Tradition: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Tradition''' (von lat. ''tradere'' „hinüber-geben“ bzw. ''traditio'' „Übergabe, Auslieferung, '''Überlieferung'''“) bezeichnet die [[Weitergabe]] (das ''Tradere'') von Handlungsmustern, [[Überzeugung]]en und [[Glauben]]svorstellungen u. a. oder das Weitergegebene selbst (das ''Traditum'', z. B. Gepflogenheiten, Konventionen, Bräuche oder Sitten). ''Tradition'' geschieht innerhalb einer [[Soziale Gruppe|Gruppe]] oder zwischen [[Generation]]en und kann mündlich oder schriftlich über [[Erziehung]] oder [[spiel]]erisches [[Nachahmung (Soziologie)|Nachahmen]] erfolgen. Die soziale Gruppe wird dadurch zur ''[[Kultur]]''. Weiterzugeben sind jene Verhaltens- und Handlungsmuster, die im Unterschied zu [[Instinkt]]en nicht angeboren sind. Dazu gehören einfache Handlungsmuster wie der Gebrauch von [[Werkzeug]]en oder komplexe wie die [[Sprache]]. Die Fähigkeit zur ''Tradition'' und damit die Grundlage für Kulturbildung beginnt bei Tieren (vgl. [[Raben und Krähen|Krähen]], [[Gemeiner Schimpanse|Schimpansen]]) und kann im Bereich der menschlichen Kulturbildung umfangreiche religiös-sittliche, politische, wissenschaftliche oder wirtschaftliche Systeme erreichen, die durch ein kompliziertes Bildungssystem weitergegeben werden.
'''Tradition'''  
== Zwei Hauptbedeutungen ==
erst einmal Wikip. [http://de.wikipedia.org/wiki/Tradition]
Die Redeweise „Es ist Tradition, dass …“ bezieht sich in der Regel auf das Überlieferte (''traditum''), häufig im Sinne von „Es ist seit langer Zeit üblich, dass …“. Umgangssprachlich seltener wird mit „Tradition“ der Überlieferungsvorgang an sich (''tradere'') bezeichnet. Zur Unterscheidung wird im Deutschen manchmal von „Tradition“ im Sinne von ''traditum'' und „Tradierung“ entsprechend dem ''tradere'' gesprochen. Diese Unterscheidung verweist auf zwei Hauptbedeutungen von Tradition:<br/>
#als kulturelles Erbe und
#als Tradierung.<br/>
Forschungen zum Begriff und zum Verhältnis der beiden Hauptbedeutungen fallen in den Bereich der Traditionstheorie.
 
=== Tradition im Sinne eines kulturellen Erbes ===
[[Datei:Dreschen mit Flegel.jpg|thumb|Traditionelles [[Dreschen]] mit dem [[Dreschflegel]]]]
Unter Tradition wird in der Regel die Überlieferung der Gesamtheit des [[Wissen]]s, der [[Vermögen (Fähigkeit)|Fähigkeiten]] sowie der Sitten und Gebräuche einer [[Kultur]] oder einer [[Soziale Gruppe|Gruppe]] verstanden. Tradition ist in dieser Hinsicht das kulturelle Erbe, das von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird. Wissenschaftliches Wissen und handwerkliches Können gehören ebenso dazu, wie [[Ritual]]e, künstlerische Gestaltungsauffassungen, moralische Regeln und Speiseregeln. Traditionen im Sinne von Brauchtum und kulturellem Erbe begegnen beispielsweise bei Hochzeiten, Dorffesten und im Zusammenhang mit kirchlichen Feiertagen. Auch Alltagsgesten bei Begrüßung und Verabschiedung sind Brauchtumstraditionen. Die [[Ethnologie]] untersucht, wie solches Brauchtum konkret entsteht und tradiert wird.
 
Neben hochkulturellen Inhalten werden zuweilen auch nur temporär gültige Üblichkeiten als Tradition bezeichnet. In diesem Sinne wird der Ausdruck „traditionell“ gebraucht; es ist das Übliche und Gewohnte. Der eher bildungssprachliche Ausdruck „traditional“ wird dagegen auf die hochkulturellen Inhalte bezogen.
 
