Wer bin ich: Unterschied zwischen den Versionen

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=====Wie überwinde ich die Identifikation und ihre Folgen?=====
=====Wie überwinde ich die Identifikation und ihre Folgen?=====
Erkenne: Du bist nicht dein Besitz. Du bist nicht beschränkt auf das, was du hast. Eigentlich gehört dir gar nichts. Aller scheinbarer Besitz ist Leihgabe von unbekannter Leihdauer. Alles kann dir jederzeit genommen werden. Wenn du erkannt hast, dass alles in [[Parinama]], in ständiger Veränderung ist, fällt es dir leicht, dein Glück von äußeren Objekten unabhängiger zu machen. Dir werden Dinge anvertraut, sodass du dich an ihnen erfreuen kannst, mit ihnen einiges bewirken kannst, Erfahrungen machen kannst. Und wenn ihr Zweck sich erfüllt hat, werden sie dir wieder genommen. Du hast einen gewissen Einfluss auf die Objekte und hast eine gewisse Verantwortung, ähnlich wie du ein für ein geliehenes Ding eine Verantwortung hast. Aber dir gehört nichts. Sei daher dankbar für das, was dir anvertraut wurde. Lächle über das Konzept des "Eigentums", welches als gesellschaftliche Konvention existiert. Und fühle dich frei.
=====Geschichte von Janaka und Ashtavakra=====
Eine alte Geschichte verdeutlicht, wie ein spiritueller Aspirant mit seinem scheinbaren Besitz umgehen kann:
Der junge König [[Janaka]] ging zu dem Weisen [[Ashtavakra]] in die Lehre. Er lernte spirituelle Praktiken, die Bedeutung der Schriften, alles über spirituelles Leben. Im alten Indien war es üblich, dass ein [[Schüler]] seinem [[Guru]] am Ende seiner Lehrzeit ein [[Dakshina]], eine [[Gabe]], überreichte. Janaka fragte seinen [[Guru]], was er ihm als Lehrgeld (Dakshina) geben könne. Ashtavakra fragte Janaka: "Ich kann mir alles wünschen?". Janaka: "Ja, soweit es in meiner Macht steht." Sagte Ashtavakra: "Dann überschreibe mir das Königreich". So unterschrieb Janaka die Abdankungsurkunde und die Ernennungsurkunde von Ashtavakra zum König. Dann sagte Ashtavakra: "So, jetzt gehe zurück in die Hauptstadt des Königreiches. Regiere das Königreich für mich, so als ob es dein Königreich ist. Sage niemandem, dass du mir das Königreich überschrieben hast. Regiere gut, gerecht und geschickt. Genieße das Leben eines Königs und diene anderen. Aber wisse: Ich habe die Abdankungsurkunde in meiner Hand. In jedem Moment kann ich kommen und mein Königreich selbst regieren." So kehrte Janaka zurück in das Königreich. Nach außen tat er so, als ob er der König sei. Im Inneren wusste er, dass er das Königreich für seinen Guru regierte. So war er verhaftungslos. Er erfüllte sein [[Dharma]], seine [[Pflicht]] als Regierender, so gut er konnte. Und er erreichte [[Samadhi]], die [[Gottverwirklichung]].
So kannst auch du leben: Aus gesellschaftlichen Gründen kannst du so tun, als ob du Besitz hättest. Im Inneren weißt du, dass alles [[Gott]] gehört, und dass dir dein scheinbarer Besitz nur vorübergehend anvertraut ist. Du gehst mit dem scheinbaren Besitz sorgsam um - denn er gehört ja Gott. Du erfüllst deine Aufgaben, lernst Lektionen, machst Erfahrungen, entwickelst dich spirituell. Indem du alles als Besitz Gottes erkennst und Vertrauen in das Wirken Gottes hast, kannst du verhaftungslos, engagiert und glücklich leben.


==Video Vorträge mit Sukadev Bretz zum Thema: Wer bin ich?==
==Video Vorträge mit Sukadev Bretz zum Thema: Wer bin ich?==

Version vom 14. September 2012, 04:11 Uhr

Wer bin ich? Dies ist eine uralte Menschheitsfrage. Schon die alten Griechen sagten: Erkenne dich Selbst. Der moderne Mensch befindet sich beständig in einem Prozess der Selbstfindung. Yoga, gerade Jnana Yoga und Raja Yoga, haben eine Methodik entwickelt, wie man sich der Antwort auf diese Frage nähern kann. Im Yoga wird gesagt, dass eine intellektuelle Antwort auf die Frage: "Wer bin ich?" niemals zufrieden stellen kann. In tiefer Meditation ist die Erkenntnis des wahren Selbst möglich - und das Ziel menschlicher Sehnsucht erreicht.

