Tod

Aus Yogawiki
Der vedische Sonnengott Surya mit Savitri

Aus dem Buch "Altindisches Leben: Die Cultur der vedischen Arier", nach den Samhita dargestellt von Heinrich Zimmer, Berlin 1879

Es soll an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass das Wort Arier beim Indologen Zimmer ausschließlich im völkerkundlichen und sprachwissenschaftlichen Zusammenhang genannt wird.

Kapitel 14: Tod und Bestattung

Der Mensch (manu) ist des Todes Genosse (mrtyubandhu); dies ist nun einmal feststehend und nicht zu ändern (Rv. 10, 95, 18), an ewiges Leben auf dieser Erde ist darum nicht zu denken. Gleichwohl klammert sich in den Hymnen des Rigveda der Mensch mit aller Zähigkeit an dies Leben: »Wenn wir Menschen auch des Todes Genossen sind, o ihr Aditya, so verlängert doch unsere Lebenskraft zu langem Leben« — fleht ein Kanvide Rv. 8, 18, 22. Hundert und eine Todesart (ekaçatam mrtyavah) gibt es nach dem Av. (8, 2, 27); eine davon gilt nur als die natürliche und gewünschte, die durchs Alter (jara, jaras, jariman): »Dieser soll dir heranwachsen bis zum Greisenalter, nicht sollen ihn, o Agni, die 100 Todesarten beschädigen« Av. 2, 28, 1. »Ihm soll die Lebenskraft Greisenalter verleihen, die hundert anderen Todesarten soll er vermeiden« Av. 1, 30, 3; jaramrtyu »den Tod durchs Alter erlangend« soll der Mensch werden Av. 2, 13, 2; 28, 2.

Langes Leben (dirghamayuh) bildet daher bei den Sängern neben Reichthum und Macht, grosser Familie das Thema ihrer täglichen Gebete: »Immerdar wohlgemuth, wohlsehend, reich an Nachkommen, von Krankheit frei und frei von Schuld wollen wir, o du an Freuden Reicher, dich aufgehen schauen Tag für Tag lebend, o Surya«, ist eines Sehers Wunsch. »Hundert Herbste seien uns nahe, o Götter, wenn ihr unsere Leiber altern macht. Wenn unsere Söhne Väter sind, nicht schädigt unser Leben in der Mitte seiner Bahn« Rv. 1, 89, 9. »Kind und Nachkommenschaft mögen wir hundert Winter lang heranwachsen sehen« Rv. 1, 64, 14. »Durch die von dir gespendeten heilsamen Heilmittel, o Rudra, möge ich hundert Winter erreichen« Rv. 2, 33, 2.

Hundert Herbste bildeten das Lebensmaß (matra) des vedischen Ariers, erst wenn dies voll ausgemessen (ma) war, dann wollte er zum Himmel eingehen (svarga) Av. 18, 2, 44. 45; wer früher dahin ging, vor dem Alter (pura jarasah Rv. 8, 67, 20; Av. 5, 30, 17; 10, 2, 30; 11, 3, 56), der starb vor dem vollen Lebensziel (pura ayushah) Çatap. Br. 2, 1, 4, 1. Einmal musste jedoch das leidige Greisenalter, das die Manneskraft aufreibende kommen: »Wie Nebel (eine Wolke) verhüllt (minati - vermindert) das Alter eine schöne Gestalt; vor diesem Fluch behüte uns, o Agni« bittet Paraçara Rv. 1, 71, 10. »Hohes Alter macht der Körper Schönheit schwinden« predigt Lopamudra ihrem Gatten Agastya Rv. 1, 179, 1. Dann musste der Mensch Yamas Pfad (Rv. 1, 38, 5) betreten, da nur durch den Tod der Weg zu jenem Ziele des Strebens (prayati Rv. 10, 129, 5) ging.

Jacob Grimm zeigt in seiner Abhandlung »Über das Verbrennen der Leichen«, dass sowohl Begraben als Verbrennen gleichberechtigte Bestattungsarten bei einzelnen Gliedern der indogermanischen Völkerfamilie waren. Beiden Arten der Bestattung begegnen wir auch im vedischen Alterthum in gleicher Berechtigung: Rv. 10, 15, 14 heissen die Manen (pitarah) die durchs Feuer verbrannten (agnidagdha), durchs Feuer gekosteten (ibid. 11); ihnen stehen zur Seite die nicht durchs Feuer verbrannten (anagnidagdha) d. h. die begrabenen. Av. 18, 2, 34 werden zum Opfer gerufen die Väter, welche nikhatah, welche paroptah, welche dagdhah und welche uddhitah sind. Unter den ersteren sind deutlich die Begrabenen gemeint, unter den dagdhah die Verbrannten, unter den vierten (uddhitah) diejenigen, die als Greise ausgesetzt wurden und so umkamen (siehe S. 328). Dürfen wir bei den paroptah an die éranische Sitte, der Gestorbenen Leichname hinaus zu werfen den Thieren zum Fraß, denken? Die Schilderung einer Bestattung vermittelst des Verbrennens haben wir Rv. 10, 16, vermittels des Begrabens Rv. 10, 18.

