Das psychische Erleben bei der Rezitation eines persönlichen Sanskritmantras und seine Auswirkungen auf das Verhalten im Alltag: Unterschied zwischen den Versionen

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Dann gibt es Mantras, die für spezielle Zeremonien und Opferrituale rezitiert werden. Darauf werde  ich  hier  nicht  weiter  eingehen,  da  sie  nicht  Gegenstand  dieser  Arbeit  sind.  (Vgl. Stutley, A Dictionary of Hinduism, 1977, S. 180-181)
Dann gibt es Mantras, die für spezielle Zeremonien und Opferrituale rezitiert werden. Darauf werde  ich  hier  nicht  weiter  eingehen,  da  sie  nicht  Gegenstand  dieser  Arbeit  sind.  (Vgl. Stutley, A Dictionary of Hinduism, 1977, S. 180-181)
Darüber hinaus gibt es Mantras, die gemeinsam mit anderen gesungen werden. Dies nennt man Kirtan. (vgl. Kap. 4.7)
In dieser Arbeit geht es um das persönliche Mantra, in das man von einem Lehrer eingeweiht wurde, sein psychisches Erleben und die Auswirkungen auf das Verhalten im Alltag. Dieses persönliche Mantra wird von einigen Teilnehmern geheim gehalten, von anderen wird es laut gesungen bzw. auch wiederholt, was auch singend, sprechend, laut, leise, geistig erfolgen kann.
Es gibt verschiedene Arten von Mantras für ganz unterschiedliche Ziele und Zwecke. (vgl. Vishnu-devananda) Wie in diesen Definitionen, die nicht vollständig sind, bereits anklingt, ist nicht eindeutig klar, ob es sich bei dem Mantra nun um ein Gebet handelt oder nicht. Ich werde auf diesen Aspekt noch einmal in einem weiteren Unterpunkt eingehen.
===Etymologie des Wortes Mantra===
Ein Mantra heißt so, weil es sich durch einen geistigen Prozess entfaltet. Die erste Silbe „man“ im Wort Mantra bedeutet „denken“ und „tra“ ist abgeleitet von „trai“ – „schützen“ oder „befreien“. (Sivananda, o.J., S. 36)
Es meint die Befreiung aus den Fesseln der Welt der Erscheinungen (samsara). Dies meint die Welt, die wir mittels unserer Sinne wahrnehmen. Die Sinneseindrücke rufen Bewegungen im Geist hervor, wie Wertungen, Kommentierungen, Handlungen. Dies alles, das Wahrnehmen, Verarbeiten des Wahrgenommenen und damit das Denken sollen beruhigt werden, damit sich der Zustand des Yoga, der Einheit, einstellen kann. Um den höchsten Zustand der Einheit (Samadhi genannt) zu erlangen, werden die alltäglichen Gedanken des Geistes und ihrer Schwingungen durch Inhalt, Schwingung und Energie des Mantras ersetzt.
Dadurch wird der Geist ruhig und konzentriert. Er kann durch permanente Einpünktigkeit mit Hilfe des Mantras in andere Bewusstseinszustände gelangen und zurück zur Quelle, zu Gott kommen. (Trökes, 1998, S. 23)
===Sprache der Mantras: Sanskrit===
Die meisten Mantras sind in Sanskrit überliefert worden. In den Schriften aus der vedischen Zeit wird berichtet, dass Rishis, die Weisen jener Zeit, intuitiv die mantrischen Weisheiten erfassten und empfingen. “Sanskrit is a language of vibration. And the vibration that was revealed to the rishis when vocalized become Sanskrit language.” (Yogi Hari, E-Mail, 04/2003) Die Rishis sind die Weisen der vedischen Zeit gewesen, denen diese Klangschwingungen, die wir heute als Sanskrit kennen, in tiefer Meditation enthüllt wurden.
Die Sprache der Mantras ist Sanskrit und wird auch als Devanaagari, Sprache der Götter, bezeichnet. Sie ist die älteste und mystischste[6]  Sprache der Menschheit und die Quelle von der alle anderen Sprachen sich entwickelt haben. Ein Mantra ist mystische Energie, die in eine Klangstruktur eingeschlossen ist. Jedes Mantra enthält in seinen Schwingungen eine gewisse Macht. Durch Konzentration und die Wiederholung eines gegebenen Mantras wird seine Energie gelöst und nimmt Form an. Japa oder Mantra Yoga ist diejenige Übung, durch welche die Kraft, die in Mantras enthalten ist, für bestimmte Zwecke angewandt wird.
Jedes Mantra in Sanskrit wird aus einer Kombination von Klängen aufgebaut, die von den fünfzig Buchstaben des Sanskritalphabets stammen. (...) Die alten Weisen, die auf höhere Bewusstseinsebenen eingestimmt waren, waren sich wohl der inneliegenden Kraft jedes Klanges bewusst und sie benutzten Kombinationen von Klängen, um bestimmte Schwingungen zu erzeugen.
Es besteht kein Zweifel darüber, dass Klänge eine bestimmte und voraussagbare Wirkung auf die menschliche Psyche und den Körper haben. Ganz offensichtlich ist dies, wenn man die Wirkung von Rockmusik mit der von klassischer Musik vergleicht. Die erste neigt dazu, die Sinne zu erregen, die zweite wirkt eher entspannend. Auf subtilerer Ebene werden Mantras für verschiedene Zwecke angewandt. (vgl. Vishnu-devananda, 1997, S. 74-106)
===Qualitäten eines Mantras===
Jedes Mantra beinhaltet die folgenden sechs Teile:
#Es wurde einem Seher (Rishi) enthüllt, der mit seiner Hilfe erstmals Selbstverwirklichung erlangte und der es an andere weitergab. Er ist der Seher dieses Mantras. ...
#Es hat ein bestimmtes Versmaß bzw. einen bestimmten Rhythmus (Matra) und
#eine führende Devata (Gottheit).
#Es besitzt ein Bija, einen Samen. Dieser gibt dem Mantra eine besondere Kraft und ist das Wesentliche, der Kern des Mantras.
#Jedes Mantra hat eine Shakti, eine schöpferische göttliche Energie und schließlich hat es
#ein  Kilaka,  einen  Pfeiler  oder  Stöpsel,  der  das  Mantra-Chaitanya,  das  reine Bewusstsein im Mantra, verschließt. Sobald sich der Verschluss durch ständige, andauernde Wiederholung des Mantras öffnet, enthüllt sich das verborgene reine Bewusstsein und der Praktizierende hat die Vision (Darshana) seiner persönlichen Gottheit. (Sivananda, o.J., S. 51)
Für meine Untersuchung werde ich mich nur auf das Erleben von Mantras beziehen, die diese Kriterien erfüllen.
===Japa – die permanente Wiederholung eines Mantras===


==Fußnoten==
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[5] Mantra ist die Bezeichnung, die im Westen eher gebräuchlich ist, aber Mantram ist die ursprüngliche Form des Wortes in Sanskrit. (vgl. Eknath Easwaran, a.a.O., S. 37) Dennoch werde ich die hier im Westen verwandte Form des Mantra benutzen, Anm. H. L-R) Zudem wird in einigen Definitionen Mantra als das Mantra, (s. Lexikon der Östlichen Weisheitslehren) dann aber auch z.B. im Spirituellen Wörterbuch von der Mantra gesprochen. Ich werde in dieser Arbeit immer von „das Mantra“ sprechen. Eventuelle grammatikalische Abweichungen in Zitaten hängen dann mit der Originalzitierweise zusammen. Auch kann man manchmal Unterschiede in der Groß- und Kleinschreibung finden. Ich werde hier, wenn es sich nicht um Originalzitate handelt, immer die Großschreibung verwenden. (Anm. H. L-R)
[5] Mantra ist die Bezeichnung, die im Westen eher gebräuchlich ist, aber Mantram ist die ursprüngliche Form des Wortes in Sanskrit. (vgl. Eknath Easwaran, a.a.O., S. 37) Dennoch werde ich die hier im Westen verwandte Form des Mantra benutzen, Anm. H. L-R) Zudem wird in einigen Definitionen Mantra als das Mantra, (s. Lexikon der Östlichen Weisheitslehren) dann aber auch z.B. im Spirituellen Wörterbuch von der Mantra gesprochen. Ich werde in dieser Arbeit immer von „das Mantra“ sprechen. Eventuelle grammatikalische Abweichungen in Zitaten hängen dann mit der Originalzitierweise zusammen. Auch kann man manchmal Unterschiede in der Groß- und Kleinschreibung finden. Ich werde hier, wenn es sich nicht um Originalzitate handelt, immer die Großschreibung verwenden. (Anm. H. L-R)


