Die Wasser des Daseins: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Der nachfolgende Text ist dem Buch "Indische Mythen und Symbole - Schlüssel zur Formenwelt des Göttlichen" des Indologen [[Heinrich Zimmer]] entnommen (Originaltitel "Myths and Symbols in Indian Art and Civilization", Bollingen Foundation Inc., New York). Übersetzung aus dem Englischen von Ernst Wilhelm Eschmann, Eugen Diederichs Verlag, München 1981, 5. Aufl. 1993)'''
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==Indische Mythen und Symbole - Kapitel 2: Die Mythologie Vishnus==
 
===Die Wasser des Daseins===
Die Hindu-Mythologie handelt erzählend vom Rätsel der [[Maya]] in einer Bildersprache, die auch dem gewöhnlichen [[Verstand]] die philosophischen Hintergründe des verborgenen [[Spiel]]es zugänglich macht. Diese Erzählungen wurden in einer großen Überlieferung von Mund zu Mund weitergegeben; heute erscheinen sie in verschiedenen Versionen. Eine bedeutende Zahl dieser Variationen haben in literarischen Zeugnissen ihren Niederschlag gefunden; andere dauern in der flüssigen [[Form]] ungeschriebenen Volkswissens fort.
 
Von einem halbgöttlichen Asketen [[Narada]] wird erzählt, der einst das Höchste [[Wesen]] selbst bat, ihn das Geheimnis seiner Maya zu lehren. In der Mythologie des Hinduismus ist dieser Narada ein Lieblingsvorbild des Gläubigen auf dem »Weg liebender [[Hingabe]]« ([[Bhakti]] [[Marga]]). Als Lohn für seine ausgedehnte, glühende Askese war ihm [[Vishnu]] in seiner Einsiedelei erschienen und hatte ihm die Erfüllung einer Bitte gewährt. Als er [[Demut|demütig]] seinen höchsten [[Wunsch]] äußerte, belehrte ihn der Gott nicht mit Worten, sondern indem er ihn einem beklemmenden Abenteuer unterwarf. Die literarische Form der Erzählung ist uns in der [[Matsya]] [[Purana]], einer [[Sanskrit]]-Kompilation, überliefert, die ihre gegenwärtige Form in der klassischen Periode des mittelalterlichen Hinduismus erhielt, ungefähr im vierten Jahrhundert n. Chr. Sie erscheinen dort als Erzählung eines Heiligen namens [[Vyasa]].
 
Eine Gruppe heiliger Männer hatte sich um den verehrungswürdigen Vyasa in seiner Waldeinsamkeit versammelt. »Du weißt die göttliche ewige [[Ordnung]]«, hatten sie zu ihm gesagt, »darum enthülle uns das Geheimnis von Vishnus Maya
 
»Wer kann die Maya des Höchsten Gottes verstehen — ausgenommen er selbst? Vishnus Maya legt ihren Bann über uns alle. Vishnus Maya ist unser gemeinsamer [[Traum]]. Ich kann Euch nur eine Erzählung aus uralten [[Zeit]]en vortragen, wie diese Maya in einem einzelnen, besonders lehrreichen Beispiel ihre Wirkung wob.«
 
Die Besucher waren begierig zu hören. Vyasa begann:
 
»Es war einmal ein junger Prinz, Kamadamana, ,der Zähmer der Begierden', der, sein Verhalten in Übereinstimmung mit dem [[Geist]] seines [[Name]]ns einrichtend, sein [[Leben]] in den Übungen der härtesten Selbstzucht verbrachte. Aber sein [[Vater]], der immer wünschte, daß er heiraten möge, sprach einst bei einer gewissen Gelegenheit zu ihm: ,Kamadamana, mein Sohn, was ist mit Dir? Warum führst Du kein Weib heim? Die [[Ehe]] bringt die Erfüllung aller Wünsche des [[Mann]]es und die Gewißheit vollkommenen [[Glück]]s. Die [[Frau]] ist die eigentliche Wurzel allen Glücks und alles Wohlseins. Darum geh, lieber Sohn, und heirate.'
 
Aus [[Ehrfurcht]] vor seinem Vater antwortete der Jüngling nichts. Aber als der König weiter in ihn drang und ihn immer wieder bat, erwiderte Kamadamana: ,Teuerster Vater, ich habe mich der Richtung des Verhaltens gelobt, welche durch meinen Namen bezeichnet wird. Die göttliche Macht Vishnus wurde mir enthüllt, die sowohl uns selbst wie alles in der [[Welt]] erhält und versteckt hält.'
 
