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Version vom 20. März 2024, 09:07 Uhr
TAITTIRĪYA-UPANIṢAD
Einleitung
Diese Upanishad gehört zum Kṛṣṇa-Yajur-Veda und ist Teil des Taittirīya-Āraṇyaka. Der siebte, achte und neunte prapāṭhaka dieses āraṇyaka bilden diese Upanishad. Sie ist eine der wichtigen Upanishaden. Sie formuliert einige Lehren des vedānta in elementarer Form. Ihre Texte werden häufig in späteren philosophischen Texten zitiert. Sie enthält die grundlegenden Lehren des vedānta-Systems. Hier wird klar formuliert, inwiefern brahman das höchste Selbst ist, vollständig verschieden von der Welt. Brahman wird als die Quelle von allem beschrieben. Die Grundideen dieser Upanishad sind dieselben wie die der anderen Upanishaden, aber hier sind sie systematischer arrangiert. Hindu-Philosophen achten diese Upanishad ganz besonders.
Es gibt eine wunderbare Überlieferung zum Namen dieser Upanishad: Einmal stritt der große Weise Yājñavalkya mit seinem guru Vaiśampāyana, woraufhin dieser ihn dazu aufforderte, jenen veda zurückzugeben, den er unter ihm studiert hatte. Yājñavalkya spie ihn (vor ihm) aus. Die anderen ṛṣis, die Schüler von Vaiśampāyana, verwandelten sich in Rebhühner (tittiris) und pickten den ausgespienen veda auf. Daher wurde er als Taittirīya-Saṃhitā (bzw. -Upaniṣad) bekannt.
Die Taittirīya-Upaniṣad besteht aus drei Teilen, die vallīs* genannt werden (und die wiederum in verschiedene anuvākas [Lektionen] unterteilt sind):
- Śikṣā-Vallī (Ranke der Unterweisung)
- Brahmānanda-Vallī (Ranke der absoluten Glückseligkeit)
- Bhṛgu-Vallī (Ranke des Bhṛgu)
Diese (drei) Namen ergeben sich aus dem jeweils ersten Wort und haben nichts mit dem Inhalt der vallī zu tun. Sāyaṇa (ind. Philosoph aus dem 14. Jh. n. Chr.) nennt sie Sāṃhitī-, Vāruṇī- und Yājñikī-Vallī, entsprechend den jeweiligen Inhalten.
Die Śikṣā- bzw. Saṃhiti-Vallī behandelt einige mystische Probleme, die mit dem Text und dem Studium der Veden verbunden sind. Der Lehrer gibt den jungen brahma-cārīs einige klare Anweisungen über Charakterbildung, die Regeln richtigen Verhaltens und Lebens. Er legt die Tugenden und Ideale dar, die sie entwickeln sollten, um sich für brahma-jñāna, das Wissen um das Selbst, vorzubereiten. Dieser Abschnitt beschreibt die Ausbildung und das moralische und geistige Training, die auf die Einweihung in die Wissenschaft von brahman hinführen. Dabei geht es um das tägliche Studium der Veden, die Ausführung der täglichen Rituale und die Verhaltensweisen in Einklang mit den heiligen Schriften. Diese vallī hat keine inhaltliche Verbindung zu den anderen vallīs und dient nicht dazu, die Lehre zu verstehen; dennoch ist sie sehr nützlich als Vorbereitung, die den Ablauf des Studiums festlegt. Dies wird hier genauer dargestellt als in jeder anderen Upanishad.
Die Brahmānanda- bzw. Vāruṇī-Vallī handelt von der Glückseligkeit des brahman. Sie enthält die eigentliche Lehre der Taittariya-Upaniṣad. Sie beginnt mit einem Vers aus dem Ṛg-Veda, der die Essenz der ganzen Upanishad darstellt: „Wer brahman kennt, das Existenz, Wissen und unendlich ist und der in der Höhle des Herzens wohnt, in dem unendlichen Äther, der hat damit all seine Wünsche gleichzeitig erfüllt und erfreut sich am allwissenden brahman.“
Diese vallī beschreibt die Reihenfolge der Schöpfung: „Aus der Seele (brahman) entsprang der Äther, aus dem Äther die Luft, aus der Luft das Feuer, aus dem Feuer das Wasser, aus dem Wasser die Erde, aus der Erde die jährlichen Kräuter, aus den Kräutern die Nahrung, aus der Nahrung der Same, aus dem Samen der Mensch. Denn der Mensch ist wahrlich die Essenz der Nahrung.“ Dieser Abschnitt beschreibt, dass brahman höchste Glückseligkeit (ānandamaya) ist. Er handelt vom Wissen um brahman.
Die Bhṛgu- bzw. Yājñikī-Vallī handelt von der Geschichte von Bhṛgu, dem Sohn des Varuṇa, der Askese übte und dadurch aus den Unterweisungen seines Vaters verstand, dass Glückseligkeit brahman ist. Diese Geschichte bestätigt die Lehren, die in den vorangegangenen vallīs gegeben wurden. Es wird offensichtlich, dass das Wissen um brahman nicht auf einmal erreicht wird. Der Suchende erreicht erst in mehreren Stufen eine immer klarere Idee von brahman. Das Mittel, dieses Wissen zu gewinnen, ist die Praxis der Askese bzw. die Meditation. In dieser vallī werden auch die fünf kośas, die (Körper-) Hüllen beschrieben. Die vedānta-Lehre der drei Körper und der fünf Hüllen basiert unmittelbar auf dieser Upanishad.
Im Aruṇḍhatī-Nyāya (Gleichnis vom Morgenstern) zeigt man zuerst auf einen großen Stern, dann auf einen kleineren in der Nähe und dann auf den kleinsten (auf den man eigentlich hinweisen will). Ähnlich führen die Lehren dieser vallī den Geist vom Groben zum Feinen, vom Feinen zum noch Feineren bis schließlich zum Allerfeinsten, dem ātman, dem Selbst, das von den genannten fünf Hüllen umschlossen ist.
- ŚIKṢĀ-VALLĪ
(Ranke der Unterweisung)
Prathamo 'nuvākaḥ (Erste Lektion)
oṃ śaṃ no mitraḥ śaṃ varuṇaḥ'।' śaṃ no bhavatvaryamā'।' śaṃ na indro bṛhaspatiḥ'।' śaṃ no viṣṇururukramaḥ'।' namo brahmaṇe'।' namaste vāyo'।' tvameva pratyakṣaṃ brahmāsi'।' tvameva pratyakṣaṃ brahma vadiṣyāmi'।' ṛtaṃ vadiṣyāmi'।' satyaṃ vadiṣyāmi'।' tanmāmavatu'।' tadvaktāramavatu'।' avatu mām'।' avatu vaktāram'।' oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ'॥
Om'''. Möge Mitra gut zu uns sein! Möge Varuṇa gut zu uns sein! Möge Āryamā gut zu uns sein! Mögen Indra und Bṛhaspati gut zu uns sein! Möge Viṣṇu mit großen Schritten gut zu uns sein! Verehrung dem brahman! Verehrung dir, o Vāyu! Du bist wahrlich das sichtbare brahman; ich werde dich als das sichtbare brahman erklären! Ich werde dich den Gerechten nennen! Ich werde dich den Wahren nennen! Möge ES mich beschützen! Möge ES den Lehrer beschützen! Möge ES mich beschützen! Möge ES den Lehrer beschützen! Oṃ, Frieden, Frieden, Frieden!
Erläuterung: Dieser Vers ist ein śānti-mantra (Friedenshymne). Der erste anuvāka besteht aus diesem śānti-mantra. Anuvāka ist eine weitere Form der Unterteilung in den Veden.
Śikṣā heißt im Generellen „Unterweisung“, aber hier, in den Veden, kommt noch die wissenschaftliche Bedeutung der Aussprache hinzu. Śikṣā zählt zu den sechs Disziplinen der vedāṅgas (Glieder der Veden)*; darin sind die Regeln der Phonetik niedergelegt.
Vāyu ist hiraṇya-garbha, der kosmische prāṇa. Das Rezitieren einer Friedens-hymne (s. S. 299) soll die devatās (diversen Gottheiten) gnädig stimmen. Der spirituelle Weg wird durch ihre Gnade geebnet; Hindernisse werden beseitigt. Du wirst nicht mehr vergessen, was du gelernt hast. Wenn jene devatās, die den verschiedenen Organen des Körpers zugeordnet sind, gnädig gestimmt sind, werden sie dir Gesundheit schenken. Man erbittet ihr Wohlwollen, denn nur im gesunden Zustand kann man die Texte ohne Schwierigkeiten studieren. Wenn du die (weiter oben erwähnte) Friedenshymne rezitierst, wirst du anschließend gut meditieren können.
Die dreifache Wiederholung von oṃ śāntiḥ soll die drei Arten von Hindernissen beseitigen: 1. adhyātmika (durch sich selbst verursachte), 2. adhidaivika (durch die devas verursachte) und 3. ādhibhautika (durch Lebewesen verursachte).
Mitra ist die Gottheit, die die Aktivität des prāṇa regiert und auch den Tag. Varuṇa ist die Gottheit, die apāna vorsteht und auch der Nacht. Aryamā steht dem Auge vor und auch der Sonne. Indra regiert Stärke und die Hände. Bṛhaspati ist für Sprache und Intellekt zuständig. Viṣṇu herrscht über die Füße.
Hiraṇya-garbha ist das sichtbare, manifeste brahman. Er ist näher als die Sinne, das Auge etc. Möge brahman mich beschützen, indem Es mir Wissen gibt. Möge dasselbe brahman den Lehrer schützen und ihm die Fähigkeit geben, die Schriften zu erklären.
Alle Werke und ihre Früchte sind unter der Kontrolle von prāṇa (hiraṇya-garbha). Verehrung Dir! Ich nenne Dich den Gerechten, denn die Wahrheit, gewonnen durch Intelligenz, Studium der Schriften und Praxis, ist unter Deiner Kontrolle. Ich nenne Dich den Wahren, denn die Wahrheit, die man ausspricht, wird durch Deine Gnade und deinen Einfluss gesichert.
Hier endet der erste anuvāka.
Dvitīyo 'nuvākaḥ (Zweite Lektion)
oṃ śīkṣāṃ vyākhyāsyāmaḥ'।' varṇaḥ svaraḥ'।' mātrā balam'।'
sāma santānaḥ'।' ityuktaḥ śīkṣādhyāyaḥ'॥
Om'''. Wir werden jetzt die Wissenschaft der Aussprache erklären: die Buchstaben, Höhe des Tones und Akzent, Länge bzw. Maß, Kraft oder Stärke (des ausgesprochenen Lautes), Modulation, Fluss und Kontinuität. So wurde das Kapitel über die Wissenschaft der Aussprache (Phonetik) erklärt.
Erläuterung: Varṇaḥ – Buchstabe, also die Einteilung in velare, palatale, retroflexe, dentale und labiale Laute; svaraḥ – Akzent: hoch, mittel und tief (udātta etc.); mātrā – Maß oder Länge: kurz, lang oder dreifach (hrasva, dīrgha, pluta); balam – die Kraft beim Aussprechen; sāma – das gleichmäßige Aussprechen der Laute; santānaḥ – Fluss, Kontinuität des Aussprechens; die Verbindung von zwei Lauten, bekannt als sandhi.
Die korrekte Aussprache eines mantra ist unbedingt notwendig, wenn du das gewün-schte Ergebnis erzielen willst. Man sollte den mantra nicht in Eile wiederholen, etwa um eine bestimmte Anzahl von mālās (Gebetsketten) in einer vorgegebenen Zeit zu beenden, denn dann könnte man den mantra falsch aussprechen. Die ganze Wirksamkeit eines mantra hängt von der korrekten Rezitation ab. Die Kraft des mantra liegt im Klang. Der Klang und das bezeichnete Objekt sind nicht voneinander zu trennen. Nur wenn der mantra richtig ausgesprochen wird, kann das gewünschte Resultat erreicht werden.
Daher ist die Wissenschaft von der Aussprache (Phonetik) außerordentlich wichtig für den Studierenden. Wenn er deren Prinzipien kennt, kann er den man tra richtig aussprechen. So beginnt diese Upanishad mit einem Kapitel über Phonetik, damit er die mantras der nachfolgenden Kapitel richtig rezitieren kann.
Hier endet der zweite anuvāka.
Tṛtīyo 'nuvākaḥ (Dritte Lektion)
saha nau yaśaḥ'।' saha nau brahmavarcasam'।' athātaḥ saṃhitāyā upaniṣa-daṃ vyākhyāsyāmaḥ'।' pañcasvadhikaraṇeṣu'।' adhilokamadhijyauti-ṣamadhividyamadhiprajamadhyātmam'।' tā mahāsaṃhitā ityācakṣate'॥' 1'॥
- Die Schüler sagen: „'Mögen Herrlichkeit und Ruhm zu uns beiden kommen. Möge das Licht von brahman (das Leuchten spirituellen Wissens) auf uns beide scheinen.“ Der Lehrer sagt: „Jetzt werden wir die Upanishad der saṃhitā unter fünf Titeln erklären: bezogen auf die Welten, die Himmelskörper, das Wissen, die Nachkommen und das Selbst. Dies, so sagen sie, sind die großen saṃhitās.“'
Erläuterung: Nau – zu uns beiden, den Lehrer und den Schüler; brahmavarcasam – das vedische Licht, das Licht brahmans, das Leuchten der Spiritualität; das Leuchten im Gesicht dessen, der über brahman meditiert oder der die Veden studiert hat. Adhilokam – Wissen, die Welt betreffend; adhijyautiṣam – bezüglich der Himmelskörper; adhividyam – in Bezug auf das Wissen; adhiprajam – bezüglich der Nachkommen; adhyātmam – in Bezug auf das Selbst.
Saṃhitā – eine Verbindung zweier Worte oder Buchstaben; eine Sammlung vedischer mantras. Saṃhitā bedeutet entweder die Verbindung zweier Buchstaben zu einem Wort oder die Verbindung von Wörtern zu einem Satz oder die Verbindung von Sätzen zu einer Abhandlung oder Dichtung etc. Das Wort saṃhitā bezeichnet daher auch eine Sammlung von Hymnen, etwa des Ṛg-Veda, und speziell eine Sammlung von Hymnen, die zu einer bestimmten Schule gehören. Solch eine saṃhitā ist z.B. der Satz i-se-tva („Ich teile dich“), wobei die Silbe i die Erde repräsentieren mag, tva den Himmel und se die Verbindung von beiden und wobei die Vereinigung all dieser Elemente zu einem Wort die Luft repräsentiert. Von mahā-saṃhitā spricht man, wo es einerseits saṃhitā gibt und wo außerdem die vereinigten Dinge so umfassend vereinigt sind, wie z.B. die Erde.
„Möge der Ruhm, der sich aus dem tiefen Wissen um die saṃhitā und andere Upanishaden ergibt, zu uns beiden kommen, dem Lehrer und dem Schüler. Möge das Leuchten der Spiritualität zu uns beiden kommen.“ – Dies ist das Gebet des Schülers, der noch nicht das höchste Ziel erreicht hat. Dies kann nicht das Gebet des verwirklichten Lehrers sein.
Die Regeln der Aussprache waren vorher gelehrt worden. Die śruti sagt, dass wir jetzt die esoterische Lehre erklären werden, welche Gegenstand der saṃhitā der fünf adhikaraṇas ist, der Gegenstände des Wissens.
Diejenigen, die die Veden kennen, nennen jene Upanishaden, welche diese fünf Gegenstände behandeln, die großen saṃhitās – groß, weil sie Themen behandeln, so groß und weit wie die Welten.
Das Wissen um brahman wird upaniṣad genannt, weil es die Unwissenheit zerstört, den ursprünglichen Grund für Geburt und Tod. Es führt uns in die Nähe von brahman und daher wird es upaniṣad genannt. Das Buch wird auch deswegen upaniṣad genannt, weil es vidyā, das Wissen um das Selbst, enthält. Hier bedeutet es die heiligen Lehren.
athādhilokam'।' pṛthivī pūrvarūpam'।' dyauruttararūpam'।'
ākāśaḥ sandhiḥ vāyuḥ sandhānam'।' ityadhilokam'॥' 2'॥
- Bezogen auf die Welt: Die Erde ist die erste Form. Der Himmel ist die letzte Form. Ākāśa (Äther) ist die Vereinigung. Vāyu (Luft) ist das Medium (der Vereinigung). Soviel in Bezug auf die Welt. ' '
- Bezogen auf die Himmelskörper: Feuer ist die erste Form. Die Sonne ist die letzte Form, Wasser ist die Verbindung. Blitz ist das Medium (der Verbindung). Soviel zu den Lichtern, den Himmelskörpern.
- Bezogen auf das Wissen: Der spirituelle Lehrer ist die erste Form, der Schüler ist die letzte Form, Wissen ist die Verbindung. Unterweisung ist das Medium. Soviel zum Wissen.
- Bezogen auf die Nachkommen: Die Mutter ist die erste Form, der Vater ist die letzte Form. Die Nachkommen sind die Verbindung. Zeugung ist das Medium. Dies ist das Wissen bezüglich der Nachkommen.
- Bezogen auf das Selbst (hier steht „Selbst“ für den Körper): Der Unterkiefer ist die erste Form, der Oberkiefer ist die letzte Form; Sprache ist die Vereinigung; die Zunge ist das Medium. Soviel zum Selbst. Dies sind die großen saṃhitās.
- Wer so über diese Verbindungen, d.h. diese genannten großen saṃhitās, kontempliert, erhält Nachkommen, Vieh, das Licht von brahman, alle Arten von Nahrung und die Himmelswelt.
- Möge Er, der höchste aller devas, dessen Form kosmisch ist, der aus den unsterblichen Veden geboren ist, der Gott von allem, möge der mich mit Weisheit stärken. Möge ich Weisheit besitzen, die zur Unsterblichkeit führt. Möge mein Körper kräftig sein. Möge meine Zunge lieblich sein. Möge ich viel mit meinen Ohren hören. Du bist die Hülle von brahman, umgeben von Intelligenz (weltlichem Wissen). Mögest du bewahren, was ich gehört habe.