Zu den Pflichten der Angehörigen gehörte, den Todten vor der Bestattung zu baden, ihm den Bart zu waschen und dann Haupthaar, Bart, Haare am Körper und Nägel zu schneiden Av. 5, 19, 14; Açval. çrautas. 6, 10, 2. Sodann wurde ihm eine Fußfessel (kudi) angebunden, die seinen Fuß hemmen sollte, dass er nicht wieder störend in die Welt der Lebenden zurückkehre Av. 5, 19, 12. Nach Rv. 10, 18, 9 bekommt der Tote erst kurz vor der Grablegung den Bogen aus der Hand genommen; dies lässt schließen, dass der Mann in voller Ausrüstung bestattet wurde. Der zur Verbrennungsfeierlichkeit gesprochene Hymnus lautet (Rv. 10, 16):

»Verletze jenen nicht durch dein Brennen, o Agni, verbrenne ihn nicht; mach seine Haut nicht schrumpfen, noch seinen Leib. Wenn du ihn gar gemacht hast, o Jâtavedas, so sende ihn den Vätern zu. 1.
Wenn du ihn gar gemacht hast, o Jatavedas, dann übergib ihn den Vätern; wenn er in jenes Geisterleben eingeht, dann soll er in der Götter Herrschaft gelangen. 2.
Zur Sonne gehe das Auge, in den Wind der Athem, zum Himmel und zur Erde gehe mit denjenigen Theilen, die ihrer Natur nach (dharmana) dahin gehören; oder in die Wasser gehe, wenn dort es dir bestimmt ist, in die Kräuter gehe mit deinen Gliedern. 3.
Der Bock ist (dein) Antheil, den brenne mit der Gluth, den brenne deine Flamme, dein Strahl; mit deinen heilbringenden Erscheinungsformen, o Jatavedas, führe jenen in die Welt der Frommen. 4.
Lass ihn wieder los zu den Vätern, ihn, der in dich geopfert worden ist mit Svadhâspenden; in Leben gekleidet gehe er zu den Übrigen (sc. Vätern), er vereinige sich mit seinem (neuen) Leibe, o Jatavedas. 5.
Welche Verletzung dir (d. i. der Leiche) ein schwarzer Çakuna zufügte (atutoda), eine Ameise, eine Natter oder ein Çvàpada, die mache das allverzehrende Feuer heil, und der Soma, der in die Priester gelangt ist. 6.
Mit Fett umhülle dich in einen Panzer gegen Agni, bedecke dich ringsum mit Fett und Opferschmalz; nicht wird der kräftige an der Gluth sich erfreuend dich dann fest (dadhrk) umpacken und dich durch Brennen beschädigen. 7.
Agni, stürze diese Schale nicht um, lieb ist sie den Göttern und den somaliebenden (Vätern); diese Schale, welche ein Pokal für die Götter, aus ihr laben sich die unsterblichen Götter. 8.
Den fleischfressenden Agni sende ich weit von hinnen, Unreinigkeit hinwegführend gehe er zu denen, welche Yama zum König haben; hier soll dieser andere Jatavedas den Göttern das Opfer kundig zuführen. 9.
Den Agni, den fleischfressenden, der in euer Haus eintrat, obwohl er diesen andern Jatavedas sah, den erwähl ich, den Gott, zum Manenopfer, er treibe die Gluth zum höchsen Ort. 10.
Der Agni, welcher die Leichname fortführt, der bringe durchs Opfer herbei die an Gerechtigkeit sich freuenden Manen: er verkünde den Göttern und Vätern unsere Opfer. 11.
Verlangend haben wir dich eingesetzt, verlangend entflammen wir dich; verlangend fahre herbei die verlangenden Väter, damit sie das Opfer verzehren. 12.
Welchen Ort du, o Agni, verbrannt hast, den besäe aufs Neue; Kiyambu soll hier aufschießen, Pâkadurva und Vyalkaçâ. 13.
In kühlungsreichem Kühl, an erfrischender Erfrischung komm mit dem Froschweibchen zusammen, erfreue diesen Agni.«  14.

