Der Aufstieg des Geistes - Die fortschreitende Evolution des Menschen

Aus Yogawiki

Der Aufstieg des Geistes - Die fortschreitende Evolution des Menschen


Der Aufstieg des Geistes - Die fortschreitende Evolution des Menschen

Man kann durchaus sagen, dass das menschliche Individuum innerhalb des Prozesses, in den es gegenwärtig verwickelt ist, psychologisch unterentwickelt ist. Es muss nicht extra erwähnt werden, dass die Geschichte seit jeher ein Prozess der Wandlung ist, der in sich nicht nur die menschliche Spezies umfasst, sondern die gesamte Schöpfung, wobei nicht einmal die physikalischen Elemente ausgenommen sind, die das astronomische Weltall bilden. Obwohl der analytische Verstand dazu imstande ist, überall in der Natur den Prozess der Wandlungen zu beobachten, hindert ihn die eigentümliche Struktur des psychischen Organs daran, sich dieser Tatsache bewusst zu sein, und lässt ihn in der Vorstellung, die sich wandelnden Dinge seien dennoch beständig, ein Gefühl der Selbstzufriedenheit empfinden. Häufig ist man sich des Phänomens der Veränderung jedoch überhaupt nicht bewusst. Man könnte sagen, dass sich der Geist des Menschen in einem Zustand der Illusion befindet, solange er dazu unfähig ist, sich den Erfordernissen der im Weltall stattfindenden Veränderungen anzupassen, die wir für gewöhnlich Evolution nennen, und solange er sich auf ein einzelnes Merkmal des sich stets Verändernden konzentriert, in dem er Beständigkeit erblickt und auf Grund dessen er sich, wie auch immer, mit einem Band der Liebe oder des Hasses an Personen und Dinge bindet. Eine solche Situation nannten die Alten Samsara oder die Verwicklung in die irdische Existenz.

Eine philosophisch orientierte wissenschaftliche Denkhaltung erklärt die Ursache für das eigene blinde Festhalten an der Vorstellung von der Beständigkeit der Objekte dieser Welt sowie die Unfähigkeit unseres Geistes, allen Wandel und alle Veränderung als Tatsache zu akzeptieren - was ja die Ursache für Emotionen, Anhänglichkeit, Abneigungen und dergleichen ist - damit, dass es sich hierbei um einen Kompromiss handelt, den der Geist mit einer Menge von Schwingungs- und Kräftesequenzen in einem Akt der Wahrnehmung eingeht, wobei er für seine Zwecke nur bestimmte Aspekte der Kraftmerkmale auswählt und andere Aspekte, die seinen eigenen persönlichen Zielen nicht dienlich sind, zurückweist. Die Tatsache, dass dieser Wahrnehmungsakt nur durch die Übereinstimmung jener Frequenzen möglich ist, die sowohl in der Bewegung des menschlichen Geistes als auch in jener Kraft vorherrschen, die die äußeren Objekte bildet, beschert uns inmitten der Vergänglichkeit der Objekte die Illusion von deren Beständigkeit. Diese Art der Übereinstimmung und des Kompromisses zwischen Verstand und Wahrnehmungsobjekt findet man beispielsweise, wenn auch auf andere Art, in der Wahrnehmung eines “laufenden” Kinofilms. Die Struktur der optischen Organe, durch die der Verstand währenddessen arbeitet, befindet sich hier in der Illusion einer Beständigkeit der auf die Leinwand projizierten, sich bewegenden Bilder, obwohl sehr wohl bekannt ist, dass der laufende Film mindestens sechzehn Bilder in der Sekunde projiziert. Dies ist eine Tatsache, die der Verstand jedoch auf Grund seiner Zuordnung zu den Organen der Augen und auf Grund seiner Abhängigkeit von ihnen nicht erfassen kann. Obwohl wir wissen, dass keines der erzeugten Bilder des sich bewegenden Filmes in sich statisch ist, täuschen uns die Augen und lassen uns glauben, dass eine, wenn auch vorübergehende Statik in ihnen vorhanden sei. Obgleich in diesem Phänomen ein Widerspruch zwischen dem Verstand und der Sinneswahrnehmung vorliegt, lässt der Verstand es zu, von der Wahrnehmung der Augen getäuscht zu werden, und versorgt uns mit diesem falschen Glauben, so dass durch das ungerechtfertigte Akzeptieren dieser Täuschung seitens des Verstandes das gesamte Lebensmuster und Lebensprogramm einer Person in völlig andere Bahnen gelenkt werden kann. Ein ähnlicher Sachverhalt würde unsere Wahrnehmung von den beständigen Objekten dieser Welt erklären. Die Wahrheit, die Buddha vor Jahrhunderten verkündete, dass alles unbeständig ist, wird heute durch die Beobachtungen der modernen Physik bestätigt, die innerhalb eines scheinbar statischen Objekts Partikel und Kräfte tanzen sieht, welche die eigentliche Grundsubstanz jenes Objektes bilden. Die Persönlichkeit des Menschen ist von der Wirkung dieses Gesetzes nicht ausgenommen, und man kann durchaus sagen, dass sich jede Zelle unseres Körpers in jedem Moment verändert.