- Sie, die meine Kleider, mein Vieh, meine Nahrung und mein Getränk reichlich bringt und dies schnell und für alle Zeiten tut, Göttin des Reichtums, bringe mir Schafe, Ziegen und Vieh. Segen! Mögen die brahma-cārīs (Brahmanen-Schüler) zu mir kommen. Segen! Mögen die brahma-cārīs von allen Seiten zu mir kommen. Segen! Mögen die brahma-cārīs in großer Zahl zu mir kommen. Segen! Mögen die brahma-cārīs ihre Sinne kontrollieren. Segen! Mögen die brahma-cārīs Stille des Geistes erfahren. Segen! Möge ich berühmt werden unter den Menschen. Segen! Möge ich der Beste unter den Reichen werden. Segen! O Gott, möge ich in Dich eingehen. Segen! Mögest Du, o Gott, in mich eintreten. Segen! In Dir, der tausend Zweige hat, möge ich wohlgereinigt werden, o Gott. Segen! So wie das Wasser zu tieferen Ebenen fließt, so wie die Monate in das Jahr eilen, so mögen die brahma-cārīs zu mir kommen von allen Seiten, o Gott. Segen! Du bist mein Ort der Ruhe. Mögest Du mich erleuchten! Möge ich Dich gewinnen!
- Bhū ist diese Welt, bhuvas ist der Himmel, suvar ist die andere Welt und mahas ist die Sonne. Alle Welten werden durch die Sonne vergrößert.
- Bhū ist Feuer, bhuvas ist Luft, suvar ist Sonne und mahas ist der Mond. Alle himmlischen Lichter werden durch den Mond erhöht.
- Bhū ist Ṛg-Veda, bhuvas ist Sāma-Veda, suvar ist Yajur-Veda und mahas ist brahman. Alle Veden werden durch brahman erhöht.
- Bhū ist die nach oben strebende Energie (prāṇa), bhuvas ist die nach unten strebende Energie (apāna), suvar ist die nach allen Richtungen strömende Energie (vyāna) und mahas nährt die Energie. Alle Energien werden durch Nahrung erhöht.
- Die Erde, der Zwischenbereich (antarikṣam), der Himmel, die (Haupt-) Himmelsrichtungen, die Richtungen dazwischen, das Feuer, die Luft, die Sonne, der Mond, die Sterne, die Wasser, die Kräuter, die Waldbäume, Raum und der ātman – so viel zu den Geschöpfen (iti adhibhūtam). Jetzt zum Selbst (adhyātman): prāṇa, vyāna, apāna, udāna und samāna, die Augen, die Ohren, der manas, die Sprache und der Tastsinn, die Haut, das Fleisch, die Muskeln, die Knochen und das Mark. Nachdem er all dies analysiert hat, erklärte der Seher: „All dies ist pāṅkta; Er erhält und stärkt (den pāṅkta durch den pāṅkta).
- Om ist brahman. All dies ist om. Om wird geäußert, um Zustimmung anzuzeigen. Mit om beginnen sie das Rezitieren. Mit om singen sie die Sāma-Veda-Verse. Sie sagen oṃ śom und rezitieren die śāstras (Schriften). Om – so spricht der ausübende adhvaryu (Opferpriester, Brahmane) die Antwort. Mit om gibt der Brahmane seine Zustimmung. Durch om erlaubt er die Opferung der Gabe in das Feuer. „Möge ich die Veden (brahman) erhalten“, denkt der Brahmane und sagt om, bevor er die Rezitation der Veden beginnt. Und so erhält er die Veden (bzw. brahman).
- Rechtschaffenheit sollte mit dem Studieren und Lehren der Veden geübt werden. Wahrhaftigkeit sollte mit dem Studieren und Lehren der Veden geübt werden. Askese sollte mit dem Studieren und Lehren der Veden geübt werden. Selbstkontrolle sollte mit dem Studieren und Lehren der Veden geübt werden. Gelassenheit sollte mit dem Studieren und Lehren der Veden geübt werden. Die (drei heiligen) Feuer sollten mit dem Studieren und Lehren der Veden geübt werden. Feueropfer sollten mit dem Studieren und Lehren der Veden geübt werden. Das Bewirten von Gästen sollte mit dem Studieren und Lehren der Veden geübt werden. Die Erfüllung menschlicher Pflichten sollte mit dem Studieren und Lehren der Veden geübt werden. Das Zeugen von Nachkommenschaft sollte mit dem Studieren und Lehren der Veden geübt werden. Der richtige Moment des Geschlechtsakts sollte mit dem Studieren und Lehren der Veden geübt werden. Das Fortführen der menschlichen Spezies sollte mit dem Studieren und Lehren der Veden geübt werden. Satyavacā, der Sohn des Rāthītara, betont, dass nur Wahrhaftigkeit geübt werden sollte. Taponitya, der Sohn des Pauruśiṣṭi, betont, dass nur Enthaltsamkeit geübt werden sollte. Nāka, der Sohn des Maudgalya (bzw. Mudgala), betont, dass nur die Veden studiert und geübt werden sollten – das ist wahre Askese, ja, das ist wahre Askese.
- „Ich bin der Beweger (Fäller) des Baumes (des saṃsāra). Mein Ruhm ist wie ein Berggipfel. Ich bin ganz und gar rein. Ich bin der unsterbliche Eine, so wie Er in der Sonne ist. Ich bin der strahlende Reichtum. Ich bin von großartiger Weisheit, unsterblich, unvergänglich.“ So lautet Triśaṅkus Lehre der Weisheit.
- Wenn der Lehrer die Veden vollständig gelehrt hat, ermahnt er den Schüler: Sprich die Wahrheit, erfülle deine Pflicht, vernachlässige niemals das Studium der Veden, lasse nicht die Linie der Nachkommen abreißen, nachdem du dem Lehrer die gewünschte Gegenleistung dargebracht hast. Weiche nicht von der Wahrheit ab. Weiche nicht von deiner Pflicht ab. Vernachlässige niemals dein Wohlergehen. Vernachlässige niemals deinen Wohlstand. Vernachlässige niemals das Studieren und Lehren der Veden.
- Vernachlässige nicht die Pflichten gegenüber den Göttern und den Vorfahren. Deine Mutter sei dein Gott. Dein Vater sei dein Gott. Der Lehrer sei dein Gott. Der Gast sei dein Gott. Nur tadelsfreie Handlungen sollten ausgeführt werden und keine anderen. Nur gute Taten sollten von dir vollzogen werden und keine anderen.
- Du solltest den Brahmanen, die uns übergeordnet sind, ihre Müdigkeit nehmen, indem du ihnen einen Sitz o.Ä. anbietest.
- „Existenz allein, mein Lieber, war am Anfang, eins allein, ohne ein Zwei-
- „Wo man nichts anderes sieht, nichts anderes hört, nichts anderes versteht,
- „Wenn das Selbst all dies ist, wie könnte Es ein anderes sehen?“
- „Denn wenn es – scheinbar – Dualität gibt, dann sieht man das andere.“
- „Wer hier irgendeinen Unterschied sieht, der geht von Tod zu Tod.“
- „Dieses ewige Seiende, das niemals bewiesen werden kann, muss als eins
- „Eins allein, ohne ein Zweites.“ (Chāndogya-Upaniṣad 6.2.1)
- „Brahman allein ist all dies.“ bzw. „Dieses Selbst allein ist all dies.“
- BrahmĀnanda-Vallī
- Tamas ist die Ursache des anna-maya-kośa; hier herrscht die Eigenschaft
- Rajas ist die Ursache des prāṇa-maya-kośa; hier herrscht die Eigenschaft
- Sattva gemischt mit tamas ist die Ursache des mano-maya-kośa; hier
- Sattva gemischt mit rajas ist die Ursache des vijñāna-maya-kośa; hier
- Sattva ist die Ursache des ānanda-maya-kośa; hier herrschen reine Liebe,
- Aus Furcht vor Ihm bläst der Wind, aus Furcht vor Ihm geht die Sonne auf und aus Furcht vor Ihm gehen Indra, Feuer und als fünftes der Tod ihren Aufgaben nach. – Jetzt folgt eine Untersuchung der Glückseligkeit (ānanda brahman). Angenommen, da ist ein guter junger Mann, wohlbewandert in den Schriften, diszipliniert, entschlossen und stark. Angenommen, ihm gehört die Welt voller Reichtum – das ist eine Einheit menschlichen Glücks. Hundertmal so groß wie diese Einheit menschlichen Glücks ...
- ... ist das Glück eines menschlichen gandharva (Engelswesen) – und auch das Glück eines Menschen, der die Veden kennt und frei ist von Wünschen. Hundertmal so groß wie das Glück der menschlichen gandharvas ist das Glück der himmlischen gandharvas – und auch das Glück eines Menschen, der die Veden kennt und frei ist von Wünschen. Hundertmal so groß wie das Glück der himmlichen gandharvas ist das Glück der Manen, die in der zeitlosen Welt wohnen – und auch das Glück eines Menschen, der die Veden kennt und frei ist von Wünschen. Hundertmal so groß wie das Glück der Manen, die in der zeitlosen Welt wohnen, ist das der devas, die im Himmel geboren sind – und auch das Glück eines Menschen, der die Veden kennt und frei ist von Wünschen.
- Hundertmal so groß wie das Glück der devas, die im Himmel geboren sind, ist das Glück der Götter, die als karma-devas bekannt sind, die durch Opferhandlungen devas geworden sind – und auch das Glück eines Menschen, der die Veden kennt und frei ist von Wünschen. Hundertmal so groß wie das Glück der karma-devas ist das Glück des Indra – und auch das Glück eines Menschen, der die Veden kennt und frei ist von Wünschen.
- Hundertmal so groß wie das Glück Indras ist das Glück Bṛhaspatis – und auch das Glück eines Menschen, der die Veden kennt und frei ist von Wünschen.
- Er, der im Menschen ist, und Er, der in der Sonne ist, sind eins. Wer dies weiß, erreicht, wenn er den Körper verlassen hat, (zunächst) den ātman, der aus Nahrung gemacht ist, dann den ātman aus prāṇa, dann den ātman aus manas, dann den aus buddhi und schließlich den ātman aus Glückseligkeit. Mehr dazu im letzten Vers.
- Bhūtākāśa – Raum der Elemente; die Welt der groben Objekte.
- Cittākāśa – mentaler Raum; die Welt der Gedanken.
- Cidākāśa – Raum des Wissens; höchster, subtilster Raum. Das Prinzip
- Sende niemanden weg, der um Obdach ersucht. Das ist DAS Gelübde. Deshalb sollte man viel Nahrung auf alle möglichen Weisen ansammeln. Man sagt: „Das Essen ist bereit.“ Wenn Nahrung in der besten Weise zubereitet ist, wird sie auch dem Gast in der besten Weise dargeboten. Wenn Nahrung nur mittelmäßig zubereitet ist, wird sie auch dem Gast nur mittelmäßig gegeben. Wenn Nahrung auf die niederste Weise zubereitet ist, wird sie auch dem Gast nur auf die niederste Weise gegeben. Wer dies weiß ...
- Brahman wohnt in der Sprache als Bewahrer, als Erwerber und Bewahrer in prāṇa und apāna, als Handeln in den Händen, als Bewegung in den Füßen und als Ausscheidung im Anus. So ist die Meditation (über brahman) in Hinsicht auf den Menschen.
- Nun folgt die Kontemplation in Bezug auf die Götter: als Befriedigung im Regen; als Kraft im Blitz; als Ruhm im Vieh; als Licht in den Sternen; als Nachkommen, Unsterblichkeit und Freude im Geschlechtsorgan; als alles im ākāśa. Lass ihn über Das als Stütze meditieren – so wird er wohlunterstützt. Lass ihn über Das meditieren als groß – so wird er groß; lass ihn über Das meditieren als den manas – so wird er wohlüberlegt; lass ihn über Das als Ehrerbietung meditieren – so verehren ihn alle Wünsche; lass ihn über Das meditieren als das Höchste – so gewinnt er Überlegenheit; lass ihn über Das meditieren als brahmans zerstörenden Aspekt – so werden alle, die ihn hassen, und alle Rivalen um ihn herum sterben.
- Der, der im Menschen ist, und der, der in der Sonne ist, sind ein und derselbe. Wer dies so weiß, wenn er diese Welt verlässt und wenn er dieses anna-maya-Selbst erreicht, und wenn er dann das prāṇa-maya-Selbst erreicht, und wenn er dann das mano-maya-Selbst erreicht, und wenn er dann das vijñāna-maya-Selbst erreicht, und wenn er dann das ānanada-maya-Selbst erreicht und isst, was er mag, und Formen annimmt, wie es ihm gefällt –, der reist durch diese Welten und sitzt da und singt den folgenden sāma-Gesang:
- Oh! Oh! Oh! Ich bin die Nahrung, ich bin die Nahrung, ich bin die Nahrung. Ich bin der Verzehrer der Nahrung, ich bin der Verzehrer der Nahrung, ich bin der Verzehrer der Nahrung; ich bin der Autor des śloka, ich bin der Autor des śloka, ich bin der Autor des śloka. Ich bin der Erstgeborene der Wahrheit. Noch vor den Göttern bin ich das Zentrum der Unsterblichkeit. Wer immer mir gibt, der rettet sich wahrlich selbst. Ich, die Nahrung, verzehre den, der Nahrung isst. Ich habe alle Welt erobert. Ich bin leuchtend wie die Sonne. Wer das so weiß (erreicht das alles). Dies ist die Upanishad.
- Abschluss-Mantra (om, saha nāvavatu ...)
- Abschluss-Mantra (oṃ śaṃ no mitraḥ ...)
tes.“ (Chāndogya-Upaniṣad 6.2.1)
das ist das Unendliche.“ (Chāndogya-Upaniṣad 7.24.1)
(Bṛhadāraṇyaka-Upaniṣad 4.5.15)
Eine Verbindung von Wissen und Werken ist unmöglich. Wissen und karma können nicht koexistieren; sie sind einander entgegengesetzt. Ein Wissen, das sich mit der Wahrheit befasst, in der es Objekt und Handelnden nicht gibt, muss dem karma entgegengesetzt sein, welches nur durch Handelnden, das Objekt der Handlung etc. funktionieren kann. Man kann das Bedingte und das Unbedingte nicht vereinbaren. Eins von beiden muss falsch sein, bedingt durch Unwissenheit.
(Bṛhadāraṇyaka-Upaniṣad 2.4.14)
(Kaṭha-Upaniṣad 2.10)
und nur eins angesehen werden.“ (Bṛhadāraṇyaka-Upaniṣad 6.4.20)
(Chāndogya-Upaniṣad 7.25.2)
Wo es nicht die Unterscheidung von Ausführendem, Objekt der Handlung, der Handlung selbst etc. gibt, ist keine Handlung möglich. Tausende von Textstellen in den śrutis bestätigen, dass die Lehre der Dualität unvereinbar ist mit dem Wissen um das Selbst. Wissen und karma sind einander entgegensetzt. Sie können nicht kombiniert werden. Daher ist die Meinung, dass Befreiung das Resultat einer Verbindung von Wissen und karma sein könnte, schlichtweg falsch.
Der Opponent sagt dagegen immer noch: Das steht in Widerspruch zu den śrutis, den autoritativen Texten. Darauf antworten wir: Äußere Objekte kann sich nur wünschen, wer kein Wissen um das Selbst hat. Nur wer Wünsche hat, führt karmas durch. Wer solche Früchte ernten möchte, muss einen Körper annehmen. Wer Wissen um das Selbst hat, hat keine Wünsche. Da der ātman das eigene Selbst ist, kann der ātman nicht ein Gegenstand des Wünschens sein. Im eigenen wahren Selbst gefestigt zu sein – das ist mokṣa. Daher besteht ein krasser Gegensatz zwischen Wissen und Handlungen. Wissen braucht keine Handlungen, um mokṣa herbeizuführen.
Die obligatorischen Handlungen können zum Wissen beitragen, denn sie beseitigen die angehäuften Sünden der Vergangenheit, die als Hindernisse im Wege stehen. Aus dem Grund werden in unserem Text die Werke erwähnt. Es liegt also kein Widerspruch darin, dass die śrutis Handlungen empfehlen und vorschreiben.
Wir schließen daher, dass das höchste Gut, die Befreiung, durch Wissen allein erreicht werden kann.
Hier endet der elfte anuvāka.
Dvādaśo 'nuvākaḥ̣ (Zwölfte Lektion)
om, śaṃ no mitraḥ śaṃ varuṇaḥ'।' śaṃ no bhavatvaryamā'।' śaṃ na indro bṛhaspatiḥ'।' śaṃ no viṣṇururukramaḥ'।' namo brahmaṇe'।' namaste vāyo'।' tvameva pratyakṣaṃ brahmāsi'।'
tvāmeva pratyakṣaṃ brahmāvādiṣam'।' ṛtamavādiṣam'।' satyamavādiṣam'।'
tanmāmāvīt'।' tadvaktāramāvīt'।' āvīnmām'।' āvīdvaktāram'।'
oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ'॥'
Om'''! Möge Mitra gut zu uns sein! Möge Varuṇa gut zu uns sein! Möge Āryamā gut zu uns sein! Mögen Indra und Bṛhaspati gut zu uns sein! Möge Viṣṇu mit großen Schritten gut zu uns sein! Verehrung dem brahman! Verehrung dir, o Vāyu! Du bist wahrlich das sichtbare brahman; ich habe Dich als das sichtbare brahman erklärt. Ich habe Dich den Gerechten genannt; ich habe Dich den Wahren genannt. ES hat mich beschützt. ES hat den Lehrer beschützt. ES hat mich beschützt! ES hat den Lehrer beschützt! Oṃ, Frieden, Frieden, Frieden!
Erläuterung: Zu Beginn des ersten anuvāka der Śikṣā-Vallī wurde dieser śāntiḥ-mantra zitiert, um den Segen der Götter herbeizurufen, auf dass das Studium erfolgreich und glücklich abgeschlossen würde und alle Hindernisse bei der Aufnahme des Wissens beseitigt würden. Hier wird der mantra wiederholt, um den Segen der Götter für die Selbstverwirklichung herbeizurufen.
Der elfte anuvāka enthielt die Ermahnung des Lehrers an den Schüler. Es wurde gelehrt, dass upāsana und Werke unterstützende Hilfsmittel für das Erlangen des Wissens um brahman sind. Nach Shankara sollte die 12. Lektion eher zur Brahmānanda-Valli hinzugerechnet werden.