[6]
[6] Mystik: vom griech. myein hergeleitet, heißt es Augen schließen sowie indirekt schweigen. Offenbar bildet das Bild des sich sammelnden und meditierenden Menschen die Brücke zwischen beiden Bedeutungen. Die Mysten waren in den antiken Mysterienkulten die Neueingeweihten, die Augen und Mund während der Weihe geschlossen zu halten hatten. Unmittelbar verwandt ist mysterion – Geheimnis,  nicht aber (Hervorhebung H.
L-R) Mythos, mythisch, womit eine urtümliche (arachische) heilige oft religionsbegründende Sage bezeichnet wird. In der abendländischen rationalistischen Wissenschaftskultur der letzten hundertfünfzig Jahre hatte Mystik einen abfälligen Klang: Mystik war alles, was sich der rationalen Begründung entzog, im Religiösen fast
gleichbedeutend mit Okkultismus (...), doch darüber hinaus aufs Künstlerische ausgreifend und hier mit einem
Anklang an Schwärmerei für übersinnliche Realitäten. Erst in den letzten Jahren ist eine enorme Aufwertung des Wortes und Phänomens zu verzeichnen. Es setzt sich die Erkenntnis durch, dass Mystik, d.h. die schweigende, über alle Worte und rationale Fassbarkeit hinausgehende Erfahrung des Göttlichen, der gemeinsame Mutterboden, ja die gemeinsame Substanz aller bedeutenden (dauerhaften) Religionen ist. (Dunde, 1993, S. 206)

Version vom 14. Februar 2014, 19:18 Uhr

Danksagung

Ich möchte mich für die fachliche Betreuung und das Interesse an dieser Pilotstudie bei Herrn Prof. Dr. Hannes Stubbe bedanken. Dann möchte ich meiner Familie, meinen Freunden und all den Menschen danken, die mir in dieser Zeit Anregungen und Hinweise gegeben und mich auch psychisch während dieser Zeit des Projektes „Diplomarbeitschreiben“ unterstützt haben.

Auch möchte ich an dieser Stelle dem Satyananda Yoga Zentrum e.V. Köln und hier insbesondere Swami Prakashanandaji für die Überlassung von Literatur und für hilfreiche Literaturhinweise danken, ebenso den Devotees vom Hare Krishna Tempel Köln, insbesondere Aksara Das, um Interviewpartner für o.g. Fragestellung zu finden, sowie Devotees auf Goloka Dham, Abentheuer, den Devotees vom Yoga Vidya Zentrum Köln und dem Yoga Vidya Ashram in Oberlahr/Westerwald.

Mein besonderer Dank gilt meinem Lehrer Yogi Hari, durch den ich selber die heilsame Wirkung von Mantras immer wieder erfahren durfte und der mir die Inspiration für dieses Thema gegeben hat und mich darin unterstützt hat es auch wirklich anzugehen. Ihm möchte ich auch für die hilfreichen Literaturhinweise, wertvollen Informationen zur Definition von Mantras danken sowie meinem Musiklehrer Biswabrata Chakrabarti für die Gespräche zu o.g. Thema.

Schließlich möchte ich auch allen InterviewpartnerInnen an dieser Stelle nochmals danken für ihre Zeit, ihre Offenheit und ihr Vertrauen, mir ihre Erfahrungen zu o.g. Fragestellung mitzuteilen.

Einleitung

Persönliche Hinführung zur Fragestellung

Viele verbinden Mantras mit Zauberformeln und häufig werden sie auch mit Hokuspokus gleichgesetzt. In einem Gespräch zwischen einem chinesischen Mönch und dem Autor Blofeld erklärt der Mönch „Gewöhnliche Leute, Ah Jon, benützen Mantras als Zauberformeln, um Glück zu haben oder Krankheit und anderes Unheil abzuwehren. Vielleicht haben sie ganz recht damit, da die Mantras oft Erfolg haben, aber ich verlange nicht, dass du das glaubst. Was ich dich bitten möchte zu glauben, ist, dass sie die größte Hilfe auf dem Weg zur Veränderung des Bewusstseins sind. Sie bewirken das, indem sie deinen Geist zur Ruhe bringen, anstatt dass er hinter Gedanken herjagt.“ (Blofeld, 1988, S. 27)

Wenn ich also diese Arbeit dem psychischen Erleben der Rezitation eines persönlichen Sanskritmantras und seinen Auswirkungen auf das Verhalten im Alltag, widme, so bin ich mit meinem Forschungsgegenstand persönlich sehr verbunden. Vor ca. 4 Jahren bin ich durch ein Wochenende im Yoga Vidya Ashram[1] im Westerwald zum ersten Mal mit Mantrasingen in Kontakt gekommen. Diese Gesänge waren zwar zunächst fremd, haben mich aber direkt sehr berührt und klangen noch als Ohrwurm weiter nach, wie das auch mit weltlicher Musik der Fall ist.

Später habe ich dort meinen Lehrer Yogi Hari getroffen, der mich im Juni 2001 in ein persönliches Mantra eingeweiht hat. Seitdem hat sich mein Leben sehr verändert, insgesamt ist mein Leben freudiger, positiver und intensiver geworden. Der Austausch mit Menschen ist liebevoller geworden. Egal wie schwierig auch Lebenssituationen sein mögen, das Mantra verhilft immer wieder zu Zuversicht und Hoffnung.

Da ich selber unter depressiven Verstimmungen seit meiner Jugendzeit gelitten habe, kann ich sagen, dass diese Verstimmungen seitdem sehr stark zurückgegangen sind. Natürlich hängen sie nicht nur mit der Mantrarezitation zusammen, sondern mit einem insgesamt anderen Lebensstil, in dem spirituelles Wissen und Erfahrung anderer Bewusstseinsbereiche eine Rolle spielen.

Anhand dieser Pilotstudie wollte ich erforschen, wie es anderen Menschen in Deutschland geht, die auch diese Meditationsform gewählt haben. Somit bin ich als Feldforscherin an die Arbeit gegangen.

Zu den meisten (17 von 20) der Interviewpartner/innen waren persönliche Kontakte vorhanden oder sie waren entfernt bekannt. Ich wollte in dieser Pilotstudie erfahren, ob sich bei anderen auch diese heilsame, positive Veränderung durch die Mantrarezitation einstellt, wie ich sie selber erfahren durfte, nämlich mehr Freude, mehr Verbundenheit mit anderen Menschen, mehr Verbindung zu Gott, einer höheren Realität oder wie immer man dies bezeichnen will. Dabei ist mir bewusst, dass die Mantrarezitation auch nur ein Teilaspekt einer spirituellen Disziplin ist, des Yoga.

Gleichzeitig ist das Thema insofern auch eine Herausforderung, da es in den Bereich des Yoga fällt und damit in einen religionspsychologischen Bereich, der sich mit dem Irrationalen[2], dem Transzendenten[3] befasst. Unter Empirie wird alles erfahrungswissenschaftlich Messbare bezeichnet. Das was empirisch nicht erfassbar, über-sinnlich und in einen transpersonalen Bereich reicht, wird mit Transzendenz bezeichnet. (vgl. Utsch, 1998) Das bringt jedoch die Schwierigkeit mit sich, dass es zur Natur des Themas gehört, die Polarität zwischen Religiosität als nur subjektiv vermittelbarer Erfahrung und Psychologie als objektiv überprüfbarer Wissenschaft eine Gratwanderung nötig macht. Um diese Gratwanderung geht es in dieser Arbeit.

