Staat und Recht: Unterschied zwischen den Versionen

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:Unsern Rindern verleihe Schutz, den Rossen und unsern Leuten.« 10.
:Unsern Rindern verleihe Schutz, den Rossen und unsern Leuten.« 10.


===Rechtspflege===
===Rechtspflege, Bestrafung===
Sehen wir uns näher nach der Rechtspflege um, so ist, was wir den geschilderten Verhältnissen gegenüber von Gericht und Rechtsprechung erfahren, sehr unbefriedigend. Rv. 10, 97, 12 redet der Arzt zu seinen Kräutern: »Wenn ihr o Kräuter von Glied zu Glied, von Gelenk zu Gelenk dieses (kranken Mannes) kriecht, dann vertreibt den Yakhsma draus wie ein gestrenger madhyamaçi«. Roth Siebenzig Lieder S. 174 übersetzt: »Treibt ihr das Siechthum vor euch her, als wäre durch strengen Richterspruch«. Madhyamaçi kann recht wohl den Urtheil sprechenden Richter bezeichnen, insofern er von andern richterlichen Personen umgeben war, und die Versammlung, wie nach altgermanischem Brauch, im Kreise ihn umstand. Auch Rc 11 desselben Sukta möchte Roth ähnlich deuten: »Wenn ich, ihr Arzeneien, euch in meine Hände drohend fass, so macht das Siechthum sich davon, es bangt ihm vor des Häschers Griff« übersetzt er und bemerkt dazu: »Die [[Krankheit]] ist der Verbrecher, der vor dem Diener der Obrigkeit sich flüchtet«. Jivagrbh kann aber ungezwungen durch »Verfolger« wiedergegeben werden, und das von Roth vermuthete Bild braucht nicht in dem Verse zu liegen.
Sehen wir uns näher nach der Rechtspflege um, so ist, was wir den geschilderten Verhältnissen gegenüber von Gericht und Rechtsprechung erfahren, sehr unbefriedigend. Rv. 10, 97, 12 redet der Arzt zu seinen Kräutern: »Wenn ihr o Kräuter von Glied zu Glied, von Gelenk zu Gelenk dieses (kranken Mannes) kriecht, dann vertreibt den Yakhsma draus wie ein gestrenger madhyamaçi«. Roth Siebenzig Lieder S. 174 übersetzt: »Treibt ihr das Siechthum vor euch her, als wäre durch strengen Richterspruch«. Madhyamaçi kann recht wohl den Urtheil sprechenden Richter bezeichnen, insofern er von andern richterlichen Personen umgeben war, und die Versammlung, wie nach altgermanischem Brauch, im Kreise ihn umstand. Auch Rc 11 desselben Sukta möchte Roth ähnlich deuten: »Wenn ich, ihr Arzeneien, euch in meine Hände drohend fass, so macht das Siechthum sich davon, es bangt ihm vor des Häschers Griff« übersetzt er und bemerkt dazu: »Die [[Krankheit]] ist der Verbrecher, der vor dem Diener der Obrigkeit sich flüchtet«. Jivagrbh kann aber ungezwungen durch »Verfolger« wiedergegeben werden, und das von Roth vermuthete Bild braucht nicht in dem Verse zu liegen.


Ausgebildete Rechtsbegriffe waren sicher vorhanden, Untersuchung des Verbrechens, entsprechende Strafen fanden Statt; dies bezeugt das Vorhandensein der sprachlichen Ausdrücke hierfür: [[dharma]]n das Gesetz , die feststehende Ordnung sowohl am Himmel als auf Erden: agas die Verletzung des dharman, Vergehen gegen Götter und Menschen. Der eigentliche Begriff für Schuld ist rna : rnavan schuld- und schuldenbeladen ist der Spieler (Rv. 10, 34, 10), der seine Familie ins Unglück brachte und im Dunkel der Nacht an fremder Habe sich vergreifen will; rna schuldig heisst der Dieb (tayu) Rv. 6, 12, 5.  
Ausgebildete Rechtsbegriffe waren sicher vorhanden, Untersuchung des Verbrechens, entsprechende Strafen fanden Statt; dies bezeugt das Vorhandensein der sprachlichen Ausdrücke hierfür: [[dharma]]n das Gesetz , die feststehende Ordnung sowohl am Himmel als auf Erden: agas die Verletzung des dharman, Vergehen gegen Götter und Menschen. Der eigentliche Begriff für Schuld ist rna : rnavan schuld- und schuldenbeladen ist der Spieler (Rv. 10, 34, 10), der seine Familie ins Unglück brachte und im Dunkel der Nacht an fremder Habe sich vergreifen will; rna schuldig heisst der Dieb (tayu) Rv. 6, 12, 5.  


Öfters hat man den speciellen Begriff von [[Schuld]] gleich Darlehen. Schulden wurden hauptsächlich im [[Spiel]] gemacht (kar); Av. 6, 119, 1 werden ausdrücklich diejenigen erwähnt, die man noch ausserhalb desselben macht: »Was ich ohne zu spielen für Schulden mache und was zusage (sam-gir) mit der Absicht, es nicht wieder zu geben«. Eine Schuld abtragen heisst sam-ni, musste doch das Vieh, mit dem dies meistens geschah, wirklich zusammengetrieben werden: »Wie wir eine [[Kali]] (Sechszehntel), ein Çapha (Achtel), wie wir die ganze Schuld zusammenbringen« Rv. 8, 47, 17. Ein Vergehen strafen heisst rnani ci; Indra ist , iacit, neukati, maya, rnayavan schuldrächend. Apaciti (= d rosia&c) ist die Bestrafung; für Jemanden eintreten, für ihn sprechen heisst adhi-bru. Auch der Ausdruck Av. 6, 32 , 3 = 8, 8, 21: »Nicht sollen sie einen jnatar (wohl Entlastungszeuge?),* eine pratishtha (Zufluchtsstätte ?) finden ; insgesammt auseinander ge¬trieben sollen sie dem Tode anheimfallen fallen« scheint aus der Rechtsprache genommen zu sein.
Öfters hat man den speciellen Begriff von [[Schuld]] gleich Darlehen. Schulden wurden hauptsächlich im [[Spiel]] gemacht (kar); Av. 6, 119, 1 werden ausdrücklich diejenigen erwähnt, die man noch ausserhalb desselben macht: »Was ich ohne zu spielen für Schulden mache und was zusage (sam-gir) mit der Absicht, es nicht wieder zu geben«. Eine Schuld abtragen heisst sam-ni, musste doch das Vieh, mit dem dies meistens geschah, wirklich zusammengetrieben werden: »Wie wir eine Kali (Sechszehntel), ein Çapha (Achtel), wie wir die ganze Schuld zusammenbringen« Rv. 8, 47, 17. Ein Vergehen strafen heisst rnani ci; Indra ist rnacit, rnakati, rnaya, rnayavan schuldrächend. Apaciti (= àpótisis) ist die Bestrafung; für Jemanden eintreten, für ihn sprechen heisst adhi-bru. Auch der Ausdruck Av. 6, 32 , 3 = 8, 8, 21: »Nicht sollen sie einen jnatar (wohl Entlastungszeuge?), eine pratishtha (Zufluchtsstätte ?) finden; insgesamt auseinander getrieben sollen sie dem Tode anheimfallen« scheint aus der Rechtsprache genommen zu sein.
In den meisten Fällen wird, wenn ein Verbrecher auf der That ertappt wurde, sofortige Strafe eingetreten sein. Einfachstes Zuchtmittel war der Stock: ist derselbe doch durch die ganze spätere indische Zeit noch das Symbol der Justiz. Da man in jenen Zeiten auf Staatskosten noch keine Gefängnisse hinstellte, so musste auf eine andere Art gesorgt werden , Verbrecher für einige Zeit festzuhalten. Die Vorrichtung war so einfach als möglich; man band den Missethäter mit Stricken oben, unten und in der Mitte an eine feststehende Holzsäule (drupada) Rv. 1, 24, 13. 15. Wie einen nach Heerden lüsternen Dieb soll Varuna den kranken Vasishtba von der Sünde Band losbinden Rv. 7, 86, 5 d. h. wie man einen wegen versuchten Diebstahls gefesselten Dieb wieder freigibt.
 
In den meisten Fällen wird, wenn ein Verbrecher auf der That ertappt wurde, sofortige [[Strafe]] eingetreten sein. Einfachstes Zuchtmittel war der Stock: ist derselbe doch durch die ganze spätere indische Zeit noch das Symbol der Justiz. Da man in jenen Zeiten auf Staatskosten noch keine Gefängnisse hinstellte, so musste auf eine andere Art gesorgt werden, Verbrecher für einige Zeit festzuhalten. Die Vorrichtung war so einfach als möglich; man band den Missethäter mit Stricken oben, unten und in der Mitte an eine feststehende Holzsäule (drupada) Rv. 1, 24, 13. 15. Wie einen nach Herden lüsternen Dieb soll [[Varuna]] den kranken Vasishtha von der [[Sünde]] Band losbinden Rv. 7, 86, 5 d. h. wie man einen wegen versuchten Diebstahls gefesselten Dieb wieder freigibt.
   
