Ziel

Aus Yogawiki

Ziel

Der Weg ist das Ziel

Artikel von Lore Tomalla, erschienen im Yoga Vidya Journal Nr. 17

"Viele Wege führen nach Rom", sagt man. In Delhi war eine Lotosblüte Modell für ein Gotteshaus besonderer Art. Jede Religion hat ihren persönlichen Zugang zum Allerheiligsten, das es nur einmal gibt, in der Mitte des Tempels. Welcher Weg ist der richtige? Wir wissen es nicht. Die Menschheit auf ihrer derzeitigen Entwicklungsstufe vermag den richtigen Weg noch nicht zu erkennen. Wie gut, dass Gott so tolerant ist. Hindus z.B. machen täglich Körperübungen, die sie Yoga nennen. Yoga bedeutet übersetzt "Disziplin". Auch Moslems wird tägliche Disziplin abverlangt, z.B. üben sie ein Trainingsritual, das Gruß an die Sonne genannt wird. Es sind Dehnübungen, die den Körper geschmeidig erhalten. Jede Katze, jeder Hund macht morgens Dehnübungen. Christen haben das besser. Sie bleiben gesund, allein durch den Glauben. Das ist so falsch nicht, denn was ich mir vorstelle, woran ich fest glaube – das wird Wirklichkeit. Rechtes Denken, rechtes Reden, rechtes Handeln gehört zu den Forderungen, die Gläubige der atheistischen Religion Buddhismus einzuhalten haben.

Die Menschheit ist unterwegs zu einem Ziel. Wenn ich ein Ziel anstrebe, möchte ich es möglichst schnell erreichen. Wenn ich auf der Autobahn im Stau stehe, werde ich ungeduldig, ärgerlich, gerate in Zorn. Die Psychologen sagen, auf dem Wege sein bedeutet, dass man die Situation beherrscht, nicht in Stress gerät. Ich beherrsche meine Gedanken, meine ich. Häufig ist es umgekehrt: Meine Gedanken beherrschen mich.

Was ist das „Ziel“ unseres Lebens? Wir verfolgen unterschiedliche Ziele, haben individuelle Sehnsüchte, Hoffnungen, Pläne. Wir wollen etwas erreichen: Geld, Ruhm, Ehre. Möglicherweise haben andere bereits allerhand erreicht und schon kommt die Ungeduld, ich gerate in Stress. Ich will das auch – ich strenge mich an. Auf dem Wege sein, das Ziel anstreben, aber in Ruhe und Gelassenheit. Habe ich das Ziel erreicht, ist Schluss, Ende. Was geschieht dann?

Für jedes Lebewesen endet das Leben mit dem Tod. Ist der Tod Ziel unseres Lebens? Jedes Ende ist ein Neubeginn. Es tut sich etwas auf – ein Tor, eine Schneise, eine andere Welt. Der hebräische Buchstabe A wird umgekehrt wie das % Zeichen geschrieben: Da ist ein Tropfen im Jenseits. A ist eine Spiegelungsebene. Der Tropfen auf der einen Seite möchte sich verwirklichen. Geschieht das, kommt er auf der anderen Seite der Spiegelungsebene in die Wirklichkeit. Die hinduistische Religion nennt aber das Jenseits die Wirklichkeit. Aus dieser tritt etwas hinüber ins Diesseits, in die Maya, die unwirkliche Scheinwelt, in der wir leben, wo wir es sehen, fühlen, hören, tasten, schmecken, riechen können, mit unseren fünf Sinnen, unseren Wahrnehmungsorganen erfahren können. Eine der fünf großen Richtungen des Buddhismus ist die Weisheit des Großen Spiegels. Ein Spiegel entdringlicht die Dinge, ohne sie ihrer Form zu berauben.

Wenn ich sterbe, ist das wie eine glasklare, hohe Welle. Ich stecke den Kopf hindurch und sie läuft weiter. Es ist wie durch einen Wasserfall hindurchgehen und sich auf der anderen Seite befinden. Es ist wie eine Flussüberquerung. Auf die andere Seite gelangen. In meinem Traum hat die grüne Hecke auf der anderen Seite Rosen. Wie schön, aber was bedeutet das?