Die theoretische Annäherung an dieses Thema erfolgte aus einer etischen Perspektive, d.h. also der wissenschaftlichen Außenansicht gemäß des kognitionspsychologischen Ansatzes sowie der wissenschaftlichen westlichen Literatur, sowie andererseits einer emischen Perspektive, d.h. unter Berücksichtigung der Sicht der Kulturangehörigen selber unter Einbeziehung der Samkhya Philosophie, den Yoga-Sutren des Patanjali sowie den Schriften von Heiligen Indiens.

Die Fragestellung, wie sich die Rezitation eines persönlichen Sanskritmantras auf das Erleben und das Verhalten im Alltag auswirkt, fällt in den Bereich der Religions- sowie auch Ethnopsychologie. Zunächst möchte ich diese Begriffe definieren und dann meine Einordnung zu diesen beiden Teildisziplinen der Psychologie darlegen.

Zum Begriff der Religionspsychologie

Im Wörterbuch der Religionspsychologie wird sie als diejenige psychologische Disziplin verstanden, die Religion erforscht, und zwar unter dem Anspruch und mit den Mitteln der Wissenschaft Psychologie. Sie stellt keinen Zweig der Theologie dar und verhält sich weltanschaulich neutral. (Dunde, 1993, S. 235)

Religionspsychologie beschäftigt sich mit der Frage, was Religion unter psychologischen Gesichtspunkten darstellt. Sie erforscht die Komplexität persönlichen Glaubens, untersucht die Quellen religiöser Impulse, Bedürfnisse, religiösen Ausdrucks und Verhaltens. Dabei beobachtet sie, wie sich Menschen auf ihren Glauben beziehen, wobei entweder äußeres Verhalten oder auch innere Erfahrungen in den Blick genommen werden. (a.a.O.)

Wie jede Wissenschaft hat auch die Religionspsychologie das Ziel, durch widerspruchsfreie und überprüfbare Aussagen ein wissenschaftlich abgesichertes, möglichst „wahres“, unverzerrtes Modell von einer sich ständig ändernden Wirklichkeit zu konstruieren. Nicht alle seelischen Aspekte des Menschen sind aber quantifizierbar, rational begründbar und beeinfluss- und vorhersagbar.

Zum Begriff der Ethnopsychologie

Im Dorsch heißt es dazu Völkerpsychologie, Ethnopsychologie, die mit den psychischen Aspekten und Befunden der Völkerkunde (Ethnologie = vergleichende, Ethnographie = beschreibende Völkerkunde) befasste Psychologie. Völkerpsychologie ist alles, <was im Leben der menschlichen Gemeinschaft geistiger Natur ist>.

Elemente des Volksgeistes sind : Sprache, Mythologie, Religion, Kultur, Folklore, Schrift, Kunst und das praktische Leben mit der Entwicklung von Sitte, Moral und Recht; <das allen einzelnen Gemeinsame der inneren Tätigkeit>. (Dorsch, 1998)

Einordnung der Arbeit in die Religions- und Ethnopsychologie

Da diese Arbeit dem psychischen Erleben der Mantrarezitation und den Auswirkungen auf das Verhalten im Alltag gewidmet ist, lässt sich die Arbeit sowohl in die Religionspsychologie als auch Ethnopsychologie einordnen. Einerseits zur Religionspsychologie, da das Rezitieren eines Mantras eine religiöse Handlung darstellt, die eine Verbindung zu einer höheren Macht, Gottheit oder wie immer man dies nennen mag herstellt und sie in ein religiöses Philosophiesystem eingebettet ist.

Andererseits zur Ethnopsychologie, da die Sanskritmantras der indischen Kultur entstammen und nun kulturübergreifend von in Deutschland aufgewachsenen Erwachsenen rezitiert werden.

Inhaltliche Übersicht der Arbeit

Wie in der Einleitung bereits beschrieben, handelt es sich bei der vorliegenden Diplomarbeit um eine Feldstudie eingebettet in die Religions- und Ethnopsychologie. Im zweiten Kapitel wird auf die Begriffe Kultur und Religion allgemein und im Anschluss daran insbesondere auf die Hinduistische Kultur und Religion eingegangen, da die persönlichen Sanskritmantras, die in dieser Arbeit Untersuchungsgegenstand sind, dort beheimatet sind. Im dritten Kapitel gehe ich auf die verschiedenen Yoga-Wege ein, die mit Mantra Yoga in Zusammenhang stehen. Daran schließt sich dann Kapitel vier zu Mantra-Yoga an. Dieses Kapitel liefert die Grundlagen zum Mantra Yoga und geht dabei auf die Defininition, die Etymologie, die Sprache der Mantras, ihre Qualitäten, ihre Anwendung, ihre Verbindung mit Kirtan, ihre Bedeutung innerhalb der Yoga Wege, ihrer Wirksamkeit ein. Daran schließt sich dann das Kapitel zum Gebet an, denn es bleibt anhand der Forschung umstritten, ob ein Mantra auch ein Gebet ist. Darauf folgt im sechsten Kapitel Definitionen zur Meditation, da die Rezitation eines Mantras eine Form von Meditation darstellt. Das siebte Kapitel ist der Verbindung von Yoga und Psychologie gewidmet. Es geht auf die Samkhya Philosophie seinem Menschenbild, seinem Störungskonzept und seinem Behandlungsansatz ein sowie dem kognitionspsychologischen Ansatz, seinem Menschenbild, seinem Störungskonzept und Behandlungsansatz. Der theoretische erste Teil wird mit dem achten Kapitel zum Stand der Forschung abgeschlossen.

Im zweiten Teil der Arbeit wird die empirische Untersuchung schrittweise vorgestellt. Zunächst erfolgt im neunten die angewandten Methoden. Als Grundlage wird die Zielsetzung und Fragestellung dieser Arbeit, das Untersuchungsdesign, die Stichprobe und eine soziodemographische Beschreibung der Stichprobe vorgestellt. Es geht weiter mit den Untersuchungsverfahren, die sich in das Datenerhebungsverfahren, das Datenaufbereitungsverfahren und das Datenauswertungsverfahren gliedern. Das zehnte Kapitel widmet sich der Darstellung der Ergebnisse. Hier werden die einzelnen Auswertungskriterien als Unterpunkte aufgeführt, die anhand der Interviews entwickelt wurden. Das elfte Kapitel versucht eine Interpretation der Ergebnisse unter besonderer Berücksichtigung der Samkhya Philosophie und der Kognitionspsychologie. Daran schließt sich im zwölften Kapitel die Diskussion, das dreizehnte Kapitel mit einem Ausblick ab. Abgerundet wird die Arbeit mit einer abschließenden Zusammenfassung der Arbeit und dem Literaturverzeichnis und dem Anhang.

Kultur und Religion

Wenn ich diese Arbeit dem psychischen Erleben von Mantrarezitation widme, so steht sie in Verbindung zum einen mit der indischen Kultur und Religion, da die Mantras, die Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit sind, dort ihre Ursprünge haben. Daher widme ich dieses Kapitel den Begriffen Kultur und Religion und im Anschluss daran gehe ich kurz auf den Hinduismus ein. Vom Hinduismus ausgehend werde ich dann Yoga und seine Wege definieren, die in Verbindung mit der Mantrarezitation stehen.

Das Wort Kultur kommt vom lateinischen cultura und kann übersetzt werden mit Pflege des Körpers und des Geistes. Es „umfasst die Vorstellungen, Tätigkeiten, Gegenstände und Organisationsformen, soweit sie von den Menschen hervorgebracht werden und nicht einfach in der Natur vorhanden sind ...“. (Duden, 1993, S. 368)

Thurnwald (1939) versteht unter Kultur die Gesamtheit der Gewohnheiten und Einrichtungen, die sich auf Familie, staatliche Gestaltung, Wirtschaft, Arbeit, Moral, Sitte, Recht und Denkart beziehen ... Den Umkreis der kulturellen Gegenstände teilt man herkömmlich in folgende einzelne Sachbereiche ein: (1) Wirtschaftliche Kultur (Ackerbau, Bergbau, Viehzucht, Technik, Industrie, Handel, Verkehr). (2) Soziale Kultur (Sitte, Recht, Gesellschaft, Staat, Erziehung). (3) Geistige Kultur (Wissenschaft, Kunst, Religion, Schrift, Sprache, Spiel). – Diese Sachbereiche sind das Ergebnis einer Ausdifferenzierung im Laufe der Entwicklung, an deren Anfang die menschlichen Urgüter standen: Sprache, Tracht, Werkzeug, Gebot und Sitte, Jenseitsvorstellungen und Erlösungssehnsucht (Dorsch, 1998, S. 473).

