Sukadev Bretz über Jnana Yoga Vedanta

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Auf dieser Seite sind gesammelte Texte von Sukadev Bretz über den Jnana Yoga und Vedanta zu finden.

Die drei Körper und fünf Hüllen

Jnana Yoga, der Yoga des Wissens, ist neben Raja Yoga (Yoga des Geistes), Bhakti Yoga (Yoga der Hingabe und Gottesverehrung) und Karma Yoga (Yoga der Tat, des selbstlosen Dienens) der vierte der Haupt-Yogawege. Wichtige Unterwege des Raja Yoga sind Kundalini Yoga (Yoga der Energie) und Hatha Yoga (Yoga der Körperstellungen). 

Vedanta beantwortet die Frage nach unserer wahren Identität in dem Sinne, dass wir reines Bewusstsein sind. Ich bin der Zeuge. Ich bin der Beobachter. Ich bin das Bewusstsein. Ich bin der göttliche Kern. Es gibt viele verschiedene Versuche, es auszudrücken, ohne es wirklich ganz zu treffen. Und dieses reine Bewusstsein drückt sich aus über verschiedene Körper. Im Jnana Yoga unterscheidet man zwischen drei Körpern und fünf Hüllen. Es gibt andere Systeme mit etwas anderen Einteilungen und Benennungen, aber letztlich drücken alle dieselben Strukturen aus.  Nach der Vedanta-Philosophie drückt sich unser reines Selbst, der atman, aus über die drei Körper: 

  • Physischer Körper, sthula sharira
  • Astralkörper, sukshma sharira; 
  • Kausalkörper, karana sharira. 


Diese drei Körper enthalten die fünf Hüllen:

  • Annamaya kosha, die Nahrungshülle (physischer Körper)
  • Pranamaya kosha, die Energiehülle,
  • Manomaya kosha, die geistig emotionale Hülle,
  • Vijnanamaya kosha, die intellektuelle Hülle (Astralkörper) 
  • Anandamaya kosha, die Wonnehülle (Kausalkörper)

== Der physische Körper (sthula sharira) und die Nahrungshülle (annamaya kosha) == 

Sthula heißt „grobstofflich“, sharira „Körper“. Woraus besteht der grobstoffliche Körper? – Aus Nahrung. Aus der Nahrung, die wir gegessen haben. Deshalb wird er auch als annamaya kosha bezeichnet. Kosha heißt „Hülle“, anna „Nahrung“ und maya „gemacht aus“ (maya mit kurzem a, im Unterschied zu maya mit langem a = Täuschung, Illusion). Woraus besteht also dieser wunderschöne Körper? Er ist die aus Nahrung gemachte Hülle. 

Alle sieben Jahre erneuern sich die meisten Zellen, aber schon alle hundert Tage tauschen sich über 90 –95% aller Moleküle des Menschen aus, denn die Zellen sind ja ständig im Stoffwechsel. Das heißt, die Stoffe innerhalb der Zelle werden innerhalb von hundert Tagen ausgetauscht. Wer sich also von Schweinen und Kühen ernährt, dessen Nahrungshülle besteht aus Schweinen und Kühen. Wer sich von Vollkornmüsli, Löwenzahn, Äpfeln, Reis usw. ernährt, dessen Nahrungshülle besteht daraus. Wenn jemand auf vegetarische Kost umstellt, dann besteht der Körper innerhalb von hundert Tagen zum größten Teil aus Pflanzen. Aber man muss es etwas relativieren, denn man muss den Nahrungskreislauf berücksichtigen: Wenn Tiere sterben und zerfallen, ernähren sich anschließend Pflanzen aus ihnen und wenn wir diese Pflanzen essen, essen wir indirekt auch die Tiersubstanz. Fische ernähren sich von Würmern und wer den Fisch isst, ernährt sich von Würmern. Oder angenommen, man pflanzt auf einem Grab eine Tomatenpflanze an. Sie ernährt sich von den Stoffwechselprodukten der Würmer, welche den Körper vorher zerfressen haben. Anschließend isst ein Mensch die Tomate. Das ist der Nahrungskreislauf.