Diese Tatsache, die uns dabei hilft herauszufinden, in welchen Verstrickungen sich die menschliche Natur befindet, zeigt uns, wie notwendig es ist, sowohl die Position des Menschen innerhalb der Komplexität des Universums richtig einzuschätzen als auch den Funktionscharakter, der dem Menschen in der Anordnung der Dinge abverlangt wird. Dies birgt jedoch das Problem in sich, dass der Mensch nicht in der Lage ist, die Wirklichkeit hinter den Erscheinungen zu kennen, da die Verstandesfähigkeit des Menschen unentwirrbar in die Struktur der Erscheinungen verwoben ist. So schränken zum Beispiel die Bedingungen von Raum, Zeit und Schwerkraft die Freiheit des Verstehens ein, da diese weit tiefgreifendere Verwicklungen enthalten, als dies an der Oberfläche erscheint, die sowohl die bloße Existenz der menschlichen Persönlichkeit als auch jenes mysteriöse Etwas kontrollieren, das wir im Aufbau der Dinge für gewöhnlich als Kausalität bezeichnen. Diese Schwierigkeit bedeutet jedoch noch nicht das Ende aller Weisheit, auch wenn sie in der Tat ein anscheinend unlösbares Problem darstellt. Schließlich dirigiert sie den Verstand gleichzeitig auch zur Erkenntnis eines fundamentaleren Sachverhalts, nämlich dem, dass es keine Erscheinungen geben kann, wenn es keine Wirklichkeit hinter ihnen gibt, die sie trägt.

Das Resultat dieser Analyse sind somit folgende zwei Entdeckungen: (1) dass sich hinter den Veränderungen der Oberflächenexistenz der Dinge irgend etwas Beständiges befinden muss, und (2) dass die bloße Tatsache, die es dem Verstand ermöglichte, zu dem Schluss zu gelangen, dass es hinter den Erscheinungen eine “Wirklichkeit” gibt, ausreichender Beweis dafür ist, dass der Verstand, obwohl er in die Welt der Erscheinungen verwickelt ist, auch in der Wirklichkeit verwurzelt ist. Andernfalls hätte er nicht zu einer derartigen Schlussfolgerung wie der Existenz einer “Wirklichkeit” kommen können. Der Mensch ist somit sowohl phänomenal als auch nominal. Er ist sterblich und unsterblich zugleich. Wie ein Philosoph es humorvoll bezeichnete, ist der Mensch Knotenpunkt von beiden - von Gott und Tier.

Trotz der unvermeidlichen Schwächen, die wir durch unsere Verwicklung in die Erscheinungen haben, sieht es so aus, als könnten wir unser Ziel dennoch erreichen, da wir ja eine Verbindung zur Wirklichkeit haben. Und vielleicht können wir sogar Gott, das Absolute, erreichen, da Er uns mindestens so nah ist, wie uns dies in Beziehung zu irgend etwas in der Welt überhaupt möglich sein kann. Ja, vielleicht ruhen wir enger und näher an Seinem Busen, als wir ahnen, denn wie könnte das Konzept der “Wirklichkeit” in uns auftauchen, wenn wir nicht selbst in der Wirklichkeit verwurzelt wären?

Dies markiert den Beginn sowohl der wissenschaftlichen als auch der philosophischen Abenteuerreise bis hin zur spirituellen Erleuchtung. Wir schreiten von der Wissenschaft zur Philosophie und von dort aus zur Spiritualität voran, eine Bewegung, die man im großen und ganzen als die Stufenleiter unseres Aufstiegs im Prozess der Evolution bezeichnen kann. Diese Evolution verläuft normalerweise progressiv, obwohl es auf Grund von falschen Vorstellungen und mangelnder Weitsicht zu gelegentlichen Rückschlägen oder Rückschritten kommen kann, die die menschlichen Bemühungen in ihrer Suche nach der Wahrheit konfrontieren und sich ihnen entgegenstellen.