Wer bin ich - Vedanta in Kurzform

Die Vedanta Philosophie kann zusammengefasst werden in 3 Sätze (Shankaracharya, ca. 800 n.Chr.):

  • Brahma Satyam: Brahman allein ist wirklich
  • Jagan Mithya: Die Welt wie wir sie erfahren ist unwirklich
  • Jivo Brahmaiva Napara: Das Selbst ist nichts anderes als Brahman

Einfach zusammengefasst: Hinter dem gesamten Universum gibt es eine einzige Wirklichkeit, Brahman genannt. Das äußere Universum ist nur eine Manifestation von Brahman. Das unsterbliche Selbst ist deine wahre Natur. Und dieses unsterbliche Selbst ist eins mit Brahman.

Körper und Geist mit Empfindungen, Emotionen, Gefühlen, Gedanken sind Teil von Jagad, der äußeren Welt. In Wahrheit sind wir weder Körper noch Geist. Vielmehr sind wir das unsterbliche Selbst - jenseits von Körper und Geist. Wie ein Raumanzug auf einem anderen Planeten Fortbewegung, Erfahrungen und Handlungen ermöglicht, so ist der Körper hier auf der Erde so etwas wie ein Raumanzug, der Fortbewegung, Erfahrungen und Handlungen ermöglicht.

Kurz zusammengefasst: Wer bin ich? Ich bin das Unsterbliche Selbst, der Atman. Ich bin Satchidananda: Unendliches Sein (Sat), Unendliches Bewusstsein (Chid), Unendliche Wonne (Ananda)

Wer bin ich? Subjekt-Objekt-Analyse

Eine klassische Vedanta-Form der Herangehensweise an die Frage "WER BIN ICH" ist die sogenannte Subjekt-Objekt-Analyse. Sie unterscheidet zwischen Subjekt und Objekt und arbeitet anhand dieser Unterscheidung heraus:

  • Wer bin ich?
  • Wie geschieht Identifikation?
  • Wie entsteht Leid?
  • Wie ist Identifikation und Leid überwindbar?

Grundlage der Subjekt-Objekt-Analyse

Grundlage ist: Subjekt-Objekt:

  • Subjekt ist derjenige der erlebt, erfährt
  • Objekt ist das, was erlebt wird

Wenn du sagst: "Ich sehe den Himmel", dann gibt es ein "ich", also das Subjekt, und etwas was gesehen wird, also der Himmel. Mit anderen Worten: "Ich" ist das Subjekt. Das Wahrgenommene ist das Objekt. Ich bin also das Subjekt. Wenn ich herausfinden will, wer ich bin, kann ich mich lösen von allem Wahrnehmbaren. Der Prozess der Subjekt-Objekt-Analyse ist also der Prozess des Bewusstwerdens: Was kann beobachtet werden? Denn alles Beobachtbare bin ich nicht.

Des weiteren kann man feststellen:

  • Das Subjekt bleibt gleich: Du fühlst dich als "ich", solange du zurückdenken kannst
  • Das Objekt dagegen ändert sich: Das Beobachtbare ist im ständigen Fluss - es ändert sich ständig und manchmal plötzlich. Objekte ändern sich nicht nur, sie sind auch vergänglich
  • Wenn das Subjekt seine eigene Ewigkeit in das Objekt projeziert, also Dauerhaftigkeit vom Objekt erwartet, kommt Leiden. Denn Objekte ändern sich.

Bin ich mein Besitz?

Diese Frage ist leicht zu beantworten: Natürlich bin nicht mein Besitz... Dem würde vermutlich jeder zustimmen. Aber warum eigentlich nicht? Gehen wir mit der Subjekt-Objekt-Analyse vor, anhand eines Beispiels:

Bin ich meine Uhr?

Nein, denn: Ich kann meine Uhr beobachten. Ich kann die Uhr sehen, ich kann sie fühlen, ich kann an ihr riechen. Ich bin das Subjekt, die Uhr ist das Objekt. Also: Ich bin nicht die Uhr.

Was ist Identifikation?

Du sagst aber nicht: Dies ist eine Uhr, sondern: Dies ist meine Uhr. Indem Moment, indem ich "meine" Uhr sage, identifiziere ich mich mit der Uhr. Indem ich mich mit der Uhr identifiziere, erwarte ich Dauerhaftigkeit von der Uhr, und mache mein Glück von der Uhr abhängig.

Was sind die Folgen der Identifikation?

Die Uhr ist beschränkt: Du reduzierst dein unendliches Sein auf Gedanken um deine Uhr. Du willst, dass andere die Uhr wertschätzen - weil du dadurch Wertschätzung erfährst. Du wirst abhängig von der Wertschätzung der Uhr.