Anandamaya Kosha

Der Wunsch, auszubrechen, Grenzen zu überwinden, ist aber noch ein viel tieferer. Er kommt aus der sogenannten anandamaya kosha, der Wonnehülle, die dem Kausalkörper (karana sharija) entspricht. Er wird Kausalkörper genannt, weil er die Ursache ist für alles andere. Er enthält auch die Urprinzipien, die Archetypen und in ihm ist alles angelegt, was wir als Karma noch erleben müssen, um wieder zur Ganzheit zurückzukehren. In dieser Ebene ist auch die höhere Intelligenz, das höhere Selbst, die Intuition.

Zum Beispiel kommen die wenigsten Menschen über den Intellekt, eine logische Überlegung, zum Yoga. Manche kommen aus Verzweiflung dazu, andere aus Neugier oder durch einen Freund. Aber meistens ist es so, dass die Intuition plötzlich wach geworden ist. Da ist diese innere Stimme, diese innere Führung, vielleicht plötzlich, vielleicht auch über längere Zeit, vielleicht sogar schon jahrelang und man hat nur dieser Stimme nicht nachgeben wollen. Aber es gibt ganz tief im Innern etwas, das einem etwas sagen, einen leiten will. Das kann man zulassen oder auch nicht. Wenn man es nicht zulässt, dann wird es sich auf andere Weise manifestieren. Dann wird es sich die Außenwelt suchen, um einen aufzuwecken. Wenn man der inneren Stimme so nicht folgt, muss es eine äußere Katastrophe geben, die einen ein bisschen durchrüttelt. Ist man dann immer noch nicht bereit, ihr zuzuhören, wird es eine größere Katastrophe geben oder noch eine ganz große. Deshalb kommen nicht wenige Menschen über schwere Schicksalsschläge auf den spirituellen Weg, zum Beispiel auch über Krankheiten. Das heißt nun nicht, dass jede Krankheit notwendigerweise diese Ursache hat, denn im Yoga ist ein sehr breiter Karmabegriff angelegt ist, der oft zu sehr reduziert und vereinfacht wird. 

Aber es gibt verschiedene Formen von Intuition, zwischen denen man unterscheiden muss. Es gibt die überbewusste Intuition, von der ich gerade gesprochen habe, aber auch die unterbewusste Intuition, eine Art Ahnung. Das ist dann oft nicht wirklich etwas Überbewusstes, sondern es sind Inhalte, die aus dem Unterbewusstsein aufsteigen, zum Beispiel Projektion von Angstgefühlen etc. Die überbewusste Intuition ist immer verbunden mit einer Erweiterung des Bewusstseins, mit einer Erfahrung von Wonne, mit einer starken inneren Gewissheit, mit einer Kraft und einem Gefühl von Ausdehnung und Weite. Eine Ahnung hingegen ist oft eher beklemmend, macht ängstlich usw. Sie kann sich auch mit Emotionen vermischen, so dass man manchmal nicht mehr weiß, ist das nun eine Ahnung oder ein Angstgefühl. Man kann die unterbewusste Intuition auch als Instinkt bezeichnen, ähnlich wie ihn auch Tiere haben.

Der Kausalkörper ist jenseits der Sprache und nicht mehr in den gleichen Zeit-Raum-Kategorien wie der Astralkörper. Auf der astralen Ebene sind Zeit und Raum schon anders als auf der physischen Ebene, aber es gibt eben noch Zeit und Raum. Auf der kausalen Ebene ist der Körper irgendwie verbunden mit anderen, aber es ist nicht die vollständige Einheit und auch nicht die vollständige Dualität. Er ist die Ebene der Urprinzipien und von allem, was sich anschließend in der Polarität ausdrückt. Aber dennoch ist er etwas anderes als der atman, das Selbst. 

Der Astralkörper (sukshma sharira)

Sukshma heißt „feinstofflich“. Sukshma sharira ist also der feinstoffliche Körper. Er wird in drei Hüllen unterteilt:  

  • die pranamaya kosha, die Energiehülle
  •  die manomaya kosha, die emotionelle, geistige Hülle
  •  die vijnanamaya kosha, die intellektuelle Hülle. 