Sein königlicher Vater hielt nur einen Augenblick inne, um den Fall zu überlegen und verschob dann geschickt seine Beweisgründe von der Ebene persönlichen [[Vergnügen]]s auf diejenige der [[Pflicht]]. Ein Mann muß heiraten, erklärte er, um Nachkommenschaft zu zeugen, damit seine Ahnengeister im ,Jenseits der Vorfahren' nicht die Speise- und Trankopfer ihrer Nachkommenschaft vermissen und in unbeschreibliche Not und [[Verzweiflung]] stürzen.
 
,Lieber Vater', erwiderte der Jüngling, ,ich bin durch Tausende von Leben gegangen. Ich habe viele hundert Male das [[Alter]]n und den [[Tod]] erlitten. Ich habe Frauen erkannt und das [[Leid]], das sie bringen. Ich war Gras und Strauch, Ranke und Baum; ich lebte zwischen Vieh und wilden Tieren. Viele hundert Male bin ich ein [[Brahmane]], eine Frau, ein Mann gewesen. Ich kostete von der [[Seligkeit]] in [[Shiva]]s himmlischen Wohnungen; ich weilte zwischen Unsterblichen. Selbst unter den übermenschlichen Wesen gibt es keines, dessen Form ich nicht mehr als einmal angenommen hätte: ich bin ein Dämon, ein Kobold, ein Wächter der Schätze der [[Erde]] gewesen; ich war ein Flußgeist; ich war eine Schöne des [[Himmel]]s; ich war aber auch ein König der Schlangendämonen. Jedesmal, wenn sich der Kosmos auflöste, um wieder in die formenlose Wesenheit des Göttlichen zurückverschlungen zu werden, verschwand auch ich; und wenn das All dann wieder hervortrat, kehrte auch ich zum Dasein zurück, um andere Reihen von [[Reinkarnation|Wiedergeburten]] zu durchleben. Wieder und wieder bin ich den Täuschungen des Daseins zum [[Opfer]] gefallen — und immer, weil ich ein Weib nahm.'
 
,Laß mich Dir', fuhr der Jüngling fort, ,etwas erzählen, was mir während meiner vorletzten [[Inkarnation]] geschah. Während dieser Existenz war mein Name Sutapas, der, dessen strenge Übungen gut sind; ich war ein Asket. Und meine glühende Hingabe an Vishnu, den Herrn des Alls, gewann mir seine [[Gnade]]. Erfreut, weil ich so viele Gelübde erfüllt hatte, erschien er vor meinen leiblichen Augen, auf [[Garuda]], dem Himmelsvogel, schwebend. ,Ich will Dir eine Gabe gewähren', sagte er. ,Was Du auch wünschest soll Dein sein.'
 
,Wenn ich Dir wohlgefällig bin', erwiderte ich dem Herrn des Alls, ,so laß mich Deine Maya erkennen.'
,Was sollte es Dir frommen, meine Maya zu erkennen?' antwortete der [[Gott]]. ,Ich will Dir lieber Überfluß des Lebens, Erfüllung Deiner menschlichen Pflichten und Aufgaben schenken, großen [[Reichtum]], [[Gesundheit]], [[Freude]] und heldenhafte Söhne.'
 
,Das, genau das', sagte ich, ,ist es ja, wovon ich befreit werden und was ich überwinden möchte.'
,Niemand kann meine Maya verstehen', fuhr der Gott fort. ,Niemand hat sie je verstanden, und niemals wird jemand sein, der in ihr Geheimnis eindringt. Vor langer, langer Zeit lebte ein gottgleicher heiliger Seher, Narada genannt. Er war ein Sohn des Gottes Brahma selbst und voll leidenschaftlicher Hingabe für mich. Wie Du erwarb er sich meine Gnade, und ich erschien ihm, wie ich Dir jetzt erscheine. Ich verhieß ihm eine Gabe, und er äußerte denselben Wunsch, den Du geäußert hast. Auch er bestand darauf wie Du, obgleich ich ihn warnte, nicht weiter nach dem Geheimnis meiner Maya zu forschen. So sprach ich zu ihm: ,Tauche in das Wasser dort drüben, und Du sollst das Geheimnis meiner Maya erfahren.' Narada tauchte in den Teich und wieder empor — in Gestalt eines Mädchens.
 
Narada entschritt dem Wasser als Sushila, ,die Tugendhafte', Tochter des Königs von Benares. Und da sie in der Blüte ihrer Jugend stand, versprach sie ihr Vater dem benachbarten König von Vidarbha zur Ehe. Im Leib eines Mädchens genoß der heilige Seher und Büßer die ganzen Wonnen der [[Liebe]]. Als seine Zeit erfüllt war, starb der alte König von Vidarbha, und Sushilas Gatte folgte ihm auf den Thron. Die wunderschöne Königin hatte viele Söhne und Enkel und war unvergleichlich glücklich.
 