   
182 KAPITEL VI.
»An eherner Säule (ayasmaye drupade) wurdest du befestigt, gebunden mit tausendfachem Tode« Av. 6, 63, 3 = 84, 4. »Wenn wachend, wenn schlafend ich Sünder Sünde gethan habe: mich, der's gewesen ist und wieder sein wird, löst davon wie vom Pfosten (drupadat); wie vom Pfosten einer gelöst ist, wie vom Schmutz wer geschwitzt hat nach dem Bade (rein), wie die gereinigte Opferbutter: so sollen alle mich von der Sünde reinigen« Av. 6, 115, 2. 3.
»An eherner Säule (ayasmaye drupade) wurdest du befestigt, gebunden mit tausendfachem Tode« Av. 6, 63, 3 = 84, 4. »Wenn wachend, wenn schlafend ich Sünder Sünde gethan habe: mich, der's gewesen ist und wieder sein wird, löst davon wie vom Pfosten (drupadat); wie vom Pfosten einer gelöst ist, wie vom Schmutz wer geschwitzt hat nach dem Bade (rein), wie die gereinigte Opferbutter: so sollen alle mich von der Sünde reinigen« Av. 6, 115, 2. 3. Verschiedene Arten der Fesselung werden Av. 6, 121 erwähnt : »Auflösend die Stricke, löse sie von uns die obern, die untern, die Varuna angelegt hat; scheuch weg von uns bösen Traum und Unfall: dann wollen wir gehen in die Welt der Frömmigkeit. Um was am Pfosten (daru), um was im Strick (rajju) du gefesselt bist, um was an die Erde (d. h. an einen Block) du gefesselt bist und um was durch das Wort: daraus soll dieser unser Haus -Agni herausführen in die Welt der Frömmigkeit«. In den Block schlagen heisst drupadc a-han Av. 19, 47, 9; 50, 1.*
 
Wenn Sâyana zu Rv. 6, 54, 1 Recht hat, so wendete man sich in Fällen, wo man in Bezug auf den Dieb des gestohlenen Viehes oder sonstiger Habe im Ungewissen war, an Beschwörer, die über den Verbleib Auskunft geben sollten; sie stehen unter P1shan's Patronat: »Bringe uns, Püshan, zu einem Weisen (vidvahs), der uns richtig unterweist, der uns zu sagen vermag: Da ist's. Mögen wir mit Pûshan zusammentreffen, der uns die Häuser zeigt (wo das gestohlene Glut ?), und möge er sagen : Da ist's«. Wilson Rgv. III, 495 übersetzt den ersten Pada der zweiten Rc: May we, by the favour of Pnshan, come in communication with (the man), who may etc.; cf. Muir ST. 5, 177.
Verschiedene Arten der Fesselung werden Av. 6, 121 erwähnt : »Auflösend die Stricke, löse sie von uns die obern, die untern, die Varuna angelegt hat; scheuch weg von uns bösen [[Traum]] und Unfall: dann wollen wir gehen in die Welt der Frömmigkeit. Um was am Pfosten (daru), um was im Strick (rajju) du gefesselt bist, um was an die Erde (d. h. an einen Block) du gefesselt bist und um was durch das Wort: daraus soll dieser unser Haus-Agni herausführen in die Welt der Frömmigkeit«. In den Block schlagen heisst drupade a-han Av. 19, 47, 9; 50, 1.
* Aehnliche Sitte ist bei Germanen und Slaven nachweislich: man sperrte die Füsse eines Verbrechers in einen ausgehölten Klotz (Block), be¬festigte zuweilen auch Nacken und Mittelkörper an demselben. Grimm Deutsch. Wörterb. 2, 135 s. Itioch, Deutsche Rechtsalterth. 720. Noch Shakspeare lässt Kent (König Lear 2, 2) Nocken: =doch diese niedere Züchtigung ist solcher Art, wie man verworfenen Tross für Mauserein und ganz gemeinen Unfug bestraft'. Russisch kol6da ist Klotz und Block für Gefangene, ebenso serb. klada; das Wort ist sogar ins Magiarische (kaloda Schandklotz) übergegangen Miklosich Slav. Elemente im Magier. Seite 32. Bei den Südslaven war, wie mir Professor Riga mittheilt, bis vor 30 Jahren eine Strafe, die jedes Dorf¬oberhanpt für leichtere Vergehen dekretieren konnte, das Sperren in einen Block (u kladu).
 
Wenn Sâyana zu Rv. 6, 54, 1 Recht hat, so wendete man sich in Fällen, wo man in Bezug auf den Dieb des gestohlenen Viehes oder sonstiger Habe im Ungewissen war, an Beschwörer, die über den Verbleib Auskunft geben sollten; sie stehen unter Pushans Patronat: »Bringe uns, Pushan, zu einem Weisen (vidvams), der uns richtig unterweist, der uns zu sagen vermag: Da ist's. Mögen wir mit Pûshan zusammentreffen, der uns die Häuser zeigt (wo das gestohlene Glut ?), und möge er sagen : Da ist's«. Wilson Rgv. III, 495 übersetzt den ersten [[Pada]] der zweiten Rc: May we, by the favour of Pushan, come in communication with (the man), who may etc.; cf. Muir ST. 5, 177.
STAAT UND RECHT. 183
 
Unter den Männern , die zu sagen vermögen : »da ist's«, haben wir zweifelsohne die Vorläufer der jetzt im Penjab vorkommenden Khoji: »This terme is applied to an elaborate system prevalent in the Penjab and in certain parts of these provinces where the crime off cattle-lifting is very frequent. The footprints of thieves and the hoofprints of cattle, are tracked by a class of men called khojis, whose skill is very extraordinary. Such men are met with in nearly every village, and having once struck the trace, will carry it on for miles, over all sorts of country, and nearly always succeed in finding the cattle«. Elliot Memoirs of the history, folklore of the races of the Northwest. Prey. of India 1, 276 ff. s. v.: vgl. auch die daselbst gegebenen, höchst interessanten Beispiele.
 
In schwierigen Fällen diente das '''Gottesurtheil''' ale Rechtsinstitut. Hierfür haben wir ein sicheres Zeugnis in dem Hymnus Av. 2, 12:
 
:»Himmel und Erde und der weite Luftraum, die Herrin des Feldes, der weithin schreitende, geheimnisvolle ([[Vishnu]]) und der weite Luftramm, der [[Vata]] zum Hüter hat: diese sollen hier gebrannt werden, wenn ich gebrannt werde. 1.
:Höret dies, o Götter, die ihr verehrungswürdig seid, Bharadvaja spricht für mich die Sprüche : in Fessel geschlagen möge in Unheil gebunden werden, der dieses unser Vorhaben schädigt. 2.  
:[[Indra]], [[Soma]]trinker, höre auf das, wozu ich mit brünstigem [[Herz]]en dich rufe : wie einen Baum mit der Axt will ich den zerspalten, der dieses unser Vorhaben schädigt. 3.
:Durch die dreimal achtzig Sâmansänger, durch die Aditya, die Vasu, die Angiras — die [[Seligkeit]] der Väter möge uns schützen — halte ich jenen (? Feuerbrand ? Axt) mit göttlichem Griff. 4.
:Himmel und Erde blicket auf mich, ihr Allgötter stellt euch auf meine Seite (eigentlich: fasst hinter mir an) : ihr Angiras, ihr somawürdigen Manen: ins Unheil gerathe, wer Verabscheuungswerthes vollbringt. 5.
:Wer uns verachtet, o ihr Marut, wer den Spruch, der hier verrichtet wird, schmäht: glühend seien dem seine Ränke, der Himmel bedränge ihn von allen Seiten, den Hasser des Spruches. 6.
:Die sieben Lebenshauche, die acht Lebenssäfte zerschneide ich dir durch diesen Spruch: Wohl vorbereitet, Agni als Boten habend machtest du dich auf zu [[Yama]]s Sitz. 7.
:Ich setze deinen Fuss in das entzündete [[Feuer]]: Es soll entweder das Feuer deinen Leib verzehren, oder die Seele wieder zum Leben eingehen.« 8.


Unter den Männern , die zu sagen vermögen : »da ist's«, haben wir zweifelsohne die Vorläufer der jetzt im Penjäb vor
kommenden Khoji: »This terme is applied to an elaborate system
prevalent in the Penj*b and in certain parts of these provinces where the crime off cattle-lifting is very frequent. The foot
prints of thieves and the hoofprints of cattle, are tracked by a class
of men called khojis, whose skill is very extraordinary. Such men are met with in nearly every village, and having once struck
the trace, will carry it on for miles, over all sorts of country, and nearly always suoceed in finding the cattle«. Elliot Memoirs of the history, folklore of the races of the Northwest. Prey. of India 1, 276 ff. s. v.: vgl. auch die daselbst gegebenen, höchst interessanten Beispiele.
In schwierigen Fällen diente das Gottesurtheil ale Rechts¬institut. Hierfür haben wir ein sicheres Zeugniss in dem Hymnus Av. 2, 12:
»Himmel und Erde und der weite Luftraum, the Herrin des Feldes, der weithin schreitende, geheimnisvolle (Vishnu) und der weite Luftramm, der Väta zum Hüter hat: diese sollen hier gebrannt wérden, wenn ich gebrannt werde. 1.
Höret dies. o Götter, die ihr verehrungswürdig seid, Bharad¬väja spricht für mich die Sprüche : in Fessel geschlagen möge
in Unheil gebunden werden, der dieses unser Vorhaben schädigt. 2. Inds, Somatrinker, höre auf das, wozu ich mit brünstigem Herzen dich rufe : wie einen Baum mit der Axt will ich den zerspalten, der dieses unser Vorhaben schädigt. 3.
Durch die dreimal achtzig Sâmansiinger, durch die Aditya, die Vasu, die Angiras — die Seeligkeit der Väter möge uns schützen — halte ich jenen (? Feuerbrand ? Axt) mit göttlichem Griff. 4.
Himmel und Erde blicket auf mich, ihr Allgötter stellt euch auf meine Seite (eigentlich : fasst hinter mir an) : ihr Aiügiras, ihr somawürdigen Manen : ins Unheil gerathe, wer Ver¬abscheuungswerthes vollbringt. 5.
Wer uns verachtet, o ihr Marut, wer den Spruch, der hier verrichtet wird, schmäht: glühend seien dem seine Ränke, der Himmel bedränge ihn von allen Seiten, den Hasser des Spruches. 6.
154 KAPITEL' VI.
Die sieben Lebenshauche, die acht Lebenssäfte zerschneide ich dir durch diesen Spruch: Wohl vorbereitet, Agni als Boten habend machtest du dich auf zu Yama's Sitz. 7.
Ich setze deinen Fuss in das entzündete Feuer: Es soll entweder das Feuer deinen Leib verzehren, oder die Seele wieder zum Leben eingehen.« B.
Wie schon das Metrum ausweist, sind bier. wie so oft im Atharvaveda, zwei Bruchstücke verwandten Inhaltes verknüpft.
Wie schon das Metrum ausweist, sind bier. wie so oft im Atharvaveda, zwei Bruchstücke verwandten Inhaltes verknüpft.
Vers 1-6 behandeln ein Feuer-Ordale, bei dem der Schwörende
Vers 1-6 behandeln ein Feuer-Ordale, bei dem der Schwörende

