Das Rad der Wiedergeburten: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Der nachfolgende Text ist dem Buch "Indische Mythen und Symbole - Schlüssel zur Formenwelt des Göttlichen" des Indologen [[Heinrich Zimmer]] entnommen (Originaltitel "Myths and Symbols in Indian Art and Civilization", Bollingen Foundation Inc., New York). Übersetzung aus dem Englischen von Ernst Wilhelm Eschmann, Eugen Diederichs Verlag, München 1981, 5. Aufl. 1993)'''
#weiterleitung[[Rad]]
 
==Indische Mythen und Symbole - Kapitel 1: Ewigkeit und Zeit==
 
===Das Rad der Wiedergeburten===
[[Indien]]s Schatz von Mythen und Sinnbildern ist unermeßlich. In den zahllos wimmelnden Texten und den massenhaft vorhandenen Architekturmonumenten überquellen so viel inhaltsreiche Einzelheiten, daß trotz aller Herausgabe-, Übersetzungs- und Deutungsarbeit der Gelehrten seit dem 18. Jahrhundert es keineswegs eine seltene [[Erfahrung]] ist, bisher unbemerkten oder unbekannten Erzählungen, unentzifferten [Nyaya|Gleichnissen] und ausdrucksvollen, noch nicht verstandenen Charakterzügen zu begegnen, oder auch ästhetischen und philosophischen Werten, um die sich noch kein Verständnis bemühte. Vom zweiten Jahrtausend v. Chr. gehen die indischen Überlieferungen in ungebrochener Folge fort. Da die Weitergabe vorwiegend mündlich geschah, ist uns nur ein unvollständiger Bericht der langen und reichen [[Entwicklung]] geblieben: bestimmte langdauernde und produktive Perioden haben kaum Zeugnisse hinterlassen, und vieles ist unwiederbringbar verloren gegangen. Dennoch sind, obgleich Zehntausende von Handschriftseiten noch auf Herausgabe warten, die großen bereits im Westen und in Indien gedruckt vorliegenden Werke so zahlreich, daß kein einzelner hoffen kann, sie im Laufe eines Lebens zu bewältigen.
 
Diese Erbschaft ist sowohl übermächtig wie bruchstückhaft und dennoch so einheitlich, daß es möglich ist, ihre Hauptzüge in einem einfachen zusammenhängenden Umriß wiederzugeben. Wir glauben in dem vorliegenden Band imstande zu sein, die Haupt¬gebiete und -probleme, die herrschenden Sinnbilder und bezeich¬nendsten Züge der reichen Mythenwelt des Hinduismus nicht nur zu überblicken, sondern auch in einem gewissen Grade zu erfor¬schen. Fragen der Methodologie und Interpretation, die unvermeid¬lich auftauchen, werden wir an ihrer Stelle behandeln. Dies kann aber nicht außerhalb, am Anfang, geschehen. Sind wir doch jetzt noch nicht mit den Personen, dem Stil, den Ereignisfolgen, den grundlegenden Vorstellungen und Wertmaßstäben dieser von der unsrigen so ganz verschiedenen Oberlieferung vertraut. Es wäre nicht angängig, die Begriffe des Ostens in die dem Westen gewohn¬ten, beschränkenden Rahmen zu zwängen. Wir müssen ihrer tiefen Fremdheit erlauben, uns die unbewußten Beschränkungen zu zeigen, denen unsere eigene Annäherung an die Rätsel von Mensch und Sein unterliegt.
Die wunderbare Geschichte von der Parade der Ameisen öffnet uns ein fremdartiges Schauspiel; der Pulsschlag eines anderen Raum- und Zeitgefühls lebt in ihr. Im Gesamtgefüge einer gege¬benen Oberlieferung und Kultur werden die Anschauungen von Raum und Zeit gewöhnlich fast selbstverständlich genommen. Ihre Gültigkeit wird selten erörtert oder in Frage gestellt, selbst nicht von Leuten, die sich in bezug auf soziale, politische und moralische Probleme scharf absondern. Sie scheinen unvermeidlich, farblos und auch unwichtig zu sein; bewegen wir uns doch durch sie hin¬durch und werden von ihnen getragen wie der Fisch im Wasser. Wir sind in ihnen enthalten und werden von ihnen eingefangen in Unkenntnis ihrer besonderen Beschaffenheit, weil unser Wissen nicht über sie hinaus reicht. So werden uns die indischen Auffas¬sungen von Zeit und Raum zuerst krankhaft und bizarr erscheinen, denn die Grundlagen der westlichen Anschauungen sind unseren Augen so nah, daß sie unserer Prüfung entgehen. Sie sind aus dem Stoff, aus dem unsere Erfahrung und unsere Antworten darauf gewebt sind. Daher neigen wir dazu, sie problemlos als Grundlagen menschlicher Erkenntnis im allgemeinen und als integrierende Teile der Realität hinzunehmen.