Doch im Laufe der Zeit brach schließlich eine Fehde zwischen Sushilas Gatten und ihrem Vater aus, die sich zu einem wütenden [[Krieg]] entwickelte. In einer einzigen Riesenschlacht wurden viele von ihren Söhnen und Enkeln, ihr Vater und ihr Gatte erschlagen. Als sie von dem Gemetzel hörte, begab sie sich trauernd aus der Hauptstadt zum Schlachtfeld, wo sie ihre Klagen zum Himmel steigen ließ. Sie befahl, einen mächtigen Scheiterhaufen zu errichten und ließ die toten Leiber ihrer Verwandten, ihrer Brüder, Neffen und Enkel und schließlich Seite bei Seite den Leib ihres Gatten und den ihres Vaters darauf legen. Mit eigener Hand hielt sie die Fackel an den Scheiterhaufen, und als die Flammen stiegen, schrie sie laut: ,Mein Sohn, mein Sohn!' Und als sie zischten und prasselten, warf sie sich selbst in den großen Brand. Sofort wurde die Glut kühl und durchsichtig, der Scheiterhaufen wurde zum Teich. Und inmitten der Wasser fand sich Sushila selbst, aber wieder als den Heiligen Narada. Der Gott Vishnu nahm ihn bei der Hand und führte ihn aus der kristallenen Flut heraus.
 
Als der Gott und der Heilige wieder am Ufer waren, fragte Vishnu mit rätselhaftem Lächeln: ,Wer ist dieser Sohn, dessen [[Tod]] Du bejammerst?' Narada stand verwirrt und beschämt. Der Gott fuhr fort: ,Dies ist der Schein meiner Maya, jammervoll, dunkel, fluchbeladen. Weder der lotosgeborene Brahma noch ein anderer der Götter, Indra, nicht einmal Shiva, können ihre tiefenlose Tiefe ausloten. Warum und wie solltest gerade Du diese Unermeßlichkeit erkennen?'
 
Narada betete, daß ihm vollendeter Glaube und Hingabe gewährt werden möge und außerdem die Gnade, dies Geschehnis in allen kommenden Lebensläufen zu erinnern. Ferner erbat er noch, daß der Teich, der für ihn zur Quelle der Einweihung geworden war, ein heiliger, von Pilgern aufgesuchter Platz werden möge. Sein [[Wasser]] solle — dank der immer bleibenden verborgenen [[Gegenwart]] des Gottes darin, nachdem er einmal hineingeschritten war, den Heiligen aus der magischen Tiefe emporzuleiten — mit der Macht begabt sein, alle [[Sünde]]n abzuwaschen. Vishnu gewährte diese frommen Wünsche und verschwand sogleich, um zu seinem fernen Wohnsitz im Milchmeer zurückzukehren.
 
,Ich habe Dir diese Geschichte erzählt', schloß Vishnu, bevor er gleicherweise den Büßer Sutapas verließ, ,um Dich zu belehren, wie das Geheimnis meiner Maya unerforschbar und nicht zu erkennen ist. Wenn Du willst, magst auch Du in das Wasser tauchen, und Du wirst erfahren, warum dies so ist.'
 
Daraufhin tauchte Sutapas (oder Prinz Kamadamana in seiner vorletzten Inkarnation) in das Wasser des Teiches. Gleich Narada entstieg er ihm als ein Mädchen und wurde so in den Stoff eines anderen Lebens eingehüllt.«
 
Es handelt sich hier um eine mittelalterliche, literarische Version des Mythos. Aber die Geschichte wird noch als eine Art Kinderstubenmärchen in Indien erzählt und ist vielen von [[Kind]]heit an vertraut. Im neunzehnten Jahrhundert gebrauchte der bengalische Heilige [[Ramakrishna]] die volkstümliche Form der Sage als Gleichnis in seinen Unterweisungen. Auch in diesem Fall war Narada, der Mustergläubige, der Held. Durch lange [[Tapas|Askese]] und fromme Selbstentäußerungen hatte er Vishnus Gnade gewonnen. Der Gott war dem Heiligen in seiner Einsiedelei erschienen und hatte ihm die Erfüllung eines Wunsches gewährt. »Zeige mir die magische Macht Deiner Maya«, hatte Narada gebeten, und der Gott hatte erwidert: »Ich will es gewähren. Komm mit mir«; doch wieder mit dem rätselhaften Lächeln auf seinen schön geschwungenen Lippen.
 