Hier wird also der śāntiḥ-mantra aus dem ersten anuvāka wiederholt, aber es gibt einige kleine Unterschiede. An einigen Stellen ist die Zeitform geändert, so wie es hier, am Schluss, sinnvoll ist. Beim ersten Mal hieß es: „Ich werde brahman erklären“, denn brahman war da noch nicht gelehrt worden. Und es hieß: „Möge Es mich beschützen.“ Aber hier wird gesagt: „Ich habe brahman erklärt“ und „Es hat mich beschützt“, denn brahman ist bereits erklärt worden und mögliche Hindernisse beim Studium sind bereits, durch die Gnade der Götter, beseitigt worden. Der Schüler drückt hier seine Dankbarkeit gegenüber Gottheiten wie Indra, Varuṇa etc. aus. Selbst wenn die Arbeit vollendet ist, könnte man dennoch die Früchte nicht wirklich ernten, wenn man undankbar ist. Der Schüler erinnert sich hier an das Gute, das ihm von den Gottheiten zugeflossen ist, indem alle Hindernisse von innen und von außen beseitigt wurden, und drückt auf diese Weise seine Dankbarkeit aus. So wird die Sünde der Undankbarkeit vermieden.
Hier endet der zwölfte Anuvāka
und somit die śikṣā-Vallī der taittirīya-Upaniṣhad.
(Ranke der absoluten Glückseligkeit)
Anfangs-Mantra (om, saha nāvavatu ... )
om, saha nāvavatu'।' saha nau bhunaktu'।' saha vīryaṃ karavāvahai'।'
tejasvi nāvadhītamastu'।' mā vidviṣāvahai'।' oṃ śāntiḥ śāntiḥ śāntiḥ'॥
Om'''. Möge Es uns beide beschützen (den Lehrer und den Schüler)! Möge Es uns beide die Glückseligkeit von mukti erfahren lassen! Mögen wir beide uns bemühen, die wahre Bedeutung der Schriften zu verstehen! Mögen unsere Studien Frucht bringen. Mögen wir nie miteinander streiten! Oṃ, Frieden, Frieden, Frieden!
Erläuterung: Hier wird darum gebetet, dass Lehrer und Schüler ein gutes Verhältnis miteinander haben mögen. Dieser Friedens-mantra soll jedes negative Gefühl beseitigen, das durch irgendeinen Fehler oder eine Achtlosigkeit seitens des Schülers oder auch des Lehrers aufgekommen sein mag. Das Wissen, das vom Lehrer gegeben wird, kann keine Früchte bringen, wenn nicht der Geist in Frieden ist, denn der Lehrer ist nicht verschieden von īśvara (dem absoluten Bewusstsein). Diese Friedenshymne soll alle Hindernisse beseitigen, welche die Aufnahme des Wissens beeinträchtigen könnten.
Saha vīryaṃ karavāvahai – Mögen wir gemeinsam die Kraft besitzen, die Wissen ermöglicht! Mögen wir beide Stärke entwickeln, die das Wissen fördert! Mögen wir uns beide anstrengen, die wahre Bedeutung der Schriften zu erkennen! Mögen wir mit großer Energie zusammenwirken!
Tejasvi nāvadhītamastu – Möge unser Studium erhellend sein, stark und wirksam! Möge unser Studium uns befähigen zu verstehen, was gelehrt wird! Möge brahman uns beide beschützen, sodass der Lehrer mit voller Kraft lehren kann und ich die Lehren gut aufnehmen kann, ohne zu zweifeln; und möge so meine Unwissenheit völlig beseitigt werden! Möge der Lehrer voll Freude sehen, dass meine Unwissenheit verschwunden ist! Mögen wir zu diesem Zweck völlig harmonisch zusammenarbeiten, sodass eine Kraft entsteht, welche die Aufnahme des Wissens erleichtert! Mögen wir keine negativen Gefühle gegen einander hegen! Es könnte ja sein, dass der Schüler verärgert ist, weil seiner Meinung nach der Lehrer etwas nicht richtig erklärt hat. Und der Lehrer könnte unzufrieden sein, weil der Schüler kein Vertrauen hat und keine Hingabe zeigt. Möge so etwas nicht geschehen!
All dies ist die Absicht dieser Friedenshymne.
Prathamo 'nuvākaḥ (Erste Lektion)
om brahmavidāpnoti param'।' tadeṣā'bhyuktā'।' satyaṃ jñānamanantaṃ
brahma'।' yo veda nihitaṃ guhāyāṃ parame vyoman'।'
so'śnute sarvān kāmān saha brahmaṇā vipaściteti'॥
tasmādvā etasmādātmana ākāśaḥ saṃbhūtaḥ'।' ākāśādvāyuḥ'।' vāyoragniḥ'।' agnerāpaḥ'।' adbhyaḥ pṛthivī pṛthivyā oṣadhayaḥ'।' oṣadhībhyo'nnam'।' annātpuruṣaḥ'।' sa vā eṣa puruṣo'nnarasamayaḥ'।' tasyedameva śiraḥ'।' ayaṃ dakṣiṇaḥ pakṣaḥ'।' ayamuttaraḥ pakṣaḥ'।' ayamātmā'।' idaṃ pucchaṃ pratiṣṭhā'।' tadapyeṣa śloko bhavati'॥'
Om'''! Der Kenner des brahman erreicht das Höchste. Dazu wird die folgende Hymne rezitiert: „Brahman ist Wahrheit, Wissen und Unendlichkeit. Wer Es erkannt hat, als verborgen im Herzen, dem transzendenten ākāśa (paramākāśa), der verwirklicht all diese Wünsche, zugleich mit dem allwissenden brahman.“
Aus diesem ātman wird der Äther (ākāśa) geboren; aus dem Äther die Luft (vāyu); aus der Luft das Feuer; aus dem Feuer das Wasser; aus dem Wasser die Erde; aus der Erde die Kräuter und Pflanzen; aus den Pflanzen die Nahrung; aus der Nahrung der Mensch. Der Mensch ist also aus der Essenz der Nahrung gemacht. Dies ist sein Kopf; dies ist seine rechte Hand („Flügel“); dies ist seine linke Hand; dies ist sein Körper. Dies ist der Unterteil und die Stütze. Mehr dazu im nächsten Vers.
Erläuterung: Brahmavit – der Kenner des brahman; der, der brahman kennt, der Es durch tiefe Einsicht verwirklicht hat; [param āpnoti – erreicht das Höchste; tat eṣā abhyuktā – denn dies ist der Vers, der von den Ahnen/Alten erklärt wurde;] satyaṃ jñānamanantaṃ brahma – brahman ist Wahrheit (Sein), Wissen (Bewusstsein) und Unendlichkeit; vyoman – Raum, ākāśa; annara-samayaḥ – gefüllt mit der Essenz der Nahrung; pakṣaḥ – Seite, Arm, Flügel; dakṣi-ṇaḥ pakṣaḥ – rechter Hand, rechter Flügel; uttaraḥ pakṣaḥ – linke Hand, linker Flügel; puccham – Unterteil.
In der ersten vallī wurde zunächst die Meditation besprochen, die nicht mit Handlungen unvereinbar ist oder ihnen entgegengesetzt ist. Dann wurde durch die vyāhṛtis (formelhafte Sprüche) das Wissen um den bedingten ātman gelehrt, das zu svarājya (unabhängiger Herrschaft) und Souveränität führt. Aber dies allein kann nicht die völlige Auflösung der Unwissenheit bringen, welche der Same des saṃsāra, der weltlichen Existenz, ist. Das Thema des gegenwärtigen Abschnitts ist nun brahma-vidyā (die Wissenschaft vom Selbst). Nur das Wissen um das nichtbedingte brahman kann die Unwissenheit, welche der Same allen Elends ist, völlig zerstören.
Om brahmavid āpnoti param – Der Kenner des brahman erreicht das Höchste. Das ist die Kernaussage dieser vallī. Diese vallī enthält die Essenz der ganzen Upanishad. Befreiung durch das Wissen um brahman ist ihre zentrale Lehre. Wie eine Mutter das Kind überredet, eine Medizin zu trinken, indem sie sagt, dass das Kind dadurch eine gesunde Hautfarbe erhält, so überredet die śruti uns – die wir noch Kinder im Spirituellen sind –, nach Selbstverwirklichung zu streben, indem sie uns deren Früchte schmackhaft zu machen versucht. Wir können jemanden nur dann zu etwas überreden, wenn wir ihm das Ergebnis vor Augen halten. Die śruti beginnt mit den Worten: „Der Kenner des brahman erreicht das Höchste“, um uns zur richtigen Handlung zu motivieren.
Selbstverwirklichung ist nicht bloßes Verstehen von brahman durch Studieren von Büchern über vedānta und die Upanishaden. Es geht nicht um intellektuelles Verständnis. Es geht um unmittelbares Erfassen und Sehen (ātma-sākṣātkāra) durch beständige und intensive Meditation.
Brahman ist dein eigenes wahres Selbst, deine Seele. Es kann kein Objekt der Erkenntnis werden. Es ist immer das Subjekt, der Zeuge. Brahman erkennen heißt: Eins-Werden mit dem absoluten Bewusstsein durch nirvikalpa-samādhi.
Das Gewinnen des Wissens beginnt mit dem Hören der śrutis (śravaṇa). Diese sagen: „Man sollte über den ātman hören, nachdenken und meditieren.“ Es gibt nichts Größeres als brahman. Brahman ist parama (das Höchste). Später wird gesagt werden: „Der Kenner des brahman fürchtet nichts, er wird nicht berührt von Tugend oder Laster.“ Daraus wird klar, dass man den saṃsāra nicht vollständig hinter sich lässt, auch wenn man das Wissen um brahman erreicht hat.
Es gibt ein Argument: Wenn brahman in allem gegenwärtig ist und das Selbst von allen ist, so ist Es nicht etwas, was erreicht werden kann. Wenn wir von „Erreichen“ sprechen, so wird immer etwas von etwas anderem erreicht, ein begrenztes Objekt von einem anderen. Wenn aber brahman, das Selbst von allen, grenzenlos ist, so ist es nicht richtig, von einem „Erreichen“ zu sprechen, so als sei Es von mir selbst getrennt. „Erreichen“ setzt immer eine Dualität voraus, mit Begrenzungen von Raum, Zeit usw. Wie kann brahman „erreicht“ werden, wo Es doch jenseits aller Begrenzungen ist?
Hier liegt kein Widerspruch vor, denn das „Erreichen“ oder „Nichterreichen“ bezieht sich nur auf die Wahrnehmung oder Nichtwahrnehmung (als brahman). Der jīva, die Seele, ist bereits immer eins mit brahman. Aber er identifiziert sich mit dem begrenzten Körper, der in Wahrheit außerhalb vom ātman ist.
Zehn Leute, die gerade einen Fluss überquert hatten, wollten sicherstellen, dass alle gut angekommen waren. Jeder zählte und kam immer auf das Ergebnis „neun“; es fehlte also offensichtlich einer und alle fingen an zu weinen. Schließlich wurden sie von einem Außenstehenden beruhigt, der ihnen klar machte, dass der Zählende selbst jeweils der zehnte war. Jeder hatte immer nur die anderen, also das Äußere, gezählt und vergessen, dass er der Zehnte war. So vergisst auch der jīva, in seiner Unwissenheit, sein eigenes Sein, das eins ist mit brahman. Obwohl brahman das eigene Selbst ist, sieht er Es nicht. So wie durch die Erkenntnis „Ich bin der Zehnte“ das eigene Selbst quasi wiedergefunden wird, so wird auch brahman, der ātman, wiedergefunden durch die Zerstörung von ajñāna (Unwissenheit).
Das Wort brahman, von der Wurzel brhm (wachsen), bezeichnet etwas Großes. Es weist hin auf Etwas, das ewig, rein, bewusst, frei, unendlich, unveränderlich, selbstleuchtend, alldurchdringend usw. ist. So sagt die śruti: „Satyaṃ jñānaṃ anantaṃ brahma – Wahrheit, Wissen, Ewigkeit ist brahman.“ Dies sind also die Attribute (viśeṣaṇārtha) von brahman, der „Substanz“ (viśeṣya). Hier haben wir eine Definition von brahman, die Es von allen anderen „Substanzen“ unterscheidet, die unwirklich, nichtbewusst und endlich sind.
Nun könnte man aber sagen: Es gibt ja gar keine andere „Substanz“, also kein anderes brahman, von dem man Es unterscheiden kann. Daher sind die drei Attribute satyam, jñānam und anantam ohne Nutzen. Aber dieses Argument ist unhaltbar. Denn die Zusätze satyam etc. sind nur Definitionen und sollen nicht qualifizieren. Normalerweise sollen qualifizierende Zusätze etwas von anderen Dingen gleicher Gattung unterscheiden. Aber diese Zusätze (satyam, jñānam, anantam) sollen brahman von allem anderen, also von der ganzen Welt, abgrenzen. Sie sollen brahman nur definieren.
Was ist satyam? Das, dessen Form sich nicht ändert, durch die es einmal erkannt worden ist. Dagegen ist das, dessen Form sich verändert (anṛtam) falsch. So sind alle Formen, die sich ändern, unwirklich, unwahr. Veränderlichkeit ist Falschheit. Die śruti sagt: „Alle Form, die sich verändert (vikāra), ist nur ein Name, eine Schöpfung der Sprache. Was man „Lehm“ nennt, ist allein wahr (nicht die Töpfe, die daraus gemacht worden sind); so ist Existenz (sat) allein wahr.“ Also grenzen die Worte „brahman ist satyam“ von allen veränderlichen Formen ab.
Ist brahman also eine Ursache in der Art des Lehms? Dann wäre Es ohne Intelligenz. So ist es aber nicht. Die śruti sagt: „Brahman ist Wissen (jñānam) und Bewusstsein.“ Es ist Wissen selbst, absolutes Bewusstsein, und nicht das, was weiß oder Wissen hat. Es ist nicht der Akt des Wissens, denn dann könnte Es nicht real und unendlich sein. Wenn Es der Wissende wäre, dann wäre Es ja der Veränderung unterworfen und wäre abgegrenzt vom Gewussten. Die śruti sagt: „Wo man nichts anderes sieht und nichts anderes kennt außer das Selbst – das ist das Unendliche (bhūman, brahman); aber wo man etwas anderes sieht und etwas anderes weiß – das ist das Endliche“ (Chāndogya-Upaniṣad 7.24.1).
Man sieht ein Objekt nur, wenn es von einem selbst getrennt ist. Bhūman, das Unendliche, ist das, wo kein anderes Objekt existiert. Wenn jetzt jemand sagt: Das Selbst ist sowohl der Wissende als auch das Gewusste, so sagen wir: Das kann nicht sein, denn dann hätte es Teile. Es ist also nicht das Wissende – im Unterschied zum Gewussten – und auch nicht das Gewusste – im Unterschied zum Wissenden. Das Wort jñānam wird hinzugefügt, um die falsche Idee zu eliminieren, dass brahman ein Agens oder eine Ursache seine könnte, und auch die Idee, dass es ein Objekt, wie etwa Lehm, sein könnte, welches nichtbewusst und nichtintelligent ist. Brahman ist weder das Gewusste, als verschieden vom Wissenden, noch ist Es das Wissende, als verschieden vom Gewussten. Es ist selbst reines Wissen, Wissen an sich, jenseits der Unterscheidung von Wissendem und Gewusstem.
Guhā – Höhlung, Höhle (von der Wurzel guh – verbergen, bedecken). Der buddhi (Intellekt) ist die Höhle, denn in ihm sind die drei Kategorien Wissen, Gewusstes und Wissender versteckt. Oder aber: Die zwei Hauptziele des Lebens sind in ihm verborgen – Genuss und Befreiung.
Ākāśa (vyoman, Raum) wird hier als avyākṛta interpretiert (das Undifferenzierte). Der materielle ākāśa steht tiefer als der avyākṛta. Avyākṛta ist der höchste ākāśa. Er ist in buddhi. Avyākṛta ist der höchste ākāśa, weil er dem akṣara, dem Unzerstörbaren, dem höchsten brahman, am nächsten ist. Das wird ausgedrückt in der Bṛhadāraṇyaka-Upaniṣad (3.8.11), in der der Weise Yājñavalkya sagt: „Dort, o Gārgī, in diesem unzerstörbaren akṣara, ist der ākāśa (avyākṛta) hineinverwoben wie Kette und Einschlag.“
An verschiedenen Stellen der śrutis wird brahman „ākāśa“ genannt, weil Es subtil, formlos, alldurchdringend und unendlich ist wie der ākāśa. So wie alle Objekte im ākāśa enthalten sind, so existiert die ganze Welt in brahman.
Der Strebende hört die Lehre der śruti, zieht seinen Geist von den äußeren Objekten ab und tritt in das ein, was in der Höhle des Herzens (guhā) wohnt, und verwirklicht den ātman, der die einzige Wirklichkeit ist.
Was gewinnt der, der auf diese Weise brahman verwirklicht? Er verwirklicht alle seine Wünsche. Genießt er sie alle – Nachkommen, Himmel etc. – auf einmal oder nacheinander? Die śruti sagt: „[…] zusammen mit dem allwissenden brahman.“ Das soll zeigen, dass er sie alle zugleich genießt. Er ist nicht abhängig von Objekten des Genusses, denn er ist eins mit dem allwissenden, allgegenwärtigen brahman. Seine Freuden hängen nicht von der Erfüllung seiner Pflichten ab und auch nicht von der Aktivität der Sinne etc. Er ist selbst das unendliche, stets glückselige brahman.
Zu Beginn des mantra war gesagt worden, dass brahman Existenz, Wissen und Unendlichkeit ist. Das wird jetzt näher erläutert. Unendlichkeit ist dreifältig, nämlich im Raum, in der Zeit und in der Substanz. Ākāśa z.B. ist unendlich im Raum, denn es gibt keine Grenzen im Raum. Aber ākāśa ist nicht unendlich hinsichtlich Zeit und Substanz, denn er ist eine Wirkung, im Gegensatz zu brahman, welches nicht in der Zeit begrenzt ist. Nur was eine Wirkung ist, ist begrenzt in der Zeit; brahman jedoch ist keine Wirkung. Brahman hat keine Ursache, so ist Es unbegrenzt in der Zeit. Dasselbe gilt hinsichtlich der Substanz. Brahman ist unbegrenzt hinsichtlich Substanz, denn Es ist eins mit allem; Es ist nicht verschieden von irgendetwas. Wenn es etwas anderes gäbe als brahman, würde jenes andere Es begrenzen. Wenn es die Erkenntnis von etwas anderem gäbe, würde sich der Geist von Ihm abwenden können, hin zu dem anderen. Das wäre in gewisser Weise das Ende dessen, von dem sich der Geist abgewandt hat. Wenn sich mein Denken zu der Kuh wendet, wendet es sich vom Pferd ab. Das wäre sozusagen das Ende des Pferdes. So sind sowohl die Kuh als auch das Pferd begrenzt. In brahman gibt es keine derartige Unterscheidung. So ist brahman Unendlichkeit sogar hinsichtlich der Substanz.