Genaueres über den Verlauf der Feier lässt sich aus diesem Hymnus nicht viel gewinnen; in den wesentlichsten Punkten wird dieselbe mit der in den Grhyas. vorgeschriebenen übereingekommen sein. Hierfür genügt es, auf Max Müller ZDMG. 9, I ff. zu verweisen.

Der Feier der den brahmanisierten Indern für Erwachsene unbekannten Bestattungsart des Begrabens gilt der Hymnus Rv. 10, 18. Über denselben weiß ich Roths schöner Behandlung ZDMG. 8, 468 ff. nichts Wesentliches hinzuzufügen; ich setze daher jene her.

»Die Verwandten und Freunde des Toten sind um die in die Nähe des Grabes gebrachte Leiche versammelt. In der Mitte ihres Kreises sitzt die Wittwe; an der Seite des Toten und bei ihnen an dem dort errichteten Opferherde, auf welchem das Feuer lodert, steht der Liturg, welcher in der Eingangsstrophe den Tod beschwört, die Versammelten zur Andacht auffordert und das frohe Gefühl der Lebenden ausspricht, dass das Todeslos nicht auf sie gefallen sei.

1. Entfern dich Tod, und ziehe deine Straße
für dich, geschieden von dem Weg der Götter.
Du siehst und hörest was ich zu dir rede,
verletz uns nicht die Kinder, nicht die Männer!
2. Ihr, die ihr kamt des Todes Tritt verwischend
und fernerhin des Lebens Kraft geniessend,
Zunehmend an Besitz und Kindersegen,
ihr Fromme, euer Sinn sei rein und lauter!
3. Geschieden sind die Lebenden vom Toten,
der Gottesdienst gelang uns heute glücklich,
Und wir sind da bereit zu Tanz und Scherzen,
auch fernerhin des Lebens Kraft geniessend.

Es folgt nun eine sinnbildliche Handlung. Der Liturg legt einen Stein zwischen die Reihe der Versammelten auf der einen und den Toten oder das bereitgehaltene Grab auf der andern Seite. Das ist die Grenzscheide der beiden Reiche des Todes und des Lebens. Der Tod, welcher jene Leiche allerdings in seiner Gewalt hat, darf diesen Markstein nicht überschreiten. Daran knüpfte sich der Wunsch, dass keiner der Überlebenden vor der Zeit hinweg genommen werde, und dass der Gott Tvashtar, der Bildner, welcher den Nachwuchs der Geschlechter bildet, also über junges und frisches Leben gebietet, ihnen Lebenskraft verleihen möge:

4. Ich setz die Scheidewand für die so leben,
dass Niemand mehr zu jenem Ziele laufe.
Sie sollen hundert lange Herbste leben,
den Tod durch diesen Felsen von sich halten.
5. Wie Tag auf Tag in einer Folge aufgeht,
und wie des Jahres Zeiten richtig wandeln,
Die folgende der frühern nicht entstehet,
so mach, o Schöpfer, ihre Lebenszeiten.
6. Zu Jahren kommt, und seht das Greisenalter
je nach der Reibe euren Lauf vollendend.
Der Bildner tüchtiger Geschöpfe Tvashtar
verschaffe lange Dauer eurem Leben.

Es wird nun zum Opfer geschritten. Die Freundinnen der Witwe, Eheweiber, bei welchen das Verhältnis noch nicht gestört ist, welches hier der Tod zerrissen hat, werden vom Liturgen aufgefordert, in festlichem Schmuck und ohne Zeichen der Trauer in die heilige Umgrenzung des Altars zu treten und ihre Gabe ins Feuer zu gießen. Ihrem Vorgang hat wohl die Witwe selbst zu folgen, an welche das Wort ergeht, sich jetzt von der Leiche zu trennen, da das Band zwischen ihr und dem Gatten gelöst sei. Mit dieser Handlung tritt sie heraus aus dem Kreise des Toten und wieder ein in die »Welt des Lebens« am Feuerherde, wo der leuchtende Gott alle Lebendigen um sich sammelt. Der Liturg selbst aber nimmt aus der Hand des Toten den Bogen, zum Zeichen, dass, was jener im Leben gegolten und gekonnt hat, nicht verloren gehen, sondern bei der Gemeinschaft der Überlebenden zurückbleiben soll.

7. Die Weiber hier, Nichtwittwen, froh des Gatten,
sie treten ein und bringen fette Salbe,
Und ohne Thräne, blühend, scheu geschmücket,
beschreiten sie zuerst des Toten Stätte.
8. Erhebe dich, o Weib, zur Welt des Lebens:
des Odem ist entflohn, bei dem du sitzest,
Der deine Hand einst fasste und dich freite,
mit ihm ist deine Ehe nun vollendet.
9. Den Bogen nehm ich aus der Hand des Toten
für uns ein Pfand der Herrschaft, Ehre, Stärke.
Du dort, hienieden wir als brave Männer,
Wir wollen schlagen jedes Feindes Angriff.