Aus dem freundlichen Schatten der Einsiedlerhütte führte Vishnu Narada über einen öden Streifen [[Land]]es, der wie Metall unter der erbarmungslosen Glut einer versengenden [[Sonne]] brannte. Die beiden hatten bald großen Durst. In dem gleißenden Licht gewahrten sie in einiger Entfernung die Strohdächer eines winzigen Weilers. Vishnu fragte: »Willst Du gehen und mir etwas Wasser holen?«
 
»Gewiß, Herr«, erwiderte der [[Heilige]] und begab sich zu den Hütten in der Ferne, während der Gott sich im Schatten eines Felsens niederließ um seine Rückkehr zu erwarten.
 
Als Narada den Weiler erreichte, klopfte er an der ersten Tür. Ein wunderschönes Mädchen öffnete ihm, und der heilige Mann erfuhr etwas, wovon er bisher nicht einmal geträumt hatte: ihre [[Auge]]n bezauberten ihn. Sie glichen denen seines göttlichen Herrn und Freundes. Er stand staunend und vergaß schlechthin weswegen er gekommen war. Das freundliche Mädchen bot ihm sanft den Willkommen, und ihre Stimme war wie eine goldene Schlange um seinen Hals. Wie im Traum trat er ein.
 
Die Bewohner des Hauses waren voller [[Höflichkeit]] gegen ihn, aber nicht im geringsten verlegen. Er wurde ehrenvoll empfangen als ein heiliger Mann, aber irgendwie nicht wie ein Fremder, sondern eher wie ein alter verehrter Bekannter, der lange fort war. Narada blieb bei ihnen, beeindruckt von ihrer [[Fröhlichkeit]] und
ihrem Anstand und fühlte sich ganz zu Hause. Niemand fragte ihn, warum er gekommen sei; es war, als ob er seit unvordenklichen Zeiten zur [[Familie]] gehört hätte. Und als er nach einer gewissen Zeit den Vater um die Hand des Mädchens bat, war dies nicht mehr als was jedermann erwartet zu haben schien. Er wurde ein Mitglied der Familie und teilte mit ihr die altehrwürdigen Mühen und einfachen Freuden des Bauernlebens.
 
Zwölf Jahre vergingen; er hatte drei Kinder bekommen. Als sein Schwiegervater starb, wurde er das Haupt der Familie, erbte das Land und verwaltete es. Er züchtete Vieh und bebaute den Boden. Im zwölften Jahr war die Regenzeit außerordentlich heftig: die Ströme schwollen an, Sturzbäche ergossen sich von den Himmeln, und das kleine Dorf wurde von einer plötzlichen Flut überschwemmt. In der Nacht wurden die Strohhütten und das Vieh fortgerissen und jedermann floh.
 
Mit der einen Hand sein Weib stützend, mit der anderen zwei seiner Kinder führend, das kleinste auf der Schulter, schritt Narada eilends fort. Durch die pechschwarze Dunkelheit vorwärtshastend, vom Regen gepeitscht, watete er durch schlüpfrigen Schlamm, wankte er durch wirbelnde Wasser. Die [[Last]] war mehr als er in den schwer an seinen Beinen ziehenden Strudeln bewältigen konnte. Er stolperte, das Kind glitt von seiner Schulter und verschwand in der tosenden Dunkelheit. Mit einem verzweifelten Schrei ließ Narada die anderen Kinder los, um nach dem Kleinsten zu greifen, aber es war schon zu spät. Inzwischen hatte die Flut die beiden anderen fortgenommen, und noch bevor er das Unglück fassen konnte, sein Weib von seiner Seite gerissen, ihm selbst die Füße unter dem Leib fortgezogen und ihn kopfüber wie einen Klotz in den Sturzbach geschleudert. Bewußtlos wurde Narada schließlich an einen kleinen Felsen angetrieben. Als er aus seiner Ohnmacht erwachte, sahen seine Augen auf eine weite Fläche schmutzigen Wassers, und er konnte nichts mehr tun als weinen.
 
