der Kreaturen nicht willkürlich (Nirapeksha) verfährt, sondern gebunden ist durch eine gewisse Rücksicht, nämlich durch die Rücksicht auf die guten und bösen Werke jedes Geschöpfes in einer früheren Geburt (S. 492,6). Durch diese Auffassung, für welche, wie wir bereits sahen (S. 288), die Welt nur der Schauplatz der Abbüßung der Werke eines früheren Daseins ist, wird nun die Schöpferrolle Gottes zu einer nebensächlichen, rein instrumentalen Bedeutung herabgedrückt. Der Leib ist vergleichbar einer Pflanze (S. 492,10), die aus dem Samen aufsprießt, wächst, sich entfaltet und zuletzt stirbt; jedoch nicht gänzlich, sondern so, dass etwas von ihr zurückbleibt, — der Samen, welcher, in dem Reiche des Nichtwissens ausgestreut, eine neue Pflanze, seiner Beschaffenheit entsprechend, hervorbringt. Dieser Same des Menschen (soweit die individuelle Bestimmtheit durch ihn bedingt wird) sind seine Werke. Genau entsprechend ihrer moralischen Beschaffenheit findet die jedesmalige Gestaltung des neuen Lebenslaufes statt, indem durch sie alles Glück und Unglück, und, wie wir sehen werden, auch alle Tugend und Untugend des neuen Daseins mit unabwendbarer Notwendigkeit bedingt wird. Bei diesem Erwachsen des Daseins aus dem Samen der Werke kann die Aufgabe des Schöpfers nur eine subsidiäre sein; er ist zu vergleichen dem Regen (der Hauptbedingung für das Wachstum in Indien), der die Pflanze sprießen lässt. Dass sie wächst ist das Werk der äußern Bedingungen (Wasser, Boden, Luft, Licht, oder, wie der Inder sagt, des Regens), als was sie erwächst, das hängt nicht von jenen in Gott liegen den Bedingungen, sondern von der Beschaffenheit des Samens ab: aus Reis kann immer nur Reis, aus Gerste immer wieder nur Gerste entstehen (S. 492,9). — Diese Anschauung fordert als unweigerliche Konsequenz die Annahme, dass der Samsara ohne Anfang ist, indem, so weit wir auch zurückgehen, jedes Dasein immer in einem vorher gewesenen Dasein seine Bedingung hat (S. 494,1). — Den ältern Upanishaden liegt diese Konsequenz noch fern; sie widerspricht der von ihnen gelehrten und ursprünglich gewiss ernst gemeinten Schöpfung der Welt aus dem „Einen ohne Zweites" (S. 248) und der aus ihr notwendig folgenden Prädestination (S. 300). In dem Wunsche, diesen Widerspruch zu heben, haben wir wohl das eigentliche Motiv der schon oben (S. 244) besprochenen Periodizität der Schöpfung, der abwechselnden Evolution der Welt aus Brahman und Reahsorption in dasselbe, zu erkennen, die wir in den alten Upanishaden noch nicht finden. Shankara freilich weiß sie schon in ihnen nachzuweisen, indem er (S. 495,1) aus den Worten „ich will in diese drei Gottheiten mit diesem lebenden Selbste eingehen" (Chand. 6,3,2, siehe S. 249) herausklaubt, dass „das lebende Selbst" (die individuelle Seele) schon vor der Schöpfung dagewesen sein müsse. Aber diese Argumentation ist so wenig stichhaltig, wie seine Berufung auf den Vers (Rigveda 10,190,3) :

Suryacandramasau (Zhata Yathaplirvam Akalpayat, welcher nach dem Zusammenhange nur heißen kann: „der Schöpfer schuf Sonne und Mond" — Yatheipurvam — „der Reihe nach", nicht aber, wie Shankara (S. 495,7) will: „wie vordem".