Hier im Diesseits leben wir in der göttlichen Maya. Im Jenseits wartet schon unser helfender Schutzengel, dass wir kommen. Ich bin er – er ist ich. Wie wird das sein? Wir wissen es nicht. Wir haben hier im Diesseits kein Wahrnehmungsorgan dafür. Wir können es nicht ergründen. Es ist die Weisheit und Erkenntnis, die wir nur um den Preis des Todes erlangen können. Kommen wir in eine Schattenwelt oder in eine Welt der Lichtgestalten? Lösen sich unsere Gedanken ins Samsara, ins Gedankenmeer, auf? Den Bhakti Yogi fischt der mystische Vogel Garuda aus den Wellen des Samsara. Errettet er ihn für das Nirwana? Oder bringt er die Seele – so wie der Klapperstorch etwa – zu einem neuen Körper für die Wiedergeburt?

Nach dem Durchgang durch die Spiegelungsebene werden wir das wissen. Bis dahin sind wir auf dem Wege und müssen uns in Geduld üben. Die Menschheit sucht nach dem richtigen Weg. Dieser Weg ist das Ziel.

Was ist das Ziel der Meditation, Teil 1

Artikel von Hanspeter Sperzel, erschienen im Yoga Vidya Journal Nr. 17

Im Hier und Jetzt sein

Das Leben des denkenden Menschen ist ein Denken in der Zeit, und Denken im herkömmlichen Sinne ist nur in der Zeit möglich. Die Aneinanderreihung von Situationen der Vergangenheit, in denen ein bestimmtes Muster erkannt wurde, erkennen wir als Erfahrung. Diese Erfahrungen der Vergangenheit, projiziert in die Zukunft, nennen wir Denken. Wir benutzen unsere Sinne, um die Wirklichkeit zu erkennen, aber diese Sinne sind unvollkommen und so nicht in der Lage, die wahre Wirklichkeit zu erkennen. Farben sind lediglich Reflektionen von Licht auf einer definierten Oberfläche, Gewicht ist abhängig von dem Himmelskörper, auf dem wir uns befinden (Gravitation), Laute werden durch Schwingungen der Luft verursacht, schmecken und riechen können wir nur dann, wenn unser Körper auf diese Stoffe eingerichtet (konditioniert) ist. Die Hände fühlen anders als unsere Zunge oder unser Hinterkopf. Und emotionale Empfindungen sind abhängig von Begabung und Konditionierungen.

Dem denkenden Menschen, der um seine Unvollkommenheit oder Unwissenheit weiß,sind all diese Dinge zweifelhaft, und er sucht deshalb nach anderen Wegen des Erkennens.

Wo aber liegen diese anderen Möglichkeiten? Unsere Sinne vermitteln ein Bild der Außenwelt, Bilder, Geräusche, Gerüche, Gefühltes und Geschmecktes sind Dinge außerhalb unseres Selbst. Mit der Begrenztheit unserer Sinne ist diese Welt außerhalb unserer selbst nicht weiter zu erforschen. Weitere Werkzeuge zur Erkenntnis der uns umgebenden Welt stehen uns, rational gedacht, nicht zur Verfügung.

Was uns bleibt, ist nur der Weg nach innen. Diesen Weg zu beschreiten, ist das Ziel der Meditation.Wir suchen so neue Wege der Erkenntnis. Indem wir unseren Körper beruhigen, ruhigstellen, den Atem zügeln, verlegen wir unsere gesamte Bewusstheit auf innere Abläufe, auf Fühlen, Wahrnehmen und Denken. Durch Zurückhaltung der Vernunft, die die Gedankenwellen nur beobachtet, statt sie aufzunehmen oder gar auszuformen, werden wir konfrontiert mit unserem inneren Leben in seiner ganzen Fülle. Und wir beginnen, mit und an unserem So-sein zu arbeiten.