=== Tradition im Sinne von Tradierung ===
Seltener bezeichnet Tradition die Tradierung, also den Prozess der Überlieferung selbst, auch wenn in [[systematisch]]er Hinsicht der Traditionsprozess die Grundlage für die Tradition als kulturelles Erbe bildet. Die ältere Traditionstheorie hat den Traditionsprozess als einen Vorgang beschrieben, bei dem ein Tradent einem Empfänger etwas überliefert. Neuere Ansätze kritisieren diese Auffassung als zu starke Vereinfachung. So wie das schlichte [[Sender-Empfänger-Modell]] in der [[Kommunikationstheorie]] tatsächliche [[Kommunikation]] unsachgemäß beschreibt, ist das vergleichbare Tradent-Empfänger-Modell unzulänglich. Die Entdeckung des [[Subjekt (Philosophie)|Subjekts]] in der [[Neuzeit]] macht es nach dieser Auffassung nötig, eine Wechselbeziehung anzunehmen, wie es beispielsweise der Kultursoziologe [[Stuart Hall (Soziologe)|Stuart Hall]] für das Sender-Empfänger-Modell vorgeschlagen hat. Der vormalige "Empfänger" wird als aktiver Teil von Traditionsprozessen verstanden (Tradent-Akzipient-Modell)<ref>[http://www.holmespeare.de/tradition/etexte/disskap12.html K. Dittmann: Tradition und kritisches Verfahren (Online-Fassung, Kapitel 12 von ''Tradition und Verfahren'') (27-08-2007)], ISBN 3-8334-0945-2</ref>.
 
== Traditionstheorien in den Kultur- und Geisteswissenschaften ==
Traditionstheorien gibt es in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen: In der [[Ethnologie]], der [[Volkskunde]], der [[Soziologie]], der [[Philosophie]], der [[Theologie]], der [[Literaturwissenschaft]] und der [[Rechtswissenschaft]]. Dabei konzentrieren sich die einzelnen [[Wissenschaft]]en jeweils auf Teilaspekte des [[Phänomen]]s ''Tradition''. Bislang liegt kein Ansatz für eine systematisch entwickelte Traditionstheorie vor.
 
=== Soziologie ===
Da Tradition zu den Grundlagen des sozialen Lebens und Handels gehört, hat sich insbesondere die [[Soziologie]] mit dem Phänomen ''Tradition'' befasst. [[Robert Spaemann]] sieht im ''Französischen Traditionalismus'' gar eine der Wurzeln der Soziologie selbst.<ref>[[Robert Spaemann]]: Der Ursprung der Soziologie aus dem Geist der Restauration. Studien über [[Louis-Gabriel-Ambroise de Bonald|L.G.A. de Bonald]], ISBN 3-608-91921-X</ref> In jedem Fall hat die soziologische Auseinandersetzung mit der Tradition die geistes- und kulturwissenschaftlichen Diskussionen insgesamt geprägt. Insbesondere [[Max Weber]]s Verständnis von Tradition als einem von vier Grundtypen [[Soziales Handeln|sozialen Handelns]] ist wirkungsgeschichtlich kaum zu unterschätzen. Weber grenzt die Orientierung an Tradition von der zweck- und wertrationalen Orientierung des Handelns ab.<ref> [[Max Weber]]: Soziologische Grundbegriffe, § 2 Bestimmungsgründe sozialen Handelns: "Das streng traditionale Handeln steht ... ganz und gar an der Grenze und oft jenseits dessen, was man 'sinnhaft' orientiertes Handeln überhaupt nennen kann."</ref> Er greift damit ein Traditionsverständnis auf, das am Ende des [[19. Jahrhundert]]s vorrationale Tradition und rational orientierte [[Moderne]] gegenüberstellt. Diese Gegenüberstellung ist auch die Folge einer kritischen Abwendung vom Traditionsverständnis des Traditionalismus.
 
Neben seinem Versuch, den Traditionsbegriff mit vier Grundtypen sozialen Handelns greifbar zu machen, formuliert Weber gleichsam eine Theorie der politischen [[Herrschaft]], wobei er zwischen [[Charismatische Herrschaft|charismatischer]], [[Rationalität|rationaler]], [[Legalität|legaler]] und traditioneller Herrschaft unterschied.<ref name="Ursprung27ff">Daniel Ursprung: ''Herrschaftslegitimation zwischen Tradition und Innovation''. Kronstadt 2007, S. 27 ff., ISBN 3-929848-49-X.</ref> Hierbei knüpfte er den Begriff der Tradition eng an eine herrschende Einzelperson, die über einen von ihm abhängigen [[Verwaltung]]sstab verfügt. Merkmal der auf Tradition beruhenden Herrschaft sei Weber zufolge, dass die politische Ordnung primär auf überliefertes Wissen beruhe, auf persönlichen [[Gehorsam]] basiere und - im Gegensatz zur charismatischen Herrschaft - einen alltäglichen Charakter habe.<ref name="Ursprung27ff"/>
 