Der Frage, was eine Kultur ausmacht, haben sich auch die Autoren Parkes, Laungani und Young (1997) Gedanken gemacht. Sie gehen davon aus, dass alle Kulturen eine Reihe von Kernmerkmalen (= Primärmerkmale) und eine Reihe von Randmerkmalen (= Sekundärmerkmale) besitzen. Während die Kernmerkmale das Wesentliche jeder einzelnen Kultur darstellen, können die Randmerkmale, die ebenfalls bedeutsam sind, von Kultur zu Kultur variieren.

Im Folgenden werde ich die Kernmerkmale einer Kultur nach Parkes et al. (1997) wiedergeben:

  • Existenz einer vergangenen Geschichte.
  • Vorhandensein einer herrschenden Religion, die dem vorherrschenden Glauben und den damit zusammenhängenden Aktivitäten (Rituale, Tabus und Zeremonien) eine Bedeutung und Legitimierung gibt. Dies beinhaltet auch den religiösen Glauben an den Tod sowie die Zeremonien dafür.
  • Eine Reihe von Werten und Traditionen, an die sich die Menschen jener Gesellschaft anschließen und versuchen, sie zu bewahren.
  • Geregelte soziale Systeme, Kommunikationsnetzwerke, einschließlich geregelter Normen für persönliches, familiäres und soziales Verhalten.
  • Einzigartige Kunst jener Gesellschaft, z.B. Literatur, Kunstwerke, Gemälde, Musik, Tanz, Drama, religiöse Texte, philosophische Texte, etc.

Die Randmerkmale einer Kultur sind nach Parkes et al. (1997) folgende:

  • Für die Mehrheit der Gesellschaft sollte eine gemeinsame Sprache oder eine Gruppe von Sprachen existieren.
  • Gemeinsame physikalische und geographische Grenzen sollten gegeben sein, wo Menschen jener Gesellschaft, die es gewagt haben, ins Ausland zu gehen, innerlich zu der Rückkehr in die eigene Gesellschaft gezogen werden.
  • Ein relativ bestimmtes, festgelegtes Muster von Behausung und Lebensstil sollte erkennbar sein.
  • Erkennen einer gesellschaftlich akzeptierten Ernährungsweise, Gesundheit und medizinischer Ausübung.
  • Vorherrschen einer geteilten Moral und eines gesetzgebenden Systems.

Von diesen verschiedenen Merkmalen ist nach Parkes et al. (1997) die wichtigste die Religion. Die Religion stellt die Verpflichtung zu etwas wichtigerem dar als dem Individuum und der Familie. Sie setzt sowohl die Vernunft für die Gesellschaft fest als auch eine Reihe von Moralbefehlen, ohne die die verschiedenen Gesellschaften eine wichtige Quelle ihrer Sicherheit verlieren würden.

Anschließend an diese Ausführung über Kultur soll im folgenden der Begriff Religion definiert werden, da sie ein wesentlicher Bestandteil der Kultur ist. Da diese Arbeit in den Bereich der Religionspsychologie hineingeht und auch um dem Begriff der Kultur gerecht zu werden, muss auch der Begriff der Religion bestimmt werden.

Das Wort Religion kommt vom lateinischen religare, was wörtlich übersetzt binden bedeutet. Traditionell betrachtet stellt es das Gesamte der Ideen dar, welches eine Gesellschaft verbindet.

Weiterhin ist der Glaube an eine Religion gleichsam eine Anerkennung von höherer Macht, welches Kontrolle über den Menschen und sein Schicksal ausübt. Diese höhere Macht, die man nicht sehen kann, wird in monotheistischen Gesellschaften als Gott, und in polytheistischen Gesellschaften als Götter erkannt, denen man als Mensch Gehorsam schuldig ist.

Unter Religion wird die „durch kulturelle Überlieferung geprägten Riten und Symbole hinsichtlich einer den Menschen übersteigenden, göttlichen Macht verstanden“. (Utsch, S. 1; vertiefend sei auf Utsch, Kap. 4, 1998 verwiesen). Diese vorläufige Begriffsbestimmung von einer den Menschen übersteigenden, „göttlichen“ Macht, kann psychologisch nicht zugänglich sein. Deshalb führt Utsch den Begriff „Spiritualität“ ein. Während mit Religiosität das religiöse Erleben und Verhalten umfasst wird, wird mit Spiritualität ein Bewusstseinsbereich beschrieben, der sensibel auf irrationale und paradox erscheinende Ereignisse reagiert und versucht, kreativ mit dem Unbedingten, Unverfügbaren und Absolut- Gegebenen umzugehen und Erklärungen dafür zu finden. Spiritualität stellt mehr den psychologisch-subjektiven Pol der Religiosität dar, während Religion als kulturell vorgegebene Größe den objektiven Pol ausmacht.

Durch den irrationalen Charakter stellt die Spiritualität eines der „letzten psychologischen Tabus und eines der wenigen unbekannten Größen des ansonsten gründlich durchanalysierten und strukturell erfassten Seelenlebens dar. Der Theologe Küng hat die Religion als das letzte Tabu der Psychologie bezeichnet, dessen Bedeutung verdrängt und ähnlich behandelt würde wie die Sexualität im Viktorianischen Zeitalter (Küng, 1987, 111 ff.)

Daher möchte ich auf den kulturellen und religiösen Hintergrund eingehen, wo die Mantras, die ich hier untersucht habe, ihren Ursprung haben. Ich bin mir bewusst, dass ich selektiv die Aspekte des Hinduismus darlegen werde, die für mich für diese Arbeit Relevanz haben, da das Thema Hinduismus selbst schon Regale füllen würde.

Hinduistische Kultur und Religion

Bei der Definition von Hinduismus haben auch schon viele Autoren eingeräumt, dass dies nicht einfach ist (vgl. Sharma, 1997, S. 294; vgl. Mall, 1997, S. 1). Der Hinduismus wird als Sanatana Dharma, d.h. ewige Religion, bezeichnet. Er hat daher keinen datierbaren Anfang, ebenso hat er keinen Stifter. Er ist den Weisen Sehern (Rishis) in Meditation zuteil geworden. Das Wort Hindu ist persischen Ursprungs und bezeichnete den Fluß Sindhu im Nordwesten Indiens. Die Menschen die dort lebten wurden als Hindus bezeichnet.

Bei der Definition von Hinduismus haben auch schon viele Autoren eingeräumt, dass dies nicht einfach ist (vgl. Sharma, 1997, S. 294; vgl. Mall, 1997, S. 1). Der Hinduismus wird als Sanatana Dharma, d.h. ewige Religion, bezeichnet. Er hat daher keinen datierbaren Anfang, ebenso hat er keinen Stifter. Er ist den Weisen Sehern (Rishis) in Meditation zuteil geworden. Das Wort Hindu ist persischen Ursprungs und bezeichnete den Fluß Sindhu im Nordwesten Indiens. Die Menschen die dort lebten wurden als Hindus bezeichnet.

Zu den Schriften des Hinduismus zählen die Veden, die Upanishaden, die Puranas (Legenden über Götter, Schöpfung u.dgl.) die Dharma Sutras (die Dharma-Aphorismen), die Dharma- Shastras (die heiligen Schriften über Dharmas), Ramayana und Mahabharata.


