Sukadev Interview Yoga Vidya Journal Frühjahr 2012

Aus Yogawiki

Aus Anlass des 20-jährigen Bestehens von Yoga Vidya erschien in der Zeitschrift Yoga Vidya Journal Frühjahr 2012 ein Interview mit Sukadev Volker Bretz. Es ging dabei sehr viel über die Entwicklung von Yoga Vidya, wichtige Meilensteine, aber auch über Sukadev selbst. Hier das vollständige Interview, das in dieser Yoga Zeitschrift erschienen ist:

Yoga Vidya entstand aus einer Vision, die Du hattest.

Kannst Du uns darüber etwas mehr erzählen?

Seit meiner Kindheit hatte ich immer wieder Visionen im Sinne von Engels-und Lichterscheinungen, Visionen von höheren Wesen, die mir bedeuteten, dass eine wichtige Aufgabe auf mich warte. Seit 1981 hatte ich häufig Visionen von Swami Sivananda.

1987 war ich zur Feier des hundertsten Geburtstags von Swami Sivananda in Swami Vishnu-devanandas Ashram bei Montreal/Kanada. Da wachte ich morgens gegen drei Uhr auf, war hellwach und stand auf, um die Zeit für Meditation zu nutzen. Als ich mich im Yoga-Raum zur Meditation hinsetzte, wurde ich in eine andere Bewusstseinsebene gehoben. Zunächst sah ich nur Licht und spürte unbeschreibliche Freude. Dann sah ich die Gestalt von Swami Sivananda, stehend, majestätisch, strahlend. Swami Sivananda hob mich noch weiter in eine andere Bewusstseinsebene, die ich nicht beschreiben kann. Dann bedeutete er mir, dass auf der Welt eine Art Goldenes Zeitalter entstehen könnte, ohne Kriege, Hunger, Unterdrückung. Eine Weltkultur, in der Konflikte friedvoll gelöst werden können und Menschen aller Nationen, Religionen und Kulturen sich miteinander verbunden fühlen würden. Swami Sivananda machte mir dabei klar, dass Yoga bei dieser entstehenden Weltkultur einen entscheidenden Beitrag leisten könne. Yoga könne Menschen zu einer mitfühlenden erfahrbaren und heilsamen Spiritualität führen. Yoga könne Medizin, Psychotherapie, Schule, die ganze Gesellschaft befruchten, die verschiedenen Religionen sowie auch Atheisten miteinander verbinden. Ich verstand, dass ich eine gewisse Rolle dabei spielen würde. Es wurde mir klar, dass Yoga dafür noch mehr sich verbinden müsse mit humanistischen und demokratischen Werten. So versuchte ich zunächst, meinen Guru Swami Vishnu-devananda davon zu überzeugen, die von ihm gegründete Institution basisdemokratisch umzuformen. Nachdem Swami Vishnu-devananda mich zunächst darin bestärkte, entschied er sich dann doch für einen anderen Weg. Das war einer der Faktoren, die dazu führten, dass ich am 31.12.1991 die Zentren von Swami Vishnu-devananda verließ, in denen ich etwa 12 Jahre verbracht hatte.

Anschließend begab ich mich auf eine kleine Weltreise, wo ich knapp drei Monate in Indien verbrachte. Einige Wochen war ich im Sivananda Ashram Rishikesh und lernte bei direkten Schülern von Swami Sivananda, nämlich Swami Brahmananda, Swami Krishnananda und Swami Chidananda.

Am Ende meines Aufenthalts in Rishikesh hatte ich die entscheidende Vision von Swami Sivananda, die dann zur Gründung von Yoga Vidya führte: Wiederum erfuhr ich große Stille und Freude, Licht und Bewusstseinserweiterung. Wiederum sah ich Swami Sivananda, stehend, leuchtend, majestätisch. Eine ganze Weile durchströmte mich unbeschreibliche Freude. Am Ende der Vision wurde mir klar, dass ich nach Deutschland zurückkehren sollte, um dort eine größere Yoga-Bewegung ins Leben zu rufen. Meine erste Aufgabe wäre es, in Frankfurt ein Yoga-Zentrum zu eröffnen. Nach 5 Jahren würde daraus ein erster Ashram entstehen, worauf viele andere Zentren und Ashrams sich entwickeln würden. Das sei die Grundlage, dass Yoga in Mitteleuropa zu großer gesellschaftlicher Bedeutung kommen könne. Ich sah noch eine Reihe von weiteren Details, die sich entwickeln könnten.