Version vom 8. Oktober 2013, 15:24 Uhr

Aus dem Buch "Altindisches Leben: Die Cultur der vedischen Arier", nach den Samhita dargestellt von Heinrich Zimmer, Berlin 1879

Kapitel 6: Staat und Recht

Wie wir oben S. 119 ff. sahen, zerfiel das Volk der indischen Arier in eine grosse Anzahl von Stämmen. Zwischen einzelnen derselben fanden, sobald gemeinsame Interessen es erheischten behufs Abwehr drohender Angriffe oder zum Zwecke von Beutezügen in das Gebiet anderer Stämme, Verbindungen statt; solche Vereinigungen verschiedener Stämme lieferten sich die Schlachten an der Parushni und Yamuna. War man aber von einem Zuge glücklich heimgekehrt, so stand für gewöhnlich jeder Volksstamm wieder für sich als Ganzes da. Wir haben also hier ganz dieselben Verhältnisse, wie sie zu Tacitus Zeit unter den Germanen bestanden. Wie bei jenen die staatlichen Einrichtungen bei weitern nicht überall dieselben waren, so werden wir Gleiches auch von den vedischen Stämmen vermuthen dürfen: einige Angaben dahin werden wir im Verlauf kennen lernen.

Die höchste politische Einheit der vedischen Arier ist der Stamm; er ist eine Vereinigung mehrerer Gaue. Fragen wir nach einer einheimischen Bezeichnung dieses Staatsganzen, so müssen wir jana als solche ansehen. So sagt Viçvamitra Rv. 3. 53, 12: »Viçvamitras Gebet da schützt den Bharata-Stamm (janam bharatam)« ; yadvo janah und yadvali stehen sich Rv. 8, 6, 46. 43 gleich; rajan König und gopa janasya Beschützer des Stammes ist dasselbe Rv. 3, 43, 5; König Soma heisst gopati janasya »Gebieter des Stammes« Rv. 9, 35, 5. Rv. 10, 159 haben wir einen Zauberspruch, in dem eine Frau eines Königs die Nebengattinnen unschädlich zu machen sucht, damit sie beim Gatten am meisten geehrt sei, ihre Söhne die Herrschaft einst bekämen und ihre Tochter Königliche Hoheit würde; sie schliesst ihre Beschwörung mit dem Wort: »Verdrängt habe ich diese Nebenbuhlerinnen ihnen überlegen seiend damit ich über diesen Mann und diesen Stamm (jana) herrsche« d. h. über König und sein Volk. König (rajan) und Volk (jana) stehen auch Rv. 5, 58, 4 gegenüber: »Ihr schafft dem Stamm einen kräftigen König«. Panca janah war, wie wir oben sahen, ursprünglich eine Bezeichnung von fünf näher zu einander stehenden Stämmen.

Die nächste Unterabtheilung des Stammes ist der Gau; sein einheimischer Name ist vic. Wie viele solcher viç zu einem Stamme gehörten, wissen wir nicht; ihre Zahl war jedenfalls verschieden nach der Grösse des einzelnen Volkstammes, wie auch bei den alten Germanen die Anzahl der Gaue (pagus), die zu einer thiuda (civitas) vereint waren, unterschiedlich war. Nach Besiegung des Volkes (jana) der Bharata breiteten sich die Gaue (vicah) der Trtsu aus Rv. 7, 33, 6; die vereinigten Gaue wählen den König Rv. 10, 124, 8; »wie ein König die Gaue im Zaume hält« heisst es in einem Vergleich Rv. 9, 7, 5; »alle Gaue (sarva viçah) wünschen dich, nicht soll die Herrschaft von dir fallen« wird Rv. 10, 173, 1 dem neugewählten König zugerufen; des Trnaskanda Gaue (viçah) verschont, o Marut« fleht Agastya Rv. 1, 172. 3.

In der weiteren Abstufung kommt die Dorfschaft grama, vrjana, vollständig gleich dem altgermanischen vicus. Die Dorfgemeinde selbst beruht wieder auf der Vereinigung der einzelnen Familien.

Wir sehen also, dass der altindische Staat sich ganz entsprechend dem altéranischen, altgermanischen, altslavischen und altitalischen aufbaut. Das Staatsganze beruht auf dem Hause (altb. nmana, dmana) , der Einzelfamilie. Sie ist nur ein Theil der Gesamtfamilie, Sippe oder Dorfschaft : altind. grama, vrjana, éran. viç, altit. gens, germ. vicus, langob. fara cf. Paulus Diaconus 2, 9 — slav. rodu, obistina. Eine Vereinigung dieser Sippen, Clane zu einem grösseren Ganzen ist bei den Indern die vif, Eraniern zantu (shoithra Yaçna 31. 18), Ital. tribus, Germanen pagus (skandin. fylki, syssel, angels. scir), Slaven pléme. Die Verbindung endlich einer Anzahl solcher Gaue bildete den Stamm oder das Einzelvolk : ind. jana, éran. daqyu, lat. civitas, osk. und umbr. tota, germ. friuda, slav. narodu, jçzyku. Dieselbe Verfassung besteht bei den Afghanen noch bis jetzt, wie Wilken in den Abhandlungen der Berliner Akademie 1818 , pag. 237 ff. nach Elphinstones Bericht ausgeführt hat.

Am deutlichsten findet sich für den altindischen Staat die dargelegte Gliederung ausgesprochen Rv. 2, 26, 3: »Wer den Vater der Götter für sich zu gewinnen sucht, gläubigen Sinnes durch Opfer Brahmanaspati, der erlangt Beute und Reichthum durch die Männer: durch Stamm (janena), durch Gau (viça), durch Verwandtschaft (janmana), durch Familie (putraih).« Deutlich steht hier jan man Angehörige, Sippschaft für grama, vrjana; die Bewohner des Dorfes waren eben ursprünglich nur eine Verwandtschaft. Durch »Söhne« (putraih) ist pars pro toto die Familie bezeichnet; sie sind es ja, auf denen, wie im Verlauf noch gezeigt wird, die Fortsetzung des Hauses und des Geschlechts beruht.

Dies war aber nicht allein im Frieden die Eintheilung des Stammes, sondern auch — und hier wieder in schönster Analogie zu altgermanischen Verhältnissen — für den Krieg und in der Schlacht. Aus Tacitus Germania Kap. 7 sowie aus einheimischen Quellen wissen wir, dass bei den alten Deutschen Heereseintheilung war, dass Gau neben Gau stand und diese wieder nach Verwandtschaften, und Familienkreisen sich ordneten. In einem Hymnus an Manyu, den personificierten »Muth« Rv. 10, 84 heisst es nun Vers 3 ff.: »Wirf nieder, o Manyu, die, die uns nachstellen; zerbrechend , zermalmend, vernichtend gehe auf die Feinde los; sie hemmen nicht deine gewaltige Kraft, du Herrscher bringst sie unter deine Herrschaft, du einzig gearteter, einziger. Du allein, o Manyu , bist von vielen angefleht; von Abtheilung zu Abtheilung (viçamviçam) gehend feure sie zum Kampfe an; mit dir verbündet wollen wir lautes Geschrei erschallen lassen zum Siege«. Deutlich haben wir in viçamviçam eine Heereseintheilung. Vergleiche ferner: »An des Himmels Ende schmücken sich die Morgenröthen mit Glanz, wie ein in geschlossenen Schaaren ziehendes Heer reihen sie sich aneinander (viço na yukta yatante) Rv. 7, 79, 2. Die Marut, beständig ja ein Volk in Waffen, sind in viçah gegliedert Rv. 5, 61, 1; »als sich der Marut Scharen (Marutirviçah) anschlossen« Rv. 8, 12, 29. »Hör Indra uns, wir rufen dich an, um grosse Beute zu erlangen; wenn in dem Schlachtgewühl die Scharen (viçah) auf einander prallen, gewähr uns kräftigen Beistand am Tage der Entscheidung« Rv. 6, 26, 1. »Es entwickeln Kraft die Leute bei der Arbeit, o ungestümer, wenn sie auf einander schnauben im Kampfgewoge ; wenn die kämpfenden Heerhaufen (viço yudhmah) handgemein werden, dann entwickeln manche Indra gleiche Kraft, Mann gegen Mann« Rv. 4, 24, 4.