Zunächst, bei Beginn oder Aufnahme einer regelmäßigen Übung, arbeiten wir so in einem großen Zeitfenster. Erinnerungen an die Kindheit, früher gesehene Filme und alte Lieben werden uns bewusst, wir beobachten, wie unser sich Denken an diesen alten Erfahrungen misst und urteilt. Später dann, beginnt sich dieses Fenster zunehmend zu schließen. Wenn dann, eines Tages, dieses Fenster sich ganz schließt, und wir nur noch im „Jetzt und Hier“ wahrnehmen, beginnt die Meditation.

Meditation in diesem Sinne ist das sich befinden im Hier und Jetzt, ungefärbt durch Vergangenes, unprojiziert in Zukünftiges, Leben im Augenblick dieses Atemzuges.

Auf der Basis von Advaita Vedanta

Das Wesen der Meditation ist Stille

Das wahre Wesen des Menschen ist Stille. Diese Stille ist die Grundlage aller Dinge, allen Lebens, aus dieser Stille lebt das Lebern und geschieht SEIN. Sie wird verdeckt durch das, was wir Menschen den Geist nennen. Er ist es, der Erkanntes benennt, Zusammenhänge erspäht, die Konzepte von Vorstellung, Wunsch, Ordnung, Vermeidung, Schutz und Sicherheit formt. Wenn wir wie Ramesh den menschlichen Geist in einen arbeitenden Teil und einen denkenden Teil gliedern, so ist es der denkende Teil dieser Kraft, der als die „Verdunklung des eigentlichen Wesen unseres Selbst“ in Erscheinung tritt. Aus ihm entstehen die bereits genannten Konzepte und in ihrem Gefolge entsteht Leiden. Indem wir diesen Teil zur Ruhe bringen, ihm den Platz zuweisen, der ihm zusteht, schaffen wir die Voraussetzung dafür, mit unserem wahren Wesen wieder in Kontakt zu treten und Leiden zu beenden; oder anders ausgedrückt, wieder zu SEIN. Das Werkzeug für diese Rückkehr ist die Meditation

Was ist Leiden?

Der moderne Mensch leidet, weil er an vielerlei Konzepten, Wünschen und Vorstellungen, weil er an Ängsten, Träumen und anderem festhält. Alle diese Dinge sind Konstrukte des denkenden Geistes, die nichts, aber auch gar nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben. Bei einem Leben aus der Wesenheit des Menschen, der Stille, gibt es kein Leiden, wie es auch kein Leiden im Tiefschlaf gibt. Und dieser Tiefschlaf ist dem Zustand des Seins sehr nahe. Was fehlt, ist Bewusstheit. Alle oben genannten Konzepte haben etwas zu tun mit Gegensätzlichkeit. Und das ist so, weil der denkende Geist nur in Gegensätzen denken kann. Wenn wir Gutes in dieser Welt suchen, setzen wir automatisch Schlechtes voraus, und an diesem leiden wir. Stellt man sich einen Zustand vor, in dem Gut und Schlecht keine Rolle mehr spielen, gibt es nur noch sein. Woran sollte man dann leiden können? Das Leiden der Menschen manifestiert sich in Gefühlen, Weltbildern und falschem Wissen. Aus ihnen bilden sich Konstrukte des Geistes, die aus den Erfahrungen der Vergangenheit in die Zukunft projiziert werden. Leben aber, findet nur Hier und Jetzt statt, in dem, was wir Gegenwart nennen. Alles, was nicht Gegenwart ist, ist nicht wirklich und daher nicht SEIN.


Braucht der Übende einen Lehrer?