Es gibt unter Hindus Anhänger des Poly- und Monotheismus bis hin zum atheistischen Humanismus. Das Ziel der Religion ist immer Erlösung bzw. Befreiung (Moksa), die Wege dorthin können sehr verschieden sein. Es gibt im Hinduismus keine Orthodoxie, sondern allgemeine Verhaltensweisen für den Alltag, für das Tempelverhalten und die Feste. Dies wird jedoch als Dharma bezeichnet, die allgemein-verbindliche Ordnung, bzw. die individuelle Pflicht eines jeden Individuums, die auch das Kastenwesen miteinbezieht. (vgl. Petzold, 1986, S. 20)

Der Mensch ist nach der hinduistischen Vorstellung nicht nur durch das Dharma, sondern auch durch sein persönliches Karma[4] festgelegt. Die Art seiner Wiedergeburt wird durch die schlechten und guten Taten des vorherigen Lebens bestimmt. Das Ziel ist dabei, den Kreislauf der Wiedergeburten (Samsara) zu verlassen und die Erlösung in der Ewigkeit zu erreichen. Neben dem Glauben an die Veden gibt es einige Überzeugungen, die für die meisten, die sich zum Hinduismus bekennen, verbindlich sind: Der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele, an das Karma-Gesetz oder an die grundsätzliche Möglichkeit der Erlösung sind weitere Charakteristika:

  1. Ein Hindu ist tief davon überzeugt, dass sein Weg einer der Wege zur Erlösung und Gottesrealisation ist.
  2. Die polytheistische Vielfalt trägt eigentlich nur symbolischen Charakter. Die vielen Götter selber stellen nur die Wegmarken auf der langen Reise mit dem Ziel der Erlösung dar.
  3. Der Glaube an die Veden ist ein wichtiges und wesentliches Merkmal eines Hindu.
  4. Ein gläubiger Hindu geht davon aus, dass allen weltlichen, mundanen und materiellen Dingen und Ereignissen eine übernatürliche, spirituelle, ewige Kraft zugrunde liegt. Das, was den ganzen Kosmos trägt, trägt auch den Menschen, und nicht umgekehrt.
  5. Folgerichtig glaubt dann auch ein Hindu an einen unsterblichen Kern in ihm, an eine Transmigration dieses Kernes über den Tod hinaus.
  6. Die Kraft, die diese Transmigration regelt, ist eine moralische Kraft und trägt den Namen Karma-Gesetz.
  7. .... Die Kette der Wiedergeburten kann durchbrochen werden. Denn Karmas binden uns an die Welt, aber ebenso befreien sie uns von der Bindung, wenn sie so rein, so sauber, ethisch und moralisch sind. ...
  8. Jeder Hindu glaubt an eine Wesensverwandtschaft zwischen der menschlichen und göttlichen Seele. Es mag hinsichtlich der Art und Weise dieser Verwandtschaft verschiedene Ansichten geben.

Das Wort Veda bedeutet Wissen, ein göttliches spirituelles Wissen, das einem zuteil wird. Dies ist das gehörte Wort, es ist eine ungeschriebene Lehre, die dem Weisen, dem Seher geoffenbart wurde. Die Veden wurden zuerst gehört und später in Bücher niedergelegt. Es gibt vier Veden: 1. den Rigveda (den Veda der Verse), 2. den Samaveda (den Veda der Lieder), 3. den Yajurveda (den Veda der Opfersprüche) und 4. den Atharvaveda (den Veda der mystischen Praktiken).

Oberflächlich betrachtet wimmelt es im Hinduismus von Göttern und diese Götter repräsentieren nicht nur die Naturkräfte, sondern auch psychische Eigenschaften. Doch dem vedischen Polytheismus liegt die grundsätzliche Überzeugung zugrunde, dass diese Vielheit im Grunde genommen eine Vielfalt der Namen darstellt. Dem gläubigen Hindu ist klar, dass es eigentlich um einen Gott geht, der in verschiedenen Aspekten verehrt wird. Immer wenn ein Gläubiger eine bestimmte Erscheinung des Einen bevorzugt, lässt er die anderen als weitere Formen des Einen gelten.

Ein Hindu geht also nicht davon aus, dass wenn er eine Gottheit verehrt, diese die einzig richtige ist. Die verschiedenen Gottesbilder stehen nicht so sehr in Konkurrenz, sondern sind eher komplementär zueinander. Dennoch werden die Verehrer des einen namenlosen Absoluten (Brahman) im Rang höher gestellt als diejenigen, die einen persönlichen Gott oder gar viele anbeten.

Die Einheit des Göttlichen, des Numinosen, verbunden mit der Vielfalt seiner Inkarnationen, ist das wesentliche Element des Hinduismus. Zu glauben, dass man auf dem richtigen Weg ist, ist jedem Gläubigen erlaubt. Aber zu glauben, dass der andere sich auf dem falschen Weg befindet, ist anmaßend, hochmütig und stellt eine Gotteslästerung dar. (Mall, 1997, S. 4 – 5)

Der Hinduismus hat den Anspruch, dass es mehrere Wege zur religiösen Seligkeit gibt. Der Pluralismus der Hindus bedeutet, dass der Hinduismus alles für alle Menschen darstellen kann. (Sharma, 1997, S. 307) Das Sanskritwort Yoga bedeutet Joch und kann in diesem Sinne als Anschirren an Gott gedeutet werden. (Mall, S. 51) Es bedeutet auch „Verbindung, Vereinigung“ was also verwandt mit der Bedeutung des Wortes Religion ist. In der christlichen Theologie wird Religion häufig als „Zurückbindung (an Gott) aufgefasst“. (Duden, 2001, Das Herkunftswörterbuch)

Das Wort Yoga im Hinduismus kann sowohl spezifisch als auch allgemein verwendet werden. Einmal bezeichnet es eine bestimmte philosophische Schule und ein kodifiziertes System oder eine Technik, zwischen den Menschen und Gott eine Beziehung herzustellen. Es kann allgemein aber auch solche Systeme und Methoden bezeichnen, die zu einer Einheit des Menschen mit dem Göttlichen führen. Hier wird das Wort Yoga im umfassenderen Sinne verwandt. Es ist eine Technik, die die Menschen mit Gott vereint. Die verschiedenen Yogas kann man auch Margas oder Wege nennen – Wege, die zum selben Ziel führen, zur Selbstverwirklichung oder Erleuchtung. (Sharma, 1997, S. 308).

Diese Yogawege sind nicht streng voneinander getrennt, sondern überschneiden sich. Yoga als spiritueller Weg ist selber überkonfessionell. Es gibt zahlreiche Yogawege, doch ich werde nur näher auf die Wege eingehen, die sich auf meine Fragestellung dem Erleben der Mantrarezitation und den Auswirkungen auf den Alltag beziehen. Zunächst möchte ich aber nochmals auf die Definition von Yoga eingehen.

„Yoga – Vereinigung; bedeutet sowohl den Weg dorthin als auch das Ziel; eines der sechs klassischen indischen Philosohpiesysteme; begründet von Patanjali (Raja Yoga) (Vishnu- devananda, 1997, S.305) „Yoga – Vereinigung, Verbindung, Kontakt; unter dem Begriff Yoga werden die Traditionen zusammengefasst, welche durch Übungen, Praktiken und Disziplinen den Kontakt zum Selbst (atman) oder zu Gott herstellen wollen ... Der Yoga im allgemeinen zielt auf die Umwandlung des Menschen und Reinigung aller Ebenen des Körpers und des Geistes, auf die Entwicklung einer Offenheit für Transzendenz. Patanjali definiert Yoga als Beruhigung (nirodha) der Bewegungen (vritti) des Bewusstseins (citta); d.h. für ihn zeigt sich Yoga in der Erfahrung der Stille, in der Versenkung, bei der das Selbst bei sich selbst ist und seine unendliche Natur erkennt ... Im Sinne der acht Glieder von Patanjalis System kann man Yoga als eine Integration aller Aspekte der Persönlichkeit, als die Verbindung aller Fähigkeiten, die der Mensch besitzt, verstehen. Dieser Entwicklungsprozeß dient dem einen Ziel, Selbsterkenntnis zu erlangen und Gott nahe zu kommen. Oft wird Yoga als Kontrolle oder Zwang definiert. Auf der Ebene des relativen Geistes (manas) ist es jedoch nicht möglich, alle Impulse zu lenken und zu durchdringen; erst, wenn die Seligkeit absoluter Stille, der Glanz des höchsten Selbstes (paramatman) erfahren wird, ist wahre Selbstbeherrschung möglich. Yoga ist Einheit, ist Fülle, ist Gottesschau. (Mittwede, 1999, S. 293, 294)