Die erstaunliche Erzählung von der »Reeducation« des trium¬phierenden und erfolgsstolzen Indra spielt mit Visionen kosmischer Zyklen — Äonen, die einander ebenso in der Endlosigkeit der Zeiten folgen wie sie gleichzeitig nebeneinander in den Unbegrenzt-heiten der Räume stehen — wie sie wohl schwerlich in dem soziolo¬gischen und psychologischen Denken des Westens einen Platz finden können. Im »zeitlosen« Indien bestimmen diese weiten Ein-und Ausatmungen den Lebensrhythmus alles Denkens. Das Rad
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von Geburt und Tod, der Kreislauf von Hervorbringung, Reife, Auflösung und Wiederhervorbringung ist ebenso ein Gemeinplatz volkstümlicher Sprache wie ein grundlegendes Thema für Philo¬sophie, Mythos und Sinnbild, für Religion, Politik und Kunst, und dies nicht nur auf das Leben des einzelnen bezogen, sondern auf die Geschichte der sozialen Gebilde und den Ablauf des Kosmos. Jeder Augenblick des Lebens wird vor dem Hintergrund dieser göttlichen Fülle, dieses Pleromas, gemessen und beurteilt.
Nach den Mythologien des Hinduismus zerfällt jeder Welt¬zyklus in vier Yugas oder Weltalter. Diese lassen sich mit den vier Weltaltern der griechisch-römischen Überlieferung vergleichen. Gleich diesen sinken sie in ihrer moralischen Qualität je weiter der Ablauf vorschreitet. Die klassische Antike benannte sie nach den Metallen Gold, Silber, Erz und Eisen, der Hindu nach den vier Würfen des indischen Würfelspieles: Krita, Tretä, Dväpara und Kali. In beiden Fällen erinnern die Benennungen an die jeweilige Beschaffenheit der einzelnen Perioden,wie sie einander in lang¬samer, unumkehrbarer Folge ablösen.
Krita ist das Partizipium Perfektum des Verbes kri, tun; es bedeutet wörtlich »getan, gemacht, vollbracht, vollendet«. Es ist der Wurf, der den ganzen Einsatz gewinnt, der Wurf des totalen Gewinns. Nach der indischen Anschauung ist die Idee des Totalen oder der Totalität mit der Zahl vier verbunden. »Vier Felder« bedeuten »Totalität«. Alles Vollständige und in sich selbst Ruhende wird als seine vier »Viertel« besitzend vorgestellt (pâda). Es steht fest auf seinen »vier Beinen« (catuh-pâda). So ist Krita Yuga, das erste der Weltalter, das vollendete oder »vier Viertel enthaltende« Yuga. Dharma, das moralische Gesetz der Welt, welches zwar schon vor ihrem Anfang existiert, aber in den Sphären, Kräften und Wesen der Welt offenbar wird, befindet sich während dieser Periode sicher auf seinen vier Beinen wie eine heilige Kuh; es ist zu hundert Prozent oder vier Vie.rteln wirksam als alldurchdrin¬gendes Bauelement im Organismus des Universums. Während dieses Yuga werden Männer und Frauen schon tugendhaft geboren.
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Sie widmen ihr Leben der Erfüllung ihrer Pflichten und Aufgaben wie sie vom Dharma göttlich vorbestimmt sind 2. Die Brahmanen erstrahlen in Heiligkeit, Könige und adelige Stammeshäupter han¬deln in Übereinstimmung mit den idealen Bahnen königlichen Ver¬haltens. Bauern und Stadtvolk widmen sich mit ganzer Hingabe der Hauswirtschaft und dem Handwerk. Die niederen dienstbaren Klassen verharren gesetzgebunden in Gehorsam. Selbst Leute nied¬rigsten Ursprungs befolgen die heilige Ordnung des Seins.
