Sukadev Interview Zeitschrift Eve

Aus Yogawiki

Im Mai 2012 wurde Sukadev Volker Bretz interviewt von der Zeitschrift "Eve". Die Eve ist eine Zeitschrift für Ernährung, Vitalität und Leben, mit besonderem Schwerpunkt Bio-Kost, Naturkost, gesundes Leben etc. Die Eve wird hauptsächlich in Naturkostläden kostenlos ausgelegt. Das Interview wurde veröffentlicht aus Anlass des 20-jährigen Jubiläums von Yoga Vidya.

Sukadev Bretz - Der ruhende Gestalter

Aus der Reihe "Interview - Eve trifft - Menschen, die Mut machen", Zeitschrift Eve Mai 2012

Zitat: "Menschen suchen überall nach mehr als nur dem materiellen Leben", Sukadev Volker Bretz

Vor 20 Jahren gründete Sukadev Bretz in Frankfurt am Main das erste Yoga-Vidya-Center. Heute ist Yoga Vidya e.V. mit über 2.300 Seminaren, Aus- und Weiterbildungen pro Jahr der größte gemeinnützige Verein für Yoga, Meditation und Ayurveda in Europa – natürlich mit vegetarischer Bio-Küche. 10.000 dort ausgebildete Lehrer tragen die Yoga-Mission weiter. Seine Podcasts geben vielen geistige Inspiration.

Das Interview

Herr Bretz, wann sind Sie heute Morgen aufgestanden?

Um vier Uhr. Meine täglichen Übungen, Yoga und Meditation, gehen bis halb sechs. Dann mache ich kreative Arbeiten: Texte for mulieren, Dinge, bei denen ich ungestört sein möchte. Das Leben als Leiter eines Vereins mit derzeit zweihundert Mitarbeitern beinhaltet, tagsüber mit vielen Leuten zu sprechen. Deshalb schätze ich die Ruhe am frühen Morgen besonders.

Ruhe und Entspannung ist ja auch ein Versprechen von Yoga. Wo kommt bei Ihnen der Wunsch nach Ruhe her?

Ich habe mir seit Jugendtagen die Fragen gestellt: »Wer bin ich?«, »Woher komme ich?«, »Wohin gehe ich?« und »Was soll das Ganze?«. Ich habe viele Bücher von Mystikern gelesen und bin zu dem Schluss gekommen, dass der Sinn des Lebens zu finden ist, wenn man den Geist zur Ruhe bringt. Ich brauche diese Erfahrung jeden Tag.

Was bringt einen jungen Mann zu solchen Fragen?

In meiner Familie musste jedes Kind Sport machen. Beim Fußball-spielen hatte ich aber einen Unfall, wodurch mein Knie ruiniert war. Bei einem Spaziergang mit meinen Eltern kam dann mal ein Trupp von Reitern vorbeigaloppiert. Meine Mutter hat das Leuchten in meinen Augen bemerkt, und so habe ich als 13-Jähriger angefangen zu reiten. Ich hatte dann irgendwie den Spleen, dass ich wissen wollte, wie ein Pferd denkt.

Reiten als Weg zur Spiritualität?

Ich hab nur eines gewusst: Ein Pferd formuliert keine Worte. Also habe ich etwas spielerisch gedacht: Ich will die Welt auch so – ohne Worte – wahrnehmen können. So bin ich auf Übungen gestoßen, mein Bewusstsein zu schulen. Dann kamen erste Erfahrungen von Einheit und Verbundenheit. Aber ich war eigentlich schon als 10-Jähriger fasziniert von der Fähigkeit des menschlichen Geistes.

Was ist für Sie so spannend am Geist?

Ich bin in einer Unternehmerfamilie groß geworden. Da gab es immer die Angst: Irgendwann kommen die Kommunisten und nehmen uns alles weg. Meine Mutter hat gesagt: »Was in deinem Kopf ist, das kann dir keiner wegnehmen.« Sie meinte das natürlich als Anlass, für die Schule zu lernen. Aber mir war da schon klar, dass das zu kurz gegriffen war. Es geht nicht nur um Wissen. Das Wissen von heute ist in ein paar Jahren nichts mehr wert. Aber die Fähigkeiten des Geistes, die man entwickeln kann, sind langfristig hilfreich. Anhand von Büchern habe ich dann Gedächtnis- und Konzentrationstraining gemacht und den sportlichen Ehrgeiz entwickelt, jeden Tag ein Buch zu lesen.