Hier könnte man fragen: Wieso ist brahman nicht verschieden von irgendetwas anderem? Antwort: Weil Es die Ursache aller Dinge ist. Man kann aber andererseits nicht sagen, brahman, als Ursache, sei verschieden von Seinen Wirkungen und daher nicht unendlich. Denn das, was man die Wirkung nennt, ist unwirklich. Es gibt in Wahrheit keine Wirkung, die verschieden wäre von der Ursache, brahman. Daher kann man auch den Geist nicht von ihr abwenden.
Die śruti sagt: „Alle Veränderung ist nur in Worten und ist nur Name. Dass sie Lehm ist, ist die einzige Wahrheit“; „Sein ist die einzige Wahrheit.“ Daher ist brahman unendlich im Raum, als Ursache von ākāśa. Etwas Alldurchdringendes (wie der ākāśa) kann nicht aus etwas hervorkommen, das nicht alldurchdringend ist. Ebenso ist brahman unendlich in der Zeit, denn Es ist nicht die Wirkung irgendeiner Ursache. Und brahman ist unendlich als Substanz, denn es gibt nichts, was von Ihm verschieden wäre. Brahman ist also die Absolute Realität.
Tasmāt – aus Ihm, aus brahman. Brahman wird dann definiert als satyaṃ jñānam-anantaṃ brahma. Brahman ist der ātman. Die śruti sagt: „Das ist der ātman von allem. Das ist Existenz. Das ist der ātman“ (Chāndogya-Upaniṣad 6.8.7). Aus brahman ist ākāśa geboren.
Ākāśa ist das, was Klang als sein Attribut hat und was allen Dingen, die eine Form haben, den Raum gibt. Aus ākāśa kommt vāyu (Luft) mit zwei Qualitäten: Berührung, seine eigene Qualität, und Klang, der zu ākāśa gehört, der Ursache von vāyu. Aus vāyu kommt agni (Feuer) mit drei Qualitäten: den beiden zuvor genannten plus Farbe oder Form, welche seine eigene Qualität ist. Aus Feuer kommt Wasser mit vier Qualitäten: den drei genannten plus Geschmack, seiner eigenen. Aus dem Wasser kommt die Erde mit Geruch als eigener Qualität plus den vier anderen. Kräuter und Pflanzen kommen aus der Erde. Nahrung kommt aus den Pflanzen. Und puruṣa, der Mensch, kommt aus der Essenz der Nahrung, welche die Form des Samens angenommen hat. Wir sehen den Menschen als vikāra, das Produkt der Essenz der Nahrung.
Der Same ist die Essenz aller Körperteile. Er besteht aus der Energie aller Glieder und hat daher auch die Form eines Menschen. Der Same trägt die Gedanken-Form des menschlichen Erzeugers in sich. Was aus diesem Samen geboren wird, hat auch menschliche Form. Alle Lebewesen haben unvermeidlich dieselbe Form wie ihre Eltern.
Ausnahmslos alle Geschöpfe sind Modifikationen von Nahrung und stammen von brahman ab. Warum wird hier nur der Mensch erwähnt? Er ist herausragend. Inwiefern? Nur der Mensch ist qualifiziert und berechtigt, karma (hier: Rituale) auszuführen und Wissen zu erlangen. Nur er kann den Lehren der Schriften folgen. Nur er allein sucht Gott. Die śruti sagt: „Im Menschen ist das Selbst (ātman) mehr ausgedrückt. Er hat Intelligenz, Vernunft, Urteilskraft und Unterscheidungsvermögen. Er wünscht sich ewige Glückseligkeit und Unsterblichkeit, durch angemessene Mittel. Er spricht das aus, was er weiß. Er weiß.“ Er denkt, überlegt, reflektiert und meditiert. Er weiß, was gut ist und was schlecht, was richtig und was falsch. Nur der Mensch strebt danach, das innere brahman durch Wissen zu erlangen. Er ist es, den die śrutis mit brahman zu vereinen suchen, durch Wissen. Tiere hingegen haben keine derartigen Eigenschaften. Sie kennen hauptsächlich Fressen und Trinken. Sie können nicht denken und meditieren.
Der physische Körper ist von der śruti beschrieben worden, um dem Strebenden zu ermöglichen, die wahre Natur von brahman zu verstehen – so wie man auf das Ende eines Zweiges hinweist, um jemanden den Stern zu zeigen, der genau dahinter liegt. Die śruti versucht, den Sucher zu einem Selbst nach dem anderen zu führen, das darin verborgen ist – bis schließlich der ātman erreicht ist. Indem man über eine Hülle nach der anderen meditiert, verwirklicht man ihre wahre Natur. Schließlich ist man soweit, stetig über den ātman zu meditieren. Die śruti führt den Suchenden vom gröbsten Aspekt zu immer feineren, bis er den feinsten, den innersten ātman, erfassen kann.
Im Folgenden repräsentiert die śruti, um darüber zu meditieren, die fünf Teile des anna-maya-kośa – dieselben Teile, die auch das Opferfeuer hat. „Das Opferfeuer ist arrangiert in Form eines Falken, eines Reihers oder eines anderen Vogels. Es hat einen Kopf, zwei Flügel, einen Rumpf und einen Schwanz. In ähnlicher Weise wird hier jeder kośa (Hülle) als aus fünf Teilen bestehend dargestellt“ (Sureśvarācārya).
Dieser puruṣa, der aus der Essenz der Nahrung besteht, hat einen Kopf etc. Im Falle der anderen kośas (prāna-maya etc.) ist da nicht wirklich ein Kopf, die Teile werden aber als Kopf etc. repräsentiert. Bei anna-maya-kośa wird allerdings betont: „Dies allein ist der Kopf“, denn dieser kośa hat ja wirklich einen Kopf im normalen Sinne. Ähnlich ist es bei den anderen Teilen (Gliedern). Da heißt es: Dies ist seine rechte Hand (die Südseite des Mannes, der nach Osten blickt); dies ist die linke Hand (die Nordseite); dies ist der mittlere Teil, der Rumpf. Die śruti sagt: „Das mittlere Glied ist der ātman.“
Der Teil des Körpers unterhalb des Nabels wird als Unterteil bezeichnet. Er ist die Stütze (pratiṣṭhā), das Fundament.
Auf ähnliche Weise sollten der kośa und die anderen verstanden werden. Diese haben eigentlich keinen Kopf usw. Aber es ist doch besser, sich vorzustellen, dass sie nach derselben Form (des grobstofflichen/physischen Körpers) strukturiert sind – so wie geschmolzes Erz die Form der Gussform annimmt. Auf diese Weise wird die Meditation über die vier kośas unterstützt.
Iti [... vipaściteti'॥] – zeigt hier das Ende des mantra an.
Hier endet der erste Anuvāka der Brahmānanda-Vallī.
Dvitīyo 'nuvākaḥ (Zweite Lektion)
annādvai prajāḥ prajāyante'।' yāḥ kāśca pṛthivīṃ śritāḥ'।' atho annenaiva jīvanti'।' athainadapiyantyantataḥ'।'
annaṃ hi bhūtānāṃ jyeṣṭham'।' tasmāt sarvauṣadhamucyate'।' sarvaṃ vai te'nnamāpnuvanti'।' ye'nnaṃ brahmopāsate'।' annaṃ hi bhūtānāṃ jyeṣṭham'।' tasmāt sarvauṣadhamucyate'।' annād bhūtāni jāyante'।' jātānyannena vardhante'।' adyate'tti ca bhūtāni'।' tasmādannaṃ taducyata iti'॥' tasmādvā etasmādannarasamayāt'।' anyo'ntara ātmā prāṇamayaḥ'।' tenaiṣa pūrṇaḥ'।' sa vā eṣa puruṣavidha eva'।' tasya puruṣavidhatām'।' anvayaṃ puruṣavidhaḥ'।' tasya prāṇa eva śiraḥ'।' vyāno dakṣiṇaḥ pakṣaḥ'।' apāna uttaraḥ pakṣaḥ'।' ākāśa ātmā pṛthivī pucchaṃ pratiṣṭhā'।' tadapyeṣa śloko bhavati'॥'
Alle Wesen, die auf der Erde existieren, werden aus Nahrung geboren; dann leben sie von Nahrung und am Ende werden sie wieder zu Nahrung. So ist Nahrung das älteste aller Geschöpfe. Daher wird sie „die Medizin aller“ genannt. Alle, die die Nahrung als brahman verehren, erhalten Nahrung. Nahrung ist wahrlich das älteste aller Geschöpfe. Daher wird es „die Medizin von allen“ genannt. Aus Nahrung werden alle Wesen geboren und wenn sie geboren sind, wachsen sie durch Nahrung. Nahrung wird von allen Wesen gegessen und sie wiederum isst sie. Daher wird sie anna (Nahrung) genannt. Außer jenem, welches aus der Essenz der Nahrung geschaffen ist, gibt es noch ein weiteres Selbst im Innern, das aus prāṇa gemacht ist. Durch dieses ist jenes angefüllt. Dieses (prāṇa-maya) hat genau die Form des Menschen (puruṣa). Seine menschliche Form entspricht jener menschlichen Form. Prāṇa ist sein Kopf, vyāna ist sein rechter Flügel (Seite), apāna ist sein linker Flügel, ākāśa ist der Rumpf, Erde ist der Unterteil, die Stütze. Mehr dazu im nächsten Vers.
Erläuterung: Prajāḥ – Geschöpfe; prajāyante – werden geboren; jīvanti – leben; jyeṣṭham – der älteste; sarvauṣadham – die Medizin für alle Arten von Krankheiten, die Medizin für alle; jāyante – werden erzeugt; jātāni – geboren; vardhante – wachsen; adyate – werden gegessen; atti – isst; annarasamayāt – weil es voller Nahrung ist; aus der Essenz von Nahrung bestehend; puruṣavidhaḥ – von der Form eines Menschen; puruṣavidhatām – menschliche Form; dakṣiṇaḥ pakṣaḥ – rechter Flügel, rechte Seite; uttaraḥ pakṣaḥ – linker Flügel, linke Seite; pucchaṃ – der Unterteil, die Stütze; pratiṣṭhā – der Sitz, die Füße, die Basis; annāt vai (annādvai) – aus der Nahrung, die in rasa (Saft, Essenz) transformiert worden ist, werden alle Geschöpfe geboren, die beweglichen (jaṅgama) und die unbeweglichen (sthāvara). Alle Geschöpfe auf der Erde werden einzig aus Nahrung geboren. Anna ist die grobe Manifestation der Materie.
Wenn die Wesen geboren sind, leben und wachsen sie durch Nahrung. Und am Ende ihres Lebens gehen sie wieder zur Nahrung, d.h. sie werden in Nahrung absorbiert und aufgelöst. Inwiefern? Nahrung ist von allen Lebewesen das älteste und das zuerst geborene. Sie ist die Grundlage und die Ursache aller anderen Wesen, die aus Nahrung geschaffen sind. Sie ist die Quelle für die anderen kośas (Hüllen). Der prāṇa-maya-kośa und die anderen kośas bestehen zwar nicht aus anna, physischer Nahrung, aber wachsen doch durch die Nahrung, die der Mensch isst.
Insofern werden alle Wesen aus Nahrung geboren, leben durch Nahrung und werden am Ende in Nahrung aufgelöst. Da dies die Natur der Nahrung ist, wird sie „die Medizin für alle“ genannt: Sie kann den Körper kühlen und den brennenden Hunger aller Wesen stillen. Nach dem Tod, nachdem also der prāṇa den Körper verlassen hat, zerfällt der Körper, die physische Hülle (anna-maya-kośa), in die Elemente, die grobe Materie.
Die groben Elemente wurden zuerst geschaffen. Die Körper aller Wesen bestehen aus diesen Elementen. Daher ist annam (Nahrung, Materie) das älteste aller Geschöpfe.
Die śruti fährt nun fort und erklärt die Frucht, die derjenige gewinnt, der die Nahrung als brahman erkannt hat, der über Nahrung als brahman meditiert: Er erhält alle Arten von Nahrung. Er wird eins mit dem virāṭ und erhält alle Nahrung. Wie sollte man meditieren? Folgendermaßen: „Ich bin geboren aus Nahrung. Meine Seele ist Nahrung. Ich habe mein Sein in Nahrung. Am Ende werde ich in Nahrung aufgelöst. Daher ist Nahrung brahman.“ Man könnte fragen: Wie kann die Meditation über die Nahrung als das Selbst dazu führen, dass man alle Nahrung erhält? Die śruti antwortet: „Denn Nahrung ist das älteste aller Wesen, denn sie wurde vor allen anderen Kreaturen geboren und daher wird gesagt, dass sie die Medizin für alle ist.“ Deshalb ist es richtig, dass derjenige, der über die Nahrung als den ātman meditiert, alle Nahrung erhalten sollte.
„Aus der Nahrung werden die Wesen geboren und wenn sie geboren sind, wachsen sie durch Nahrung.“ – Diese Wiederholung fasst das Gesagte zusammen, bzw. sie soll anzeigen, dass damit das gegenwärtige Thema abgeschlossen ist.
Im Folgenden gibt die śruti die Etymologie des Wortes anna: Nahrung wird von allen Wesen gegessen und sie ist selbst der Esser aller Wesen. Da sie gegessen wird und selbst isst, wird sie anna genannt. Nahrung, in ihrem begrenzten Aspekt, wird von allen Wesen gegessen und in ihrem universellen Aspekt werden alle Wesen in ihr absorbiert und aufgelöst. Insofern ernährt sie sich von allen Wesen.
Iti [... taducyata iti'॥] – kennzeichnet hier den Abschluss der Abhandlung über die erste Hülle (kośa).
Die śruti zeigt im Folgenden, dass die individuelle Seele eins mit brahman ist. Brahman ist im Innern und gleichzeitig jenseits der fünf Hüllen, angefangen von anna-maya-kośa (der Nahrungshülle) bis hin zu ānanda-maya-kośa (der Glückseligkeits-Hülle). Die śruti extrahiert den Kern im Innern, indem sie ihn von den fünf Hüllen befreit, die alle aus Unwissenheit geformt sind. Es ist, wie wenn man die Spreu vom Weizenkorn trennt und so das Korn sichtbar macht.
Im Weiteren führt die śruti den Geist, mit all seinem Verlangen nach Sinnesobjekten, zum inneren Sein hinter dem anna-maya-kośa, indem sie die Natur des prāṇa und des prāṇa-maya-kośa (der Hülle der Lebensenergie) erklärt. Das innere Selbst aus prāṇa ist verschieden von der Nahrungshülle, wird aber nur fälschlich als der ātman angesehen und mit dem wahren Selbst identifiziert. Das prāṇa-Selbst füllt das Nahrungs-Selbst von innen, so wie die Luft einen Blasebalg füllt, ist aber noch nicht das wahre Selbst.
Die Nahrungshülle wird von vier anderen Hüllen durchdrungen, beginnend mit prāṇa-maya-kośa. Dieser wird wiederum von mano-maya-kośa durchdrungen und dieser von vijñāna-maya-kośa; dieser von ānanda-maya-kośa.
Der anna-maya-kośa ist angefüllt vom prāṇa-maya, so wie die Schlange vom Seil „angefüllt“ ist (wobei letzteres fälschlicherweise als Schlange angesehen wird). Der anna-maya-kośa ist eine Wirkung des prāṇa-maya und ist eine reine Einbildung. So wie die śruti sagt: „Jegliche Wirkung ist nur ein Name, eine Schöpfung der Sprache.“
Der prāṇa-maya-kośa ist feiner als die physische Hülle. Die Lebenskräfte des prāṇa-maya führen die verschiedenen Funktionen des Körpers aus (Verdauung, Blutkreislauf, Ausscheidung etc.) und lenken den Körper von innen. Der prāṇa-maya enthält die fünf karmendriyas (Handlungsorgane): Sprechorgan, Hände, Füße, Geschlechts- und Ausscheidungsorgan. Die verschiedenen Glieder des physischen Körpers haben ihre Entsprechung im prāṇa-maya-kośa. Dieser, zusammen mit dem Mentalkörper und dem Körper des Intellekts, bilden den liṅga-śarīra, den feinstofflichen oder auch Astralkörper.
Das prāṇa-maya-Selbst hat die Form des Menschen, mit Kopf, Händen usw. Hat es dann in sich selbst einen Kopf, Hände etc.? Die śruti sagt: Nein. Nur das Nahrungs-Selbst hat eine menschliche Form. Das prāṇa-maya-Selbst hingegen ist nur nach dem Nahrungs-Selbst geformt, so wie eine Statue geformt ist nach der Gussform, in die das flüssige Metall gegossen worden ist. Die Statue selbst hat eigentlich nicht selbst die Form. Entsprechend ist das innere Selbst geformt nach dem äußeren. So wie Wasser die Form des Kruges annimmt, so nimmt auch der prāṇa-maya-kośa die Form des anna-maya-kośa an.
Die śruti erklärt: Der prāṇa, der aus Nase und Mund herausströmt, ist selbst der Kopf des prāṇa-maya-Selbst. Entsprechend kann man sich die Seiten etc. des prāṇa-maya-Selbst vorstellen. Vyāna, die Luft, die den ganzen Körper durchdringt, ist die rechte Seite; apāna ist die linke Seite; samāna, die im ākāśa, der Mitte des Körpers, wohnt, ist der Rumpf oder das Zentrum. Der zentrale Teil ist der ātman. Die śruti sagt: „Wahrlich, der mittlere dieser Glieder ist der ātman.“ Die Erde ist der Unterteil, die Stütze. Die Erde ist die Gottheit, die das Leben des Körpers trägt. Sie ist die Grundlage seiner Existenz. Anderswo sagt die śruti: „Diese (Erde) unterstützt den apāna des Menschen. Aber dazu wird der Körper hochgehalten durch die Tätigkeit von udāna. Sonst würde er durch sein eigenes Gewicht zusammenfallen.“ So ist also die Erde der Unterteil, die Stütze, des prāṇa-maya-Selbst. Die Erde ist die Lebenskraft, die sich aufwärts bewegt. Sie wird „Erde“ genannt, weil sie die Stütze der Lebenskräfte ist.
Hier endet der zweite Anuvāka der Brahmānanda-Vallī.