Als weitere Unterabtheilung des Heeres ist, entsprechend der Organisation des altindischen Staates, grama, vrjana anzusehen, die Kriegerschaar einer Ortschaft. Nirgends jedoch zeigen die vedischen Lieder diese ursprüngliche Bedeutung deutlich, vielmehr nur die allgemeinere »Kriegerschar« überhaupt. So nennt Viçvamitra R. 3, 33, 11 die mit Streit- und Trosswagen am Ufer der Vipaç angekommenen Bharata poetisch gavyan¬gramah »eine kampflustige Schar«, Rv. 3, 53, 12 nennt er sie bharatam janam »Bharatastamm«. Vergleiche ferner: »Nicht mögen fremde, bösgesinnte Scharen (vrjanah), unheilvolle uns überfallen« Rv. 7, 32, 27. »Mögen wir unter unsern Führern vorzügliche Beute erliegen mit unserer Kriegerschar (asmakena vrjanena)« Rv. 10, 42, 10. Vielleicht lässt sich für zwei andere Ausdrücke der specielle Sinn »Kriegerschar einer Ortschaft« nachweisen: Rv. 1. 126, 5 heisst es, dass die Pajra Ruhm erstrebten wie die mit Wagen versehenen, verwandten Scharen, die eine Viç bilden (subandhavo ye viçya iva vra anasvantah); vra bezeichnet demnach eine Abtheilung der Viç, deren Glieder unter einander nahe verwandt (subandhu) waren, was auf die Kriegerschar des Dorfes passt. Rv. 10, 179, 2 = Av. 7, 12, 2 sagt ein Sänger : »Dich Indra umsitzen mit Darbringungen die Freunde wie Familienoberhäupter (kulapa) den thätigen Führer der Dorfschar (vrajapati)«.

Es ordnete sich demnach die Kriegsmacht eines Stammes zuerst nach Viç, dann nach Vraja oder Vra, welche letzteren wieder aus den kampffähigen Gliedern des Kula zusammengesetzt waren. Diese Dreitheilung des Heeres ist uns an einer Stelle des Rigveda sicher angegeben; die Marut, Indras Heer und ein Volk in Waffen, sind geordnet çardhamçardham, vratumvratam, ganamganam,d. h. nach einzelnen Scharen, Haufen, Rotten Rv. 5. 53, 11: vgl. Rv. 3, 26, 6.

Die Regierung der in der angegebenen Weise gegliederten arischen Staaten war durchaus eine monarchische. Gemäss ihres Ursprungs aus der Familie lässt sich dies auch kaum anders erwarten.

An der Spitze des Staates steht als Lenker des Ganzen der König (rajan). Die Herrscherwürde im Stamme ist in vielen Fällen eine erbliche: Vadhryaçva, Divodasa Atithigva, Pijavana, Sudâs finden wir der Reihe nach als Urgrossvater, Grossvater, Vater und Sohn über die Trtsu gebieten; eine noch längere Genealogie lässt sich bei den Puru herstellen. Nicht so bei allen Stämmen. Wir haben sichere Zeugnisse, dass auch Wahlmonarchien bestanden, in denen die Könige von den Gauen gewählt wurden: »Wie die Gaue sich den König küren« heisst es Rv. 10, 124, B. Ob eine bestimmte Herrscherfamilie da war, aus deren Mitgliedern eines zum Throne ausersehen wurde, oder ob die Wahl unter den edlen Geschlechtern vorgenommen wurde, wissen wir nicht. Auf eine Wahlmonarchie ersterer Art könnte der Spruch Av. 1, 9 bezogen werden:

»Gut sollen diesem die Gütigen auf die Dauer verleihen, Indra, Pushan, Varuna, Mitra, Agni; diesen sollen die Aditya und die Allgötter in höchstem Glanz erhalten. 1.
Ihm stehe zu Gebote, o Götter, alle Herrlichkeit (jyotis), Surya und Agni, oder überhaupt was golden (hiranya) ist; seine Nebenbuhler sollen ihm unterworfen sein : zur höchsten Würde (uttamam nakam) führe diesen. 2.
Durch das sehr wirksame Andachtswerk, wodurch du, o Jatavedas, dem Indra Kräfte zubrachtest: mit dem, o Agni, fördere jetzt diesen, stelle ihn an die erste Stelle (çreshthya) unter seinen Verwandten (sajatanam). 3.
Ihr Opfer und Glanz, ihr Gedeihen und ihre Absichten habe ich an mich genommen, o Agni : die Nebenbuhler sollen ihm unterworfen sein, zur höchsten Würde führe diesen.« 4.

Ob zwischen dem erblichen Königthum und dem letzterer Art in Bezug auf die Machtbefugnisse ein Unterschied bestand, lässt sich nicht bestimmen. Rv. 10, 173 liegt ein Lied vor, das bei der Einführung eines Wahlkönigs gesprochen wurde:

»Ich habe dich herbeigeholt, sei festen Sinnes (eigentlich »fest im Innern«), steh' und wanke nicht: alle Gaue lieben dich, nicht soll deinem Haupt das Diadem entgleiten. 1.
Hier bleibe, nicht mehr entferne dich, wie ein Fels sei unbeweglich; stehe fest wie Indra, hier erhalte das Reich. 2.
Diesen soll Indra bleibend erhalten durch das festgesetzte Opfer, ihm soll Soma tröstend zusprechen, ihm Brahmanaspati. 3.
Fest steht der Himmel, fest die Erde, fest die Berge da; treu ist alles Lebende hier, treu sei der Herrscher da der Gaue. 4.
Dauernd soll dir die Herrschaft erhalten König Varuna, dauernd der Gott Brhaspati, dauernd Indra und Agni. 5.
Des festen Soma gedenken wir mit festgesetztem Opferguss; aber Indra soll dir die Gaue ausschliesslich eigen, Spenden darbringend machen.« 6.

Eine ganze Reihe von Segensprüchen für die Wahl und Weihe des Herrschers bietet der Atharvaveda; ich wähle zwei davon aus:

Av. 3, 4. »An dich ist die Herrschaft gelangt mit Herrlichkeit, tritt hervor ale Herr der Gaue, unumschränkter Könige: alle Himmelsrichtungen sollen dich, o König, rufen; verehrungsvoll soll man an dich herantreten und sich dir verneigen. 1.
Dich sollen die Gaue (viçah) erwählen zum Königthum, dich die Weltgegenden hier, die fünf göttlichen; auf der Herrschaft Höhe, auf dem Gipfel stehe fest, von dort theile uns als gewaltiger Güter zu. 2.
Heran zu dir sollen die Verwandten (sajata) in Gehorsam (havinah eigentlich »bittend«) treten, Agni soll als geschickter Bote sich einstellen, die Gattinnen, die Söhne sollen wohlgesinnt sein, reichlichen Tribut mögest du als mächtiger (Herrscher von den Feinden) erleben. 3.
Es sollen dich rufen zuerst die Açvin, Mitra und Varuna, alle Götter, die Marut; den Sinn wende zur Güterspende, daher theile uns als mächtiger Güter zu. 4.
Eile herbei aus entferntester Ferne, hold sollen dir Himmel und Erde sein; das hat dieser König Varuna so verkündet, der selbst rief dich herbei : tritt hierher. 5.
0 Indra, Indra, geh zu den menschlichen Gauen, du wurdest erfunden mit den Varuna (varunaih) übereinstimmend: er da (Agni?) rief dich auf seinem Sitz, er soll den Göttern opfern, er soll die Gaue fügsam machen. 6.
Die Göttinnen der Wohlfahrt, die aller Orten und verschiedengestaltig sind, alle kamen zusammen und schufen dir freie Bahn; sie alle sollen einträchtig dich rufen. Als mächtiger und wohlwollender Herrscher verweile hier das zehnte Lebensalter (d. h. bis du 100 Jahre alt wirst)«" 7.
Av. 4, 22 : »Erhöhe mir, o Indra, diesen Herrscher, mache ihn zum einzigen Stier der Gaue, zerstreue alle seine Feinde, unterwirf sie ihm in dem Wettstreit um den Vorrang. 1.
Theil diesem zu Dorf, Rosse, Rinder, schliess aus vom Antheil den, welcher sein Feind; an der Spitze der königlichen Familie stehe dieser als König, unterwirf ihm, Indra, jeden Feind. 2.
Dieser soll sein der Schätzeherr der Schätze, dieser König soll sein der Gauherr der Gaue, in ihn, o Indra, leg grossen Glanz, glanzlos mache seinen Feind. 3.
Ihm sollt ihr, Himmel und Erde, viel liebliches zuströmen lassen, wie zwei warme Milch spendende Milchkühe; dieser König sei lieb dem Indra, lieb den Rindern, Pflanzen, Herden. 4.
Ich verbünde dir den siegreichen Indra, durch den man siegt und nicht besiegt wird: er soll dich machen zum einzigen Stiere (Herrscher) der Leute und zum höchsten der menschlichen Könige. 5.
Du bist oben, unterlegen sind deine Gegner und alle, die dich befeindeten: Als einziger Stier, der Indra zum Freund hat, bring siegreich herbei der Feinde Habe (zur Vertheilung). 6.
Löwengleich vernichte alle ihre (der Feinde) Gaue, tigergleich verjag die Feinde: Als einziger Stier, der Indra zum Freund hat, bring siegreich herbei der Feinde Habe.« 7.

Kämpfe um die Herrschaft, Verdrängung eines berechtigten Thronerben werden ebenso wenig wie in den altgermanischen Staaten gefehlt haben: »Nicht fürwahr begünstigt Soma den ränkevollen, nicht den, der auf unrechte Weise die Herrschaft in seinem Besitz hält« Rv. 7, 104, 13. Was die Befugnisse des Königs anlangt, so hat er im Kriege das Recht des Oberbefehls, er ist satpati; er hat weiter die Verpflichtung, in ernsten Momenten wie z. B. bei einer bevorstehenden Schlacht für den Stamm das Opfer zu veranstalten, es selbst darzubringen oder durch einen ihm befreundeten Sänger darbringen zu lassen. Über seine Aufgabe im Frieden melden uns die vedischen Lieder sehr wenig. Er war gopa janasya, »Beschützer seines Volkes« Rv. 3, 43, 5, musste also darauf bedacht sein, nach aussen hin zu wachen und besonders gegen die ins Gebirge zurückgewichene Urbevölkerung auf der Hut sein, im Falle der Noth gegen sie ausziehn — »Du o Soma nahmst wie ein pflichtgetreuer König die Berge in Besitz« Rv. 9, 20, 5 —, wie es Divodasa that, der den im Gebirge herrschenden Çambara aufsuchte und seine auf den Bergen angelegten Zufluchtsstätten zerstörte Rv. 2, 12, I 1 ; 4, 26, 3; 6, 26, 5 ; 6, 33, 4 u. ö. Vergleiche Seite 107.