Jetzt scheint es, dass Sie selbst jeden Tag etwas veröffentlichen.

Weshalb die vielen Podcasts zu spirituellen und Yoga-Themen? Da stehe ich in der Tradition m einer Lehrer. Swa m i Sivananda hat während seines Lebens etwa 300 Bücher über Yoga, Meditation und gesundes Leben geschrieben. Ich schreibe auch, aber ich konzen- triere m ich m ehr darauf, die Techniken zu nutzen, die uns heute zur Verfügung stehen. Daneben ist m ir aber auch die A usbildung sehr wichtig. Ich gebe Se m inare und kü mm ere m ich u m die Weiterbil- dung von A usbildungsleitern, die wiederu m andere Menschen schu- len können. Der persönliche Kontakt ist m ir i mm er das Wichtigste. Ich habe ja selber anhand eines Buches begonnen. A ber als ich dann in m eine m ersten Kurs war, m eine erste Yoga-Stunde m itge m acht hatte, habe ich eine ganz andere Di m ension gespürt. Und dann hatten Sie keine Lust mehr, in den elterlichen Betrieb einzutreten? Mit 18 habe ich den Entschluss gefasst, dass ich m ein ganzes Leben der eigenen Praxis und der Verbreitung von Yoga wid m en will. Ich bin dann eine m Verein beigetreten, der Yoga-Zentren in der ganzen Welt betrieben hat. Von 1983 bis 1991 habe ich viele verschiedene Zentren geleitet: Wien, Genf, Paris, London, New York, San Francisco, Los A ngeles, Toronto und Montreal. Das hört sich ja fast nach dem Tourneeplan eines Rockstars an. Wieso wurden Sie in so vielen Metropolen eingesetzt? Ich war bekannt dafür, nicht selbst zu sagen: »Ich will dieses, ich will jenes«, sondern bereit zu sein, all das zu tun, was notwendig ist, u m das Zentru m zu m Blühen zu bringen. Es war eine innere Bereit- schaft da. A ber es hat natürlich auch Spaß ge m acht, so die Welt und die Menschen kennenzulernen.

timmt die Geschichte, dass die Lehrer von Madonna und Sting bei Ihnen im Unterricht waren? David Life und Sharon Gannon, die später Jiva m ukti Yoga gegründet haben, waren bei m ir i m Zentru m in New York. Ich habe darüber nie lange nachgedacht. A uch andere Lehrer, die später bekannt wurden, waren m anch m al bei m ir in Kursen – oder ich bei denen. Man wuss- te da m als ja auch gar nicht, wer ein m al berüh m t werden würde. Gute Lehrer besuchen öfters Stunden von anderen Lehrern. A uch aus unterschiedlichen Richtungen inspiriert m an sich gegenseitig. Gehen Sie auch heute noch zu anderen Lehrern? Ich gehe öfters hier in Bad Meinberg in die evangelische Kirche. A u- ßerde m lasse ich m ich über Podcasts von spirituellen Lehrern aus buddhistischen und christlichen Richtungen inspirieren. Ich gehe auf Kongresse, besuche Vorträge anderer Lehrer und tausche m ich m it ihnen aus. Ich bin generell ein sehr neugieriger Mensch, lese ein breites Spektru m an Zeitschriften und höre auch wissenschaftliche Podcasts. Stets m öchte ich wissen, was die Menschen beschäftigt. Warum ist das so interessant? Es gibt doch kau m etwas Interessanteres. Für m ich bedarf es da keiner Begründung. Ich interessiere m ich für m eine U m welt. Sind Ihnen bei Ihrer Arbeit mehr Un- terschiede oder Gemeinsamkeiten aufgefallen? Menschen suchen überall nach m ehr als nur de m m ateriellen Leben. Sie wissen oft nicht, waru m sie trotz äußeren Erfolgs unzufrieden sind, und haben m anch m al Schwierigkeiten, m it ihre m eigenen Geist u m zugehen. Haben Sie auch selber manchmal noch Schwierigkeiten damit? (lacht) Der Yoga-Weg geht sehr weit. Schwierigkeiten würde ich es nicht nen- nen. A ber ich bin m ir i mm er noch für eine Überraschung gut. Es gibt viele Yoga-Lehrer. Was gibt aus- gerechnet Ihnen die Kraft, eine so große Gemeinschaft zu erreichen? Die Zusa mm enarbeit m it anderen Men- schen. Ich arbeite m it vielen Mitarbeitern