Die Uhr ist vergänglich: Irgendwann hört sie auf zu funktionieren. Jemand stiehlt sie. Jemand tritt auf die Uhr. Du verlierst sie. Du findest sie nicht mehr. Wenn du dich mit der Uhr identifiziert hast, wirst du unglücklich, wenn du sie verlierst.

Der Wert der Uhr ist Änderungen unterworfen: Wenn deine modische Uhr altmodisch wird, wirst du unglücklich. Und du hast Angst davor, dass die Uhr altmodisch werden könnte.

Die Uhr genügt dir nicht: Intuitiv weißt du, dass du nicht auf eine Uhr beschränkt werden kannst. Intuitiv weißt du, dass du mehr bist. Wenn du aber in materiellen Identifikationen gefangen bist, wirst du immer mehr Besitz anhäufen wollen, um mehr zu erscheinen. Alles um das "ich" größer erscheinen zu lassen - nachdem das Ich sich mit Materiellem beschränkt hat.

Wie überwinde ich die Identifikation und ihre Folgen?

Erkenne: Du bist nicht dein Besitz. Du bist nicht beschränkt auf das, was du hast. Eigentlich gehört dir gar nichts. Aller scheinbarer Besitz ist Leihgabe von unbekannter Leihdauer. Alles kann dir jederzeit genommen werden. Wenn du erkannt hast, dass alles in Parinama, in ständiger Veränderung ist, fällt es dir leicht, dein Glück von äußeren Objekten unabhängiger zu machen. Dir werden Dinge anvertraut, sodass du dich an ihnen erfreuen kannst, mit ihnen einiges bewirken kannst, Erfahrungen machen kannst. Und wenn ihr Zweck sich erfüllt hat, werden sie dir wieder genommen. Du hast einen gewissen Einfluss auf die Objekte und hast eine gewisse Verantwortung, ähnlich wie du ein für ein geliehenes Ding eine Verantwortung hast. Aber dir gehört nichts. Sei daher dankbar für das, was dir anvertraut wurde. Lächle über das Konzept des "Eigentums", welches als gesellschaftliche Konvention existiert. Und fühle dich frei.

Geschichte von Janaka und Ashtavakra

Eine alte Geschichte verdeutlicht, wie ein spiritueller Aspirant mit seinem scheinbaren Besitz umgehen kann:

Der junge König Janaka ging zu dem Weisen Ashtavakra in die Lehre. Er lernte spirituelle Praktiken, die Bedeutung der Schriften, alles über spirituelles Leben. Im alten Indien war es üblich, dass ein Schüler seinem Guru am Ende seiner Lehrzeit ein Dakshina, eine Gabe, überreichte. Janaka fragte seinen Guru, was er ihm als Lehrgeld (Dakshina) geben könne. Ashtavakra fragte Janaka: "Ich kann mir alles wünschen?". Janaka: "Ja, soweit es in meiner Macht steht." Sagte Ashtavakra: "Dann überschreibe mir das Königreich". So unterschrieb Janaka die Abdankungsurkunde und die Ernennungsurkunde von Ashtavakra zum König. Dann sagte Ashtavakra: "So, jetzt gehe zurück in die Hauptstadt des Königreiches. Regiere das Königreich für mich, so als ob es dein Königreich ist. Sage niemandem, dass du mir das Königreich überschrieben hast. Regiere gut, gerecht und geschickt. Genieße das Leben eines Königs und diene anderen. Aber wisse: Ich habe die Abdankungsurkunde in meiner Hand. In jedem Moment kann ich kommen und mein Königreich selbst regieren." So kehrte Janaka zurück in das Königreich. Nach außen tat er so, als ob er der König sei. Im Inneren wusste er, dass er das Königreich für seinen Guru regierte. So war er verhaftungslos. Er erfüllte sein Dharma, seine Pflicht als Regierender, so gut er konnte. Und er erreichte Samadhi, die Gottverwirklichung.

So kannst auch du leben: Aus gesellschaftlichen Gründen kannst du so tun, als ob du Besitz hättest. Im Inneren weißt du, dass alles Gott gehört, und dass dir dein scheinbarer Besitz nur vorübergehend anvertraut ist. Du gehst mit dem scheinbaren Besitz sorgsam um - denn er gehört ja Gott. Du erfüllst deine Aufgaben, lernst Lektionen, machst Erfahrungen, entwickelst dich spirituell. Indem du alles als Besitz Gottes erkennst und Vertrauen in das Wirken Gottes hast, kannst du verhaftungslos, engagiert und glücklich leben.

Video Vorträge mit Sukadev Bretz zum Thema: Wer bin ich?

Siehe auch

Weblinks