Im Yoga-Lehrerhandbuch heißt es, dass das erhabenste Ziel des Yoga die Verwirklichung unseres wahren Selbst ist, welches die Yogis als Eins mit dem Göttlichen, dem Kosmischen Bewusstsein bezeichnen. Die Vereinigung mit dem wahren Selbst, die Verschmelzung mit dem Kosmischen, die Verwirklichung, dass wir Eins sind mit Gott, ist das höchste Ziel des Yoga. Es führt zur wahren Liebe, zum Gefühl der Einheit mit allem, zur Erfahrung reinen Seins, vollkommenen Wissens und unbeschränkter Glückseligkeit. (vgl. Bretz, 2001, S.8)

Abschließend für die Erläuterung des Yoga und für diese Arbeit bedeutsam „Es gibt hunderte Yoga-Definitionen, aber die wichtigste ist die, die sagt: Yoga bewirkt eine Veränderung der Eigenschaften unseres Geistes.“ (Deskikachar, 1991, S. 117)

Verschiedene Yoga Wege

Man unterscheidet verschiedene Arten von Yoga. Für diese Arbeit von Relevanz ist der Nada, Bhakti und Raja Yoga, auf die ich im folgenden eingehen werde.

Nada Yoga

Nada heißt Ton, und Yoga meint den o.g. Zustand der Einheit. Nada-Yoga ist der Yogaweg (Sadhana), der mittels des Tons und des Tönens den Übenden in den Zustand der Einheit führt. Nada-Yoga ist Bestandteil der ältesten heiligen Schriften Indiens, den Vedas. Der Übungsweg des Nada-Yoga oder besser Mantra-Yoga beginnt mit dem Tönen bestimmter Buchstaben (varna), Silben oder Formeln auf Sanskrit. (Trökes, 1998, S. 21)

Bhakti Yoga

Es gibt 9 Vorgänge im Bhakti Yoga, dem Weg, um Liebe und Hingabe zu Gott zu entwickeln. Auf zwei dieser Vorgänge werde ich eingehen, da sie die Mantrarezitation und das Singen von Mantras beinhalten. Für Interessierte Leser sei auf Sivanandas Buch „Essence of Bhakti Yoga“ und Prabhupadas 7. Canto des Srimad Bhagavatam hingewiesen, wo alle diese Vorgänge ausführlich erläutert werden.

Kirtan – oder Kirtana

Ein Vorgang ist Kirtana, das Singen zur Verehrung von Gottes Namen mit Hilfe von Mantras und Instrumenten (vgl. Audiobeispiel Nr. 7 - 10) Man singt ständig in Verehrung von Gott. Dies wird auch Japa genannt. Siehe dazu auch Kapitel (4.6) Beim Singen erfolgt ein Wechselgesang zwischen dem Vorsänger, der Melodie und Rhythmus vorgibt, und im Anschluss daran stimmen alle anderen Anwesenden in das Singen ein.

Smarana

Ein weiterer Vorgang im Bhakti-Yoga ist Smarana, was wörtlich sich erinnern bedeutet. Es geht darum, sich ständig an den Namen Gottes zu erinnern. Es ist die Erinnerung an den Namen und die Form Gottes. Die Mantrarezitation, Japa, die Wiederholung von Gottes Namen als Mantra, gehört zu diesem Vorgang.

Raja Yoga

Der Raja Yoga ist der Weg der systematischen Analyse und Kontrolle des Geistes. Raja Yoga heißt auch „Ashtanga“ (der achtgliedrige) Yoga, denn seine Praxis ist achtteilig. Ich werde hier diesen Yoga Weg kurz in seinen acht Gliedern aufführen, da die Rezitation eines Mantras als Meditationsform das 7. Glied bestimmt:

1. Yama – Regeln für den Umgang mit anderen

  • Ahimsa – Nichtverletzen
  • Satya – Wahrhaftigkeit
  • Brahmacharya – Keuschheit
  • Aparigraha – Nichtannehmen von Geschenken
  • Asteya – Nichtstehlen

2. Niyama – Gebote, Verhaltensregeln für das Privatleben

  • Saucha – Reinheit (innere und äußere)
  • Santosha – Zufriedenheit
  • Tapas – Askese
  • Swadhyaya – Studium religiöser Schriften
  • Ishvarapanidhana – Verehrung Gottes

3. Asana – Stellung: Die Wirbelsäule frei zu halten, aufrecht zu sitzen. Brust, Nacken, Hals bilden eine gerade Linie. Bewegungslos und bequem.

4. Pranayama: Durch verschiedene Atemtechniken wird die Lebensenergie unter Kontrolle gebracht.

5. Pratyahara: Den Sinnen wird der Weg zu ihren Objekten versperrt oder sie werden von diesen zurückgezogen. Es ist dies die Praxis, den Geist von den Sinnen, die ihn stören, zu trennen.

6. Dharana – Konzentration: Dharana ist die Praxis, den Geist zu konzentrieren oder ihn auf ein äußeres Objekt oder eine innere Idee, unter Ausschluss aller anderen Gedanken zu richten.

7. Dhyana – Meditation: Ungebrochenes Fließen der Gedanken zum Meditationsobjekt.

8. Samadhi – Überbewusstsein: Samadhi ist der überbewusste Zustand. Er ist über alle Beschreibung erhaben. Der Geist kann ihn weder erfassen noch beschreiben, denn er transzendiert die drei Elemente, die während jeder gewöhnlichen Erfahrung der Sinne präsent sind: Raum, Zeit und Kausalität. Samadhi ist das Ziel aller Existenz. Alle Lebewesen bewegen sich auf dieses Ziel zu.

Raja Yoga bezieht sich direkt auf die Kontrolle des Geistes. Mantra Yoga ist ein Werkzeug im Raja Yoga. Es benutzt den Klang der Mantras zur Kontrolle des Geistes. (vgl. Bretz, 2001, S. 58)

Mantra Yoga

Im Vorwort zu Mantra Yoga von Swami Sivananda heißt es „Das höchste Ziel des Mantra Yoga ist, wie immer beim Yoga, die Verwirklichung Deiner wahren Natur, der Einheit mit dem Unendlichen. Mantra Yoga gilt als einer der machtvollsten, einfachsten, sichersten und schnellsten Wege zu dieser Selbstverwirklichung. In Indien gilt es als der populärste und doch mysteriöseste Aspekt des Yoga, der zumeist nur mündlich von dem/der Lehrer/in auf den/die Schüler/in weitergegeben wurde und wird“. (Sivananda, o.J., S. 5)

Die heiligen Schriften Indiens, die Veden, beschreiben die Schöpfung und Vernichtung der Welt in Zyklen von Zeitaltern. Danach befinden wir uns gegenwärtig im Kali Yuga, dem Zeitalter der Heuchelei, des Streits und der Irreligiosität. Dort heißt es im Sri Caitanya Caritamrita: „harer nama harer nama harer namaiva kevalam kalau nasty eva nasty eva nasty eva gatir anyatha“ was übersetzt bedeutet „Im gegenwärtigen Zeitalter des Kali gibt es keine andere Möglichkeit, keine andere Möglichkeit, keine andere Möglichkeit für spirituellen Fortschritt als den Heiligen Namen, den Heiligen Namen, den Heiligen Namen des Herrn.“ (Prabhupada, o.J., S. 272)

Und an anderer Stelle heißt es „Kali Yuga Kevala Nama Adhara – die einzige Zuflucht im Eisernen Zeitalter (Kali Yuga) ist allein der Name Gottes.“ (Sivananda, o.J., S. 51)

Im folgenden Kapitel soll nun der Begriff Mantra definiert werden, daran schließt sich die Etymologie des Wortes Mantra an und die Sprache der Mantras, die hier Relevanz haben, Sanskrit. Danach werden die Qualitäten von Mantras aufgeführt sowie die Anweisungen für die Mantra-Meditation. Auf den Begriff der Meditation gehe ich dann weiter unten ein, da die Mantrarezitation eine Form der Meditation ist. Es werden vier Hauptkategorien von Mantras aufgelistet sowie die Bedeutung des Japa innerhalb der verschiedenen Yoga-Wege aufgeführt und abgeschlossen wird das Kapitel zum Mantra Yoga mit der Wirksamkeit des Mantras.