nd Ehrena m tlichen, von denen jeder etwas dazugibt. A uch die Pod- casts sind nicht ein Werk von m ir allein. Viele Leute wirken daran zu- sa mm en aus der ge m einsa m en Überzeugung, dass alle von Yoga profitieren können, egal wo sie leben oder woran sie arbeiten. Wenn Sie das Wort »Yoga« durch einen anderen Begriff ersetzen müssten – worauf läuft es hinaus, was wichtig ist? Wenn Spiritualität die Erfahrung einer höheren Wirklichkeit ist, dann bedeutet spirituelles Wachstu m , aus diese m Bewusstsein zu leben und daraus zu handeln. Wenn nichts u m gesetzt wird, das frustriert m ich. Es m acht m ir Freude, wenn ich Menschen inspirieren kann, tätig zu werden und Verantwortung für ihr Leben zu überneh m en. In Ihrem Zentrum geben Sie verschiedensten Religionen Platz: Christentum und Hinduismus, Buddhismus und Islam. »Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht«, haben Sie mal gesagt. Offen für alles sein heißt, nicht beliebig zu sein. Wir sind offen für alle Strö m ungen aus verschiedensten Kulturen, die vo m Geist des gegenseitigen Respekts und des Mitgefühls durchdrungen sind. Wir sind nicht offen für funda m entalistische Strö m ungen und alles, was auf direkte oder indirekte Gewalt und A ngst hinausläuft. Yoga Vidya Horn-Bad Meinberg bietet die größte »Hotel-Bio-Küche« Europas. War das von Anfang an Ihr Programm? Zu m Yoga gehört ökologisches und nach- haltiges Bewusstsein, die A chtung vor Mut- ter Erde. In unseren Se m inaren werden Mahlzeiten seit 1994 weitestgehend, in Bad Meinberg seit 2003 ausschließlich aus bio-zertifizierten Lebens m itteln zubereitet. Bio und vegetarisch. In Ihren Vorträgen kommen Fleischfreunde schlecht weg. Was ist Ihre Botschaft an sie? Tiere sind denkende und fühlende, be- wusste Lebewesen. Sie sollten nicht ge- tötet und gegessen werden. Sie sind unseres Respekts, unserer Ehrerbietung würdig. Vegetarische und auch vegane Er- nährung ist gesund und sch m eckt lecker. Wir befinden uns in einer Kultur wachsen- den Mitgefühls. Ich hoffe, dass Kriege und das Verzehren von Tieren bald undenkbar werden. ■ jre | www.yoga-vidya.de

kurz reflektiert

(Zusammenfassung Interview)

  • Name: Sukadev Volker Bretz
  • Alter: 49 (im Jahr 2012)
  • Beruf: Yoga- und Meditationslehrer, Leiter von Yoga Vidya

Wenn ich die Weltpolitik bestimmen könnte, würde ich ...

Meditation und vegetarische Mahlzeiten zum Bestandteil aller Sitzungen, Konferenzen, Gipfeltreffen und Besprechungen von Politikern und anderen Entscheidungsträgern machen.

Stolz bin ich auf ...

die immer stärkere Verbreitung von Yoga in den letzten 20 Jahren.

Ich könnte mich nie trennen von ...

der Überzeugung, dass hinter allem eine höhere göttliche Wirklichkeit ist.

Ich habe Angst vor ...

einer Rückkehr von Fundamentalismus und Intoleranz.

Siehe auch

Quelle