Ich kam aus dieser Vision heraus mit einer Mischung von großer Freude und etwas Traurigkeit: Ich hatte eigentlich vorgehabt, zurück nach Nordamerika zu gehen. Ich hatte ja die Einwanderungspapiere, und hatte insbesondere die offene, frische, enthusiastische amerikanische Mentalität schätzen gelernt. Aber nach der Vision war klar, dass die Bestimmung meines nächsten Lebensabschnitts in Deutschland liegen würde. So kehrte ich zurück nach Deutschland. In Eva-Maria Kürzinger fand ich eine andere Swami-Vishnu-devananda-Schülerin, die mit mir zusammen das Zentrum eröffnen wollte. Im Mai unterschrieben wir den ersten Mietvertrag, am 15.6. eröffnete das erste Yoga Vidya Zentrum, das "Yoga-Center am Zoo".

Seitdem habe ich weiterhin regelmäßig kleinere und größere Visionen von Swami Sivananda und auch Swami Vishnu-devananda. Diese bestärken immer wieder die Visionen von 1987 und 1992 und geben mir die Kraft, inmitten der verschiedenen Schwierigkeiten und Hindernisse voran zu schreiten auf dem Weg dieser Vision.

Etwas Interessantes: Was auch immer in den ursprünglichen Visionen angelegt war, manifestierte sich Schritt für Schritt. Und wenn wir bei Yoga Vidya Dinge ausprobierten, die in der ursprünglichen Vision nicht angelegt waren, gingen sie meist nach ein paar Versuchen schief.

So kann ich klar sagen: Yoga Vidya ist letztlich das Werk von Swami Sivananda. Sein Segen und seine Kraft haben alles ermöglicht. Und solange wir uns darum bemühen, sein Werk fortzusetzen und zu dienen, wird sein Segen uns auch weiterhin leiten.

Entscheidende Ereignisse bei Yoga Vidya

Vor 20 Jahren hast Du Yoga Vidya gegründet. Wenn Du auf diese 20 Jahre zurückblickst, was war für Dich das entscheidende oder die entscheidenden Ereignisse?

Das entscheidende Ereignis war sicherlich die Vision im Jahr 1992

Dann kam das Einziehen ins neue Yoga Zentrum im Mai 1992. Als erstes baute ich einen Altar auf, als Zweites einen Computer mit Drucker, um Plakate und Programme entwerfen und drucken zu können. Parallel wurden von einem Handwerker Teppiche gelegt, tapeziert, gemalert, die Küche und Dusche eingerichtet…

Als nächstes kam die großartige Einweihung am 15.6. mit euphorischen 2 Wochen mit vielen Teilnehmern. Dann kam das "Sommerloch", gefolgt von vielen Monaten finanzieller Unsicherheit. Ende 1992 traf ich Shivakami, mit der ich dann mehr als 18 Jahre zusammen war, und die in der gesamten Zeit viele Ideen und Impulse für die Entwicklung von Yoga Vidya gab und auch umsetzte. Auf ihre Ideen geht vieles bei Yoga Vidya zurück – u.a. auch die Idee einer 2-Jahres-Yogalehrer-Ausbildung, die Integration von Ayurveda, Yoga Psychotherapie und vieles mehr. Und in all den Jahren stärkte sie mir den Rücken und gab mir Mut und Vertrauen.

1993 entwickelten wir das Konzept der 2-jährigen Yogalehrer Ausbildung. Ab diesem Zeitpunkt wurde die finanzielle Lage stabil, hatten wir ausreichend Yogalehrer zum Unterrichten, und es entstand viel kreatives Potential. 1993 war auch die erste Kundalini Yoga Intensiv-Woche und die erste Yogaferienwoche an der Nordsee. So waren die wichtigsten Elemente etabliert, die bis heute Yoga Vidya ausmachen:

1996/1997 entstand der erste Yoga Vidya Ashram im Westerwald. Hier war jetzt die Aufgabe, beim Lehren des Yoga, bei der Verbreitung des Yoga und beim Gemeinschaftsleben in den Yoga Vidya Ashrams und Zentren traditionelle Yoga Ansätze mit modernen Entwicklungen und noch unbekannten kreativen Lösungen zu verbinden.

Beim Lehren heißt das Einsatz moderner Unterrichtsdidaktik sowie Verbindung mit Erkenntnissen aus der Sportwissenschaft, Medizin und Psychotherapie.