Die wissenschaftliche Annäherung, die die erste Phase darstellt, beschäftigt sich vorrangig mit den äußeren Beziehungen des Menschen und studiert die physikalischen, chemischen, biologischen, psychologischen, sozialen, politischen und kulturellen Bedeutungen des Lebens, die die Grundlagen des menschlichen Fortschritts und dessen Errungenschaften darstellen. Die Physik entdeckt, dass das Universum ein materielles Gefüge aus anorganischer Substanz ist, die sich als die Grundlage der Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft, wie auch als Grundsubstanz des gesamten Sonnensystems, des kosmischen Staubes, der Sonne, des Mondes, der Sterne und Milchstraße durch den unendlichen Raum hindurch ausdehnt. Die Newtonsche Physik behauptete, dass “Raum” als eine Art Behälter für materielle Substanzen wie Sonne, Planeten und dergleichen dient und dass es eine sogenannte Anziehungskraft gibt, die zwischen diesen Objekten wechselseitig wirkt und die Objekte in ihrer Position und in ihren Umlaufbahnen hält, und dass diese Kraft darüber hinaus bis zu einem gewissen Grad auch deren Charakter und vielleicht auch ihre Zusammensetzung bestimmt. Nach Newton begannen physikalische Entdeckungen das Wirken von Tatsachen anzukündigen, die vom Newtonschen Konzept sehr weit abweichen und es transzendieren. Ihnen zufolge ist “Raum” kein Behälter für Dinge, die mit ihm nicht in Verbindung stehen, sondern eher eine Art unendliches elektromagnetisches Feld, das in die bloße Struktur und Funktion aller materiellen Objekte eingetreten ist. Diese Entdeckung führte darüber hinaus zu den noch komplizierteren Theorien der Quantenmechanik, der Wellenmechanik und so weiter, und schließlich zur Relativitätstheorie, die uns lehrt, dass Dinge nicht nur als Kräfte in einem elektromagnetischen Feld miteinander verbunden sind, sondern dass sogar das Konzept von Kraft oder Energie für ein rechtes Verständnis der wahren Natur des Universums ungeeignet ist. Man berichtet uns, dass es keine Dinge gibt, sondern nur Ereignisse, dass es keine Objekte gibt, sondern nur Prozesse, so dass wir uns in einem fließenden Universum eines vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuums befinden, in dem die Relativität das oberste Prinzip ist. Das Prinzip der Relativität reduziert alles zu einer wechselseitigen Abhängigkeit sämtlicher struktureller Anlagen und Raum-Zeit-Ereignisse, so dass das Universum eher einer lebenden organischen Ganzheit gleicht, in dem die Idee der Kausalität, wie sie für gewöhnlich verstanden wird, ausgeschlossen ist. In einer organischen Struktur sind die Teile nämlich derart in einer internen engen Beziehung miteinander verbunden, dass jedes Teil gleichermaßen Ursache wie auch Wirkung ist, da hier alles von allem anderen mitbestimmt wird. Man könnte sogar sagen, dass alles überall ist. Es ist nicht nötig, in dieser großartigen wissenschaftlichen Doktrin in tiefere Details vorzudringen, da den Schülern der Philosophie und des spirituellen Lebens statt dessen ein tiefgründiges Studium von Texten wie der Yoga-Vasishtha empfohlen werden kann, die ihnen die praktischen Möglichkeiten der sogenannten Relativitätsphänomene gewinnbringend vor Augen führen.

Obwohl die Wissenschaft in ihren fortgeschrittenen physikalischen Untersuchungen ihre Schlussfolgerungen in Form solch gewaltiger Wahrheiten hervorbrachte, wie sie von der Relativitätstheorie offenbart werden, konnte sie sich nicht von der Vorstellung befreien, dass das Universum physikalisch sei, trotz der Tatsache, dass einige der späteren Genies der Wissenschaft tatsächlich über die Existenz eines universellen Geistes oder Bewusstseins stolperten, welches das “Substrat” oder, wie man es nennen kann, den “Beobachter” aller relativistischen Erscheinungen darstellt. Das physikalische Universum wird als die Basis betrachtet, von der aus die Evolution beginnt. Die indische Philosophie schloss die Tatsache nicht aus, dass die Evolution des Lebens von der Stufe der anorganischen Materie aus beginnt, obwohl sie zu den Höhen aufstieg, einen bewussten, die Erscheinungen transzendierenden Schöpfer des Universums anzuerkennen, um schließlich in ihrem System des Vedanta zu dem Schluss zu kommen, dass das schöpferische Prinzip vom erschaffenen Universum letztendlich nicht verschieden ist. Evolution wurde als ein im empirischen Reich der Erfahrung gültiger Prozess akzeptiert, auch wenn das Ziel der Evolution die Verwirklichung des höchsten Lebenszieles ist, nämlich die Einheit des Absoluten, und somit die Existenz der Intelligenz des Schöpfungsprinzips in seiner untrennbaren Beziehung zum Universum. Leben steht über der Materie, Verstand über dem Leben und Intellekt über dem Verstand. Eine interessante und fesselnde Beschreibung der modernen wissenschaftlichen Vorstellung vom Evolutionsprozess findet man in Samuel Alexanders Werk “Raum, Zeit und Gottheit”, in dem er eine Evolutionstheorie auf der Grundlage der physikalischen Relativitätstheorie einführt, wobei gemäß letzterer Raum-Zeit als Kontinuum den Rahmen aller Erscheinungen bildet. Raum-Zeit produziert Bewegung und Materie, die sich selbst in die physikalischen Elemente verdichtet, die wir mit unseren Sinnen wahrnehmen können. Physikalische Substanzen, die auf diese Weise aus der Raum-Zeit-Bewegung hervorgegangen sind, sind mit den sogenannten Primäreigenschaften wie Größe, Gewicht und dergleichen ausgestattet. Man nimmt an, dass sie später durch Sekundäreigenschaften wie Farbe, Klang und so