Unberührbarkeit

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Unberührbarkeit ist ein menschenverachtendes Konzept, das es in vielen Kulturen gab und gibt, und für das Indien eine zweifelhafte Berühmtheit bekommen hat. Unberührbarkeit bedeutet, dass es Menschen gibt, die unrein sind und deren Berührung, deren Kontakt auch unrein macht. Vermutlich entstand das Konzept der Unberührbarkeit aus unterschiedlichen Lebensverhältnissen: Manche Menschen haben Berufe, die den anderen als unrein gelten. In Indien waren das z.B. die Fleischer, diejenigen, die mit Bestattungen, d.h. mit Verbrennungen zu tun hatten. Manche wurden auch zu Unberührbaren, wenn sie eines Vergehens, eines Verbrechens, überführt wurden. Und weil man Angst hatte, von dieser Schlechtigkeit angesteckt zu werden, wollte man mit ihnen nichts zu tun haben.

Unberührbarkeit in der indischen Gesellschaft

Das Konzept der Unberührbarkeit ist bis heute ein Problem der indischen Gesellschaft - auch wenn es so viele Initiativen dagegen gibt, schon ein indischer Präsident ein Dalit, also ein Angehöriger der Kaste der Unberührbaren, der Parias, war und in Indien es an Universitäten und im Staatsdienst das Konzept der "Reverse Discrimination" gibt, dass also Angehörige der unberührbaren Kasten bevorzugt werden. In indischen Großstädten spielt Unberührbarkeit nicht mehr die große Rolle wie früher. Früher durfte ein Brahmane tatsächlich keinem Unberührbaren zu nahe kommen, geschweige denn ihn zu berühren. Sonst wurde er selbst unrein und musste alle möglichen Reinigungsrituale machen.

Seit Jahrhunderten sprechen und predigen Yogameister, angefangen von Krishna in der Bhagavad Gita, gegen das Konzept der Unberührbarkeit.

In Indien war übrigens das Konzept der Unberührbarkeit nicht auf den Hinduismus beschränkt. Auch die nestorianischen Christen, die es in Indien ja seit dem 1. Jahrhundert n.Chr. gibt, hatten ihre eigenen Kasten (Jatis) und wollten auch mit den Unberührbaren nichts zu tun haben.

Unreinheit von Frauen in der Menstruation

In Teilen des Hinduismus, z.T. auch in anderen Religionen gibt es bis heute die Vorstellung, dass Frauen während ihrer Menstruation unrein werden, dass sie nicht berührt werden dürfen (auch nicht von ihrem Partner), z.T. dass sie auch nicht kochen dürfen. De facto besitzen sie dann auch Unberührbarkeit.

Indische Yogameister wie z.B. Swami Vishnudevananda hielten überhaupt nichts vom Konzept der Unberührbarkeit oder Unreinheit von Frauen während der Menstruation.

Das Prinzip der Unehrenhaftigkeit in der europäisch-christlichen Ständegesellschaft als Unberührbarkeits-Konzept

In Europa gab es das Konzept bzw. Prinzip der Unehrenhaftigkeit, auch genannt Unehrlichkeit. Damals hieß Unehrlichkeit nicht Betrügen und Stehlen, sondern dass man eben keine Ehre besitzt. Unehrlichkeit hieß gesellschaftliche Verachtung. Unehrlichkeit hieß, dass kein Angehöriger ehrbarer Berufe jemand aus einer unehrbaren Familie heiraten durfte. Unehrenhaftigkeit bedeutete auch Unberührbarkeit, d.h. Unehrenhaftige durften nicht in die Nähe von ehrbaren Bürgern kommen. Zu den Unehrenhaften gehörten z.B. die Angehörigen von bestimmten Berufen wie z.B. Totengräber, Scharfrichter, auch Schäfer, Müller, Türmer, Bader, Leineweber, auch die Köhler, Abdecker oder Gassenkehrer. Auch das fahrende Volk, also Lumpensammler, Spielleute, Hausierer, galten als unehrlich. Jemand konnte aufgrund eines Vergehens seine Ehre verlieren. Und alle Juden waren qua ihres Glaubens unehrenhaft. De facto gab es also im Europa des Mittelalters die gleiche Unberührbarkeit wie im indischen Mittelalter. Wenn Menschen heutzutage dem Hinduismus die Unberührbarkeit als großen Makel vorwerfen, muss man sagen, dass das Christentum auch 1000 Jahre lang das Konzept der Unberührbarkeit hochgehalten hat. Letztlich sind es aber weder Hinduismus noch Christentum, die für diese schlimmen Missstände, die mit Unberührbarkeit einhergehen, verantwortlich sind, sondern von der Religion losgelöste gesellschaftliche und wirtschaftliche Missstände.

Siehe auch

  • Kastenlosigkeit
  • Kastensystem
  • Jati
  • Varna
  • Ehre
  • Ehrenhaftigkeit