Jeder Mensch braucht einen Lehrer. Dieser ist jedoch nicht an eine bestimmte Person oder Form gebunden. Alles, was ist, kann auch zum Lehrer werden. Viele Meditierende kamen über großes Leid, über großen Verlust zur Praxis. In diesem Fall ist das Leiden der Lehrer. Auch Gedanken können vorübergehend Lehrer sein. Da das Absolute, das Sein allen Wesen und Dingen zugrunde liegt, kann auch alles der Lehrer sein: Bücher, Natur, Gedanken, Menschen, Steine, alles. Doch eigentlich geht die Frage dahin, ob es eines selbstverwirklichten Menschen bedarf, um einen höheren Zustand (eigentlich gibt es das nicht) zu erreichen. Eine Schüler-Lehrer-Beziehung ist sicher sehr hilfreich, ist sinnvoll, wenn ein geeigneter Lehrer zur Verfügung steht. Aber unbedingt notwendig ist eine solche Beziehung nicht. Kein selbstverwirklichter Mensch hat ein wirkliches Interesse an einer Schüler-Lehrer-Beziehung, noch betrachtet er sich als Lehrer und den Schüler als Schüler. Letzlich dient der Lehrer nur als Spiegel, der die Projektionen seines Schülers ad absurdum führt. Die Aufgabe des Schülers ist es, zu erkennen, wer in ihm selbst der wirkliche Lehrer ist. Wenn er das eigentliche Selbst zum Lehrer wählt und lernt, dieses vom Nicht-Selbst zu unterscheiden, wird er den Weg beschreiten, der dann schon nicht mehr Weg ist. Das Leben selbst wird ihn führen, und es bedarf keines Tun, keiner Anstrengung und keiner Voraussetzung mehr, um wirklich und authentisch im SEIN zu sein.

Was ist der Zustand der Meditation?

Jeder kennt den Zustand der Meditation. Man hat ein Problem, denkt und denkt und denkt, und es geht nicht weiter. Dann, vielleicht am Abend in der Runde seiner Freunde, bei angeregtem Gespräch über Gott und die Welt, kommt schier aus dem Nichts ein Gedanke, der die Lösung dieses Problems darstellt. Man kann sich das so vorstellen, wie es die Sprache beschreibt: Wir stehen vor der Aufgabe, eine Problemstellung lösen zu müssen. Indem man sich löst, aufgibt, zu suchen, sondern sich dem anvertraut, das wirklich ist, dem Leben selbst nämlich, wird ohne unser Zutun, ohne Absicht und Vorsatz, das richtige durch uns getan. Das Leben sorgt für sich selbst. Der Grund, aus dem diese Problemlösung aufstieg, dies ist der Zustand der Meditation. Es ist das Verweilen im eigentlichen Selbst, dem Urgrund, Gott, dem Absoluten, dem Tao oder wie auch immer es genannt wird oder wurde. Dieses Selbst ist Nirgendwo und Überall zugleich, ist genau jetzt und genau hier, ist jedem jederzeit zugänglich, ist immer vorhanden und wird immer da sein. Es ist die wahre und wirkliche Natur oder Wesenheit des Menschen: SEIN.

Welche Bedingungen gibt es, um in Meditation zu sein?

Meditation ist das Verweilen im Sein, und dafür gibt es keine Bedingungen. Weder eine Körperhaltung, weder eine Technik, keine Ernährungsrichtlinie noch sonst irgend Etwas kann als Bedingung für Sein angesehen werden. Sein ist. Alles, was nicht sein ist, ist denken, und dieses Denken zeigt sich im jedem Ding, jedem Gedanken und jedem Gefühl. Auch jeder Gedanke, der mit „Ich“ beginnt, ist ein Konstrukt des Denkens, denn es gibt kein „Ich“, nur Sein. Daher auch der Ratschlag von Ramana Maharishi, gerade den „Ich“-Gedanken zu seinem Ursprung zurückzuverfolgen. Alles, auch Gedanken, kommen letztlich aus dem Sein, verfolgst du ihn zurück, wirst du seinen Ursprung, der Stille ist, erkennen. Shri Ramana Maharshi: „Es gibt weder Schöpfung noch Zerstörung, weder Bestimmung noch freien Willen, weder einen Pfad noch ein Erlangen. Das ist die letzte Wahrheit.“


Siehe auch

Literatur

Weblinks

Videos

Muss man ein Ziel haben im Yoga?

Die Ziele des Raja Yoga

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