Dauernden Gehorsam hatte das Volk andererseits seinem Herrscher zu erweisen (Rv. 1, 67, 1; 4, 50, 8), widrigenfalls er sich denselben erzwang (Rv. 9, 7, 5). Festgesetzte Abgaben zahlte das Volk an den König nicht, es brachte ihm freiwillig Geschenke; denn balihrt in Rv. 10, 173 bedeutet nur dieses. Bali heisst Rv. 1, 70', 9; 5, 1, 10 einfach Spende, Geschenk. Der Wunsch, Indra soll die Gaue steuerpflichtig machen, hätte keinen Sinn, wenn bali ein mit der Königswürde verbundenes, gesetzlich bestimmtes Einkommen wäre — verlangten doch nach Vers 2 die Gaue den Herrscher —; wohl aber ist der Wunsch berechtigt, wenn bali eine freiwillige Leistung war. Das Ergebnis stimmt ebenfalls gut zu den altgermanischen Verhältnissen: »Mos est civitatibus ultro ac viritim conferre principibus vel armentorum vel frugum, quod pro honore acceptum etiam necessitatibus subvenit« Tacitus Germania 15. Wie die freiwillige Gabe nach und nach zur Pflicht wurde, die bete zur Forderung bei den Deutschen (Grimm Deutsche Rechtsalterth. 246 ff.; 297 ff.), so wohl auch bei den vedischen Stämmen. Nur wo bali bei besiegten arischen Stämmen gebraucht wird, dürfen wir »Tribut, Abgabe« darin suchen: »Er der mit seinen Keulenschlägen die Erdwälle niederwarf, die Morgenröthen (d. h. das Land gegen Osten) den Ariern zu eigen machte, der warf die Gaue der Nahus nieder, er der ewig junge Agni und machte sie mit Gewalt zinspflichtig« rühmt Vasishtha Rv. 7, 6, 5; vgl. 7, 18, 19: »Den Indra unterstützten die Yamuna und das Volk der Trtsu, dort beraubte er den Bheda seines Lebens; die Aja, Çigru, Yakshu brachten Pferdehäupter als Tribut dar«.

Ob der Tribut zinspflichtig gemachter Stämme dem Herrscher allein zufloss, wissen wir nicht; wohl aber geht aus einer ganzen Reihe von Danastuti hervor, dass dem König als Heerführer ein bedeutenderer Theil der Beute zufiel. Vielleicht wurden auch dem Herrscher, wenn ein Stamm nach Wanderungen und Kämpfen in einer Landschaft sich dauernd niederliess, bei Vertheilung des Landes grössere Gebiete zugewiesen, eine grössere Anzahl der Urbewohner als Sklaven gegeben; nähere Angaben hierüber fehlen jedoch.

Vor den Unterthanen zeichnete sich der König äusserlich dadurch aus, dass er prachtvoll geschmückt war. Früher sahen wir, wie sehr die vedischen Arier den blinkenden Goldschmuck liebten; kein Wunder, wenn öfters Herrscher bei feierlichen Gelegenheiten sich so damit behängten, dass sie goldähnlich (hiranyasamdrç) aussahen Rv. 8, 5, 38. »Die Marut sind Helden von funkelndem Aussehen (tveshasamdrç) wie Könige« heisst es Rv. 1, 85, 8; auch Rv. 10, 78, 1 werden die Marut glänzenden (citra) Königen von schönem Aussehen (susamdrc) verglichen. Umgeben war der Herrscher von einem grösseren Gefolge (ibha). Unter letzterem Ausdrucke hat man nicht bloß Hörige und Dienerschaft zu verstehen; er kann und wird zugleich die ganze, oft weitverzweigte königliche Familie bezeichnen, womöglich auch Jünglinge aus den angesehensten Geschlechtern des Stammes mit einbegreifen. Den Fürsten Tugra und sein Gefolge vollständig liefert Indra dem Dyotana aus nach Rv. 6, 20, B. »Fahr hin, o Agni, (so glänzend) wie ein gewaltiger König mit seinem Gefolge (ibhena)« Rv. 4, 4, 1.

Nach Rv. 2, 41, 5; 7, 88, 5 bewohnen Mitra-Varuna einen grossen Palast mit 1000 Säulen und 1000 Thoren. »Varuna der einsichtige, der feste Satzungen hat, setzte sich in seinem Palaste zur Allherrschaft nieder; von dort überschaut er achtsam alles Verborgene, was geschehen ist und noch geschehen wird; er trägt einen goldenen Mantel, es kleidet sich Varuna in Prachtgewänder; seines Befehls gewärtige Diener (spaçah) sitzen um ihn herum« Rv. 1, 25, 10f. Diesen Schilderungen dienten thatsächlich gesehene Zustände zweifelsohne als Vorbild, die nur entsprechend der Würde des höchsten Aditya weiter ausgeschmückt und vergrössert wurden.

Ein gerechter und pflichtgetreuer König war bei seiner Umgebung geehrt (Rv. 9, 57, 3) ; es gab jedoch auch harte und grausame Naturen, die gegen Familie und Gefolge wütheten: »Agni vernichtet die Wälder wie ein König die Glieder seines Gefolges« (ibhyan) Rv. 1, 65, 4. Fast in jedem Stamme finden wir Sängerfamilien, die sich in der Umgebung des Königs aufhielten; sie priesen die Thaten des Herrschers und seines Volkes: »Wie Könige durch Preisgesänge verherrlicht werden, so der Soma durch die beigemischte Milch« Rv. 9, 10, 3. So ist die Familie der Vasishtha bei den Trtsu , der Viçvâmitra bei dem Bharatavolke thätig. Von der Freigiebigkeit der Herrscher mussten diese Sänger grösstentheils leben, sie suchten sich daher, soviel es anging, unentbehrlich zu machen. Ein Opfer ohne Preisgesang, Somakelterungen ohne Loblied sind Indra und den Göttern nicht angenehm: »Aus den Lobgesängen schaffe das Falsche weg, mit Preisgesang wollen wir die besiegen, die keinen darbringen; nicht sonderlich gefällt dir ein Opfer ohne brünstiges Gebet« Rv. 10, 105, 8. »Nicht erfreut ungekelterter Soma den Indra, auch nicht der gekelterte den Mächtigen, wenn derselbe ohne Gebet dargebracht wird: ihm will ich einen Preisgesang zeugen, an dem er Gefallen finden soll, einen neuen, damit er uns höre. Bei jedem Preisgesang erfreut der Soma Indra, bei jeder neuen Weise den Schätzeherrn die Kelterungen« Rv. 7, 26, 1. 2. »Es verschmäht der jugendliche (Indra) den Opferbrei, der ohne Lied (paro gira) ihm bereitet wird« Rv. 8, 69, 14.

Nicht aber war es jedem Könige und jedem Reichen gegeben, bei einem grösseren Opfer einen solchen Preisgesang kunstvoll und wohlgeordnet (sudhita) zu Stande zu bringen. Da trat ein Mitglied aus einer Sängerfamilie an seine Stelle (purohita); war das Opfer von sichtlichem Erfolg begleitet, so wussten die Sänger diesen Umstand wohl auszunützen. Weil er puraetar bei Sudâs war, siegten die Scharen der Trtsu, unterlagen die Bharata, schärft Vasishtha Rv. 7, 33, 6 dem Herrscher ein; »des Viçvamitra Preisgesang schützt das Bharatavolk« behauptet sein Gegner Rv. 3, 53, 12.

Immer wieder führte man es dem Fürsten zu Gemüthe, wie nothwendig es sei, Sänger an sich zu fesseln, freigiebig zu beschenken. Wehe dem Herrscher, der nicht nach Wunsch der Sänger ,lohnte: »Mit deinen Hülfen versehen, o Brhaspati, sind die Fürsten (maghavan) unversehrt, heldenreich; die Ross und Rind und Gewänder spenden, unter ihnen sollen beglückende Reichthümer sein. Lass zerrinnen das erworbene Gut derer, welche aus unsern Lobliedern Nutzen ziehen ohne zu spenden; die Gottlosen, die beim Gütererwerb gedeihen, die Gebetshasser halte fern vom Licht der Sonne« Rv. 5, 42, 8-9; und Rv. 1, 120, 12: »Jetzt bin ich des Schlafes überdrüssig und des nichtspendenden Reichen; mögen beide flugs umkommen«.

Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, führten Sänger ihren Beruf geradezu auf Indra zurück, aber auch das Recht, Spende zu empfangen : »Indra weckte den Sänger (mit den Worten) : Erhebe dich, sammle dich und singe, mein des ungestümen Preis verkünde; jeder Fromme soll dir dafür spenden« Av. 20, 127, 11. Gebeten wird daher auch nur für solche Herren, die rind- und rossereiche Spende strömen lassen, den Sänger und sie soll Agni zu höchstem Glück führen Rv. 2, 1, 16; 2, 2, 13. Sind die Kargen in den Augen der Sänger gottlos (avrata), so nennen sie den reichlich Spendenden »fromm, seine Pflichten erfüllend« (suvrata): »Labungspendende Fluthen , Milchtränke fliessen zu dem, der geopfert hat und der Opfer bringt; zu dem Freigiebigen, reichlich Spendenden eilen von allen Seiten die schwellenden Ströme der Fruchtbarkeit; des Himmelsgewölbes Gipfel ersteigt er. Der, welcher reichlich spendet, wandelt unter den Göttern, ihm strömen die Flüsse Fruchtbarkeit (Fett) zu, ihm strotzt die Milchkuh immerdar; denen, die reichlichen Opferlohn geben, gehören die Sonnen, diejenigen, welche reichen Opferlohn geben, erlangen Unsterblichkeit; die reichen Opferlohn geben, verlängern ihr Leben. Nicht sollen die reichlich Spendenden in Noth und Schuld gerathen, nicht sollen die ihre Pflichten gewissenhaft erfüllenden Opferherrn dahin altem; alles diene ihnen zur Schutzwehr: den Nichtspendenden treffe jegliches Leid« Rv. 1, 125, 4-7.