Bei der Verbreitung des Yoga war das Internet die große Entdeckung. Swami Sivananda hatte ja die Verbreitung des Yoga mit modernsten Mitteln, möglichst kostenlos, sehr am Herzen gelegen. Zu seiner Zeit waren das Bücher, Handouts, Zeitschriftenartikel, Schallplatten und Filme. So bringt der Yoga Vidya Verlag auch Bücher, eine Yoga-Zeitschrift, CDs und DVDs heraus. Aber am wichtigsten wurde die Weitergabe von Wissen über Internet Seiten, Internet Videos, Podcasts, Communities, Facebook etc. All das begann auch schon 1997.

Ein besonders großes Abenteuer war die Entwicklung der Yoga Vidya Ashramgemeinschaften. Wir wollten und wollen klassische Yoga-Prinzipien mit humanistischen, basisdemokratischen und sozialstaatlichen Prinzipien verbinden. In wöchentlichen stundenlangen Mitarbeiterbesprechungen rangen und ringen wir um kreative Lösungen, wie Menschen in einem modernen Ashram zusammenleben, spirituell praktizieren und dienen können. Ich sage gerne: Yoga Vidya ist in beständiger Entwicklung begriffen. Wir ringen um den richtigen Weg. Wir bitten Swami Sivananda um Führung. Dabei galt und gilt es, die klassischen Yoga-Prinzipien, welche ja zur Bewusstseinserweiterung und Gotteserfahrung führen, beizubehalten.

Ein weiterer Meilenstein war 2000/2001: Ich ging für 3 Monate in ein persönliches Retreat, um mich vorzubereiten auf den nächsten Schritt in der Entwicklung von Yoga Vidya. Dann kamen mehrere Katastrophen – die sich im Nachhinein als große Segen herausstellten:

Die Kreisverwaltung Neuwied untersagte die Genehmigung der großen Wohnwagensiedlung und den Zeltplatz um den Ashram im Westerwald. Ein großer Teil der Mitarbeiter lebten ja in Wohnwägen, und im Sommer ein großer Teil der Gäste in Zelten. Die behördliche Untersagung der Wohnwägen und Zelte machte die Suche nach einem größeren Ashram und den Ausbau von Yoga Vidya Westerwald notwendig. Um den gleichen Zeitpunkt herum brannten die Büros im Westerwald ab – und um ein Haar der ganze Ashram. Auch ein größerer Betrugsfall erschütterte Yoga Vidya. Gestärkt aus diesen Herausforderungen begannen wir die Ashram-Suche.

2003 bezogen wir die neuen Räumlichkeiten und errichteten in Bad Meinberg schrittweise den weltweit größten Yoga-Lehr-Ashram. Hier kamen neue Herausforderungen auf uns zu: Das Ausbildungs- und Seminarangebot wurde stark erweitert, sowohl in die Tiefe als auch in die Breite. Für die ernsthaften Aspiranten entwickelten wir die Yoga Vidya Visharada, Acharya und Meditationslehrer Studiengänge sowie Intensiv-Retreats. Für die Breite entwickelten wir die Yoga Vidya Therapie-Zweige mit Ausbildungen, Seminaren, Yogatherapie-Kuren, Einzelberatung und mehr. Spezialisierungen wie Kinderyoga, Business-Yoga, Seniorenyoga entstanden. Die Zusammenarbeit mit Krankenkassen, mit der Kurverwaltung, in Verbänden, mit Universitäten entwickelt sich gut.

Die Ashram-Gemeinschaft nahm auch Familien mit Kindern auf. Dafür mussten indische Ashram-Regeln, die ja eigentlich eher auf Mönche/Nonnen sowie Singles ausgerichtet sind, an Bedürfnisse von Eltern und Kindern angepasst werden. Und sogenannte Shantivasis, Menschen die im Ashram zeitweise oder dauerhaft wohnen, ohne Vollzeit im Ashram tätig zu werden, ermöglichten durch ihre finanziellen Beiträge überhaupt die Instandsetzung der gekauften Räumlichkeiten. Das änderte den Charakter der Ashram-Gemeinschaft in zwei Richtungen: Zum einen gab es immer mehr Menschen im Ashram, denen neben der eigenen Praxis und dem Dienen etwas anderes, nämlich ihre Familie oder ihr Privatleben besonders wichtig wurde, und die deshalb am Gemeinschaftsleben des Ashrams anders teilnahmen. Zum anderen gab es dabei auch immer mehr Menschen, die in der Yoga-Vidya Gemeinschaft eine Langfrist-Perspektive sahen und sehen.