Manomaya kosha

Blockaden hängen mit der nächsten Hülle zusammen, der manomaya kosha, der geistig-emotionalen Hülle. Auf dieser Ebene sind unsere Emotionen, Gefühle, das einfache Denken, das Unterbewusstsein, unsere Wünsche und Handlungstendenzen sowie die Sinnes- und Wahrnehmungsorgane angesiedelt. All das wird zusammengefasst als manas, das einfache Denkprinzip, chitta, das Unterbewusstsein und indriyas, die Sinnesorgane. 

Die physiologischen Sinnesorgane sind natürlich im physischen Körper, zum Beispiel die Augen. Aber damit die Augen sehen können, muss eine Verbindung hergestellt werden zwischen Körper und Geist, muss also das prana funktionieren und muss auch der Geist anwesend sein. Denn wenn unser Geist abwesend ist, dann mag unser Auge offen sein, aber wir sehen gar nichts. Es gibt manche Menschen, die schlafen mit offenen Augen – einmal in dem Sinn, dass sie geistig abwesend sind, aber es gibt Menschen, die liegen wirklich mit offenen Augen da, wenn sie schlafen. Das sieht recht eigenartig aus. Und sie sehen dann im Schlaf natürlich nichts, weil ihr Geist woanders ist. 

Auf der anderen Seite kann es auch sein, dass man ohne die physischen Augen etwas sieht. Zum Beispiel gibt es Menschen, die ihren physischen Körper verlassen, versehentlich oder willentlich, entweder bei der Meditation oder der Tiefenentspannung als sogenannte Astralreise oder eventuell bei einer Nah-Tod-Erfahrung, einem Unfall, einer Ohnmacht. In solchen Situationen kann man etwas sehen, obwohl die physischen Augen geschlossen sind und nicht einmal die Gehirnwellen etwas wahrnehmen. 

Der Astralkörper funktioniert normalerweise im physischen Körper. Solange wir in der physischen Inkarnation sind, können wir auch im physischen Körper verhindern, dass die Fähigkeiten des Geistkörpers zum Ausdruck kommen. Wenn wir durch grauen Star oder einen Unfall erblinden, können wir nichts sehen. Aber es gibt manche Blinde – sehr wenige, zugegebenermaßen -, die es lernen, ein ganz normales Buch Satz für Satz mit ihren Fingern zu lesen – nicht in der Blindenschrift, sondern ein ganz normales Buch. Sie lernen, irgendwie über die Finger wahrzunehmen, zu „sehen“. Sie sehen auch Farben dabei und ein geistiges Bild.

In der manomaya kosha sind nicht nur die Wahrnehmungsorgane, sondern auch die Handlungsorgane. Nach der Jnana-Yogalehre hat der Mensch neben den fünf Sinnesorganen für Sehen, Hören, Schmecken, Riechen und Tasten/Fühlen fünf Handlungsorgane:   

  •  die Füße, um zu gehen
  • die Hände, um etwas zu verändern
  •  der Mund, um zu schlucken und zu sprechen
  •  der Anus und die Ausscheidungsorgane
  •  und die Geschlechtsorgane. 

Sie sind nicht nur Körperglieder oder -organe, sondern stehen für die fünf Dinge, die wir in der physischen Welt, im Alltag, im Leben tun. Wir bewegen uns in der Welt, dafür steht der Sinn der Füße. - Aber das ist vielen heute schon fremd geworden, denn die meiste Bewegung erfolgt heute nicht mehr über die Füße, sondern übers Auto, die Bahn, usw. Also die Füße als Handlungsorgan stehen für den Wunsch und die Fähigkeit des Menschen, sich fortzubewegen. Das klingt sehr banal, aber eine Pflanze zum Beispiel hat weder den Wunsch noch die Fähigkeit, sich zu bewegen.

Die Hände stehen dafür, dass wir die Welt verändern wollen. Und auch da verändern wir heutzutage nicht nur mit den Händen, sondern wir haben alle möglichen Instrumente, mit denen wir Dinge verändern. 

Den Mund haben wir zum Essen und zum Kommunizieren. Essen tun wir immer noch in herkömmlicher Weise. Aber für die Kommunikation haben wir andere Möglichkeiten gefunden: Fax, Telefon, E-Mail, Fernsehen, Radio.