Das Traditionsverständnis von Max Weber ist aber nur bedingt geeignet, das Phänomen der Überlieferung und Übernahme zwischen den Generationen und den [[Einfluss]] auf die Bildung sozialer Gruppen angemessen zu beschreiben. Allein die Gegenüberstellung von vorrationaler Tradition und rationaler Moderne greift nicht. Wäre es so, dass der Modernisierungsprozess das Überkommene allmählich abstreifen würde, müsste dieses Phänomen weltweit auch zu beschreiben sein. Tatsächlich bietet der Modernisierungsprozess aber ein differenziertes Bild: Zum Teil werden Traditionen von modernen Entwicklungen und Auffassungen abgelöst (Traditionsabbruch), zum Teil geraten Moderne und Tradition in einen unüberwindbaren Konflikt (Traditionalismus, [[Fundamentalismus]]), zum Teil bestehen Tradition und Moderne konfliktlos nebeneinander oder ergänzen sich sogar ([[Alternativmedizin]]). Wie wenig sich die Begriffe ausschließen, zeigt sich aber insbesondere daran, dass [[Moderne|Modernität]] selbst zu einer neuen "großen Tradition"<ref>[[Shmuel N. Eisenstadt|S.N. Eisenstadt]]: Tradition, Wandel und Modernität (1979), S. 227, ISBN 3-518-57901-0</ref> geworden ist. Statt Tradition als vormodern zu betrachten, was zu kurz greifen würde, gilt es darum, die soziale Funktion der Tradition auch in modernen und post-modernen Gesellschaften zu beschreiben. Für [[Anthony Giddens]] besteht diese Funktion darin, das [[Kollektives Gedächtnis|kollektive Gedächtnis]] einer Gesellschaft zu organisieren.<ref> [[Anthony Giddens]]: Tradition in der post-traditionalen Gesellschaft, Soziale Welt 44/1993, S. 445-485.</ref>
 
Für die soziologische Analyse des Phänomens Tradition bieten sich drei Aspekte an: 1. formal, 2. inhaltlich und 3. strukturell. In formaler Hinsicht ist Tradition abhängig vom Prozess der Tradierung. Inhalte, die nicht tradiert wurden bzw. werden, mögen kulturhistorisch interessant sein, sind aber soziologisch uninteressant für die Betrachtung von Tradition. Inhaltlich zeichnen sich Traditionen durch eine besondere Wertschätzung oder einen besonderen Anspruch aufgrund der Vergangeheitsorientierung aus. Strukturell ist Tradition auf [[Periodizität|Wiederholung]], Weitergabe und [[Ritual]]isierung angelegt. In der Perspektive dieser drei Aspekte wird deutlich, wie Tradition kulturelle Leitmuster (guiding patterns) ausbildet und so die Vergangenheit in die Gegenwart hineinreicht und diese beeinflusst.<ref>[[Edward Shils]]: Tradition, S. 32.</ref>.
 
=== Ethnologie ===
Die ethnologische Forschung konzentriert sich auf die Untersuchung und Beschreibung von konkreten Überlieferungsbeständen in verschiedenen Kulturen. Dazu bedienen sich Ethnologen in der Regel der soziologischen Begriffsbildung; ein originär ethologischer Traditionsbegriff liegt nicht vor. Besondere Bedeutung kommt in den Untersuchungen neben [[Brauchtum]] und [[Ritus|Riten]] der Erzählkultur zu: Mündlich überlieferte Geschichte (oral history) sowie [[Märchen]] und [[Mythos|Mythen]] gehören in allen Kulturen zu den prägensten Elementen von Gruppen.
 
So waren auf den [[Gesellschaftsinseln]] die [[Arioi]] als Angehörige eines [[Geheimbund]]es Hüter und Weiterträger der Tradition. In einer Gesellschaft, die keine Schrift kannte, war es wichtig, die religiösen Texte durch ständige Rezitation öffentlich zu verkünden, zu bewahren und zu verbreiten.
 