2008/2009 kam die größte Erweiterung von Yoga Vidya: Wir eröffneten als dritten Ashram Yoga Vidya Nordsee. Das 50. Yoga Vidya Stadtzentrum wurde eröffnet. Wir kauften auch die dritte der benachbarten ehemaligen Kliniken und begannen Projekt Shanti. Infolgedessen wuchs die Zahl der Mitarbeiter bei Yoga Vidya auf über 200 – und es entstand die Aufgabe, eine spirituelle Gemeinschaft zu strukturieren, in der nicht mehr jeder jeden kennt.

2011 war ein Jahr mit viel Energie, mit vielen Veränderungen und Entwicklungen. Es gehört sicherlich zu den Hoch-Energie-Jahren in meinem Leben wie auch in der Entwicklung von Yoga Vidya. Im Februar ich wieder auf eine Indienreise, auf der ich tiefe Meditationen hatte. Im April trennte ich mich von Shivakami. Ich fand meine neue Lebensgefährtin Satyadevi. In mir löste dies eine neue Lebendigkeit, Spontaneität und Herzlichkeit aus. Und es entwickelte sich in mir auch eine Form der Verhaftungslosigkeit gegenüber dem Relativen. Ich spüre immer häufiger die Bedeutung meines spirituellen Namens Sukadev, "Engel der Wonne". In diesem Jahr hatte ich gerade in Meditationen und spirituellem Praktizieren mit Satyadevi die vielleicht intensivsten, in jedem Fall die wonnevollsten Gotteserfahrungen meines Lebens. Genauer beschreiben kann ich das nicht, da sie über das in Worte Fassbare hinausgingen. Nur Sat-Chid-Ananda: Gefühl der Einheit (Sat), Ausdehnung der Bewusstheit (Chid), unglaubliche Freude (Ananda). In dieser Zeit hatte ich auch wieder besondere Erfahrungen und Visionen gerade von Swami Sivananda, deren Bedeutung sich in den nächsten Jahren zeigen wird.

Meine Trennung von Shivakami und meine neue Beziehung zu Satyadevi brachte aber auch einige Monate lang Unruhe in die Yoga Vidya Ashram-Gemeinschaft: Sie führte bei manchen zu einigen Zweifeln an mir als spirituellem Lehrer. Es ergab sich das Paradox, dass ich mich Gott nie näher gefühlt hatte, und einige gerade unter den langjährigen Mitarbeitern enttäuscht von mir waren. Andere konnten die besondere Energie spüren, die dabei wirkte. In jedem Fall waren es intensive Monate für alle, insbesondere im Ashram in Bad Meinberg.

Im Juni dachte ich, ich solle mich aufgrund der besonderen spirituellen Erfahrungen und meinem daraus entstehenden sehr feinfühligen Gemütszustand etwas aus der Administration von Yoga Vidya zurückziehen, und mich mehr der Schulung besonders ernsthafter Aspiranten widmen. Daher gab ich Juli-November 2011 für eine Weile die Leitung von Yoga Vidya Bad Meinberg ab. Im November ergab sich dann doch wieder die Notwendigkeit, auch die administrative Leitung des Ashrams wieder zu übernehmen.

2011 sind viele der letzten Samen gekeimt, die Swami Sivananda 1987 und 1992 gesät hatte – gekeimt, noch nicht gereift!

  • Die Yogatherapie und Psychologische Yogatherapie haben unter der Leitung von Shivakami eigene Räumlichkeiten und sehr engagierte Mitarbeiter gefunden.
  • Das Shivalaya Kloster- und Retreat-Zentrum ist entstanden mit Swami Nirgunananda als Swami (Nonne). Es ist zu einem besonderen Kraftort innerhalb des Ashrams geworden, der ja als Ganzes ein starker Kraftort ist.
  • Das Konzept "Yoga-Dorf, Yoga-Stadt" nimmt Formen an, da immer mehr mit Yoga Vidya verbundene Menschen nach Bad Meinberg ziehen, und auch von Seiten der Stadt mehr Engagement von Yoga Vidya im Ort gefördert wird.
  • Darüber hinaus entwickelt sich, gerade auch durch Satyadevi, das Interesse für Naturspiritualität immer mehr. Swami Sivananda erwähnte in seinen Schriften immer wieder, dass der Besuch von heiligen Orten wie Ganges, Himalaya, Pilgerorten etc. für die spirituelle Entwicklung sehr hilfreich ist. So gibt es auch in der Umgebung von Bad Meinberg einige heilige Orte, an denen spirituelle Erfahrungen besonders leicht möglich sind und die immer mehr auch gerade in Yoga Ferienwochen, Wanderseminaren und Seminaren zu Naturspiritualität mit einbezogen werden.