Die Ausscheidungsorgane stehen auch dafür, dass der Mensch Müll produziert. Nicht nur persönlichen Müll. Gerade die westliche Zivilisation produziert jede Menge von Müll.

Und Geschlechtsorgane stehen natürlich für die Sexualität und die Fortpflanzung, im übertragenen Sinn auch für den Wunsch nach Kreativität, sich auszudrücken, zu entfalten.

All das ist der manomaya kosha zugeordnet und kann sich mittels des prana und des physischen Körpers in der physischen Welt ausdrücken.

Der Kausalkörper (karana sharira)

„Karana“ bedeutet „Ursache“. Er wird auch als anandamaya kosha, die Wonnehülle, bezeichnet.  

Das Wirken dieser Körper kann man sich in beide Richtungen vorstellen: Entweder, man geht vom grobstofflichen Körper immer tiefer nach innen zu seinem eigentlichen Wesen. Oder man könnte sich vorstellen, man geht vom physischen Körper immer weiter in die Ausdehnung. 

Verschiedene Dichtigkeitsstufen

Die anderen Körper und Hüllen neben dem physischen Körper sind als subtilere Materie zu verstehen. 

Schon auf der physischen Ebene gibt es ja Materie verschiedener Dichtigkeitsstufen, die sich durchdringt und überlagert.

Es gibt zum Beispiel ein Einteilungskriterium nach den fünf Elementen: 

  • Erde, 
  • Wasser, 
  • Feuer, 
  • Luft
  • Äther. 

Die Elemente sind entweder grob- oder feinstofflich. 

Erde entspricht der festen Materie, Wasser ist flüssige Materie, Feuer ist ein anderer Aggregatzustand von Materie, den es auf der Erde nicht gibt, aber zum Beispiel auf der Sonne. Die Sonne besteht aus Plasma, sie ist weder flüssig noch gasförmig, sie ist etwas dazwischen. Als viertes gibt es den gasförmigen Aggregatzustand, Luft. Und das fünfte, was als Äther bezeichnet wird, umfasst das ganze elektromagnetische Spektrum, welches aus verschiedensten Wellen besteht. Und gerade auf dieser Ebene ist alles von allem durchdrungen. Früchte zum Beispiel sind fest und haben doch viel Flüssigkeit in sich. Oder ein Schwamm, der viel Flüssigkeit aufsaugt und dazwischen vielleicht auch noch Luft hat. Und jede feste Materie ist in jedem Fall vom elektromagnetischen Spektrum mit Wellen durchdrungen.

Die fünf Elemente werden in verschiedenen Zusammenhängen verschieden angewendet und interpretiert. Sie sind Einteilungskategorien. Äther zum Beispiel kann als Raum gemeint sein, auf der Ebene der Erscheinungen ist Äther die Wellen. 

Im Erdkern ist auch Feuer , eine Mischung aus Erde, Feuer und Wasser. Der Erdkern, das Magma, ist ja flüssig, nur sehr heiß. 

Es gibt verschiedene Aggregatzustände. Alles auf der physischen Ebene besteht eigentlich nur aus Energie. Die moderne Naturwissenschaft hat ja auch herausgefunden, dass es so etwas wie feste Materie nicht gibt. Alle Materie besteht nur aus Energie. Und Energie gibt es nicht als etwas Festes, sondern auf atomarer und subatomarer Ebene gibt es einfach nur Wahrscheinlichkeitsfolgen. Man geht sogar so weit, zu sagen, man kann nicht wirklich beschreiben, was Energie ist, denn die Gesetze auf dieser Ebene sind dem Intellekt nicht zugänglich. Aber alles besteht aus der gleichen Energie. Letztlich gibt es keinen Unterschied zwischen einem Mikrofon und einem Buch, zwischen Lichtstrahlen und der Erdanziehungskraft; es ist alles die gleiche Energie. Die moderne Physik hat neuerdings das Universum auf drei Grundkräfte reduziert, die interessanterweise Eigenschaften aufweisen wie die drei gunas (Eigenschaften der Natur) aus der Yogalehre: sattwa (Reinheit, Klarheit, Leichtigkeit), rajas (Aktivität, Unruhe) und tamas (Dunkelheit, Trägheit). Interessanterweise kommt die Physik der Vedanta- und Jnana-Yoga-Philosophie immer näher, je weiter sie forscht. 