Wahrhaft königlich waren aber auch oft die Geschenke der Reichen an die priesterlichen Sänger, besonders nach Besiegung eines gefährlichen Feindes (vgl. Rv. 7, 18, 21 ff.). Oben Seite 129 sind bei anderer Gelegenheit zwei sogenannte Danastuti, d. h. Aufzählung und Preis empfangener Geschenke, angeführt. Eine weitere findet sich Rv. 1 , 126, 1-4 : »Mit Andacht trag ich vor die muntern Preisgesänge über Bhavya, den an der Sindhu wohnenden, der mir hundert Kelterungen zutheilte, der unübertreffliche König, nach Ruhm begierig. Hundert Nishka erhielt ich voß dem in Noth befindlichen Herrscher, hundert an einem Tage dargebotene Rosse, hundert Rinder (erhielt ich) Kakshivant von dem himmlischen: am Himmel breitete er un-alternden Ruhm ans. In meinen Besitz kamen durch Svanaya's Geschenk zehn braune Gespanne samt Wagen und Sklavinnen, tausend und sechzig Kühe folgten nach; es erlangte sie Kakshivant bei der Einkehr der Tage. Vierzig feuerfarbige Rosse leiteten an der Spitze von Tausend, die von zehn Wagen begleitet waren, den Zug; muntere, mit Perlen geschmückte Renner strichen die Kakshivant, des Pajra Nachkommen ein«. Besonders reich an Danastuti ist der Anfang des 8. Mandala des Rigveda: voll von überschwenglichem Preise des freigiebig Spendenden ist Rv. 10, 107 ein sehr später Hymnus ; wegen der Mannigfaltigkeit der erwähnten Gaben sind beachtenswerth Rv. 8, 55. 56 Valakh. (7. 8).

Sind die Danastuti zum Theil auch Übertreibungen, durch die ein Sänger den Herrn, bei dem er sich eben befand, zur Nachahmung anspornen wollte, so bleibt doch immer so viel bestehen, dass die Geschenke oft bedeutend waren. Selbstredend sind die maghavan, suri, die von den Sängern verherrlicht werden, nicht bloß Könige; auch die reicheren unter den Unterthanen benutzten diese Sänger, stieg dadurch doch ihr Ruhm. Mit der Ausbildung der brahmanischen Hierarchie wurde, wie wir später sehen werden, die Freigiebigkeit gegen die Priesterkaste Verpflichtung; der Lohn (dakshina), den ein Priester für seine Thätigkeit bei Opferfeierlichkeiten zu fordern hatte, war für jeden speciellen Fall fest und bestimmt. Die Angaben der Brahmana und Sutra hierüber hat Weber gesammelt Ind. Stud. 10, 49 ff.: vgl. ZDMG. 15, 136 ff.

An der Spitze des Gaues werden wir den viçpati erwarten: in dem streng rechtlichen Sinne das Wort im Rigveda nachzuweisen, wird schwer fallen. Seiner ursprünglichen Bedeutung nach »Herr einer Niederlassung« kann es den Hausherrn, das Gemeindeoberhaupt, das Haupt des Gaues — der viç im speciellsten Sinne — und den König bezeichnen. Einzelne Stellen lassen auch die Bedeutung Vorsteher eines Gaues zu ; vgl. Rv. 1, 37, B. Als Beiwort Agnis und Indras hat es den Sinn »Hausherr« oder »Herrscher« überhaupt.

Das Dorf wird repräsentiert durch den gramani »Anführer des Heerbannes« der bestimmten Ortschaft : an einer andern Stelle (Rv. 10, 179, 2) wird er vrajapati genannt.

Suchen wir nun das rechtliche Verhältnis, in dem die dargelegten Factoren der Regierung eines Stammes unter einander und zum Volke stehen, noch näher zu bestimmen, soweit dies möglich ist.

Das Königthum ist nirgends ein absolutes, sondern überall durch den Willen des Volkes beschränkt. Von selbst versteht sich dies in den Wahlmonarchien. Die Thätigkeit und Mitwirkung des Volkes wird in Versammlungen ausgeübt; solcher gab es im vedischen Staate gemäss seiner Gliederung drei.

Die Versammlung der Dorfgemeinde hiess sabha; weiterhin bezeichnete das Wort auch das Gemeindehaus, wo diese Versammlungen stattfanden, und dann allgemein geselliges Local für die Männer, Spielhaus. Wenn wir die Schilderung, die Tacitus Germ. 22 von den altgermanischen Dorfversammlungen sich findet, auf die vedischen Stämme übertragen, so erklärt sich sehr gut der Bedeutungsübergang von Gemeindehaus in Vergnügungslocal für Männer und speciell Spielhaus. Der in der Sabha versammelten Gemeinde präsidierte wohl der gramani (vrajapati) ; über die eigentliche Thätigkeit dieser Versammlung fehlen sichere Nachrichten. Discutiert wurde jedenfalls viel; »in der Sabha brauchbar« (sabheya) war ein Haupterfordernis des arischen Mannes : Soma gibt dem, der ihm dient, die Milchkuh, Soma das schnelle Ross, Soma den Mann, der geschickt zu Thaten (karmanya), im Haus, im Rathe und beim Opfer brauchbar (sadanya, sabheya, vidathya) und der Väter Ruhm mehrend (pitrçravana) ist« Rv. 1, 91, 20. Zweifelsohne werden in ihr die Streitsachen der Ortsangehörigen zur Verhandlung gekommen sein, wie ja in spätem Schriften Sabha vielfach die Bedeutung »Gerichtshof« hat. Diesen Sinn scheint Mahidhara in der Pönitenzialformel V. B. 20, 17 zu suchen: »Welche Schuld wir im Dorfe, welche in der Wildniss, welche wir in der Sabha begangen haben«; er erklärt pakshapatadi yadenah »Schuld die in Parteilichkeit und Anderem ihren Grund hat«. Anders V. S. 3, 45, wo die Formel nahezu wörtlich wiederkehrt: mahajanatiraskaradikam enah »Schuld die in Schelten (Schmähen) der Leute ihren Grund hat«. Es wird wohl beides gemeint sein.

War der geschäftliche Theil der Versammlung erledigt, so folgte gemüthliches Zusammensein : Eine Gesellschaft vergnügte sich beim Würfelspiel (Rv. 10, 34, 6) ; nach Av. 5, 31, 6, 7 gehören Sabha, Spielbrett und Würfel so enge zusammen wie Heer, Pfeil und Trommel. Ein aufs Spiel Versessener wird V. S. 30, 18 scherzhaft Pfosten an der Sabha genannt (sabhasthanu); ja Av. 12, 3, 46 steht Spiel (dyuta) geradezu für Versammlung des Dorfes (sabha), wie die Parallele mit Samiti zeigt.

Andere unterhielten sich : »Wir kennen dein Wesen (dein charakteristisches Merkmal naman), o Sabha, Scherz (Geplauder narishta) bist du nämlich; alle Theilnehmer an der Sabha sollen mit mir gleiche Rede führen. Der dasitzenden Kraft und ihres Verstandes habe ich mich bemächtigt : mache mich, o Indra, zum glücklichen dieser ganzen Versammlung. Wenn euer Geist abwesend ist, wenn er hier- oder dorthin geheftet ist: ihn wenden wir hierher, an mir soll euer Sinn Gefallen finden«. Av. 7, 12, 2 — 4.

Arn häufigsten wird sich das Gespräch um das liebste Gut, um die Kühe gedreht haben: »Ihr Kühe macht den Magern fett, den Hässlichen macht ihr schön, glücklich macht ihr das Haus, ihr, die ihr Heilbringendes redet; laut wird eure Vortrefflichkeit in den Versammlungen (sabhasu) besprochen« Rv. 6, 28, 6. Stolz ging daher der Rosse -, Wagen - und Rinderreiche in die Gemeindeversammlung, bekam er doch dort sein Lob zu hören: »An Rossen, Wagen, Rindern ist, Indra, dein Freund reich, schön geschmückt; mit trefflicher Speise ist er stets versorgt: herrlich geht er in die Sabhâ« Rv. 8, 4, 9.

Noch eine dritte Beschäftigung der Männer möchte ich in die Sabha verlegen nach altgermanischer Analogie. In freiem Scherze unterhielten sich die alten Deutschen bei den Versammlungen der Gemeinde (Tacitus Germ. 22); Spruch und Lied bei Gelagen sind durch einheimische Quellen wohl bezeugt. Sogenannte Trotzreden (altn. Iprottr) kamen vor, in denen der Eine in kecken Worten seine Thaten und Fähigkeiten herzählte und damit einem Andern den Fehdehandschuh hinwarf; sofort erhob sich dieser und seine Vorzüge aufzählend suchte er den Gegner zu überbieten. Hatten die vedischen Arier etwa weniger Stoff zu solchen Unterhaltungen als die alten Deutschen? haben wir doch gesehen, dass man sich über Kühe unterhielt; soll da nicht öfters ein Wettstreit entstanden sein? besonders ist zu bedenken, welche Gefühle das Wort Kuh (go) bei jenen Stämmen erweckte. Hier zeigte sich die Schlagfertigkeit eines Mannes, und diese wird, wie ich glaube, durch sabheya ausgedrückt: »Ein schlagfertiger Sänger (sabheyo viprah d. i. der immer zur rechten Zeit Lied und Spruch zur Hand hat) der trägt Schätze heim mit seinem Liede« Rv. 2, 24, 13. Vergleiche auch die Seite 172 angeführte Erklärung Mahidharas zu V. S. 3, 45.