So bin ich jetzt gespannt, was sich weiter entwickelt:

  • Zum einen habe ich tiefe Sehnsucht, ernsthafte spirituelle Aspiranten wieder mehr auch persönlich anzuleiten.
  • Zum zweiten werde ich von immer mehr Zentren und Ashrams für Seminare und Workshops eingeladen, und Menschen machen immer tiefere Erfahrungen in meinen Kursen
  • Zum dritten habe ich viele Ideen für Buchprojekte, für Video-Kurse und mehr
  • Zum vierten erfordert die beständig komplexer werdende Leitung von Yoga Vidya immer mehr Einsatz.
  • Zum fünften würde ich gerne mal wieder ein paar Monate mit intensiver spiritueller Praxis verbringen. Die mystischen Erlebnisse des letzten Jahres haben in mir die tiefe Sehnsucht nach der Höchsten Erfahrung riesengroß werden lassen.
  • Zum sechsten sind die vielen gekeimten Samen, die Swami Sivananda uns anvertraut hat, noch zum Wachsen, zum Erblühen und zum Reifen zu führen.
  • Zum siebten weiß ich: Der Mensch denkt – und Gott lenkt. Es kann alles anders kommen also wir es für möglich halten

Letztlich ist alles in Gottes Händen, und ich bitte ihn um Führung und bin bereit für das, was Er als Aufgabe mir gibt. Insgesamt erlebe ich dabei ein intensives Gefühl von Vairagya, d.h., nichts Bestimmtes zu erwarten und alles anzunehmen, was kommt– nicht mein Wille, Gottes Wille geschehe.

Bedeutung von Yoga Vidya

Was ist aus Deiner Sicht das Wichtigste, was Yoga Vidya in diesen 20 Jahren bewirkt hat?

Yoga Vidya hat einen entscheidenden Beitrag für die Verbreitung von Yoga im deutschsprachigen Raum geleistet und dabei viele andere Yoga Initiativen befruchtet. Yoga Vidya steht dabei auch für einen spirituellen Yoga. Das hat dazu geführt dass in Deutschland, mehr als in anderen Ländern, Yoga auch in seiner geistigen Tiefe gelehrt und erfahren wird. Breitenwirkung und spirituelle Tiefe, Tradition und Moderne, Prinzipientreue und Kreativität, Einbindung in die Gesellschaft und Alternative zur etablierten Gesellschaft - dass dies im deutschsprachigen Raum nicht als Gegensätze sondern deren Kombination als Stärke des Yoga verstanden wird, gehört zu den Verdiensten auch von Yoga Vidya.

Yoga wird populärer

Es vergeht keine Woche, ohne dass eine Zeitschrift etwas über Yoga schreibt. Die Mainzelmännchen üben Yoga und singen Om, der gestresste Manager sitzt im Lotossitz, die Hautcreme wird mit einer Yogaübung - Was sind Deiner Meinung nach die Gründe für diesen Siegeszug des Yoga?

Die Zeitschrift Fokus hat den Grund für die Popularität des Yoga in einer Titelgeschichte in zwei Worten auf den Punkt gebracht: "Yoga wirkt". Wer Yoga ausprobiert, erfährt es. Die Wirkung von Yoga ist sofort spürbar:

  • Das Gefühl von Energie, von Leichtigkeit, von Entspannung, von Offenheit und Freude, das viele schon in einer ihrer ersten Yogastunden haben, ist unbeschreiblich. Und jeder, der das erfährt, will diese Erfahrung immer wieder machen.
  • Dann zeigt es sich, dass Yoga gut ist für körperliche und geistige Gesundheit, für die Leistungsfähigkeit, Selbstbewusstsein und Liebesfähigkeit.
  • Yoga hat den "Segen" der Wissenschaft, weil seine Wirkung in empirischen Studien nachgewiesen werden kann.
  • Yoga stärkt die Kreativität gerade von Künstlern und Künstlerinnen. So wird Yoga von vielen Schauspielern, Musikern, Sportlern und Sängern praktiziert. Sie tragen durch ihren Prominenten-Status zu vielen Yoga-Stories in Presse, Rundfunk, Fernsehen und Internet bei.
  • Vielleicht am wichtigsten: Yoga führt zu spirituellen Erfahrungen – weshalb gerade die ernsthaft Übenden es zu ihrem Herzensanliegen machen, Yoga weiter zu geben.
  • Ein einfacher praktischer Grund liegt auch darin, dass seit Swami Vishnu-devanandas erster Yogalehrer Ausbildung 1969 die Yoga Meister und Yoga Bewegungen sich darum gekümmert haben, Yoga Übende recht zügig über Yogalehrer Ausbildungen zur Weitergabe von Yoga zu befähigen. Der Kunstgriff, dass wer ernsthaft Yoga lernen will, eine Yogalehrer Ausbildung macht - oft erstmal nur für sich -, hat zügig zu einer großen Anzahl von qualifizierten Yogalehrern/lehrerinnen geführt.