Tṛtīyo 'nuvākaḥ (Dritte Lektion)
prāṇaṃ devā anu prāṇanti'।' manuṣyāḥ paśavaśca ye'।' prāṇo hi bhūtānāmāyuḥ'।' tasmāt sarvāyuṣamucyate'।'
sarvameva ta āyuryanti'।' ye prāṇaṃ brahmopāsate'।'
prāṇo hi bhūtānāmāyuḥ'।' tasmāt sarvāyuṣamucyata iti'।'
tasyaiṣa eva śārīra ātmā'।' yaḥ pūrvasya'।' tasmādvā etasmātprāṇamayāt'।' anyo'ntara ātmā manomayaḥ'।' tenaiṣa pūrṇaḥ'।' sa vā eṣa puruṣavidha eva'।' tasya puruṣavidhatām'।' anvayaṃ puruṣavidhaḥ'।' tasya yajureva śiraḥ'।' ṛgdakṣiṇaḥ pakṣaḥ'।' sāmottaraḥ pakṣaḥ'।' ādeśa ātmā'।' atharvāṅgirasaḥ pucchaṃ pratiṣṭhā'।' tadapyeṣa śloko bhavati'॥'
Durch prāṇa leben die Götter und so auch die Menschen und die Tiere. Prāṇa ist wahrlich das Leben der Wesen. Deswegen wird er „das universale Leben“ genannt oder „das Leben aller“. Diejenigen, die prāṇa als brahman verehren, erreichen die volle Lebensspanne. Prāṇa ist wahrlich das Leben der Wesen. Daher wird er „das universale Leben“ bzw. „das Leben aller“ genannt.
Von jenem (anna-mayātmā) ist dieser (prāṇa-mayātmā), der im Körper erzeugt wird, die Seele. Verschieden von diesem prāṇa-maya-Selbst gibt es noch ein anderes Selbst, das aus dem manas gemacht ist. Von diesem Selbst, das aus dem manas gemacht ist, ist jenes (das prāṇa-maya-Selbst) angefüllt. Dieses hat auch die Form des Menschen. Seine menschliche Form ist die des anderen (Körpers). Von dieser (manas-Form) ist yajus [Opfersprüche des Yajur-Veda] der Kopf; ṛc [Verse, Hymnen des Ṛg-Veda] ist die rechte Seite; sāman [Melodien, Lieder des Sāma-Veda] ist die linke Seite; die Anweisungen der Schriften (ādeśa) sind der Rumpf; atharva-āṅgirasa ist der Unterteil, die Stütze. Mehr dazu im nächsten Vers.
Erläuterung: Devāḥ – die Götter bzw. die Sinne; paśavaḥ – Tiere; puruṣa-vidhaḥ – von der Form des Menschen; puruṣa-vidhatām – menschliche Form; sarvam āyus – volles Leben; [sarvāyuṣam – Lebenselement des Universums]; ādeśaḥ – Anweisung, Vorschrift; es bezeichnet hier brahman (d.h. brāhmaṇa), eine Abteilung der Veden, denn es schreibt alles vor, was vorgeschrieben werden sollte.
Die Götter leben durch prāṇa. Die Götter (Agni, Vāyu etc.) führen die Handlung des Atmens usw. durch gemäß oder durch prāṇa, der die Form von Luft hat. Nur durch prāṇa leben die Götter. In ihrem makroskopischen Aspekt herrschen die Götter über die verschiedenen Funktionen der Natur. In unserem Text aber geht es um die Einzelseele. Hier bezeichnet das Wort „Götter“ die Sinne. Durch die Schwingung des prāṇa üben die Götter ihre zugewiesenen Aufgaben aus. Nur wenn prāṇa tätig ist, können die Götter tätig werden. Die Sinne erhalten ihr Leben nur vom prāṇa. Und auch die Menschen und Tiere können nur tätig sein, wenn prāṇa, das Lebensprinzip, tätig ist. Die Lebewesen haben ihre Existenz nicht nur im anna-maya-Selbst, sondern auch im prāṇa-maya-Selbst, das innerhalb des anna-maya-Selbst wohnt und den ganzen physischen Körper durchdringt.
Alle Lebewesen haben ein mano-maya-, vijñāna-maya- und ānanda-maya-Selbst, jeweils eins innerhalb des anderen. Das innere Selbst durchdringt jeweils das äußere. Alle diese „Selbste“ bestehen aus ākāśa und den anderen Elementen. Sie alle existieren nur durch Unwissenheit. Sie alle sind im Besitz der höchsten Seele, brahman, das überall ist, das alles ist, das die Ursache von ākāśa etc. ist, das ewig, unveränderlich, selbstexistent ist, das Existenz, Wissen und Unendlichkeit ist und das jenseits der fünf Hüllen ist. Das ist wahrlich das Selbst aller, der ātman.
Es wurde gesagt, dass die Götter durch prāṇa leben. Wie kommt das? Prāṇa ist das Leben von allen. Die Kauṣītaki-Upaniṣad (3.2) [aus dem Ṛg-Veda] sagt: „Solange prāṇa in diesem Körper ist, so lange ist da Leben.“ Jeder weiß, dass der Tod eintritt, wenn prāṇa den Körper verlässt.
Wer den äußeren, speziellen anna-mayātman nicht weiter beachtet und über den inneren, allgemeinen prāṇa-mayātman als brahman meditiert im Sinne von: „Ich bin prāṇa, ich bin der ātman von allem, das Selbst aller Wesen, die Grundlage jeglichen Lebens“, stirbt niemals vorzeitig. Er stirbt keinen unnatürlichen Tod, bevor seine vorgesehene Lebensdauer abgelaufen ist. Gemäß den Veden ist die volle Lebensspanne hundert Jahre.
Die śruti sagt: „Prāṇa ist das Leben aller Wesen, daher sagt man, dass er das Leben aller ist.“ Diese Wiederholung soll die Nützlichkeit dieses Wissens (upāsana) ins Bewusstsein rufen. Wer immer über bestimmte Attribute des brahman meditiert, erhält genau diese Eigenschaften.
Die śruti macht jetzt klar, was das Ziel all dieser Lehren bezüglich des prāṇa-maya-kośa ist: Dieser ist das Selbst, das im anna-maya-kośa wohnt. Dieser physische Körper wird fälschlich als der reine ātman angesehen – eine falsche Identifikation, bedingt durch Unwissenheit. Die śruti möchte, dass du die Idee aufgibst, dass der Körper das Selbst ist. Du sollst die Idee aufgreifen, dass der prāṇa-maya-kośa das Selbst ist. So wird der Geist vom Groben zum Feineren, dem prāṇa-maya-kośa geführt. Wenn diese Idee tief verankert ist, dann verschwindet die Illusion, dass der anna-maya das eigene Selbst ist. Anna-maya ist nur der Körper und prāṇa-maya ist das Selbst, das im physischen Körper wohnt.
Ananda Giri interpretiert es so, dass derselbe cid-dhātu (das Prinzip des Bewusstseins), welcher das wahre Selbst des anna-maya ist, auch das Selbst des prāṇa-maya ist.
Die śruti geht jetzt weiter zum mano-maya-Selbst. Manas (das Denkorgan) ist jener innere Sinn, jenes innere Organ, das aus saṅkalpa (Gedanke, Wille) und vikalpa (Zweifel) besteht. Er ist der Sitz der Willenskraft. So wie der anna-maya-kośa aus Nahrung gemacht ist, so ist der mano-maya-kośa aus Verstand, Gefühlen etc. gemacht.
Das mano-maya-Selbst ist das innere Selbst des prāṇa-maya-Selbst. Es durchdringt den prāṇa-maya-kośa. Letzterer ist angefüllt vom mano-maya-kośa. Dieser enthält die Organe des Wissens, also Ohr, Haut, Auge, Zunge und Nase. Aber die wirklichen Sinne sind im Innern. Was man von außen sieht, die physischen Augen etc., sind nur Instrumente. Der mano-maya-kośa ist subtiler und ausgedehnter als der prāṇa-maya-kośa, der wiederum feiner und ausgedehnter ist als der annamaya-kośa.
Der mano-maya-kośa, die mentale „Hülle“, ist im Innern des prāṇa-maya-kośa wie der Schlauch im Reifen oder die Blase im Fußball. Durch den mano-maya-kośa sagst du: „Ich denke“, „Ich stelle mir vor.“ Zum Zweck der Kontemplation wird er wie eine menschliche Form beschrieben, mit fünf Gliedern – Kopf, rechte Seite, linke Seite, Rumpf und Unterkörper. So wie Wasser die Form des Kruges annimmt oder das flüssige Metall die Gestalt der Gussform, so formt sich der mano-maya-kośa nach dem prāṇa-maya-kośa.
Des Weiteren erklärt die śruti die Meditation über das mano-maya-Selbst: Das yajus ist eine Klasse von Hymnen bzw. mantras (Opfersprüchen des Yajur-Veda), die keinen bestimmten Regeln bezügl. Silben, Versmaß etc. folgen. Alle Kompositionen dieser Art werden yajus genannt. Wegen ihre besondere Bedeutung werden die yajus-mantras als Kopf dargestellt. Sie sind deshalb wichtig, weil sie unmittelbar in Opferritualen eingesetzt und zusammen mit dem Ausruf svāhā (Heil!/Segen!) mit der Opfergabe dargebracht werden. Oder anderes dargelegt: Das, was wir yajus nennen, ist nur ein manovṛtti, d.h. ein Gemütszustand, ein Modus, eine Funktion, ein Akt des Geistes. Er entsteht über Stimme, Klang, Intonation der Silben, inneres Engagement, Meditation etc. Der Gedanke, der sich hierdurch manifestiert, nennt sich yajus. Dasselbe gilt für die ṛc- und sāman-Hymnen.
Die yajus-mantras repräsentieren das Wissen des ātman, das von der Aktivität des Geistes abhängt und durch upādhis (Hüllen, die das Selbst umgeben) begrenzt ist. Sie repräsentieren die Vitalität des ātman, der weder einen Anfang noch ein Ende hat. Mit anderen Worten: Die Veden sind ewig!
Die śruti spricht von der Einheit der Veden mit dem ewigen Selbst: „Er ist der ātman, der im manas verborgen ist und in dem alle Veden eins werden.“ Diese Worte haben nur dann einen Sinn, wenn der ṛc etc. ewig sind. Die Hymne sagt auch: „Die ṛcs wohnen in akṣara (dem Unzerstörbaren, dem höchsten Himmel), in dem alle devas ihren Sitz haben“ (Taittirīya-Āraṇyaka, Kṛṣṇa-Yajur-Veda).
Die atharvāṅgirasa sind mantras, die von Atharvan (Feuerpriester und ältester Sohn von Brahmā) und Aṅgiras (einer der saptarṣis, der sieben Weisen) gesehen worden sind. Die dazugehörigen brāhmaṇas sind der Unterteil, die Stütze, denn sie handeln hauptsächlich von Ritualen, die das Wohlergehen der Menschen fördern, indem sie Frieden und Stärke bringen.
Hier endet der dritte Anuvāka der Brahmānanda-Vallī.
Caturtho 'nuvākaḥ (Vierte Lektion)
yato vāco nivartante'।' aprāpya manasā saha'।' ānandaṃ brahmaṇo vidvān'।'
na bibheti kadācaneti'।' tasyaiṣa eva śārīra ātmā'।' yaḥ pūrvasya'।'
tasmādvā etasmānmanomayāt'।' anyo'ntara ātmā vijñānamayaḥ'।'
tenaiṣa pūrṇaḥ'।' sa vā eṣa puruṣavidha eva'।' tasya puruṣavidhatām'।' anvayaṃ puruṣavidhaḥ'।' tasya śraddhaiva śiraḥ'।' ṛtaṃ dakṣiṇaḥ pakṣaḥ'।' satyamuttaraḥ pakṣaḥ'।' yoga ātmā'।' mahaḥ pucchaṃ pratiṣṭhā'।'
tadapyeṣa śloko bhavati'॥
Woher die Sprache zurückkehrt, zusammen mit dem manas, ohne Es zu erreichen – wer die Glückseligkeit von diesem brahman kennt, fürchtet sich zu keiner Zeit. Dieser manas ist die verkörperte Seele dessen (des brahman). Der prāṇa-maya hat den mano-maya als sein Selbst und dieser hat den prāṇa-maya zu seinem Körper.
Dieser mano-maya („der aus dem manas gemacht ist“) unterscheidet sich von einer anderen inneren Seele, die aus Wissen gemacht ist (vijñāna). Durch diese wird jener (mano-maya) angefüllt. Auch diese (innere Seele) hat die Form eines Menschen. Entsprechend jener menschlichen Form ist diese menschliche Form (vijñāna-maya). Hingabe (śraddhā) ist ihr Kopf; Gerechtigkeit (ṛtam) ist ihre rechte Seite; Wahrheit (satyam) ist ihre linke Seite; Yoga (Meditation) ist ihr Rumpf (das Selbst); mahaḥ (hiraṇya-garbha, kosmischer manas) ist ihr Unterteil, die Stütze. Mehr dazu im nächsten Vers.
Erläuterung: Vidvān – der, der weiß; na bibheti – fürchtet sich nicht; vijñāna-mayaḥ – aus Wissen geformt; ṛtam – Gerechtigkeit; satyam – Wahrheit.
Brahman ist jenseits von Sprache und Denken. Aber man kann brahman auf intuitive Weise verwirklichen, durch Meditation und nirvikalpa-samādhi. Wenn man die ewige Glückseligkeit des brahman kennt, wird man absolut furchtlos und frei von Angst. Angst kann nur dort aufkommen, wo Dualität ist. Wie kann es Angst geben für jemanden, der die Einheit des Selbst überall sieht?
Der mano-maya-kośa besteht aus vṛttis bzw. saṅkalpas (Gedanken). Er ist feiner als der prāṇa-maya-kośa und kontrolliert diesen von innen. Er ist das innere Selbst des prāṇa-maya-kośa.
Innerhalb der Hülle, die aus dem manas besteht (mano-maya), ist da noch ein weiteres Selbst, bestehend aus vijñāna, Wissen. Dieses Selbst ist das innere Selbst des mano-maya und füllt ihn aus. Im vorangehenden anuvāka (Lektion 3) sahen wir, dass der mano-maya aus den Veden besteht. Vijñāna ist das Wissen, das in den Veden gelehrt wird.
Die śruti führt den Sucher, der sich von anna-maya, prāṇa-maya und mano-maya zurückgezogen hat, noch weiter nach innen, sogar über den mano-maya hinaus. Vijñāna-maya ist Entscheidungswissen, eine Eigenschaft des Intellekts. Es ist die Entscheidungsfähigkeit, die den manas leitet. Wenn der manas zweifelt, ob er dies oder das tun soll, kommt der vijñāna-maya zur Hilfe, indem er zu einem Entschluss kommt: „Ich muss dies tun!“ Die Opferrituale werden erst dann ausgeführt, wenn sie aus rechten Quellen des Wissens abgesichert sind. Vijñāna ist die Grundlage aller Opferrituale.
Der mano-maya besteht aus vṛttis, Zuständen des manas. Vijñāna hingegen ist der Besitzer dieser Zustände. Er ist die Wirkursache aller Gedanken.
Nun geht die śruti dazu über, die Methode der Meditation über das vijñāna-maya-Selbst zu erläutern: Wer durch die Veden ein abgesichertes Wissen erlangt hat, gewinnt zunächst Glauben und Vertrauen (śraddhā) in Hinsicht auf die Dinge, die zu tun sind. Da Vertrauen das Erste ist, wenn es darum geht, was zu tun ist, ist es sozusagen der Kopf des vijñāna-maya. Vertrauen ist der Hauptfaktor hinsichtlich Wissens.
Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit werden die Seiten („Flügel“) genannt, denn ohne diese kann sich keine feste Überzeugung erheben.
Yoga ist Konzentration und Meditation. Yoga ist sozusagen der Rumpf, denn ohne Meditation kann man kein Wissen über die Realität gewinnen. Mahaḥ, d.h. das Prinzip des mahat (hiraṇya-garbha, kosmischer manas) wird „das Rückgrat“ bzw. „die Stütze“ genannt, denn sie ist die Ursache und Stütze des individuellen Intellekts, so wie etwa die Erde die Grundlage und Stütze der Bäume und Sträucher ist. Mahat ist das große Prinzip, das zuerst geboren wurde. An anderer Stelle sagt die śruti: „der große Anbetungswürdige, der Erstgeborene“ (Bṛhadāraṇyaka-Upaniṣad 5.4). Er ist die Stütze und Quelle allen Wissens. Daher ist er die Stütze des ātman, das aus Wissen gemacht ist, des vijñāna-maya-Selbst.
Hier endet der vierte Anuvāka der Brahmānanda-Vallī.
Pañcamo 'nuvākaḥ (Fünfte Lektion)
vijñānaṃ yajñaṃ tanute'।' karmāṇi tanute'pi ca'।' vijñānaṃ devāḥ sarve'।' brahma jyeṣṭhamupāsate'।' vijñānaṃ brahma cedveda'।' tasmāccenna pra-mādyati'।' śarīre pāpmano hitvā'।' sarvān kāmān samaśnuta iti'।' tasyaiṣa eva śārīra ātmā'।' yaḥ pūrvasya'।' tasmādvā etasmādvijñānamayāt'।' anyo'ntara ātmānandamayaḥ tenaiṣa pūrṇaḥ'।' sa vā eṣa puruṣavidha eva'।' tasya puruṣavidhatām'।' anvayaṃ puruṣavidhaḥ'।' tasya priyameva śiraḥ'।' modo dakṣiṇaḥ pakṣaḥ pramoda uttaraḥ pakṣaḥ'।' ānanda ātmā'।'
brahma pucchaṃ pratiṣṭhā'।' tadapyeṣa śloko bhavati'॥
Wissen führt das Opfer aus, ebenso wie karma. Alle Götter verehren das Wissen als brahman, das Älteste. Wenn ein Mensch das Wissen als brahman erkannt hat und nicht davon abweicht, werden all seine Wünsche erfüllt, nachdem er seine Sünden des Körpers zurückgelassen hat.
Von jenem ist dieses das verkörperte Selbst. Verschieden von diesem Selbst, das aus Wissen besteht (vijñāna-maya), gibt es ein anderes Selbst im Innern, das aus Glückseligkeit besteht. Von diesem ist jenes angefüllt. (Ānanda-maya füllt und durchdringt vijñāna-maya.) Auch es hat die Form des Menschen. Gemäß der menschlichen Form von jenem ist die menschliche Form von diesem. Dieses hat Liebe (priya) als Kopf. Freude (modaḥ) ist die rechte Seite („Flügel“); Entzücken (pramodaḥ) ist die linke Seite; Glückseligkeit (ānandam) ist der Rumpf (das Selbst); brahman ist der Unterteil, die Stütze. Mehr dazu im nächsten Vers.