Aber mit der Beschleunigung des Lebensvorganges des Welt¬organismus verliert die Ordnung an Boden. Das heilige Dharma verschwindet Viertel nach Viertel, während sein Gegensatz das Feld gewinnt. Darum ist Tretä Yuga nach dem Wurf der Drei genannt. Tretä ist die Triade oder das Drittel, also drei von den Vierteln. Ethymologisch ist das Wort mit dem lateinischen tres, dem griechischen treis, dem englischen three, dem deutschen drei verwandt. Während des Tretä Yuga wird der Leib des Universums sowohl wie die menschliche Gesellschaft nur durch drei Viertel des Dharma aufrecht erhalten. Die Lebensweisen, die den vier Kasten angemessen sind, beginnen in Verfall zu geraten; Pflichten sind nicht länger die spontanen Gesetze menschlichen Handelns, son¬dern müssen erlernt werden.
Dväpara Yuga ist das Zeitalter des gefährlichen Gleichgewich¬tes zwischen Unvollkommenheit und Vollkommenheit, Finsternis und Licht. Sein Name ist abgeleitet von dvi, dvâ, dvau, »zwei« (ver¬gleiche eben dieses deutsche Wort, das lateinische duo, das fran¬zösische deux, das englische deuce, das griechische duo, das russi
2 [Dharma: Lex aeterna, ideale oder absolute Gerechtigkeit oder recht¬liche Gesinnung, griechisch Ôexaeoetivv) wie bei Plato und Lucas 12, 31: Der entsprechende Teil dieser Gerechtigkeit, der sich auf das Individuum bezieht, ist sein »Selbstgesetz« (sva-dharma), die Berufung, soziale Stellung oder Pflicht, wie sie für ihn durch seine eigene Natur gegeben ist. — AKC.]
Bemerkung des Herausgebers: Dr. Ananda K. Coomaraswamy hat freund¬licherweise eine Anzahl von erklärenden Anmerkungen zur Ergänzung des von Professor Zimmer hinterlassenen Materials beigesteuert. Diese stehen in eckigen Klammern und sind mit AKC bezeichnet.
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sche dva). Es ist der Wurf der Duade. Während des Dväpara Yuga sind nur noch zwei von den vier Vierteln des Dharma in der mani¬festierten Welt wirksam; die andern sind unwiderruflich verloren. Die Kuh der ethischen Ordnung steht nicht mehr fest auf vier Beinen oder ruht einigermaßen sicher auf drei, sondern balanciert auf zwei. Der ideale halbgöttliche Zustand des Sozialen ist zer¬stört, und das Wissen um die offenbarte Rangordnung der Welten verloren. Die Vollkommenheit der spirituellen Ordnung gibt dem Dasein des Menschen und des Universums keine Kraft mehr. Alle menschlichen Wesen, Brahmanen und Könige sowohl wie Handels¬volk und Diener werden, geblendet durch Leidenschaften und nach irdischem Besitztum süchtig, gemein und erwerbsgierig. Sie wen¬den sich von der Erfüllung auch der geheiligtsten Pflichten ab, wenn sie Selbstverleugnung erfordern. Die wahre Heiligkeit, nur durch gläubige Hingabe erreichbar, durch Gelübde, Fasten und asketisches Tun erlangbar, erlischt.
Kali Yuga endlich, das finstere Weltalter, hält sich lediglich auf fünfundzwanzig Prozent der vollen Kraft des Dharma. Nun triumphieren egoistische, verschlingende, blinde, ruchlose Kräfte und beherrschen die Gegenwart. Kali bedeutet das schlimmste von allem; auch »Streit, Zank, Spaltung, Krieg, Schlacht« (verwandt mit kal-aha, »streiten, zanken«). Im Würfelspiel ist Kali der Ver¬liererwurf. Während des Kali Yuga sind der Mensch und seine Welt in ihrem schlimmsten Zustand angelangt. Der moralische und soziale Niedergang wird an einer Stelle der Vishnu Purana 8 wie¬dergegeben: »Wenn die Gesellschaft in einen Zustand gerät, wo Reichtum Rang verleiht, Besitz die einzige Quelle der Tugend wird, Leidenschaft das einzige Band zwischen Mann und Weib, Betrug die Grundlage des Erfolges im Leben, geschlechtliche Liebe der einzige Weg zur Freude und äußere Verwirrungen mit inner
3 Eine klassische Quelle für Hindu-Mythologie und -Überlieferung vom 1. Jahrtausend unserer Zeitrechnung. Übersetzt durch H. H. Wilson, London, 1840. Der oben stehende Text ist eine Zusammenziehung einer langen be¬schreibenden Stelle in Buch IV, Kapitel 24.