Stellenwert und Bekanntheitsgrad von Yoga

Der Stellenwert und Bekanntheitsgrad von Yoga in der westlichen Gesellschaft und in Deutschland hat sich in den letzten 20 Jahren stark verändert. Was beobachtest Du bzw. schließt Du aus den aktuellen Trends?

Vor 20 Jahren war Yoga etwas Exotisches. Und wenn man Mantras gesungen hat, wurde man schräg angeschaut. Heutzutage kennt fast jeder jemanden, der/die Yoga praktiziert. Und schon auf Tagen der Offenen Tür werden absolute Yoga-Neulinge vom Mantra-Singen besonders berührt. Ich beobachte auch eine große Diversifikation: Immer neue Yoga Arten entstehen. Selbst die Yoga Vidya Zentren entwickeln immer wieder neue Varianten der Yoga Vidya Reihe. Yoga macht kreativ – das macht einen Teil der Faszination des Yoga aus. Und die Kreativität wird ausgeglichen durch die Traditionalisten – an deren Erfahrung und Praxis die neuen Yoga-Entwicklungen sich dann immer wieder von Neuem orientieren.

Yoga für den Alltag

Was ist aus Deiner Sicht der wichtigste Beitrag, den Yoga dem Menschen von heute für seinen Alltag geben kann?

Yoga hilft, viele Ungleichgewichte des modernen Lebens auszugleichen. In kurzer Zeit kann Yoga dem Menschen das geben, was im modernen Alltag fehlt: Beschäftigung mit dem Körper, Momente der Stille und Besinnung, Herzensöffnung, Beziehung zu einer höheren Wirklichkeit. Yoga gibt dem Menschen das, was er im Alltag vermisst: Wer sich ausgelaugt hat, bekommt durch Yoga neue Energie. Wer sich Sorgen macht, bekommt Vertrauen. Wer gestresst ist, erfährt Entspannung. Wem das Leben zu flach ist, bekommt Zugang zu einer höheren Wirklichkeit. Wer Yoga übt, kann die vielen Errungenschaften des modernen Lebens harmonischer erfahren.

Yoga in der Weltkultur

Was ist die besondere Bedeutung des Yoga in der heutigen Weltkultur, für den Menschen in der heutigen Welt?

Die moderne Weltkultur muss sich noch mehr entwickeln in Richtung Mitgefühl, Liebe, Verbundenheit. Aus innerem Frieden, aus Mitgefühl mit den Mitmenschen kann Weltfriede und eine Weltkultur der Einheit in Verschiedenheit entstehen. Yoga lässt das im Individuum erfahrbar werden: Aus Entspannung kommt Herzensverbindung, aus einem ausgedehnten Energiefeld kommt die Erfahrung der Verbundenheit mit allen Geschöpfen. Aus spiritueller Bewusstseinserweiterung kommt die Erfahrung der Einheit der ganzen Schöpfung.

Das mag erst mal hochgestochen klingen. Dennoch glaube ich, dass die Erfahrungen einer größeren Anzahl von Menschen aus ihrer regelmäßigen Yoga-Praxis im Kleinen wie auch im Großen dazu beitragen können, eine Art Goldenes Zeitalter einzuläuten. Und das Schöne dabei ist: Nicht nur Yoga, sondern viele andere Traditionen der Meditation, der Spiritualität, der Ökologie und mehr können dazu beitragen. So verbinden sich viele Initiativen zu einem Lichtfeld – und vielleicht sind die vielen Krisen der letzten Jahren Geburtswehen des Neuen Zeitalters.

Die nächsten 20 Jahre...

Und was ist Deiner Meinung das Wichtigste für die nächsten 20 Jahre, aus der Sicht von Yoga Vidya?