=== Geschichtswissenschaft ===
Auch die [[Geschichtswissenschaft]] versteht unter dem Begriff Tradition alles, was von Begebenheiten in irgendeiner Form überliefert worden ist und durch menschliche Auffassung hindurchgegangen und wiedergegeben ist.
 
In den vergangenen Jahren sind so genannte „[[Erfundene Tradition|erfundene Traditionen]]“ (''invented traditions'', vergleiche [[Eric Hobsbawm]]), die zur [[Legitimität|Legitimierung]] bestimmter Dinge und Handlungsweisen dienen sollen, zunehmend ins Blickfeld der [[Historiker]] gekommen. Die Entdeckung erfundener Traditionen verweist darauf, dass alle Tradition in hohem Maße sozial konstruiert ist. Was wie überliefert wird, ist deutlich auch davon beeinflusst, wie sich eine Generation den folgenden präsentiert.
 
=== Philosophie ===
In der philosophischen Diskussion spielt der Traditionsbegriff kaum eine Rolle. Selbst in etablierten Handbüchern zur Philosophie fehlt häufig eine Erörterung des Themas und eine Analyse des Begriffs. Der [[Philosoph]] [[Karl Popper]] sah die Entwicklung einer Traditionstheorie vor allem als Aufgabe der Soziologie, nicht der Philosophie. Insofern wird in der Regel auf soziologische oder sozialanthropologische Begriffsklärungen zurück gegriffen. Dennoch haben sich einige Philosophen wie [[Josef Pieper]], die so genannte [[Joachim Ritter|Ritter-Schule]] und [[Alasdair MacIntyre]] mit der Theorie der Tradition befasst. Pieper hat vor allem die Verbindung von mittelalterlicher Philosophie und Katholizismus in den Blick genommen. Die Ritter-Schule hat Tradition vor allem wegen der geschichtlichen Einbettung allen kulturellen Lebens diskutiert. MacIntyre hat als [[Kommunitarismus|Kommunitarist]] auf die Notwendigkeit traditionaler und regional gültiger Maßstäbe für die gegenwärtige Ethik und Politik verwiesen.
 
=== Rechtswissenschaft ===
In der antiken Rechtssprache ([[Römisches Recht]]) war Tradition (traditio) der Übergabeakt einer (beweglichen) Sache zum Beispiel bei der Vererbung und beim Kauf. Daher auch die noch heute manchmal begegnende Verwendung von Tradition als Auslieferung (vergleiche englisch: trade).
 
Auch im heutigen deutschen [[Zivilrecht]] ist zur rechtsgeschäftlichen Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache grundsätzlich neben der [[Dingliche Einigung|dinglichen Einigung]] die Übergabe der Sache erforderlich, es gilt also das ''Traditionsprinzip''. Jedoch wird das Traditionsprinzip häufig durchbrochen, indem die Übergabe durch eines der gesetzlich vorgesehenen Übergabesurrogate ersetzt wird (z.&nbsp;B. Vereinbarung eines [[Besitzkonstitut]]es oder Abtretung des Herausgabeanspruchs).
 
In der modernen Rechtswissenschaft bezeichnet ''Traditionstheorie'' einen bestimmten Ansatz zur Abgrenzung des öffentlichen Rechts vom Privatrecht. Die ''Traditionstheorie'' bezeichnet danach die Auffassung, dass bestimmte Rechtsgebiete ''traditionell'' dem öffentlichen Recht zugeordnet werden. Dazu gehören zum Beispiel Rechtsstreitigkeiten innerhalb des Polizei-, des Ordnungs- und des Verwaltungsrechtes.</br>
Neben der Traditionstheorie gibt es als weitere Abgrenzungstheorien die [[Interessentheorie]], die [[Subordinationstheorie]] (auch: Subjektstheorie) und die [[Sonderrechtstheorie]] (auch: modifizierte Subjektstheorie).
 
Im Bereich der [[Historische Hilfswissenschaften|Historischen Hilfswissenschaften]] ist eine der rechtswissenschaftlichen Bedeutung nahe liegende Verwendung gebräuchlich, wenn die Übertragungen von Grundbesitz an Klöster und ihre Beurkundung als ''Tradition'' bezeichnet wird (vgl. [[Traditionsbuch]])
 
== Tradition und Religion ==
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Version vom 15. März 2010, 18:12 Uhr

Tradition erst einmal Wikip. [1]