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lichem Glauben zusammengeworfen werden ...« — dann sind wir im Kali Yuga, der Welt von heute. Der Anfang dieses Weltalters wird für Freitag, den 18. Februar 3102 v. Chr. angenommen.
Das Fehlen des Dharma erklärt die kurze Dauer des Kali Yuga, die nur 432 000 Jahre beträgt. Das vorhergehende Tretä Yuga, stärker durch den doppelten Betrag an moralischer Substanz, wird als zweimal so lang, 864 000 Jahre, angegeben. Entsprechend ist das Dväpara Yuga mit drei von den vier Vierteln des Dharma ausgestattet drei Kali-Einheiten, 1 296 000 Jahre lang; und Krita Yuga, die Periode des Dharma in voller Vierheit, 1 728 000 Jahre. Die Gesamtsumme ist so 4 320 000 Jahre, zehnmal die Dauer eines Kali Yuga. Dieser vollständige Zyklus heißt Maha-Yuga, »Der Große Yuga«.
Tausend Mahayuga — 4 320 000 000 Jahre nach menschlicher Rechnung — stellen einen einzigen Tag Brahmäs dar, ein Kalpa. In der Rechnung der Götter, die unter Brahma, aber über den Menschen stehen, umfaßt diese Periode zwölftausend himmlische Jahre. Ein solcher Brahmätag beginnt mit der Schöpfung oder Entfaltung (sristi), der Entsendung eines Weltalls aus der gött¬lichen, jenseitigen, unoffenbarten Substanz und endet mit Auf¬lösung und Wiedereinschlingung (pralaya), mit dem Wieder-einschmelzen in das Absolute zurück. Alle Sphären der Welt mit all den Wesen, die sie enthalten, verschwinden am Ende des Brahmâtages und dauern während der darauf folgenden Nacht nur als der verborgene Keim der Notwendigkeit für eine Wieder-manifestierung fort. Eine Nacht Brahmäs ist ebenso lang als sein Tag.
Jedes Kalpa ist in vierzehn Manvantaras oder Manu-Abschnit¬te 4 eingeteilt, von denen jeder einundsiebzig und einen Bruchteil Mahayugas enthält und mit einer Sintflut endet °. Die einzelnen
4 Im Sanskrit wird u vor einem Vokal zu v; darum wird ,nanu-antara (»Manuabschnittc) zu manvantara.
6 71 x 14 = 994, so daß 6 Mahayugas übrig bleiben. Die Einteilung ge¬schieht wie folgend: Dem ersten der vierzehn Manvantaras geht wie eine
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Abschnitte tragen ihren Namen von Manu, dem Hindu-Gegenstück zu Noah, dem Heros, welcher der Flut entgeht. Die gegenwärtige Zeitperiode heißt nach Manu Vaivasvata, »Manu, dem Sohn des Strahlenden«, »Manu, dem Sohn des Sonnengottes Vivasvant« G. Es ist das siebente Manvantara des augenblicklichen Brahmä-tages; noch sieben sind zu erwarten bevor dieser Tag endet. Seiner¬seits nennt er sich Varäha Kalpa, (»Eber-Kalpa«) ; denn während dieses Brahmätages inkarniert sich Vishnu in Gestalt eines Ebers. Andererseits stellt es den ersten Tag des einundfünfzigsten Lebens¬jahres »unseres« Brahma dar, der nach weiteren sieben Sintfluten mit der nächsten Weltauflösung enden wird.