Ludwigs Auffassung von der Sabha (Nachr. Seite 55) trägt den Stempel der Unwahrscheinlichkeit deutlich an sich; es soll »eine Versammlung höherer Ordnung« gewesen sein. Also wohl wenn das ganze Volk zusammenkam, dann unterhielt man sich über Kühe? und gar sabheyo viprah »ein Brahmane, der nicht gemeinen Leuten seine Verrichtungen anbietet! Einen Beweis, dass Sabha nur Ge m e i n d e v e r s am m l u n g ursprünglich sein kann, habe ich bis jetzt übergangen. Schon längst hat Ad. Kuhn darauf hingewiesen, dass got. sibya Verwandtschaft eine Secundärbildung von einem Nomen siba = ved. sabha ist: wir sahen nun oben, wie grama Dorf und janman Verwandtschaft identisch gebraucht werden : nur wenn sabha einfach Versammlung des grama, des janman war, kann germ. sibya die Bedeutung bekommen, die es im Gotischen wirklich hat; vgl. Zeitschr. f. vergl. Sprachf. 4, 370 ff.

Der Versammlung der Tausendschaft oder des Gaues bei den Germanen wird wohl die der viç bei den vedischen Stämmen entsprochen haben. Bestimmte Angaben hierüber fehlen in unseren Texten.

Die Versammlung des Stammes heisst samiti; an ihr nimmt der König Antheil: »Wie der Hotar die viehreichen Hürden umwandelt, wie ein rechter (tüchtiger) König in die Versammlungen eilt (samitih), so strömte der geläuterte Soma in die Becher, er liess sich nieder wie ein Büffel im Walde« Rv. 9, 92, 6. Die Versammlung des ganzen Götterstaates, der ja auch in viç getheilt war (Rv. 8, 69, 3; 8, 75, 8 u. s.), heisst devi samiti Rv. 10, 11, B. Dieselbe Versammlung wie samiti bezeichnet auch vidatha in Rv. 1, 130, 1: Indra soll zum Sänger kommen wie ein König und Heerführer in die Versammlungen (vidathani). Was die Obliegenheiten dieser grossen Versammlungen waren, darüber sind wir nur wenig unterrichtet; jedenfalls wurden nur wichtigere Fragen darin behandelt. Dass oft die Ansichten stark von einander abwichen, dürfen wir aus Rv. 10, 191 schliessen, einem Hymnus, der zum Theil Wünsche enthält für die Eintracht der Samiti. Dasselbe wie Samiti ist auch Samgati in der Stelle Rv. 10, 141, 4 — Av. 3, 20, 6.

In Wahlmonarchien fand zweifelsohne durch die vereinigten Viç in der Samiti die Erkürung des Herrschers statt. Av. 6, 87. 88 bieten das oben Seite 163 übersetzte Lied fast ohne Variante; nur an Stelle von Rv. 10, 173, 6 steht folgende Rc: »Fest, unerschütterlich zermalme die Feinde, deine Gegner unterwirf dir; alle Gaue (wohl viçah für diçah zu lesen, vgl. Av. 6, 87. I = Rv. 10, 173, I) sind einmüthig, eines Sinnes; dir dem festen (d. h. für fest, dauernd erwählten) gehorche (füge sich) die Versammlung (samiti)«. Vergleiche noch Av. 5, 19, 15 mit Av. 3, 4, 6.

Seite 162 habe ich es unentschieden gelassen, ob der König aus einer bestimmten Herrscherfamilie genommen wurde, oder ob die Wahl in jeder Beziehung uneingeschränkt war. In beiden Fällen waren mehrere Bewerber (sapatna) vorhanden, und es konnte leicht zu Zwistigkeiten kommen, ja sogar zur Vergewaltigung an der Versammlung selbst, wenn ein einflussreicher Throncandidat seinen Willen gegen die Versammlung durchsetzen wollte. In den Mund eines solchen möchte ich Hymnus Rv. 10, 166 legen:

1. Mache mich zu einem Stier unter den vereinten Nebenbuhlern, nebenbuhlerbesiegend, zu einem Vernichter der Feinde, zum Herrscher, Hirten der Herde (gopatim gavam).
2. Ich vernichte meine Mitbewerber wie Indra der unversehrte, unverletzte; unter meine Füsse sollen alle mir im Wege stehenden (abhishthitah) Bewerber.
3. Ich binde euch zusammen wie die Bogenenden mit der Sehne; Vacaspati vertreibe jene, dass sie unter meiner Botmässigkeit reden.
4. Überlegen bin ich hierher gekommen mit zu Allem fähiger Schar (viçvakarmena dhamna); eurer Absicht, eures Beschlusses, eurer Versammlung (samiti) bemächtige ich mich.

Auf einen in dieser Weise zur Herrschaft gekommenen passt das oben angeführte Wort Rv. 7, 104, 13.

Es erübrigt noch die Bedeutung von samiti in Rv. 10, 97. 6 festzustellen. Es redet dort der Kräutermann: »Bei dem die Kräuter zusammenkommen wie die Râjânah in der Samiti, der gilt für geschickten Arzt, Krankheitvertreiber, Dämonenvernichter«. Von gemeinsamen, regelmässigen Zusammenkünften der Herrscher verschiedener Stämme kann meines Bedünkens keine Rede sein. Dürfen wir etwa nach altgermanischem Vorbild unter den vedischen Stämmen neben erblichem Königthum und Wahlmonarchie noch eine dritte Staatsform annehmen? Die nämlich, dass im Frieden der Stamm kein einzelnes Oberhaupt hatte, sondern mehrere Glieder der königlichen Familie die Herrschaft ausübten. Râjan heisst »Herrscher«, und in einem solchen Staatswesen konnten, wenn sich kein einzelner Herrscher an der Spitze des Ganzen befand, die einzelnen berechtigten Glieder der stirps regia sehr gut Rajan heissen, was Tacitus durch principes in den altgermanischen Verhältnissen ausdrückt. Kommt die Samiti zusammen, dann führen natürlich an Stelle des princeps civitatis (raja janasya) diese Edlen als principes (rajanah) den Vorsitz. So fügt sich die Stelle gut ; vergleiche auch Av. 19, 57, 2. Es lassen sich vielleicht zu weiterer Stütze die oben Seite 163 — 165 übersetzten Lieder Av. 1, 9; 3, 4; 4, 22 herbeiziehen. Der dort Angeredete soll an die erste Stelle unter seinen Verwandten (sajata) treten Av. 1, 9, 3, die Verwandten sollen in Gehorsam sich ihm beugen Av. 3, 4, 3, an der Spitze der königlichen Familie (kshatranam) soll er als König (rajan), als unumschränkter (ekaraj, ekavrshan) stehen Av. 4, 22, 1. 2; 3, 4, 1. Es läge dann der Fall vor, dass ein solcher Angehöriger der königlichen Familie (kshatra) sich mit Beeinträchtigung seiner Verwandten (sajata) zum Alleinherrscher (ekaraj) machte. Aus den altgermanischen Verhältnissen ist uns ein solcher Vorgang beim Stamme der Cherusker überliefert. An der Spitze der Cherusker standen Arminius, sein Oheim Inguiomerus, der ebenfalls verwandte Segestes und dessen Bruder Segimerus (Tacitus Ann. 1, 60 ; 2, 17; 1, 55. 57) : alle führen den Titel princeps und machen die regia stirps aus (Ann. 11, 16). Als nun Arminius darnach strebte Alleinherrscher (ekaraj, ekavrshan oben) zu werden, da brach ein Kampf aus, in dem er unterlag: Arminius regnum adfectans dolo propinquorum (sajatanam) cecidit (Tacitus Ann. 2, 88).

V i d a t h a ist in der oben angeführten Stelle Rv. 1, 130, 1 gleich Samiti; vidatheshu praçastah »in Versammlungen geachtet« und ähnliche Ausdrücke gehen wohl auf kleinere Versammlungen als die Samiti? Am häufigsten kommt vidatha im Sinne von »Festversammlung« vor. Samana hat nur letztere Bedeutung.

Diebe, Wegelagerer und andere Unholde

Die vedischen Arier waren nichts weniger als »Heilige« untereinander: »Missgunst ist überall verbreitet« klagt der Sänger Av. 5, 7, 9; sie ist ein wegelagerndes, wildes Thier (paripanthin mrga) Av. 3, 15, 1. Die Beziehungen der Einzelnen waren daher nicht immer die friedfertigsten. In schöne Gesellschaft führt uns z. B. Rv. 1, 42: Agha vrka »verderblicher Räuber«, duhçeva »Unholdgesinnter«, paripanthin »Wegelagerer«, mushivan »Spitzbube«, huraçcit »Trugsinner«, dvayavin aghaçamsa »doppelzüngiger Bösewicht«; alle diese soll Pushan fern halten auf der Reise. Rv. 1, 103, 6 wird Soma verglichen einem Wegelagerer, der, nachdem er niedergeschlagen hat (ahatya), die Habe des Überfallenen zur Vertheilung bringt.

Meineid kam vor, indem man falsch bei den Göttern schwor (anrtam çap Rv. 1, 23, 22). Betrüger (ripu) suchten auf alle Weise zu schaden durch Verleumdung und Falschheit (dvaya); auf ihr Haupt soll nach dem Wunsche eines Sängers die doppelzüngige Rede als schwerer Zauberspruch fallen, den Schaden sollen sie auf sich selbst zurückwenden mit den unheilvollen Worten Rv. 1, 147, 4.