Definitionen von Mantra

Mantras sind „zusammengesetzte Laute, Silben, Worte, Sätze, die man spricht oder singt, die in ihren Buchstaben und damit in ihrem Klang bestimmte Schwingungen, d.h. eine bestimmte Energie tragen. Jeder Buchstabe des Sanskrit-Alphabets ist in seiner Schwingung einer bestimmten Kraft oder einem bestimmten Aspekt einer Gottheit zugeordnet. Das Aussprechen dieses Buchstabens in einfacher oder zusammengesetzter Form als Silbe oder Wort ist der Weg, mit dieser Gottheit in Verbindung zu treten, sie zu verehren und an ihrem Licht teilzuhaben. Das Mantra verkörpert die Gottheit und ist die Bündelung seiner strahlenden Energie“. (Trökes, 1998, S. 30)

„das, wodurch man durch ständiges Denken und Erinnern beschützt und erlöst wird. Das Mantra führt zur Verwirklichung der persönlichen Gottheit (Ishwara). Daher sind Devata (Gottheit) und Mantra praktisch ein und dasselbe.“ (Sivananda, o.J., S. 51)

„(wörtl.: „Denkwerkzeug“; Gesang, heiliges Wort oder Gebetsformel (...)“ (Mittwede, 1999, S. 144). Es ist ein Werkzeug, um den Geist zu beruhigen.

„außerdem ein Klang, eine Formel gemeint, die bei richtiger Anwendung bewußtseinsmäßige Fortentwicklung bewirkt.“ (a.a.O., S. 144)

„ein Name Gottes (...), der dem Ishta-Deva (erwähltes Ideal) des Schülers entspricht und mit dem er von seinem Guru in das spirituelle Leben eingeweiht wurde. Dieses Mantra, das als eins mit Gott betrachtet wird, enthält den Kern der Anweisungen des Guru. Der Schüler sollte es geheim und heilig halten und über diesen Aspekt Gottes unaufhörlich meditieren. Die regelmäßige Wiederholung des Mantra (Japa genannt) läutert das Denken und führt schließlich bei beständiger Übung zur Verwirklichung Gottes.“ (Fischer-Schreiber et al., 1986, S. 235)

„(Sanskrit <Denkwerkzeug>), als Gebets- oder Anrufungsformeln rezitiert, gemurmelt oder im Geiste gesprochene sprachlich – formelhafte Äußerungen. Die Ursprünge von Mantras liegen in der indischen Kultur; Bedeutung und Funktion sind geprägt durch den Glauben an die Kraft und Wirksamkeit des gesprochenen Wortes.“ (Religion in Geschichte und Gegenwart, [RGG], 2001, S. 772)

„kurze, eindringliche, geistige Formel für das Höchste, das wir uns vorstellen können, ob wir es als Gott bezeichnen, als die äußerste Realität, als das höchste Wesen, ...“ (Easwaran, 1977, S. 11)

„ist seinem Wesen nach ein Heiliger Name, ein Name Gottes oder eine Bezeichnung, die diese höchste Realität symbolisiert.“ (a.a.O., S. 37)

„die Kraft, die den Geist aus der Fessel befreit“. (Niranjananda, 1999, S. 14)

„Though generally defined as „a formula, comprising words and sounds which possess magical or divine power“, no single definition adequately expresses its significance. It is a verbal instrument believed to possess power. A word or formula ... [which] represents a mental presence or energy; by it something is produced, crystallized, in the mind. The term mantra-sakti is employed to denote this magic power possessed by words when they are brought together in a formula.” (Stutley, 1977, S. 180-181)

“A mantra may consist of a syllable (bija), or a word or group of words ...” (a.a.O., S. 180) “The efficacy of a mantra in post-Vedic times was not dependent on its meaning, but rather on the subjective effect of the exacting mental discipline involved in its correct utterance, and the accompanying mode of breathing” (a.a.O.).

“The time in which a mantra becomes effective depends on the time taken to pronounce it, i.e., on the number of letters comprising it. In particular circumstances a bija-mantra is repeated a hundred or even a thousand times (Manu, II, 79); …” (a.a.O., S. 181) “As a type of prayer they are linked with sraddha (faith) and Bhakti (devotion), and together constitute the means by which the devout Hindu achieves moksa (liberation) and union with Brahman.“ (a.a.O., S. 181)

The name of God is mantra. It is divine energy encased in a structure of sound. A mantra is the formula for a specific manifestation of God, like H2O, is the formula for water. The names of God are many, but in each and every name, be it Rama, Christ, Krishna, Allah, or Buddha, the power of God abides. (Yogi Hari, o.J., S. 42)

In der hinduistischen Überlieferung gibt es eine Vielzahl dieser spirituellen Formeln, da die eine höchste Realität in vielen Formen und auch unter sehr vielen verschiedenen Namen geliebt und verehrt wird. Eine solche Gebetsformel wird mantra oder mantram genannt.[5]

Es gibt zum einen das persönliche Mantra, das man durch die Mantra-Weihe durch einen Lehrer (Guru) erhält. Manchmal ist es jedoch auch so, das man sich zu einer spezifischen Gottheit (Ishwara) hingezogen fühlt und der Guru weiht einen dann in das entsprechende Mantra, das diese Gottheit repräsentiert, ein.

Dann gibt es Mantras, die für spezielle Zeremonien und Opferrituale rezitiert werden. Darauf werde ich hier nicht weiter eingehen, da sie nicht Gegenstand dieser Arbeit sind. (Vgl. Stutley, A Dictionary of Hinduism, 1977, S. 180-181)

Darüber hinaus gibt es Mantras, die gemeinsam mit anderen gesungen werden. Dies nennt man Kirtan. (vgl. Kap. 4.7)

In dieser Arbeit geht es um das persönliche Mantra, in das man von einem Lehrer eingeweiht wurde, sein psychisches Erleben und die Auswirkungen auf das Verhalten im Alltag. Dieses persönliche Mantra wird von einigen Teilnehmern geheim gehalten, von anderen wird es laut gesungen bzw. auch wiederholt, was auch singend, sprechend, laut, leise, geistig erfolgen kann.

Es gibt verschiedene Arten von Mantras für ganz unterschiedliche Ziele und Zwecke. (vgl. Vishnu-devananda) Wie in diesen Definitionen, die nicht vollständig sind, bereits anklingt, ist nicht eindeutig klar, ob es sich bei dem Mantra nun um ein Gebet handelt oder nicht. Ich werde auf diesen Aspekt noch einmal in einem weiteren Unterpunkt eingehen.

Etymologie des Wortes Mantra

Ein Mantra heißt so, weil es sich durch einen geistigen Prozess entfaltet. Die erste Silbe „man“ im Wort Mantra bedeutet „denken“ und „tra“ ist abgeleitet von „trai“ – „schützen“ oder „befreien“. (Sivananda, o.J., S. 36)

Es meint die Befreiung aus den Fesseln der Welt der Erscheinungen (samsara). Dies meint die Welt, die wir mittels unserer Sinne wahrnehmen. Die Sinneseindrücke rufen Bewegungen im Geist hervor, wie Wertungen, Kommentierungen, Handlungen. Dies alles, das Wahrnehmen, Verarbeiten des Wahrgenommenen und damit das Denken sollen beruhigt werden, damit sich der Zustand des Yoga, der Einheit, einstellen kann. Um den höchsten Zustand der Einheit (Samadhi genannt) zu erlangen, werden die alltäglichen Gedanken des Geistes und ihrer Schwingungen durch Inhalt, Schwingung und Energie des Mantras ersetzt.