Aufstieg und Niedergang jedes Kalpa wird von mythologischen Ereignissen bezeichnet, die in gleicher Gestalt wiederkehren, immer und immer wieder in langsam und unaufhaltsam kreisen¬den Zyklen. Die Siege der Götter, durch die sie in der Herrschaft über ihre Sphären des Universums bekräftigt werden; die Zwi¬schenspiele von Niederlage, Niedergang und Verwüstung, wenn sie durch die Titanen oder Gegengötter überwältigt werden, die ihre Stiefbrüder sind und immer auf dem Sprung, sie zu stürzen; die avatars oder Inkarnationen Vishnus, des höchsten Wesens,
Morgenröte ein Krita Yuga (d. s. 0,4 Mahayuga) voraus und jedes Manvan-tara ist von einer Dämmerung gleicher Länge gefolgt. 0,4 x 15 = 6,994 6 = 1000 Mahayugas oder ein Kalpa. Diese verwickelte Berechnung scheint ein- geführt zu sein, um zwei ursprünglich verschiedene Systeme ineinander zu ordnen, von denen das eine auf eine Zeitrechnung nach Mahayugas, das an¬dere auf einer Überlieferung von periodisch wiederkehrenden Sintfluten auf¬gebaut war.
Jedes Manvantara ist nach seiner besonderen Manifestierung des »Heros der Flut: benannt. Vaivasvata Manu, der Erzeuger der gegenwärtigen Menschheit wurde durch die Inkarnation des Gottes Vishnu als Fisch aus der Sintflut gerettet. Sein Vater war der Sonnengott Vivasvant.
Vivasvant ist ein vedischer Name des Sonnengottes. In der zarathustri-schen Überlieferung Persiens erscheint derselbe Name als Vatersname des ersten Sterblichen Yima, der im Sanskrit Yama genannt wird. (Im Altnordi¬schen heißt der Urriese, aus dessen Zerstückelung die Welt entsteht, »Ymir«. Anm. d. Übers.) Der Heros der Flut und der erste Sterbliche sind im Grunde zwei Erscheinungsformen desselben uranfänglichen Wesens.
7 Avatdra, »Herabstiegt, von der Wurzel tri, »überschreiten oder hinüber-schreiten, hinübersegelnc und dem Praefix ava-, »hinunterc.
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wenn er menschliche oder tierische Form annimmt, um in der Welt als ihr Retter zu erscheinen und die Götter zu befreien: all diese Wunder, einzigartig und atemberaubend wie sie erscheinen müssen, wenn sie sich ereignen, sind doch nur die ewig gleichen Glieder einer dauernd in Bewegung befindlichen Kette. Das Stan¬dardschema eines Brahmatages bildend, sind sie typische Stufen eines unveränderlichen Vorgangs, und dieser Vorgang ist nichts anderes als die fortlaufende Geschichte des Weltorganismus.
 
Am Morgen jedes Kalpa erhebt sich Brahma, wieder aus einem Lotos, der aus dem Nabel Vishnus hervorsprossend aufblühte. Während des ersten Manu-Abschnittes des gegenwärtigen Varäha-Kalpa stieg Vishnu als Eber herab, um die frisch geschaffene Erde vom Grund des Meeres zu retten, wohin sie durch einen Dämon des Abgrundes hinabgerissen wurde. Im vierten Abschnitt oder Manvantara befreite er einen mächtigen Elefantenkönig von einem Seeungeheuer. Im sechsten geschah das als Quirlung des Milchmeers bekannte kosmische Ereignis: Götter und Titanen im Kampf mit die Weltherrschaft begriffen, schlossen einen zeit¬weiligen Waffenstillstand, um aus dem Allmeer das Elixier der Unsterblichkeit zu gewinnen. Während des gegenwärtigen Mahâ-yuga des siebten Manvantaras sollen die in den beiden großen indischen Epen beschriebenen Ereignisse stattgefunden haben. Und zwar werden die des Rixmâyana der Tretäperiode des gegen¬wärtigen Zyklus, die des Mahâbhârata der Dvaparaperiode zuge¬schrieben.
Zu beachten ist, daß die überlieferten Texte nur sehr selten auf die Tatsache anspielen, daß die mythologischen Ereignisse, die sie beschreiben und preisen, immer wieder geschehen und sich alle vier Milliarden dreihundertundzwanzig Jahre, das heißt in jedem Kalpa wiederholen. Dies geschieht, weil vom Standpunkt des kurz¬lebigen menschlichen Individuums aus ein so überwältigender Tat¬bestand vorübergehend beiseite gelassen werden mag. Aber dies kann nicht völlig und dauernd geschehen, denn dieses kurzlebige Individuum bleibt doch im Kreislauf seiner jenseitigen Wande

Aktuelle Version vom 29. März 2014, 13:10 Uhr

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