Die wahre Natur des Selbst

Der atman ist die Ebene, wo nichts da ist, wo ich nichts ausdrücken muss, sondern es ist einfach. Das Selbst, obgleich es keine Eigenschaften hat, kann dennoch beschrieben werden mit drei Eigenschaften. Es heißt, das Selbst ist 

  • sat,
  • chit, 
  • ananda. 

Sat heißt reines Sein, absolutes Sein. Und absolut bedeutet ohne Grenzen. Es gibt weder physische, also räumliche, noch zeitliche Grenzen. 

Jnana Yoga behauptet also, unser wahres Selbst ist absolut - nicht Zeit, Raum und Kausalität unterworfen. In unserem wahren Selbst gab es uns immer schon, gibt es uns immer und wird es uns immer geben, und zwar nicht nur hier sondern überall. Wenn ich zum Beispiel von einem Ort zu einem anderen gehe, bringe ich nur den Körper von hier nach dort. Mein wahres Ich, mein Selbst, ist schon da. Oder ein anderes Beispiel: Ich habe ein leeres Gefäß und stelle es jetzt zwei Meter weiter. Bewege ich dann den Raum von hier nach dort? Luft ja, aber Raum? Nein. Und obgleich es so scheint, als ob ich den Raum von hier nach dort bewege, ist es nur eine Täuschung. Und wie unterscheidet sich der Raum in einem Zimmer von dem Raum draußen? – Es scheint, als trenne die Mauer den Raum, aber in Wirklichkeit ist die Essenz des Raums drinnen und draußen dieselbe. Der Raum bleibt gleich. 

Wir sind also reines Sein; wir sind, wir waren, wir werden sein, wir sind überall. Und daher kann es auch nur ein Sein geben, es kann nicht mehrere Seine geben, die auch überall sind. Ebenso ist es mit dem Bewusstsein. Das Bewusstsein als solches – ohne konkrete Inhalte – ist dasselbe. Es kann nicht mehrere Bewusstseine geben. Letztlich heißt das, dass mein Selbst und das Selbst von Herrn Y und Frau X identisch ist. Und nicht nur von uns drei, sondern von allen Menschen. Und nicht nur von allen Menschen, sondern von allen Wesen, von allem, was ist. 

Chit wird meist übersetzt als Wissen, gemeint ist absolutes Wissen oder eigentlich Bewusstsein, reine Bewusstheit. Das Sein ist also nicht einfach nur da, sondern es ist Wissen und Bewusstheit. Die Antwort auf alle wichtigen Fragen ist in uns und drückt sich über die anandamaya kosha als intuitive Erkenntnis aus. Die Schwierigkeit ist nur, wir wissen nicht, dass wir es wissen. Wir müssen erst Zugang bekommen zu diesem inneren Wissen. 

Und schließlich ist die Natur des Selbst ananda, Glückseligkeit. Nicht: Wir sind glücklich. Nicht: Wir erfahren Glück. Sondern: Wir sind Glück. Wir sind Glück und Wonne. Auch wenn wir uns gerade nicht danach fühlen, egal, wie die Situation ist, was auch immer geschieht, unser Wesenskern ist ananda. „Anandoham anandoham anandambram anandam - Ich bin Wonne, ich bin Wonne, ich die Wonne von Brahman, dem Absoluten, das bin ich.“ Und es heißt, wir sind reine Wonne, reine Freude. Irrtümlicherweise identifizieren wir uns mit etwas anderem und glauben, das Glück kommt von außen, von einem äußeren Gegenstand oder einem anderen Menschen. Alle Freude, alles Glück kommt letztlich aus unserem eigenen Selbst.

Dazu gibt es einige sehr schöne Geschichten, die das etwas klarer machen

Geschichten von Nasrudin

Es war einmal ein persischer Sufimeister namens Nasrudin – er lebte eigentlich bei Bagdad im heutigen Irak, aber damals gehörte das alles zu Persien. Er hat dadurch gelehrt, dass er sich unorthodox, anders, als man es erwartet, verhielt. So versuchte er, die Menschen wachzurütteln, zum Denken anzuregen. Die Geschichten und Witze, die im Iran und in der Türkei teilweise noch heute über ihn erzählt werden, klingen ein bisschen wie Eulenspiegel-Geschichten. Den meisten Menschen ist nicht bewusst, wie viel da eigentlich drin steckt. 