Ich sehe 4 Hauptaufgaben:

  1. Yoga noch mehr in die Institutionen bringen:

Es besteht die große Chance, Yoga in der Gesellschaft zu integrieren: Yoga kann Teil des Lehrplans in Schulen werden, Teil der modernen Medizin, wichtiger Baustein in der Psychotherapie, integrierendes Element verschiedenster Religionen. Damit dies geschehen kann, braucht es engagierte Menschen, die einen langen Atem haben und den Weg in die Institutionen gehen wollen. Denn wenn man Yoga ganz integrieren will, muss man nach den "Spielregeln" der Institutionen gehen. Es braucht sehr gute wissenschaftliche Studien. Es braucht manualisierte Standards, Lobby-Arbeit. Es braucht starke Verbände. Es braucht die große Bereitschaft der Zusammenarbeit und Kooperation. Da Yoga Übende und Lehrende oft eine Neigung zum Individualismus haben, liegt hier eine ganz besondere Herausforderung.

  1. Spirituelle Tiefe: Auch die spirituelle Tiefe sollte besondere Beachtung finden: Nachdem Yoga jetzt allgemein anerkannt ist, sollte es immer mehr Menschen geben, die sich besonders intensiv den spirituellen Praktiken widmen. Ähnlich wie es Profi-Fußballer braucht, um Fußball als Breitensport zu etablieren, braucht es Menschen, die durch intensivste Yoga-Praktiken tiefste Erfahrungen machen, um Yoga dann noch mehr in der Breite populär zu machen.
  2. Ashram-Gemeinschaften und Yoga-Dörfer als alternative Lebensformen: Viele Menschen spüren, dass die Vereinzelung und Individualisierung die Menschen vereinsamt. Vielleicht können in den nächsten 20 Jahren mehr Yoga Ashram-Gemeinschaften entstehen. Vielleicht können Menschen dann in die Dörfer und Städte in der Umgebung dieser Yoga Ashram-Lebensemeinschaften ziehen. Wenn ein großer Anteil von Bewohnern einer Region Yoga praktiziert, meditiert, vegetarisch und ökologisch lebt, könnten solche Dörfer und Städte Vorreiter einer neuen Gesellschaft werden.
  3. Einheit in Verschiedenheit: Es gibt so viele verschiedene Yoga Formen. Yoga macht kreativ. Es ist wichtig, dass die einzelnen Yoga Richtungen sich gegenseitig in Respekt und Hochachtung begegnen. Nur so können wir glaubhaft sagen, dass Yoga zum Weltfrieden beitragen kann.

Was kann Yoga Vidya in den nächsten 20 Jahren beitragen?

Yoga Vidya als größte Yoga-Bewegung im deutschsprachigen Raum kann in allen vier oben erwähnten Punkten Entscheidendes beitragen:

  1. Yoga in die Institutionen bringen: Durch die Popularität von Yoga Vidya sind überhaupt erst empirische Studien mit einer ausreichend großen Anzahl von Teilnehmern möglich. Auch Lobby-Arbeit ist erst durch große Verbände und ausreichend Mitarbeiter möglich.
  2. Spirituelle Tiefe: Hier bieten gerade die Yoga Vidya Ashrams und insbesondere das Shivalaya Retrat-Zentrum Möglichkeiten, wirkliche spirituelle Tiefe zu erfahren.
  3. Ashram-Gemeinschaften und Yoga-Dörfer als alternative Lebensformen: Da ist Yoga Vidya sehr engagiert. Und das wollen wir weiter ausbauen.
  4. Einheit in Verschiedenheit: Hier wollen wir weiterhin den Austausch zu anderen Yoga Verbänden, Yogaschulen, Yoga Verbänden und anderen spirituellen Bewegungen suchen und pflegen. Und wir wollen weiterhin Geburtshelfer sein für integrierende Dachverbände und Netzwerke. Manchmal wird Yoga Vidya ja wegen seiner Größe von anderen misstrauisch beäugt. Da ist es unsere Aufgabe, Bedenken zu zerstreuen und auf anderen noch mehr zuzugehen.

Welche Pläne/Visionen hast Du für die nächsten 20 Jahre für Yoga Vidya?