»Kind!« Er hörte eine vertraute Stimme, die sein [[Herz]] fast zum  Stillstehen brachte. »Wo ist das Wasser, das Du für mich holen wolltest? Ich warte schon länger als eine halbe Stunde.«
 
Narada wandte sich um. Anstelle des Wassers sah er die strahlende Wüste in der Mittagssonne. Neben ihm stand der Gott. Die grausamen Linien des schönen Mundes, auf dem noch das Lächeln schwebte, teilten sich zu der sanften Frage: »Begreifst Du jetzt das Geheimnis meiner Maya?«
 
Von der Zeit der frühen [[Veden]] an bis zum heutigen [[Hinduismus]] ist das Wasser als eine äußerlich faßbare Manifestation der göttlichen Essenz angesehen worden. »Am Anfang war alles gleich einem Meer ohne [[Licht]]«, erklärt eine alte Hymne; und bis zu unseren Tagen ist einer der einfachsten und gewöhnlichsten Gegenstände der Verehrung im täglichen [[Ritual]] ein mit Wasser gefüllter Krug oder Becher, welcher die Gegenwart der Gottheit versinnbildlicht und die Stelle eines geweihten Bildes vertritt. Für die Dauer des Gottesdienstes wird das Wasser als Wohnort oder Sitz ([[Pitha]]) des Gottes angesehen.
 
In unseren beiden Narada-Erzählungen war der bezeichnende Zug die vom Wasser herbeigeführte [[Verwandlung]]. Dies war als eine Wirkung der Maya zu verstehen; denn das Wasser gilt als eine erste Materialisation der Maya-Energie Vishnus. Das Wasser ist das lebenserhaltende Element, das in Gestalt von Regen, Lebenssaft, [[Milch]] und [[Blut]] durch die [[Natur]] kreist. Es ist Substanz, die mit der Macht fließenden Wandels begabt ist. Darum heißt, im Symbolismus des Mythos, in das Wasser tauchen, in das Geheimnis der Maya eingehen; heißt, nach dem letzten Geheimnis des Lebens suchen. Als Narada, der menschliche Jünger, über dies Geheimnis belehrt zu werden erbat, antwortete der Gott ihm nicht durch eine Lehre in Wort oder Spruch. Statt dessen wies er nur auf Wasser als das Element der Einweihung.
 
Grenzenlos und unvergänglich sind die kosmischen Wasser gleicherzeit die unbefleckte [[Quelle]] aller Dinge und ihr schreckliches [[Grab]]. Mittels der Macht der Selbstverwandlung entläßt die Energie der Tiefe individualisierte Formen oder nimmt sie selbst an, die mit vorübergehendem Leben und mit beschränktem Ich-Bewußtsein ausgestattet sind. Für eine Weile nährt und erhält sie diese mit ihrer lebenspendenden Essenz. Dann löst sie sie wieder auf ohne [[Mitleid]] oder [[Unterscheidung]], zurück in die unbekannte Energie, aus der sie einst entstiegen. Das ist Werk und Wesen der Maya, des allverzehrenden, universellen Weltschoßes.
 
Solche Doppeldeutigkeit eines Schrecklichen und doch Gütigen ist ein vorherrschender Zug in allem Symbolismus und aller Mythologie der Hindus. Sie gehört wesentlich zu der Hinduanschauung vom Göttlichen. Nicht nur die Höchste Gottheit und ihre Maya, sondern auch jeder Untergott in den wimmelnden Pantheons dieser überwältigenden Tradition ist ein Paradox: machtvoll sowohl zu helfen wie zu zerstören; durch Wohltaten zu verstricken wie mit einem Schlag, der tötet, zu erlösen.
 
==Siehe auch==
Weiterlesen im Buch von Heinrich Zimmer?
 
*Heinrich Zimmer, "Indische Mythen und Symbole - Schlüssel zur Formenwelt des Göttlichen"
::Kapitel 1: Ewigkeit und Zeit
:::1.1 [[Die Parade der Ameisen]]
:::1.2 [[Das Rad der Wiedergeburten]]
:::1.3 [[Die Weisheit des Lebens]]
 
::Kapitel 2: Die Mythologie Vishnus
:::1.1 [[Vishnus Maya]]
:::1.2 [[Die Wasser des Daseins]]
 
==Literatur==
*[https://www.yoga-vidya.de/shop/product_info.php?info=p353_Goetter-und-Goettinnen-im-Hinduismus/&XTCsid=a793ba3e94d6e68c68e3244b0615a13f Swami Sivananda, Götter und Göttinnen im Hinduismus]
*[https://www.yoga-vidya.de/shop/product_info.php?info=p44_Parabeln-von-Swami-Sivananda/&XTCsid=a793ba3e94d6e68c68e3244b0615a13f Swami Sivananda, Parabeln]
 
==Seminar==
*[https://www.yoga-vidya.de/seminare/stichwortsuche/dfu/0/dtu/0/ex/0/fu/Mythologie/ro/s/ Yoga Vidya Seminare zum Thema Mythologie]
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[[Kategorie:Heinrich Zimmer]]
[[kategorie:Indische Mythen und Symbole]]

Aktuelle Version vom 29. März 2014, 15:07 Uhr

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