Jetzt erst, nachdem das Eheband gelöst und die Tüchtigkeit des Lebendigen auch symbolisch von den Toten genommen ist, senken sie ihn in das Grab mit Wünschen, dass die Erde ihn freundlich empfangen und dieses »Haus von Erde« ihm eine gute Wohnstatt sein möge.

10. So gehe ein zur mütterlichen Erde,
sie öffnet sich zu gütigem Empfange
Dem Frommen zart und linde wie ein Mädchen;
sie schütze fortan dich vor dem Verderben!
11. Du Erde thu dich auf für ihn und sei nicht eng,
den Eintritt mach ihm leicht, er schmieg sich an dich an.
Bedeck ihn wie die Mutter, die
das Kind in ihr Gewand verhüllt.
12. Geräumig stehe fest die Erdenwohnung,
von tausend Pfeilern werde sie getragen.
Von nun an bleibe das sein Haus und Reichthum
ein sichres Obdach ihm für alle Zeiten.

Nun ruht der Tote im Grabe, und es wird vorsichtig geschlossen, dass nicht die Last des Bodens auf ihn drücke. Die Väter, die vorangegangenen Frommen mögen ihm seine Kammer offen halten. Zugleich wünscht der Liturg, dass das, was er hier an einem Toten thut, ihm selbst keinen Nachtheil bringe. Es lässt sich aber nicht mit Sicherheit sagen, was das Wort, das im Folgenden mit »Platte« übersetzt ist, bedeute. Am wahrscheinlichsten hat man an eine Platte oder auch Diele zu denken, welche über die Höhle des Grabes gelegt wird, um das Auffallen der Erdschollen auf den Leichnam selbst zu verhindern, der in keinen Verschlag eingeschlossen ist. Stellen in den Totenliedern des Atharvaveda reden allerdings von einem Sarge, von einem »Baume«, wie unser eigenes Alterthum die Totenbäume hat, aber in dem vorliegenden Liede ist davon keine Spur zu finden. Der letzte Wunsch aber, der dem Toten nachgerufen wird, weist zum Himmel hinauf. Hier wird dem Leibe eine Ruhestatt bereitet, dort aber möge der Herrscher der Seligen, Yama, dem entflohenen Geist einen himmlischen Sitz verschaffen.

13. Die Erde habe ich rings um dich befestigt;
mir schade nicht, dass ich die Platte lege.
Die Väter mögen dir die Säule halten,
dort aber Yama einen Sitz bereiten.

So findet die ganze Handlung einen schönen Schluss«. Vergl. Siebenzig Lieder Seite 150 ff.

Weitere Erwähnung des Begrabens findet sich Rv. 7, 89, 1: »Nicht möchte ich gern, o König Varuna, hinabsteigen in das aus Erde bestehende Haus; habe Erbarmen, schön Waltender«, fleht Vasishtha. »Dich bedecke ich glücklich mit dem Gewand der mütterlichen Erde; unter den Lebenden möge zum Heil mir dies ausschlagen, Svadhâ bei den Vätern dir zu Theil werden« Av. 18, 2, 52. »Möge er nicht Bewohner des Hauses von Erde (bhumigrha) werden« wird über einem Kranken ausgerufen (Av. 5, 30, 14), zu dem der Beschwörer einige Verse vorher sagt: »Folge nicht den beiden Boten Yamas, zu den Wohnsitzen der Lebendigen gehe«. Die von Roth oben angezogenen Stellen des Atharvaveda sind 18, 2, 25: »Nicht soll dich der Sarg (vrksha) beengen, nicht die göttliche, große Erde«; 18, 3, 70: »Gib, o Baum (vanaspati), wieder zurück diesen, welcher in dich geborgen ist, dass er an Yamas Sitze schaltend weile«.

Die Stätte, wo die Gebeine der Verbrannten gesammelt wurden (çmaçana), wird im Atharvaveda und in der Taitt. S. (5, 2, 8, 5; 5, 4, 11, 3) öfters erwähnt; an diesem unheimlichen Orte übten Zauberer ihre Kunst aus Av. 5, 31, 8 ; 10, 1, 18.

(Aus dem Buch "Altindisches Leben: Die Cultur der vedischen Arier", nach den Samhita dargestellt von Heinrich Zimmer, Berlin 1879)

Siehe auch

Literatur

Seminare

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