Erläuterung: Ānanda-mayaḥ – aus Glückseligkeit geformt; priyam – Liebe; modaḥ – Freude, Befriedigung; Freude, die sich aus erfüllten Wünschen ergibt; pramodaḥ – Entzücken, große Zufriedenheit, intensivierte Freude.
Vijñāna (Wissen) vollzieht die Opfer, denn ein Mensch, der Wissen hat, opfert mit Glauben, Vertrauen und Hingabe. Daher wird Wissen der Handelnde genannt. Buddhi (Intellekt) fasst den Entschluss und manas und die Sinne wirken durch den grobstofflichen Körper. Insofern ist vijñāna der eigentliche Tätige.
Das Wort karma bezieht sich zunächst nur auf heilige Opferhandlungen, aber hier schließt es auch normale Handlungen ein. Alle Handlungen werden gemäß dem Beschluss und der Zustimmung des Intellekts ausgeführt.
Da alle Handlungen durch Wissen (vijñāna) ausgeführt werden, ist das vijñāna-maya-Selbst brahman. Alle Götter (Indra etc.) meditieren über hiraṇya-garbha, welcher der Älteste ist. Denn Er ist der Erstgeborene, die erste Manifestation und die Quelle aller individuellen Aktivitäten. Alle Handlungen beruhen auf vorangehendem Wissen. Alle Götter vertrauen in diese Seele des Wissens und meditieren über sie. Dadurch, dass sie das große brahman verehren, gewinnen sie Wissen und Macht. Wenn sie über hiraṇya-garbha meditieren, identifizieren sie sich mit Ihm und erreichen dadurch übernatürliche Kräfte (aiśvarya) und Wissen (jñāna).
Wenn ein Mensch ständig über hiraṇya-garbha meditiert, fühlt er sich eins mit Ihm und erreicht wunderbare Kräfte.
Wenn ein Mensch auf diese Weise über hiraṇya-garbha meditiert und Ihn verwirklicht, und wenn er danach niemals von jenem brahman abweicht oder ihn verlässt, und wenn er ständig diesen Gedanken mit sich trägt, dass das vijñāna- maya-Selbst brahman ist, wird er außerdem frei von allen Sünden.
Alle Sünden ergeben sich aus der Identifikation des Selbst mit dem Körper. Der Körper ist die letzte Ursache aller Sünden und allen Elends. Wenn man sich aber mit hiraṇya-garbha identifiziert, durch stetige Meditation und Verehrung, verschwindet das Körperbewusstsein und damit jegliche Sünde; in etwa so wie der Schatten verschwindet, wenn der Schirm weggenommen wird. Er wird eins mit hiraṇya-garbha bzw. vijñāna-maya-brahman und alle seine Wünsche werden erfüllt.
Die śruti geht nun dazu über, die Natur des ānanda-maya-Selbst zu erklären. Das ānanda-maya-Selbst ist auch eine Wirkung. Es ist der „Genießende“, und zwar durch avidyā (Unwissenheit), denn es identifiziert sich selbst mit dem antaḥkaraṇa, dem inneren Sinn, der wiederum vierfach ist: manas, Intellekt, Erinnerung und Ego. Das ānanda-maya-Selbst besteht aus den latenten Eindrücken von Liebe und anderen Formen des Glücks. Der ānanda-maya ist der Samen- bzw. Kausalkörper (kāraṇa-śarīra). Dieser Körper ist im Tiefschlaf aktiv. Die Gesamtsumme aller Kausalkörper aller Einzelseelen konstituiert die upādhi bzw. māyā von Īśvara.
Liebe (priya) kommt hoch, wenn man das geliebte Kind anblickt. Sie ist der Kopf des ānanda-maya-Selbst, weil sie das Eindringlichste und Hervorstechendste ist. Es ist das ānanda-maya-Selbst, das fühlt: „Ich bin glücklich, ich bin der Genießende.“
Freude (modaḥ) kommt hoch, wenn man z.B. ein ersehntes Objekt bekommt. Euphorie (pramodaḥ) ist die gesteigerte Form davon. Liebe, Freude und Entzücken sind Reflektionen der Glückseligkeit, die in sattvigen Zuständen des Geistes aufkommen.
Glückseligkeit (ānanda) ist der Rumpf. Sie ist das Zentrum der Liebe, Freude und des Entzückens, denn sie zieht sich durch alle diese hindurch und ist mit ihnen ständig verbunden. Ānanda ist das nichtbedingte, höchste brahman. Diese Glückseligkeit wird manifest in einem manas, der nicht durch tamas verdunkelt ist. Sie kommt auf, wenn ihm geliebte Dinge oder Personen präsentiert werden. Dies sind letztlich sinnliche Freuden (viṣaya-sukha). Solche Freuden sind vorübergehend, denn das karma, das sie hervorbringt, ist vergänglich.
Wenn der Geist durch Askese, Wissen, Keuschheit, Vertrauen und Hingabe gereinigt wird, wird er mehr und mehr frei von tamas und wird friedvoll und in sich ruhend. Dann wird die innere Freude größer und größer. An späterer Stelle sagt die śruti: „Freude ist Er.“ Man wird immer glückseliger, denn „dies ist es, was Freude erzeugt.“ Es gibt noch einen anderen Text: „Alle Wesen leben von einem kleinen Teil dieser Glückseligkeit“ (Bṛhadāraṇyaka-Upaniṣad 4.3.32).
Die Glückseligkeit zeigt sich in Abstufungen je nach Art des karma. Glückseligkeit ist hundert Mal stärker als die Befriedigung durch die Erfüllung eines Wunsches. Die śruti beschreibt an anderer Stelle, wie die Glückseligkeit mit dem Faktor Hundert zunimmt, je nachdem, wie der Mensch seine Wünsche hinter sich gelassen hat.
Das ānanda-maya-Selbst wird von brahman, dem Urgrund von allem, gestützt.
Das höchste brahman, das als satyaṃ jñānaṃ ānantam (Sein/Wahrheit, Wissen und Unendlichkeit) beschrieben worden ist, ist der Hauptgegenstand dieser Abhandlung. Die Beschreibung der fünf Hüllen hat den Zweck, auf das höchste brahman hinzuweisen, das jenseits der fünf Hüllen ist. Das höchste brahman, das im Innern der fünf Hüllen wohnt, ist das Selbst von ihnen allen. Das nonduale brahman stellt die letztendliche Basis aller Dualität dar, die nur durch Unwissenheit erschaffen worden ist. Da ānanda-maya schließlich zur Einheit führt, kann man brahman, das alles unterstützt und die Grundlage aller Vielfalt ist, als die Stütze, als das Rückgrat des ānanda-maya bezeichnen.
Die fünf Hüllen (kośas) des Menschen sind hier beschrieben, um das große Übel des saṃsāra zu zerstören. Löse jede Hülle auf in das, was ihr jeweils unmittelbar folgt, bis hin zur letzten Ursache. Schließlich wirst du dann zum Wissen um brahman geführt werden, das jenseits der Dualität von Ursache und Wirkung ist, das weder Ursache noch Wirkung ist. Du wirst dann die Einheit der Einzelseele mit dem höchsten Selbst verwirklichen.
Māyā ist die illusionserzeugende Kraft von brahman. Sie ist die materielle Ursache des Universums. Sie besteht aus den drei guṇas (Eigenschaften) sattva (Reinheit), rajas (Leidenschaft, Wille) und tamas (Dunkel-, Träg- und Faulheit):
von Trägheit.
des Handelns (kriyā-śakti).
herrschen neben tugenhaften auch tamasige Qualitäten (wie Hass, Neid, Faulheit etc.) im manas.
werden sowohl tugendhafte Eigenschaften, wie Erkenntnisfähigkeit (jñāna-śakti), als auch rajasige Qualitäten, wie Willenskraft und Wünsche (icchā-śakti), durch manas und buddhi erzeugt.
Freude und Wonne.
Icchā-śakti erzeugt Wünsche. Jñāna-śakti gibt dem Menschen das Wissen, wie er ein gewünschtes Objekt bekommen kann, und durch kriyā-śakti holt (bzw. erarbeitet) er sich das.
Geburt und Tod sind die dharmas (Attribute) des anna-maya-kośa. Hunger und Durst sind die dharmas des prāṇa-maya. Moha (Unbewusstheit) und śoka (Kummer, Schmerz) sind die Attribute des mano-maya. Der ātman ist immer rein und unverhaftet. Er ist absolut frei von den ṣaḍūrmis („sechs Wellen“, die Leid erzeugen im Ozean des saṃsāra): śoka – Kummer, Leid, Trauer; moha – Täuschung, Dummheit; pipāsā – Durst; kṣudhā – Hunger; jarā – Altern; mṛtyu – Tod.*
Anna-maya-kośa ist der grobstoffliche Körper (sthūla-śarīra), während prāṇa-, mano- und vijñāna-maya-kośa zum feinstofflichen Körper (liṅga-śarīra) zählen und ānanada-maya-kośa zum Kausalkörper (kāraṇa- śarīra).
Der grobstoffliche/physische Körper ist im Wachzustand aktiv, der feinstoffliche Körper im Traumzustand und der Kausalkörper im Tiefschlaf. Im Tiefschlaf stellt der ānanda-maya-kośa den dünnen Schleier dar, der die Einzelseele von der höchsten Seele, brahman, trennt.
Hier endet der fünfte Anuvāka der Brahmānanda-Vallī.
Ṣaṣṭho 'nuvākaḥ̣ (Sechste Lektion)
asanneva sa bhavati'।' asad brahmeti veda cet'।' asti brahmeti cedveda'।'
santamenaṃ tato viduriti'।' tasyaiṣa eva śārīra ātmā'।' yaḥ pūrvasya'।'
athāto'nupraśnāḥ'।' utāvidvānamuṃ lokaṃ pretya kaścana gacchatī3 u'।'
āho vidvānamuṃ lokaṃ pretya kaścitsamaśnutā 3 u'।' so'kāmayata'।'
bahu syāṃ prajāyeyeti'।' sa tapo'tapyata'।' sa tapastaptvā'।' idaṃ sarvamasṛjata'।'
yadidaṃ kiñca'।' tat sṛṣṭvā tadevānuprāviśat'।' tadanupraviśya'।'
sacca tyaccābhavat'।' niruktaṃ cāniruktaṃ ca'।' nilayanaṃ cānilayanaṃ ca'।'
vijñānaṃ cāvijñānaṃ ca'।' satyaṃ cānṛtaṃ ca satyamabhavat'।' yadidaṃ kiñca'।'
tatsatyamityācakṣate'।' tadapyeṣa śloko bhavati'॥
Wer brahman als nichtexistent ansieht, wird selbst nichtexistent. Wer brahman als existent erkennt, den erkennt man als existent. Wahrlich, dieser (ānanda-maya-kośa) ist das verkörperte Selbst von Jenem (brahman).
Daraus entsteht die Frage: Geht der, der nicht erkennt, dort hin, wenn er den Körper verlassen hat? Und erreicht der, der erkennt, Jenes, nachdem er die Welt verlassen hat?
Er wünschte: „Möge ich viele sein; möge ich geboren werden.“ Er übte tapas. Nachdem Er tapas geübt hatte, brachte Er all dies hervor. Nachdem Er es hervorgebracht hatte, trat Er in es ein. Nachdem Er eingetreten war, wurde Er sat (Seiendes, Manifestes) und tyat (das Jenseitige, was nicht manifest ist), das Definierte und das Undefinierte, der Wohnsitz und der Nichtwohnsitz, Wissen und Unwissenheit, Wahrheit und Falschheit und all dies, was immer existiert. Daher wird es „Existenz“ genannt. Mehr dazu im nächsten Vers.
Erläuterung: Asat – nichtexistent; avidvān – jemand, der nicht weiß; vidvān – jemand, der weiß; pretya – nachdem er gestorben ist; amum – das; lokam – die Welt; gacchati – geht; āho – Oh! Sage mir!; akāmayata – wünschte; prajāyeya – möge ich erzeugen; so'kāmayata bahu syāṃ prajāyeyeti – möge ich viele sein; möge ich geboren werden; bahu – viele; syām – möge ich sein; ich werde sein; tapas – hier: Wissen. Brahman dachte nach über den Plan, wie die Welt geschaffen werden sollte. Tat sṛṣṭvā tadevānuprāviśat – nachdem Er es hervorgebracht hatte, trat Er in es ein; sat – seiend; was manifest ist; tyat – das Jenseitige, was nicht manifest ist; niruktam – definiert; aniruktam – nichtdefiniert; nilayanam – der Wohnsitz, die Stütze; anilayanam – Nichtwohnsitz, nicht unterstützt, nicht eine Stütze; vijñānam – Wissen; avijñānam – Unwissenheit; satyam – Wahrheit; anṛtam – Falschheit; ācakṣate – nennen.
Wer nicht an die Existenz von brahman glaubt, führt ein Leben der Sinne. Er ist lasterhaft. Er hat keine höheren Ideale. Für ihn ist die Welt alles. Er identifiziert sich mit dem physischen Körper und den anderen „Hüllen“ und sieht sie als das wahre Selbst an. Er wird „nichtexistent“. Er erreicht keine Unsterblichkeit und kein ewiges Leben. Er stürzt in die Tiefe von Dunkelheit und Unwissenheit und ist gefangen im Kreislauf von Geburt und Tod.
Wenn hingegen ein Mensch erkannt hat, dass brahman existiert, dass brahman alles unterstützt und die Grundlage der Differenzierung ist, dass brahman der Same jeglicher Handlung ist und dass in Ihm keine Verschiedenheit existiert – wenn er das erkannt hat, führt er ein Leben der Tugend. Er hat Ideale und höhere Aspirationen. Er führt kein Leben der Sinne. Er verhält sich richtig hinsichtlich Kaste, Lebensstadien usw. Er entwickelt inneren Abstand und Unterscheidungsfähigkeit und hält sich fern von Sinnlichkeit. Er meditiert, arbeitet hart, um brahman zu erreichen, und wird schlussendlich eins mit Ihm. Die Weisen betrachten ihn als „existierend“, denn er ist eins geworden mit brahman, das selbst Existenz (sat) ist.
Wie könnte man die Existenz von brahman überhaupt anzweifeln? Das kommt daher, dass brahman jenseits der Erfahrung ist, jenseits der menschlichen Sprache. Man glaubt im Allgemeinen nur an die Existenz dessen, was in den Bereich der Sprache fällt. Daher ist es verständlich, dass man nicht an etwas glaubt, das nicht ausgesprochen werden kann. Die Leute verstehen, dass ein Krug existiert, denn man kann über ihn reden. Wenn man nicht über ihn sprechen kann, existiert er nicht für sie. Ebenso glaubt so mancher, dass brahman nicht existiert. Daher wird gesagt: „Wenn er weiß, dass brahman existiert, […]“.
Ānanda-maya ist das verkörperte Selbst des vijñāna-maya. Er ist subtiler und ausgedehnter als letzterer. Er durchdringt diesen. Ānanda-maya ist sozusagen das Selbst, das im vijñāna-maya-kośa wohnt.
Doch niemals kann es einen Zweifel geben, dass ānanda-maya nicht existiert. Im Gegensatz dazu kann man aber brahman anzweifeln, denn Es ist ohne alle Unterscheidungen und Es ist allen gemeinsam.
Jetzt kommen die Fragen der Schüler an den Lehrer. Brahman, die Ursache von ākāśa etc., ist sowohl im Wissenden wie auch im Unwissenden. Daher könnte man denken, dass auch Unwissende brahman erreichen können. Und wenn der Unwissende brahman nicht erreichen kann, dann kann doch eigentlich auch der Wissende brahman nicht erreichen. Welche Beweise gibt es, dass die Erleuchteten brahman erreichen?
Der folgende Abschnitt soll diese Fragen beantworten.
Es wurde gesagt, dass brahman satyam (Wahrheit) ist. Es ist Wahrheit, weil Es existiert. Die śruti beginnt nun, die Existenz von brahman abzusichern.
Ein Opponent könnte sagen: Brahman existiert nicht. Denn was existiert, wie etwa ein Krug, wird gesehen und erfahren; was aber nicht existiert, wie etwa das Horn eines Hasen, wird nicht gesehen. Brahman kann man nicht sehen; daher existiert Es nicht.
Antwort: Dieses Argument ist unhaltbar. Denn brahman ist die Ursache von ākāśa etc. Man kann nicht sagen, dass brahman nicht existiert, denn Äther usw. – von dem brahman ja die Ursache ist – kann man mit den Sinnen sehen. Die śruti erklärt, dass ākāśa, und überhaupt alles in der Schöpfung, aus brahman geboren ist. Es ist ja eine allgemeine Erfahrung, dass das, aus dem etwas hervorgeht, auch existiert. Beispiel: Lehm und Samen sind Ursachen des Krugs und des Baumes. Also muss man sagen: Brahman existiert, denn Es ist die Ursache des Äthers etc.
Wir sehen in unserer Welt nichts, das aus nichts geboren wäre. Wenn Dinge aus nichts entstünden, könnte man sie nicht mit den Sinnen sehen. Aber sie werden ja gesehen! Daher existiert brahman. Die śruti erklärt: „Wie kann Existenz aus Nichtexistenz geboren werden? Wie könnte etwas aus nichts entstehen?“ (Chāndogya-Upaniṣad 6.2.2). Also muss man sagen, dass brahman existiert.
Man kann wiederum auch nicht argumentieren, dass brahman nicht intelligent ist, weil Es die Ursache ist, so wie etwa Lehm oder ein Same. Nein, brahman ist Etwas, das reine Wünsche hat (satya-kāma). Und wir wissen ja, dass nur ein intelligentes und bewusstes Wesen Wünsche haben kann. Wir haben festgestellt, dass brahman allwissend ist. Daher ist es richtig zu sagen, dass brahman reine Wünsche hat.
Ein Opponent könnte sagen: Wenn brahman Wünsche hat, dann hat Es ja offensichtlich noch nicht alles erreicht.
Antwort: Das ist nicht korrekt, denn brahman hängt nicht von Wünschen ab. Wegen Seiner Unabhängigkeit wird Es von Wünschen nicht berührt; brahmans Wünsche sind ohne Makel. Sie können Es nicht zum Handeln anspornen, wie etwa ein Mensch durch unreine Wünsche beeinflusst und zum Handeln angeregt wird. Brahman hat nur wahre (satya) und weise (jñāna) Wünsche. Sie sind ihrer Natur nach wie brahman selbst und sind daher rein. Brahman wird nicht von ihnen geleitet oder angestachelt.