Dadurch wird der Geist ruhig und konzentriert. Er kann durch permanente Einpünktigkeit mit Hilfe des Mantras in andere Bewusstseinszustände gelangen und zurück zur Quelle, zu Gott kommen. (Trökes, 1998, S. 23)

Sprache der Mantras: Sanskrit

Die meisten Mantras sind in Sanskrit überliefert worden. In den Schriften aus der vedischen Zeit wird berichtet, dass Rishis, die Weisen jener Zeit, intuitiv die mantrischen Weisheiten erfassten und empfingen. “Sanskrit is a language of vibration. And the vibration that was revealed to the rishis when vocalized become Sanskrit language.” (Yogi Hari, E-Mail, 04/2003) Die Rishis sind die Weisen der vedischen Zeit gewesen, denen diese Klangschwingungen, die wir heute als Sanskrit kennen, in tiefer Meditation enthüllt wurden.

Die Sprache der Mantras ist Sanskrit und wird auch als Devanaagari, Sprache der Götter, bezeichnet. Sie ist die älteste und mystischste[6] Sprache der Menschheit und die Quelle von der alle anderen Sprachen sich entwickelt haben. Ein Mantra ist mystische Energie, die in eine Klangstruktur eingeschlossen ist. Jedes Mantra enthält in seinen Schwingungen eine gewisse Macht. Durch Konzentration und die Wiederholung eines gegebenen Mantras wird seine Energie gelöst und nimmt Form an. Japa oder Mantra Yoga ist diejenige Übung, durch welche die Kraft, die in Mantras enthalten ist, für bestimmte Zwecke angewandt wird.

Jedes Mantra in Sanskrit wird aus einer Kombination von Klängen aufgebaut, die von den fünfzig Buchstaben des Sanskritalphabets stammen. (...) Die alten Weisen, die auf höhere Bewusstseinsebenen eingestimmt waren, waren sich wohl der inneliegenden Kraft jedes Klanges bewusst und sie benutzten Kombinationen von Klängen, um bestimmte Schwingungen zu erzeugen.

Es besteht kein Zweifel darüber, dass Klänge eine bestimmte und voraussagbare Wirkung auf die menschliche Psyche und den Körper haben. Ganz offensichtlich ist dies, wenn man die Wirkung von Rockmusik mit der von klassischer Musik vergleicht. Die erste neigt dazu, die Sinne zu erregen, die zweite wirkt eher entspannend. Auf subtilerer Ebene werden Mantras für verschiedene Zwecke angewandt. (vgl. Vishnu-devananda, 1997, S. 74-106)

Qualitäten eines Mantras

Jedes Mantra beinhaltet die folgenden sechs Teile:

  1. Es wurde einem Seher (Rishi) enthüllt, der mit seiner Hilfe erstmals Selbstverwirklichung erlangte und der es an andere weitergab. Er ist der Seher dieses Mantras. ...
  2. Es hat ein bestimmtes Versmaß bzw. einen bestimmten Rhythmus (Matra) und
  3. eine führende Devata (Gottheit).
  4. Es besitzt ein Bija, einen Samen. Dieser gibt dem Mantra eine besondere Kraft und ist das Wesentliche, der Kern des Mantras.
  5. Jedes Mantra hat eine Shakti, eine schöpferische göttliche Energie und schließlich hat es
  6. ein Kilaka, einen Pfeiler oder Stöpsel, der das Mantra-Chaitanya, das reine Bewusstsein im Mantra, verschließt. Sobald sich der Verschluss durch ständige, andauernde Wiederholung des Mantras öffnet, enthüllt sich das verborgene reine Bewusstsein und der Praktizierende hat die Vision (Darshana) seiner persönlichen Gottheit. (Sivananda, o.J., S. 51)

Für meine Untersuchung werde ich mich nur auf das Erleben von Mantras beziehen, die diese Kriterien erfüllen.

Japa – die permanente Wiederholung eines Mantras

Fußnoten

[1] „Ashram: ein Zentrum für religiöse Studien mit Meditation; es kann ein Heim, ein Landhaus, eine Einsiedelei oder ein Kloster sein; jeder Versammlungsort spirituell Strebender ist ein Ashram.“ (Mittwede, 1999, S. 37)

[2] Irrational: „wenn man zu einem seltsamen, dem verständigen Deuten sich durch seine Tiefe entziehenden Ereignisse sagt: ‚Es liegt ein Irrationales darin’. Wir meinen mit ‚rational’ in der Idee des Göttlichen dasjenige was von ihr eingeht in die klare Fassbarkeit unseres begreifenden Vermögens, den Bereich vertrauter und definibeler Begriffe. Wir behaupten sodann, daß um diesen Bereich begrifflicher Klarheit her eine geheimnisvoll-dunkle Sfäre liege, die nicht unserem Gefühl wohl aber unserem begrifflichen Denken sich entziehe und die wir insofern ‚das Irrationale“ nennen. ...Für alle gefundenen Momente des Numinosen, ... „es entzieht sich aller Sagbarkeit“ (Otto, 1922, S. 71); „1 mit dem Verstand nicht erfassbar; 2 vernunftwidrig, 3 unberechenbar“ (Wahrig-Burfeind,1998, S. 420)

[3] Transzendent: 1. „die Grenzen der Erfahrung u. des sinnlich Wahrnehmbaren überschreitend“ (a.a.O., S. 954)

[4] Karma: Tat, Handlung, Aktivität; Gesetz von Ursache und Wirkung (vgl. Mittwede, 1999)

[5] Mantra ist die Bezeichnung, die im Westen eher gebräuchlich ist, aber Mantram ist die ursprüngliche Form des Wortes in Sanskrit. (vgl. Eknath Easwaran, a.a.O., S. 37) Dennoch werde ich die hier im Westen verwandte Form des Mantra benutzen, Anm. H. L-R) Zudem wird in einigen Definitionen Mantra als das Mantra, (s. Lexikon der Östlichen Weisheitslehren) dann aber auch z.B. im Spirituellen Wörterbuch von der Mantra gesprochen. Ich werde in dieser Arbeit immer von „das Mantra“ sprechen. Eventuelle grammatikalische Abweichungen in Zitaten hängen dann mit der Originalzitierweise zusammen. Auch kann man manchmal Unterschiede in der Groß- und Kleinschreibung finden. Ich werde hier, wenn es sich nicht um Originalzitate handelt, immer die Großschreibung verwenden. (Anm. H. L-R)

[6] Mystik: vom griech. myein hergeleitet, heißt es Augen schließen sowie indirekt schweigen. Offenbar bildet das Bild des sich sammelnden und meditierenden Menschen die Brücke zwischen beiden Bedeutungen. Die Mysten waren in den antiken Mysterienkulten die Neueingeweihten, die Augen und Mund während der Weihe geschlossen zu halten hatten. Unmittelbar verwandt ist mysterion – Geheimnis, nicht aber (Hervorhebung H. L-R) Mythos, mythisch, womit eine urtümliche (arachische) heilige oft religionsbegründende Sage bezeichnet wird. In der abendländischen rationalistischen Wissenschaftskultur der letzten hundertfünfzig Jahre hatte Mystik einen abfälligen Klang: Mystik war alles, was sich der rationalen Begründung entzog, im Religiösen fast gleichbedeutend mit Okkultismus (...), doch darüber hinaus aufs Künstlerische ausgreifend und hier mit einem Anklang an Schwärmerei für übersinnliche Realitäten. Erst in den letzten Jahren ist eine enorme Aufwertung des Wortes und Phänomens zu verzeichnen. Es setzt sich die Erkenntnis durch, dass Mystik, d.h. die schweigende, über alle Worte und rationale Fassbarkeit hinausgehende Erfahrung des Göttlichen, der gemeinsame Mutterboden, ja die gemeinsame Substanz aller bedeutenden (dauerhaften) Religionen ist. (Dunde, 1993, S. 206)