b) Der Weltschöpfer als Ursache des Bösen. — Auf den unter dieser Überschrift registrierten Einwurf haben wir zwei Antworten, eine empirische, 2,1,23, und eine sich zur Idealitätslehre erhebende, 2,1,22, wobei wunderlicherweise die erstere zuletzt steht. Mögen diese beiden Abschnitte auch von derselben Rand niedergeschrieben sein, so ist es doch kaum denkbar, dass sie in demselben Kopfe entsprungen sind. Wir kehren die Reihenfolge um und betrachten zunächst die empirische Entgegnung. — Gleichwie, so heilst es zu 2,1,23, die eine Erde mancherlei Steine, die köstlichsten Edelsteine sowohl wie ganz gemeine Feldsteine hervorbringt, gleichwie eben dieselbe die nach Blättern, Blüten, Früchten, Geruch und Geschmack verschiedenartigsten Pflanzen aufwachsen lässt, oder wie beim Menschen aus dein einen Speisesafte (Annarasa) Blut, Haare, Nägel als ganz verschiedene Wirkungen entstehen, ebenso gehen aus dem einheitlichen Brahman die Trennung in individuelle und höchste Seele und die Mannigfaltigkeit der [guten und bösen] Wirkungen hervor. — Einen ganz andern Charakter als diese empirischen Vergleiche trägt der unmittelbar vorhergehende Abschnitt 2,1,22. Zunächst geht allerdings auch hier unser Autor von der (durch das Sutram allein geltend gemachten) Scheidung Gottes und der Seele aus, um alle moralische Schuld von ersterem auf letztere zu wälzen: Brahman ist allwissend und allmächtig, ewig, rein, weise und frei. Weil er frei ist, deshalb darf er tun was er will; für ihn gibt es weder Gebot noch Verbot, und daher weder Gutes noch Böses. Die individuelle Seele hingegen ist behaftet mit Gutem und Bösem (Ca statt Na zu lesen S. 473,4), und von ihr behaupten wir auch gar nicht, dass sie Schöpfer der Welt sei. — Ohne sich auf die auf diesem Standpunkte unvermeidliche Frage: „woher denn aber die individuelle Seele mit ihrem Guten und Bösen stamme?" einzulassen, springt unser Autor sofort zur metaphysischen Erklärungsweise über: aber wie? sind nicht nach den Worten Tat Tram Asi Gott und Seele das nämliche? — Hierauf dient zur Antwort: „Wenn durch die Lehren der Ungeteiltheit mittels der Aussprüche wie Tat Tvam Asi das Bewusstsein der Ungeteiltheit erwacht ist, dann ist das Wanderersein der Seele und das Schöpfer sein des Brahman verschwunden; denn das ganze Welttreiben der Geteiltheit klafft heraus aus der falschen Erkenntnis und wird durch die universelle Erkenntnis widerlegt; wo sollte dabei die Schöpfung herkommen und woher die Beschuldigung, das Gute nicht hervorgebracht zu haben?

„Denn der ,Samsara, wie er als seine Merkmale das Tun des Guten und des Bösen hat, ist eine durch Nichtunterscheidung der Bestimmungen — wie sie, hervorgebracht durch das Nichtwissen, in dem aus Namen und Gestalten gebildeten Aggregat der Werkzeuge des Wirkens bestehen — bewirkte Täuschung, welche ebenso wie der Wahn (Abhimana) der Spaltungen und Trennungen durch Geburt und Tod im Sinne der höchsten Realität nicht existiert" (S. 472,14-475,4).

Siehe auch

Literatur

  • Vedanta für Anfänger von Swami Sivananda
  • Vedanta - Der Ozean der Weisheit von Swami Vivekananda
  • Paul Deussen: Das System des Vedanta, Elibron Classics, 2. Auflage, 1906.
  • Soami Divyanand: Vedamrit - Die Botschaft der Veden. ISBN 3-926696-03-6 (Übersetzung der Veden auf Deutsch, Bd. 1); ISBN 3-926696-13-3 (Bd. 2); ISBN 3-926696-26-5 (Bd. 3)
  • Wilfried Huchzermeyer: Die heiligen Schriften Indiens - Geschichte der Sanskrit-Literatur.(edition-sawitri.de) ISBN 3-931172-22-8
  • Moritz Winternitz: Geschichte der Indischen Literatur, Leipzig, 1905 - 1922, Vol. I - III. Reprint in englischer Übersetzung: Maurice Winternitz: History of Indian Literatur, Motilal Barnarsidass, Delhi, 1985.
  • Aurobindo: Das Geheimnis des Veda, 2. Auflage 1997, Hinder + Deelmann, ISBN 3-873481-65-0
  • Lokamanya Bâl Gangâdhar Tilak: Orion ou Recherches sur l'Antiquité des Védas, Milan, Éditions Archè, 1989

Weblinks

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