Auf der anderen Seite ruft brahman die Wünsche der fühlenden Wesen hervor, entsprechend ihren Taten. Brahman ist also unabhängig von Wünschen. Es hat keine unerfüllten Wünsche. Es gibt auch nichts, das Es sich wünschen könnte, denn Es braucht keine äußeren Faktoren oder Mittel. Die Wünsche der Menschen gehören nicht zu seinem Selbst. Sie hängen ab von dem Wirken des dharma und von anderen Faktoren. Sie brauchen zusätzliche äußere Hilfsmittel, nämlich Körper und Sinnesorgane, um Dinge zu bekommen, die von ihrem Selbst verschieden sind. Dagegen sind brahmans Wünsche unabhängig von äußeren Bedingungen usw. Es stehen keine entsprechenden Motive dahinter. Sie sind eins mit Ihm selbst. Sie sind nicht unterscheidbar von Ihm.
Brahman vervielfältigt sich nicht so, dass Es etwa Dinge hervorbringt, die von Ihm verschieden wären, so wie ein Vater sich vervielfältigt, indem er einen Sohn zeugt. Wie denn also? Es geschieht durch die Manifestation von Name und Form, die unmanifest in Ihm vorhanden waren.
Brahman übte tapas, d.h. Es dachte über die Ordnung der Welt nach, die geschaffen werden sollte. Auf diese Weise schuf Es das Universum mit Raum, Zeit, Namen und Formen, worin die Wesen sich ausleben konnten, entsprechend ihrem karma.
Nach Rāmānujas (ind. Philosoph und Lehrer des Hinduismus im 10. Jh.) viśiṣṭādvaita-Philosophie (Weltbild über eine differenzierte Einheit) ist diese Welt ein pariṇāma (Transformation) von brahman. Das bedeutet: Wie Milch sich in Sauermilch verwandelt, so hat sich brahman in die Welt verwandelt, die aus feinen und groben Dingen besteht; diese Lehre heißt pariṇāma-vāda. Sie enthält aber einen gravierenden Fehler: Wie könnte es eine Veränderung geben in dem transzendenten und vollkommenen brahman? Veränderung ist nur möglich in Raum und Zeit. Brahman aber ist jenseits von Zeit, Raum und Kausalität.
Und doch liegt die Welt gegenwärtig vor uns. Wie kann man das erklären? Shankara bringt die Theorie des vivarta-vāda*. Die sagt aus, dass brahman keine Veränderung erfahren hat, um diese Schöpfung hervorzubringen. Es gibt da eine unverständliche Illusionskraft in brahman. Diese Kraft, die māyā (Täuschung, Illusion) genannt wird, hat die Welt hervorgebracht.
Brahman trat ein in dasselbe Universum, das Es geschaffen hatte, eben durch diese māyā. Wie geschah das? Trat Es in es ein in Seiner eigenen Form, als Schöpfer? Oder tat Es das in einer anderen Form? Die Endung -ktvā (Partizip), „nachdem Es hervorgebracht hatte“, weist darauf hin, dass der Schöpfer selbst in das Universum eintrat.
Ein Opponent könnte vielleicht sagen: So kann es nicht sein, wenn brahman die Ursache des Universums ist, wie etwa Lehm die Ursache des Kruges ist. Denn die Wirkung ist eins mit der Ursache: Die Schöpfung hat die Natur von brahman. Die Ursache ist selbst in die Wirkung transformiert worden. Daher kann eigentlich die Ursache nicht in die Wirkung eintreten, nachdem letztere geschaffen worden ist, so als ob die Ursache nicht von Anfang an darin gewesen wäre. Es gibt so etwas nicht, dass der Lehm in den Krug eintritt. Vielmehr ist der Lehm in den Krug transformiert worden. So wie Lehm, in Form von Staub, in den Krug eintreten könnte, so könnte allerdings der ātman, in anderer Form, in das Universum aus Namen und Formen eintreten. Die śruti sagt ja auch: „nachdem Er in diese Form eingetreten ist in Form des jīvātman“ (Chāndogya-Upaniṣad 6.3.2).
Antwort: Diese Auffassung ist falsch. Denn brahman ist eins. In der Tat könnte der Lehm, in Form von Staub, in den Krug eintreten, denn Lehm besteht aus Teilen; und es gibt da einen Raum, der noch nicht von Staub gefüllt ist. Aber ātman ist einer und hat keine Teile. Es gibt keinen Platz, der noch nicht von Ihm gefüllt wäre. Deswegen kann von „Eintreten“ nicht die Rede sein.
Opponent: Wie kann Es denn überhaupt „eintreten“? Die śruti sagt doch: „In jene selbe Sache trat Es dann ein.“ Lass uns einmal annehmen, dass brahman aus Teilen bestünde. Dann wäre es gut möglich, dass Es in die Namen und Formen einträte, und zwar in der Form des jīva, so wie eine Hand in den Mund eingeführt wird.
Antwort: Diese Erklärung ist nicht richtig. Man kann nicht sagen, dass brahman Teile hat und dass er so, als jīvātman, in die Welt aus Namen und Formen eintritt wie die Hand in den Mund. Denn es gibt keinen Ort, wo Es nicht ist.
Opponent: Es tritt in die Ursache selbst ein.
Antwort: Dann wäre Es nicht mehr der jīvātman – so wie der Krug aufhört, ein Krug zu sein, wenn er in den Lehm eintritt, also zu Lehm wird.
Opponent: Man könnte sich das „Eintreten“ so vorstellen wie eine Widerspiegelung der Sonne im Wasser.
Antwort: So kann es nicht sein, denn brahman ist unendlich und formlos. Nur ein begrenztes und körperliches Ding könnte sich auf einer anderen Oberfläche widerspiegeln. Aber vom ātman kann es keine Widerspiegelung geben, denn Er ist formlos, unendlich und alldurchdringend, insofern Er die Ursache von Äther ist. Ein derartiges „Eintreten“ in Form einer Widerspiegelung ist völlig unmöglich, denn es gibt nichts anderes außer brahman, in dem Es sich wiederspiegeln könnte und auch überhaupt keinen Ort oder Raum, als den, den Es selbst einnimmt.
Opponent: Wenn das so ist, dann kann es überhaupt kein „Eintreten“ geben. Wir müssen also diesen Teil des Textes ignorieren.
Antwort: Nein, er hat eine andere Bedeutung. Die śruti begann mit den Worten: „Der Kenner brahmans erreicht das Höchste. Brahman ist Wahrheit, Wissen und Unendlichkeit. Wer den kennt, der in der Höhle verborgen ist… “ Hier geht es um Wissen. Um Wissen zu vermitteln, sprach die śruti von den Wirkungen brahmans, angefangen von ākāśa bis hin zu Nahrung. In diesem Zusammenhang war die Rede von den kośas. Jeweils innerhalb eines kośa war der nächsthöhere, angefangen von anna-maya bis hin zu ānanda-maya (Glückseligkeits-Selbst). Innerhalb dieses letzteren ist brahman, die Stütze von allen, die Grundlage aller differenzierten Manifestation. In diesem Zusammenhang wird dann von „Eintreten“ gesprochen. Das ist eine metaphorische Darstellung, kein äußeres Faktum. Es ist bildlich gesprochen.
Brahman wird erkannt in der „Höhle“ des Intellekt (buddhi) in seinen spezifischen Formen als Seher, Hörer, Denker, Wissender etc. Das ist sein „Eintreten“. Daher existiert brahman, die Ursache von allem. Wir sollten Es als Existenz selbst erkennen.
Was wurde aus brahman, nachdem Es in seine eigene Wirkung eingetreten war? Es wurde das Körperliche, die Form (mūrta) und das Unkörperliche, Formlose (amūrta). Die Formen und das Formlose blieben vor der Schöpfung in einem unmanifesten und undifferenzierten Zustand. Nach Beginn der Schöpfung werden sie differenziert – durch den ātman, der in ihnen wohnt. Obwohl sie differenziert sind, bleiben sie doch eins mit dem ātman, sowohl im Raum wie auch in der Zeit.
Außerdem wurde brahman zum nirukta (Definierten) und zum anirukta (Undefinierten). „Definiert“ nennt man ein spezifisches Objekt, das sich von anderen unterscheidet. Das Gegenteil ist „undefiniert“. Nirukta und anirukta sind Attribute von mūrta und amūrta – des Formhaften und Formlosen. Das Formhafte und das Formlose haben auch Attribute wie „sichtbar“ bzw. „nichtsichtbar“, „Stütze“ bzw. „Nichtstütze“, „Wohnsitz“ bzw. „Nichtwohnsitz“.
Obwohl „nichtsichtbar“, „nichtdefiniert“ und „Nichtwohnsitz“ Attribute des Formlosen sind, gehören sie doch zur manifesten Welt, insofern sie nach der Schöpfung ins Sein gekommen sind. Sie gehören in die Kategorie des Differenzierten und nicht zu brahman, das unmanifest und die Ursache ist (das allerdings selbst auch formlos ist).
Vijñāna ist belebt und bewusst, avijñāna ist unbelebt und unbewusst, etwa wie ein Stein.
Mit satyam ist hier relative Wahrheit gemeint. Es weist nicht auf die Absolute Realität hin, denn brahman, die Absolute Realität, ist nur eins. Wasser wird z.B. satyam (wirklich) genannt, wenn es mit der illusionären Fata Morgana verglichen wird. Das Gegenteil ist anṛta (falsch). Die Schlange in dem Seil, der Dieb im Pfahl und das Silber im Perlmutt sind falsch.
Die Upanishad begann mit den Worten: „Brahman ist Wahrheit, Wissen und Unendlichkeit.“ Brahman, das Eine, transformierte sich in die Form und das Formlose. Außerhalb von brahman gibt es weder Form noch Formloses. Daher sagen die Kenner des brahman, dass brahman Wahrheit ist, dass all dies brahman ist.
Der Abschnitt begann mit der Frage: „Existiert brahman?“ Als Antwort wurde gesagt: „Der ātman wünschte: ‘Möge ich viele werden.’“ Dementsprechend schuf er ākāśa und alles andere im Universum, das Manifeste und das Unmanifeste. Er trat in die Namen und Formen ein als Sehender, Hörender, Denkender und Wissender. Wir sollten verstehen, dass brahman existiert, der die Ursache von allem ist, der in allen Geschöpfen wohnt und der sich als Sehender, Hörender etc. manifestiert.
Hier endet der sechste Anuvāka der Brahmānanda-Vallī.
Saptamo 'nuvākaḥ (Siebte Lektion)
asad vā idamagra āsīt'।' tato vai sadajāyata'।' tadātmānaṃ svayamakuruta'।' tasmāt tatsukṛtamucyata iti'।' yadvai tatsukṛtam'।' raso vai saḥ'।' rasaṃ hyevāyaṃ labdhvānandī bhavati'।' ko hyevānyāt kaḥ prāṇyāt'।' yadeṣa ākāśa ānando na syāt'।' eṣa hyevānandayāti'।' yadā hyevaiṣa etasminnadṛśye'nātmye'nirukte'nilayane'bhayaṃ pratiṣṭhāṃ vindate'।' atha so'bhayaṃ gato bhavati'।' yadā hyevaiṣa etasminnudaramantaraṃ kurute''।' atha tasya bhayaṃ bhavati'।' tattveva bhayaṃ viduṣo 'manvānasya'।' tadapyeṣa śloko bhavati'॥
Wahrlich, am Anfang war das Nichtexistente. Aus dem wurde das Existente geboren. Jenes schuf sich selbst aus sich selbst. Daher wird Es „selbstgeschaffen“ genannt. Dieses Selbstgeschaffene ist die Quelle von Freude. Ein Mensch, der diese Quelle der Freude erlangt hat, ist gesegnet. Wer könnte leben und atmen, hätte er nicht die Glückseligkeit in der Höhlung seines Herzens? Dieses brahman selbst gewährt Glückseligkeit. Wenn dieser ātman furchtfreie Einheit mit brahman erlangt, das unsichtbar, nichtkörperlich, nichtdefiniert und ohne Wohnsitz ist, dann wird er frei von Angst und Furcht. Wenn hingegen dieser ātman auch nur die geringste Unterscheidung in brahman macht, dann gibt es Angst für ihn. Jenes brahman selbst wird die Quelle von Angst für den, der unterscheidet und nicht reflektiert. Mehr dazu im nächsten Vers.
Erläuterung: Asat – nichtexistent; idam – dies; agre – am Anfang, vormals, vorher; sat – Existenz; ajāyata – wurde geboren; rasaḥ – Freude, Glückseligkeit; wörtlich „Geschmack“; abhayam – furchtlos; yadā hyeva – weil; eṣaḥ – dieser, der Verehrer; etasmin – in diesem; adṛśye – unsichtbar; anātmye – nichtkörperlich, nicht verkörpert; anirukte – undefiniert; anilayane – ohne Wohnsitz, ohne Stütze; pratiṣṭhām – Existenz, Wohnsitz; vindate – erlangt.
„Wohnsitz“ bezieht sich hier auf avyakta (die nichtmanifestierte Urmaterie), worin das Universum sich im latenten, aufgelösten Zustand (pralaya) befindet. Er könnte sich auch auf antaḥ-karaṇa beziehen, der der Sitz aller vāsanās (Wünsche, Eindrücke, Vorstellungen) ist.
„Nichtwohnsitz“ bezieht sich hier auf brahman, das sogar jenseits der Ursache ist. Brahman wird nicht durch irgendetwas gestützt, insofern ist Es Nichtwohnsitz (ohne Haus oder Stütze). Es ruht in seiner eigenen Größe.
„Nichtexistent“ bezeichnet das unmanifeste brahman – im Gegensatz zu diesem Universum, das in spezifischen Namen und Formen manifestiert ist. Es ist keine absolute Nichtexistenz gemeint, denn aus solcher könnte keine Existenz hervorkommen.
Idam bezieht sich auf das Universum aus Namen und Formen. Das Existente: die manifeste, geschaffene Welt aus spezifischen Namen und Formen. Vor der Schöpfung war diese nichtexistent, sie war brahman selbst – hier als „nichtexistent“ oder „nichtseiend“ bezeichnet.
Ist die Schöpfung verschieden von brahman, so wie der Sohn vom Vater verschieden ist? Die śruti sagt: „Brahman, der Nichtexistenz genannt wird, schuf sich selbst.“ Daher wird Es „selbsterschaffen“ genannt. Brahman transformierte sich in die sichtbare Welt durch seine eigene inhärente Kraft, ohne äußere Hilfe oder äußeren Anstoß. Es gibt, außerhalb von brahman selbst, keine materielle Ursache des Universums, so wie Lehm Ursache für den Krug ist; und es gibt auch keine Wirkursache, wie den Töpfer. Brahman ist sowohl die materielle wie auch die Wirkursache des Universums. Deshalb wird brahman „sukṛta“ genannt, die Ursache par excellence, die Selbstursache. Brahman ist selbsterschaffen.
Brahman ist selbsthandelnd, aber der jīva ist nicht selbst ein Handelnder. Er wird angetrieben durch den antar-yāmī (inneren Lenker).
Der Abschnitt kann auch anders interpretiert werden: Brahman wird wegen seiner Güte sukṛta (verdienstvolle Handlung, das Gute) genannt. Brahman schuf alles aus sich selbst heraus und blieb dabei eins mit der ganzen Welt. So wird Es sukṛta genannt, als die Verkörperung solch einer guten Handlung. Sukṛta bedeutet „wohlgetan“. Das bezieht sich auf die Handlung, nicht auf den Handelnden selbst. Sogar in der Welt sagt man, dass alles, was der Meister tut, „wohlgetan“ ist; man nennt so aber nicht das, was durch den Diener getan wurde. Sukṛta bedeutet „selbsterschaffen“, „die unabhängige Ursache“. Die Schlussfolgerung: Brahman existiert, denn nur etwas, das existiert, kann etwas „gut“ (sukṛta) machen.
Um auch noch auf andere Weise zu beweisen, dass brahman existiert, lehrt die śruti, dass brahman Glückseligkeit und Entzücken (rasa) ist. Rasa ist das, was Freude und Befriedigung gibt. Brahman ist der höchste rasa. Durch den rasa von brahman erscheint dieses Universum, welches in sich ohne rasa ist, als voll von rasa.
Liebe zu brahman könnte nicht entstehen, wenn Es nicht die Natur der Glückseligkeit hätte. Durch das Wort rasa wird angezeigt, dass brahman selbst Glückseligkeit ist. Alle Sinnesfreuden sind nur Widerspiegelungen jener höchsten Glückseligkeit des brahman. Man findet, dass die weisen Verehrer von brahman voller Freude sind, auch ohne äußere Dinge, die ihnen Freude geben. Für sie ist brahman, und nur brahman, die Freude und die Ursache der Freude. Sie sind in der ewigen Glückseligkeit brahmans, allein durch Selbstkontemplation. Daher existiert brahman, weil Es die Ursache von Freude ist.
Im folgenden Teil zeigt die śruti, dass brahman existiert, weil Es die Quelle der physischen Aktivitäten wie Atmen etc. und zugleich auch der Sinnesfreuden ist. Wir sehen, dass Atem geschieht, und zwar mithilfe von prāṇa und āpana. Dabei arbeiten die Vitalströme und die Sinne zusammen. Diese Kombination von Vorgängen und deren wechselseitige Abhängigkeit – und das alles zugunsten eines einzelnen Wesens – wäre nicht möglich ohne ein unabhängiges und intelligentes Seiendes. So ist die allgemeine Erfahrung. Zum Beispiel kombinieren sich ja Sand, Ziegel, Zement ect. auch nicht von allein zu einem Gebäude, ohne das Einwirken eines intelligenten Wesens, nämlich des Hausherrn.
Die śruti erklärt, dass brahman, das eine Verkörperung von Glückseligkeit ist und das wahre Zentrum unseres Seins, die Ursache unseres Lebens und aller Sinnesaktivitäten ist. Ohne brahman können die Augen nicht sehen, die Ohren nicht hören und die prāṇas können ihre Aufgabe nicht erfüllen. Das Ziel der Existenz ist es, die ewige Glückseligkeit von brahman zu gewinnen. Der Mensch sucht Glück, das andauert. Aus Unwissenheit heraus sucht er es im Äußeren. Dabei scheitert er. Dann entsteht Unterscheidungsfähigkeit in ihm, er sucht im Innern, richtet seine Aufmerksamkeit nach innen und findet schließlich, durch Meditation, die anhaltende Glückseligkeit in seinem eigenen Selbst, dem ātman. Der Weg des Sinnesmenschen ist nur ein Zick-Zack-Weg zum Ort der höchsten Glückseligkeit. Jeder Moment im Leben führt nur zu saccidānanda-brahman. Wenn diese Glückseligkeit nicht in dem höchsten Äther in der Höhle des Herzens wäre, wer könnte dann überhaupt atmen und Leben? Daher kann man sagen, dass brahman existiert.