Alle Samen, die Swami Sivananda 1987/1992 gesät hatte, sind gekeimt. Diese können jetzt weiter wachsen und erblühen, Früchte bringen:

  • Die Anzahl der Yoga Vidya Zentren wird vielleicht schon 2012 die anvisierte Zahl von 100 übersteigen
  • Neue Ashrams in den Alpen und an der Ostsee können vielleicht 2013/2014 eröffnet werden
  • Bei Yoga Vidya Bad Meinberg könnte das Projekt Kailash in Angriff genommen werden – also die Inbetriebnahme der mittleren Gebäude zwischen Chakra-Pyramide und Projekt Shanti. Neuer Platz für Shantivasis, Mitarbeiter und Gäste könnte entstehen
  • Bad Meinberg könnte sich immer mehr in eine Art Yogastadt entwickeln – insbesondere wenn immer mehr Yoga Übende dorthin ziehen und sich miteinander verbinden.
  • Die Yoga und Ayurveda Therapie Abteilungen in Bad Meinberg könnten zu einer Anerkennung von Yoga und Ayurveda als krankenkassenfinanzierten Heilmethoden führen
  • Aus dem Shivalaya Retreat- und Klosterzentrum könnte eine monastische Kloster-Bewegung innerhalb von Yoga Vidya entstehen
  • Die Yoga Vidya Kinderyoga- und Business-Yoga Verbänden könnten Yoga in Schulen und Betrieben verankern
  • Eventuell steht eine stärkere Internationalisierung an – die Ausdehnung von Yoga Vidya ins nichtdeutschsprachige Ausland mit vielen Yoga Vidya Ausbildungen, Zentren und Ashrams…

Letztlich liegt alles in den Händen Gottes – und unseres Meisters Swami Sivananda. Wir wollen nicht aus dem Ego heraus überlegen, wie wir immer größer werden können. Vielmehr wollen wir darum ringen, herauszufinden, was Gott uns aufträgt.

….und für Dich persönlich?

Auch das liegt ganz in Gottes Händen, jenseits von persönlichem Wollen. Daher ist alles offen. Mögliche Entwicklungen könnten sein:

Auf absehbare Zeit bleibe ich vermutlich in Bad Meinberg und übe weiter den Spagat als Yoga Unterrichtender, als Autor, spiritueller Lehrer und administrativer Leiter von Yoga Vidya. Eventuell findet sich doch bald jemand, der die administrative Leitung des Ashrams in Bad Meinberg übernimmt, so dass ich mich mehr meinen anderen Aufgaben widmen kann. Sicherlich werde ich in den nächsten Jahren wieder eine Zeit intensiver spiritueller Praxis haben. Und privat werde ich vielleicht ein paar Wochen mit Satyadevi auf eine Art Pilgerreise gehen. Vielleicht sogar noch Vater werden… Die Internationalisierung ins europäische Ausland ist ja auch Teil der „Vision Yoga Vidya“ – vielleicht ergibt es sich, dass ich in ein paar Jahren im Zuge dieser Entwicklung einen Yoga Vidya Ashram im europäischen Ausland gründe und ich dort niederlassen werde. Vielleicht entwickeln sich andere Aufgaben. 2011 hatte ich ja, wie erwähnt, diese intensiven mystischen Erfahrungen, darunter eine besonders starke Vision von Swami Sivananda, deren genaue Bedeutung sich in den nächsten Jahren noch herausstellen wird. Letztlich ist mein Leben ganz dem Dienst Gottes, Swami Sivanandas und der Menschheit gewidmet. Nicht mein Wille, sondern Gottes Wille geschehe.

Ratschlag für Yoga Übende

Kannst Du den Lesern einen persönlichen Ratschlag mit auf den Weg geben – was ist das Wichtigste im Leben und im Yoga?

Praktiziere Yoga – und sei gespannt was sich entwickelt.

Beginne jeden Morgen die Praxis des Yoga mit einem offenen und neugierigen Geist: Was bewirkt Yoga heute? Welche Impulse kommen daraus für den heutigen Tag?

Praktiziere auch dann, wenn es mal weniger Spaß macht – Yoga wirkt immer.

Tue das was du tust, mit Herz, mit Hingabe, mit Intensität – und lass dann los.

Denke daran, dass du Yoga und jede Form spiritueller Praxis nicht für dich alleine übst. Yoga und jede Form spiritueller Praxis geben dir die Kraft und die Durchlässigkeit, dass du deine Aufgaben bzw. Mission(en) auf dieser Welt engagiert und verhaftungslos erfüllen kannst. Richte dich an das Göttliche, dein Höheres Selbst, Gott, die Kosmische Mutter, die Intelligenz hinter dem Universum – oder wie immer du es ausdrücken willst. Sage von Herzen immer wieder: "Zeige mir dein Licht und deine Wahrheit, dass sie mich leiten. Nicht mein Wille, dein Wille geschehe".

Lieber Sukadev, ganz herzlichen Dank für das Gespräch.

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