Eines Tages wurde Nasrudin also gesehen, wie er draußen auf der Straße etwas suchte. Ein Nachbar kam und fragte ihn: „Meister, was suchst du?“ Nasrudin antwortete: Ich suche den Schlüssel zu meinem Haus. Sie suchten nun gemeinsam eine ganze Weile in der glühenden Sonne die Straße ab, ohne den Schlüssel zu finden. Schließlich sagte der Nachbar: „Meister, versuch’ dich doch einmal, daran zu erinnern, wo du den Schlüssel verloren hast.“ Nasrudin: „Drinnen im Haus.“ „Aber warum suchst du denn jetzt hier draußen?“ „Ja, mein Lieber, erstens ist das Schloss zugefallen und ich komme nicht hinein. Und zweitens ist es hier draußen viel heller und leichter, etwas zu suchen.“

Der Schlüssel symbolisiert den Schlüssel zu unserem Glück, den wir in uns verloren haben. Aber es ist schwer, nach innen zu gehen, denn es ist verschlossen. Wodurch ist es verschlossen? Die Knie tun weh, die Brust tut weh, es ist schwierig, den Geist nach innen zu richten, und wenn es uns einmal gelingt, den Geist nach innen zu richten, dann ist es dort entweder sehr dunkel oder Tausende von Gedanken sind da. Dennoch, den Schlüssel zum Glück finden wir tatsächlich nur innen. 

Und wenn wir analysieren, wie es ist und woher es kommt, wenn wir uns einmal wirklich glücklich fühlen, dann scheint es zwar so zu sein, als sei es durch ein äußeres Ereignis verursacht. Aber in Wirklichkeit hat der äußere Anlass - vielleicht die Erfüllung eines großen, langgehegten Wunsches -, nur bewirkt, dass der Geist in diesem Moment ganz ruhig und konzentriert ist, keine weiteren Wünsche und Ablenkungen mehr da sind. Und dann kann das innere Glück zum Vorschein kommen, durchscheinen. 

Ein paar Monate später sah man Nasrudin auf der Straße eine furchtbare Grimasse ziehen. Jemand fragte ihn: „Meister, was ist mit dir los?“ „Ach, ich habe solche Schmerzen an den Füßen.“ „Warum denn?“ „Weil meine Sandalen so eng sind.“ „Ja, warum trägst du denn so enge Sandalen?“ Da lachte Nasrudin verschmitzt und sagte: „Abends, wenn ich zu Hause bin und die Sandalen ablege, dann ist das ein so wunderbares Gefühl. Und dafür rentiert es sich, den ganzen Tag Schmerzen zu haben.“

Das klingt vielleicht verrückt. Aber wofür stehen die Sandalen? Ein zu enger Schuh symbolisiert neue Wünsche, die wir haben. Wir bilden uns ein, unser Glück hänge davon ab, dass wir dieses oder jenes haben oder mit einem bestimmten Menschen zusammen sind oder dass etwas ganz Bestimmtes geschieht. Somit sind wir abgeschnürt, geistig nicht mehr frei, und eine ganze Reaktionskette läuft ab. Wenn der Wunsch erfüllt ist, befreit uns das zunächst mal von dem engen Schuh. Vorerst sind wir dann erst einmal glücklich und es kann kurzfristig oder auch eine ganze Weile lang schön sein. Aber ist es ein dauerhaftes Glück? – Es dauert nicht lange, bis wir neue zu kleine Schuhe anziehen. 

Auf einer anderen Ebene steht die Geschichte natürlich auch dafür, dass wir uns oft das Leben selbst sehr kompliziert machen. Wir haben so viele innere Zwänge, Vorstellungen, was wie sein müsste, wie wir selbst sein müssten, wie andere sein müssten, wie die Gesellschaft und die Welt beschaffen sein müsste .... wenn wir diesen zu engen Schuh ablegen können, sind ist das tatsächlich eine große Erleichterung und Befreiung.


Siehe auch

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