Brahman bringt die Freude im Leben. Wenn ein Wunsch sich erfüllt hat, zieht sich der Geist für einen Moment von dem Wunschobjekt zurück, bevor ein neuer Wunsch entsteht, und erfährt dann die Glückseligkeit des Selbst. Das ist es eigentlich, was man Freude und Vergnügen nennt. Dies erkennen aber nur die, die unterscheiden können. Wir müssen letztlich zugeben, dass brahman sogar als die Quelle aller Sinnesfreuden existiert.
Brahman existiert sogar als die Ursache der Furcht im Unwissenden und die der Furchtlosigkeit im Weisen. Man kann Furchtlosigkeit nur erreichen, indem man sich mit etwas verbindet, das wirklich existiert. Furchtlosigkeit kann nicht aufkommen durch die Verbindung mit etwas, das nicht existiert. Die śruti zeigt im Folgenden, wie brahman die Ursache von Furchtlosigkeit ist.
Furcht entsteht durch Unwissenheit. Der Mensch ist verhaftet an den Körper und entwickelt dadurch Angst. Er denkt, dass er vernichtet ist, wenn der Körper vergeht. Wenn er aber Wissen um brahman gewinnt, merkt er, dass er ewig und unsterblich ist. Er sieht, dass er eins ist mit brahman, und wird dadurch absolut angstfrei. Er erreicht brahman, sobald er brahman erkennt.
Wenn er sich hingegen mit dem Körper identifiziert, trennt er sich vom universalen Leben und der transzendenten Realität. Er fühlt sich getrennt, und so ist er immer bedürftig und fühlt sich elend.
Was immer sichtbar ist, ist ein Phänomen, eine Erscheinung. Man kann es wahrnehmen. Brahman ist kein Phänomen, kein Objekt der Wahrnehmung. Es ist unsichtbar. Das bedeutet, Es ist keiner Veränderung unterworfen. Brahman verändert sich nicht, da Es die Ursache aller Veränderungen und aller Phänomene ist. Nichtsichtbar und körperlos, wie Es ist, kann Es nicht beschrieben werden. Es ist ohne alle Attribute.
Furcht und Angst entstehen, wenn da ein zweites Objekt ist. Die śruti erklärt: „Durch ein Zweites, wahrlich, entsteht Furcht“ (Bṛhadāraṇyaka-Upaniṣad 1.4.2). Unterschiede und Dualität sind die Ursachen von Angst. Die Unterschiede sind aus Unwissenheit geboren. Der Kenner des Selbst, der seine Einheit mit brahman erkannt hat, sieht keine Unterscheidungen und wird dadurch angstfrei. Er fürchtet nicht Geburt und Tod. Wenn er in seinem Selbst zentriert ist, ruht er in seinem eigenen saccidānanda-svarūpa. Man könnte vor etwas anderem Angst haben, aber nicht vor sich selbst. Brahman ist die Ursache der Furchtlosigkeit. Auch wenn es in der Welt viele Ursachen für Furcht geben könnte, so ist doch der jīvan-mukta angstfrei. Das zeigt deutlich, dass brahman, das den Wissenden von aller Angst befreit, existiert. Wenn brahman nicht existierte, könnte der Mensch niemals Angstfreiheit erreichen. Also existiert brahman.
Der Mensch gerät in Angst, wenn er auch nur die geringste Verschiedenheit zwischen sich und brahman sieht. Wenn ein Mensch denkt, dass er verschieden von Gott ist und dieser ihn strafen könnte, hat er natürlich Angst. Nur durch Unwissenheit trennt sich der Mensch von brahman. Im Falle des Unwissenden ist der ātman in gewisser Weise selbst die Ursache der Angst.
Brahman kann nicht durch intellektuelle Überlegungen verwirklicht werden. Es ist jenseits der Reichweite des Intellekts. Es gibt in brahman keine Dreiheit von Wissendem, Wissen und Gewusstem.
Hier endet der siebte Anuvāka der Brahmānanda-Vallī.
Aṣṭamo 'nuvākaḥ (Achte Lektion)
Stufen der Glückseligkeit
bhīṣā'smādvātaḥ pavate'।' bhīṣodeti sūryaḥ'।' bhīṣā'smādagniścendraśca'।'
mṛtyurdhāvati pañcama iti'।' saiṣānandasya mīmāṃsā bhavati'।'
yuvā syātsādhuyuvā'dhyāyakaḥ'।' āśiṣṭho dṛḍhiṣṭho baliṣṭhaḥ'।'
tasyeyaṃ pṛthivī sarvā vittasya pūrṇā syāt'।' sa eko mānuṣa ānandaḥ'।'
te ye śataṃ mānuṣā ānandāḥ'॥' 1'॥
sa eko manuṣyagandharvāṇāmānandaḥ'।' śrotriyasya cākāmahatasya'।'
te ye śataṃ manuṣyagandharvāṇāmānandāḥ'।' sa eko devagandharvāṇā-mānandaḥ'।' śrotriyasya cākāmahatasya'।' te ye śataṃ devagandharvāṇā-mānandāḥ'।' sa ekaḥ pitṛṇāṃ ciralokalokānāmānandaḥ'।' śrotriyasya cākā- mahatasya'।' te ye śataṃ pitṛṇāṃ ciralokalokānāmānandāḥ'।'
sa eka ājānajānāṃ devānāmānandaḥ'॥' 2'॥
brahmans, des Unzerstörbaren, die grundlegende Realität, die Basis aller relativen Existenz, der groben und der feinen. Der höchste Raum ist auch als die Höhle des Herzens beschrieben, wo man über brahman meditiert.
Derjenige, der in dieser Weise eins mit brahman wird, gewinnt reichliche Nahrung und wird ein Verzehrer der Nahrung, der diese auch genießen kann. Sein Verdauungsfeuer ist stark. Er wird außerdem reich an Nachkommen, Vieh und spirituellem Leuchten, was die Folge eines stillen Geistes ist. Auch wird er berühmt durch seine guten Taten.
Hier endet der sechste Anuvāka der BhṚgu-VallĪ.
Saptamo 'nuvākaḥ (Siebte Lektion)
Wissen um brahman kann leicht erreicht werden von einem Suchenden, der einen reinen und zielgerichteten Geist hat. Die śruti empfiehlt in den folgenden Abschnitten einige Kontemplationen, die den manas zielgerichtet machen, besonders für diejenigen, die aufgrund ihrer weltlichen Wünsche einen unruhigen Geist haben.
Da Nahrung das erste Tor zum Wissen um brahman ist, empfiehlt die śruti die Kontemplation über brahman unter Benutzung des Symbols der Nahrung. Wer über Nahrung als brahman meditiert, erreicht einen stetigen Geist. Außerdem wird er reichlich Nahrung erhalten und einen gesunden Appetit haben. Er wird gesegnet sein mit Nachkommen, Vieh, Pferden und spirituellem Strahlen sowie mit Ruhm. Der Sucher sollte nie die Speise verachten, sondern sie betrachten, als sei sie der guru, da er ja durch sie, durch die Kontemplation darüber, zum Wissen um brahman gelangt.
annaṃ na nindyāt'।' tad vratam'।' prāṇo vā annam'।' śarīramannādam'।' prāṇe śarīraṃ pratiṣṭhitam''।' śarīre prāṇaḥ pratiṣṭhitaḥ'।' tadetadannamanne pratiṣṭhitam'।' sa ya etadannamanne pratiṣṭhitaṃ veda pratitiṣṭhati'।' annavānannādo bhavati'।' mahān bhavati prajayā paśubhirbrahmavarcasena'।' mahān kīrtyā'॥
Sprich niemals schlecht über Nahrung. Das sei dein Vorsatz und Gelübde.
Prāṇa''' (Leben) ist Nahrung. Der Körper ist der Verzehrer der Nahrung. Der Körper ist in prāṇa festgemacht. Prāṇa ist im Körper festgemacht. So ist Nahrung in Nahrung festgemacht. Wer weiß, dass Nahrung in Nahrung festgemacht ist, wird eins mit brahman. Er wird der Besitzer von Nahrung und der Verzehrer von Nahrung. Er wird groß in Nachkommen, in Vieh und in spirituellem Strahlen. Er wird groß an Ruhm.
Erläuterung: Annam – Nahrung; na nindyāt – man sollte nicht schlecht über Nahrung sprechen; vratam – Gelübde; veda – weiß.
Der Suchende sollte über keine Art von Nahrung schlecht sprechen, denn man erreicht brahman durch das Tor der Nahrung.
Anna-maya-koṣa (Nahrungshülle), der aus Nahrung besteht, ist sozusagen das erste Tor zur Verwirklichung von brahman. Dieser Körper, aus Nahrung gebildet, ist das wichtigste Instrument, um brahman zu verwirklichen. Sprich also niemals schlecht über Nahrung. Das sei dein Gelübde.
Auf diese Weise wird die Nahrung gepriesen.
Prāṇa ist Nahrung. Prana ist im Innern des Körpers, und was im Innern von etwas anderem ist, das kann man als Nahrung des anderen bezeichnen. Nahrung ist ganz und gar prāṇa. Nahrung ist eine Ausdrucksform von prāṇa. Nahrung gibt dem Körper Stärke und Energie. So kann sie prāṇa genannt werden.
Prāṇa ist im Körper festgemacht. Daher ist prāṇa Nahrung und der Körper ist der Verzehrer der Nahrung. In ähnlicher Weise ist der Körper Nahrung und prāṇa ist der Verzehrer der Nahrung. Wieso ist der Körper in prāṇa festgemacht? Weil die Existenz des Körpers von prāṇa abhängt. Wenn der prāṇa den Körper verlässt, zerfällt dieser. Wie eine Säule im Innern des Hauses dieses stützt, so unterstützt auch der prāṇa den Körper von innen. Daher kann man sagen, dass der Körper im prāṇa festgemacht ist. Körper und prāṇa hängen wechselseitig voneinander ab. Sie sind verschiedene Aspekte derselben Nahrung. Ohne die Hilfe von Körper und prāṇa ist brahman nicht zu verwirklichen.
Die Nahrung hält Körper und prāṇa aufrecht. Daher sollte der Sucher immer die Nahrung lobpreisen. Er sollte nicht schlecht über die Nahrung sprechen, selbst wenn sie nicht gut gekocht ist. Lob sei der Nahrung, die dem Sucher hilft, das höchste Ziel zu erreichen, nämlich Selbstverwirklichung und mokṣa.
Hier endet der siebte Anuvāka der BhṚgu-VallĪ.
Aṣṭamo 'nuvākaḥ (Achte Lektion)
annaṃ na paricakṣīta'।' tad vratam'।' āpo vā annam jyotirannādam'।' apsu jyotiḥ pratiṣṭhitam''।' jyotiṣyāpaḥ pratiṣṭhitāḥ'।' tadetadannamanne pratiṣṭhitam'।' sa ya etadannamanne pratiṣṭhitaṃ veda pratitiṣṭhati'।' annavānannādo bhavati'।' mahān bhavati prajayā paśubhirbrahmavarcasena'।' mahān kīrtyā'॥
Lehne keine Nahrung ab. Das ist das Gelübde. Wasser ist Nahrung. Feuer ist der Nahrungsverzehrer. Feuer ist festgemacht in Wasser. Wasser ist festgemacht in Feuer. So ist Nahrung in Nahrung festgemacht. Derjenige, der weiß, dass Nahrung in Nahrung festgemacht ist, ist in sich gegründet. Er wird reich an Nahrung und wird Verzehrer von Nahrung. Er wird groß an Nachkommen, an Vieh und an spirituellem Strahlen. Er wird groß an Ruhm.
Erläuterung: Na paricakṣīta – man sollte Nahrung nicht ablehnen; jyotiḥ – Feuer (Hitze, Licht); annādam – Verzehrer von Nahrung; apsu jyotiḥ pratiṣṭhitam – das Feuer ruht im Wasser.
Dieser Vers soll die Nahrung lobpreisen. Die Nahrung, die am Mittagstisch angeboten wird, sollte nicht abgelehnt werden, weil sie vielleicht nicht gut ist. Wenn man keine Nahrung ablehnt, indem man Unterscheidungen trifft wie „gut“ oder „schlecht“, dann wird man groß und angesehen.
Wasser, das getrunken wird, wird durch das Verdauungsfeuer im Magen verdaut. Daher wird Wasser als Nahrung angesehen und Feuer ist der Verzehrer.
Reis, Weizen, Früchte und Gemüse wachsen mithilfe von Wasser. Daher kann Wasser wie Nahrung betrachtet werden. Jyotis (Hitze, Feuer) hilft bei der Verdauung der Nahrung. So wird jyotis der Verzehrer von Nahrung.
Blitz ist gegenwärtig im Regenwasser. Der Körper schwitzt, wenn er überhitzt wird. Insofern betrachtet man Wasser und Feuer als sich gegenseitig unterstützend. Aus demselben Grund sind sie Nahrung füreinander.
Hier endet der achte Anuvāka der BhṚgu-VallĪ
Navamo 'nuvākaḥ (Neunte Lektion)
annaṃ bahu kurvīta'।' tad vratam'।' pṛthivī vā annam'।' ākāśo'nnādaḥ'।' pṛthivyāmākāśaḥ pratiṣṭhitaḥ'।'
ākāśe pṛthivī pratiṣṭhitā'।' tadetadannamanne pratiṣṭhitam'।' sa ya etadannamanne pratiṣṭhitaṃ veda pratitiṣṭhati'।' annavānannādo bhavati''।' mahānbhavati prajayā paśubhirbrahmavarcasena'।' mahān kīrtyā'॥
Sammle viel Nahrung an. Das ist das Gelübde. Die Erde ist die Nahrung. Ākāśa (Äther) ist der Verzehrer der Nahrung. In der Erde ist ākāśa festgemacht. In ākāśa ist die Erde befestigt. So ist Nahrung in Nahrung befestigt. Derjenige, der weiß, dass Nahrung in dieser Weise in Nahrung festgemacht ist, ist gefestigt. Er wird reich an Nahrung und wird der Verzehrer der Nahrung. Er wird groß an Nachkommen, an Vieh und an spirituellem Strahlen. Er wird groß an Ruhm.
Erläuterung: Annaṃ bahu kurvīta – möge er viel Nahrung erwerben; kurvīta – mache; tad vratam – das ist die Regel für den brahman-Sucher; pṛthivyām ākāśaḥ pratiṣṭhitaḥ – ākāśa ruht in der Erde.
Hier wird ermahnt, dass man viel Nahrung ansammeln soll, um sie an Reisende und Gäste zu verteilen. Die Erde wohnt im Äther, welcher über und unter ihr ist. Die Erde ist von allen Seiten von Äther umgeben. So ist die Erde die Nahrung und der Äther ist der Verzehrer. Der Äther ist die Grundlage bzw. der Behälter. Äther und Erde verhalten sich wie Behälter und Inhalt. Man kann über sie meditieren als wechselseitig aufeinander ruhend. Der Strebende sollte über sie so kontemplieren, dass eins des anderen Nahrung ist.
In den letzten drei Kapiteln wurde die Nahrung glorifiziert. Diese geringeren Kontemplationen wurden dem Sucher empfohlen, um Konzentration des Geistes zu erlangen: Nahrung als brahman, Leben und Körper, Wasser und Feuer, Erde und Äther. Ohne Nahrung sind keine Meditation und kein sādhana möglich. Nahrung sollte als Gott oder brahman betrachtet werden. Sie sollte glorifiziert und verehrt werden. Die Verehrung der Nahrung wird dich schließlich zur Verwirklichung des höchsten Selbst führen. Wann immer du vor deiner täglichen Nahrung sitzt, sage: „Annam (Nahrung) ist brahman.“ Verehre Nahrung als brahman. Dadurch wirst du Selbstverwirklichung erlangen.
Hier endet der neunte Anuvāka der BhṚgu-VallĪ.
Daśamo 'nuvākaḥ̣ (Zehnte Lektion)
na kañcana vasatau pratyācakṣīta'।' tad vratam'।' tasmādyayā kayā ca
vidhayā bahvannaṃ prāpnuyāt'।' arādhyasmā annamityācakṣate'।' etadvai mukhato'nnaṃ rāddham'।' mukhato'smā annaṃ rādhyate'।' etad vai madhyato'nnaṃ rāddham''।' madhyato'smā annaṃ rādhyate'।
etadvā antato'nnaṃ rāddham'।' antato'smā annaṃ rādhyate'।'
ya evaṃ veda'॥' 1'॥
Erläuterung: Na''' kañcana – niemanden; vasatau – von dem Haus; pratyācakṣīta – sollte abgewiesen werden; tasmāt – deshalb; yayā kayā ca vidhayā – durch alle Weisen; prāpnuyāt – sollte bekommen.
Wer über Erde und ākāśa wie oben meditiert, sollte keinen Gast abweisen, der um Obhut bittet. Dies sollte das Gelübde des Strebenden sein. Wenn Obdach gewährt wird, sollte natürlich auch Essen gegeben werden. Daher sollte der Hausherr Vorräte anlegen; das ist der dharma des Hausvaters. Andernfalls würde der Hausherr eine Sünde begehen.
Durch welche Mittel auch immer: Natürlich sollte Reichtum nur auf ehrliche Weise erworben werden, in Übereinstimmung mit den Vorschriften der śrutis und smṛtis.
Wann auch immer ein Gast kommt, sagt der Hausherr höflich: „Das Essen ist bereit.“ Wie und wann auch immer ein Mann Essen gibt, so wird ihm auch gegeben werden. Wenn die beste Nahrung gegeben wird, reichlich, mit Freundlichkeit etc., in der besten Zeit des Lebens, wird ihm auch entsprechend, im nächsten Leben, gegeben werden. Das ist eine sattvige Gabe. Wenn aber Nahrung nicht reichlich gegeben wird und nicht mit der richtigen Haltung, so wird ihm im nächsten Leben auch entsprechend gegeben werden. Das ist eine rajasige Gabe. Wenn Nahrung lieblos, mit Verachtung und schlecht gekocht gegeben wird, wird ihm im nächsten Leben Entsprechendes widerfahren. Das ist eine tamasige Gabe.
kṣema iti vāci'।' yogakṣema iti prāṇāpānayoḥ'।' karmeti hastayoḥ'।
gatiriti pādayoḥ'।' vimuktiriti pāyau'।' iti mānuṣīḥ samājñāḥ'॥' 2'॥