Neben dem Betrug im Spiel war besonders Diebstahl im Schwange: »Seinen (Agnis) Spuren gehen die Andächtigen nach wie denen eines im Versteck sich bergenden Viehdiebes (die Leute)« Rv. I, 65, 1. Im Dunkel der Nacht trieben die Diebe ihr unsauberes Handwerk; wenn aber Ushas, die lichtgekleidete Maid, die die Feinde fernhält (yavayaddveshas), das Recht schützt (rtapa), erscheint (Rv. 1, 113, 12) , wenn der allschauende Surya aufsteigt, dann schleichen die Diebe hinweg Rv. 1, 50, 2. »Wenn Agni losgelassen wird, dann strahlt er über das dürre Erdreich hin sehr schnell, wie ein schuldbeladener Dieb flüchtigen Fusses dahineilt«, heisst es Rv. 6, 12, 5; vgl. auch tayu paçutrp Rv. 7, 86, 5. In die Hürden brachen sie ein und trieben das Rindvieh weg (Av. 19, 50, 5) — : »Alle Hindernisse überwältigen die Heilkräuter wie ein Dieb (stena) die Hürde« Rv. 10, 97, 10 —, was überhaupt nur verwendbar war, hiessen sie mitgehen: »Ihm (dem Dadhikra) schreien nach die Menschen in den Schlachten wie (die Menschen) einem kleiderraubenden Diebe (vastramathim na tayum)« Rv. 4, 38, 5. »Du hast, o Nacht, hinweggescheucht durch Helle den Dieb und den Rinder wegtreibenden Räuber, selbst den, welcher die Rosse wegzuführen beabsichtigte, nachdem er sie am Kopf gezügelt (? nachdem er ihnen den Kopf bedeckt çiro abhidhaya) hatte« Av. 19 , 50, 5.

Wie leicht begreiflich, war Gefahr immer mit dem Diebstahl und Raub verknüpft; Leib und Leben stand häufig auf dem Spiel, dafür waren diese Verbrecher aber auch auf alles gefasst: »Wie zwei im Walde schleichende, Leib und Leben dranwagende Diebe (sich zu jeglichem rüsten), so schirren sich die beiden (Hände) mit den zehn Zügeln« Rv. 10, 4, 6.

Bei diesen Verhältnissen kommen uns Gebete wie das Grtsamadas Rv. 2, 23, 16 sehr berechtigt vor: »Nicht (o Brahmanaspati) überliefere uns den Dieben (stena), die im Hinterhalt (druhaspada) heimtückisch lauernd nach der Nahrung gierig greifen, die der Götter Allmacht in ihrem Herzen spotten; o Brhaspati , sie achten fernerhin auch nicht der Gesänge«. Zahlreich sind daher in den Liedern des Rigveda die Bitten um Schutz in der Fremde (in der Ferne parake a) und in der Heimath (astamike a) Rv. 1 , 129, 9, in der Wildnis (arane, aranye) und daheim (ama) Rv. 10, 63, 16; 6, 24, 10, auf der Reise (adhvan) und daheim Rv. 6, 51, 15, in Schlachten und in den heimischen Gauen Rv. 6, 41, 5. V. S. 11, 79 werden unterschieden malimlu (cf. T.S. 6, 3, 2, 6; Av. 19, 49, 10) und stenasastaskarah; erstere brechen in die Wohnungen der Menschen ein, letztere lauern draussen, im Walde (vane) auf. V. S. 16, 20. 21 wird Rudra genannt Herr der Angreifer (avyadhin), Diebe (stena), Spitzbuben (stayu), Räuber (taskara), Bestehler (mushnant) und Zerreisser (vikrnta); neben einander finden sich daselbst (16, 25) aufgezählt Haufen (ganah)), Banden (vratah) und Gauner (grtsah).

Ein schönes Gebet an die Nacht um Schutz gegen solche Gesellen findet sich Av. 19, 47:

»0 Nacht, der irdische Luftraum ward erfüllt von den Wunderschöpfungen des Vaters, du breitest dich aus bis zu den erhabenen Sitzen des (Vater) Dyaus, und das flimmernde Dunkel rollt herbei. 1.
In ihr, deren jenseitige Grenze nicht gesehen wird noch das Ende, geht alles zur Ruhe, was sich regt : unversehrt, o weite, dunkelreiche Nacht, möchten wir dein Ende erreichen, o günstige, dein Ende erreichen. 2.
Deine männerbeschauenden Späher, o Nacht, neunzig und neun sind es, achtzig und acht sind es und auch sieben und siebenzig. 3.
Sechzig und sechs, o reiche, fünfzig und fünf, o holde, vier und vierzig, drei und dreissig, o nahrungsreiche. 4.
Zwei sind dir und zwanzig, o Nacht, elf sind die wenigsten : mit diesen Wächtern schütze uns heute, o Tochter des Dyaus (Himmels). 5.
Kein Dämon, kein Bösewicht habe über uns Gewalt, kein Übelgesinnter habe Gewalt, nicht soll heute ein Dieb unsere Kühe, ein Wolf unsere Schafe in seine Gewalt bringen. 6.
Nicht unsere Rosse der Räuber, o gütige, nicht unsere Männer die Unholdinnen (Yatudhani): auf den entferntesten Wegen soll Dieb und Räuber laufen. 7.
Vorüber gleite die Schlange (datvati rajjuh - der mit Zähnen versehene Strick), vorüber der Boshafte; mache blind, o Nacht, die Schlange von beissendem Hauch, mach sie kopflos. B.
Die Kiefer des Wolfes zerbrich, den Dieb schlag in den Block; in dir, o Nacht, verweilen wir, werden wir schlafen: wache du. 9.
Unsern Rindern verleihe Schutz, den Rossen und unsern Leuten.« 10.

Rechtspflege, Bestrafung

Sehen wir uns näher nach der Rechtspflege um, so ist, was wir den geschilderten Verhältnissen gegenüber von Gericht und Rechtsprechung erfahren, sehr unbefriedigend. Rv. 10, 97, 12 redet der Arzt zu seinen Kräutern: »Wenn ihr o Kräuter von Glied zu Glied, von Gelenk zu Gelenk dieses (kranken Mannes) kriecht, dann vertreibt den Yakhsma draus wie ein gestrenger madhyamaçi«. Roth Siebenzig Lieder S. 174 übersetzt: »Treibt ihr das Siechthum vor euch her, als wäre durch strengen Richterspruch«. Madhyamaçi kann recht wohl den Urtheil sprechenden Richter bezeichnen, insofern er von andern richterlichen Personen umgeben war, und die Versammlung, wie nach altgermanischem Brauch, im Kreise ihn umstand. Auch Rc 11 desselben Sukta möchte Roth ähnlich deuten: »Wenn ich, ihr Arzeneien, euch in meine Hände drohend fass, so macht das Siechthum sich davon, es bangt ihm vor des Häschers Griff« übersetzt er und bemerkt dazu: »Die Krankheit ist der Verbrecher, der vor dem Diener der Obrigkeit sich flüchtet«. Jivagrbh kann aber ungezwungen durch »Verfolger« wiedergegeben werden, und das von Roth vermuthete Bild braucht nicht in dem Verse zu liegen.

Ausgebildete Rechtsbegriffe waren sicher vorhanden, Untersuchung des Verbrechens, entsprechende Strafen fanden Statt; dies bezeugt das Vorhandensein der sprachlichen Ausdrücke hierfür: dharman das Gesetz , die feststehende Ordnung sowohl am Himmel als auf Erden: agas die Verletzung des dharman, Vergehen gegen Götter und Menschen. Der eigentliche Begriff für Schuld ist rna : rnavan schuld- und schuldenbeladen ist der Spieler (Rv. 10, 34, 10), der seine Familie ins Unglück brachte und im Dunkel der Nacht an fremder Habe sich vergreifen will; rna schuldig heisst der Dieb (tayu) Rv. 6, 12, 5.

Öfters hat man den speciellen Begriff von Schuld gleich Darlehen. Schulden wurden hauptsächlich im Spiel gemacht (kar); Av. 6, 119, 1 werden ausdrücklich diejenigen erwähnt, die man noch ausserhalb desselben macht: »Was ich ohne zu spielen für Schulden mache und was zusage (sam-gir) mit der Absicht, es nicht wieder zu geben«. Eine Schuld abtragen heisst sam-ni, musste doch das Vieh, mit dem dies meistens geschah, wirklich zusammengetrieben werden: »Wie wir eine Kali (Sechszehntel), ein Çapha (Achtel), wie wir die ganze Schuld zusammenbringen« Rv. 8, 47, 17. Ein Vergehen strafen heisst rnani ci; Indra ist rnacit, rnakati, rnaya, rnayavan schuldrächend. Apaciti (= àpótisis) ist die Bestrafung; für Jemanden eintreten, für ihn sprechen heisst adhi-bru. Auch der Ausdruck Av. 6, 32 , 3 = 8, 8, 21: »Nicht sollen sie einen jnatar (wohl Entlastungszeuge?), eine pratishtha (Zufluchtsstätte ?) finden; insgesamt auseinander getrieben sollen sie dem Tode anheimfallen« scheint aus der Rechtsprache genommen zu sein.

In den meisten Fällen wird, wenn ein Verbrecher auf der That ertappt wurde, sofortige Strafe eingetreten sein. Einfachstes Zuchtmittel war der Stock: ist derselbe doch durch die ganze spätere indische Zeit noch das Symbol der Justiz. Da man in jenen Zeiten auf Staatskosten noch keine Gefängnisse hinstellte, so musste auf eine andere Art gesorgt werden, Verbrecher für einige Zeit festzuhalten. Die Vorrichtung war so einfach als möglich; man band den Missethäter mit Stricken oben, unten und in der Mitte an eine feststehende Holzsäule (drupada) Rv. 1, 24, 13. 15. Wie einen nach Herden lüsternen Dieb soll Varuna den kranken Vasishtha von der Sünde Band losbinden Rv. 7, 86, 5 d. h. wie man einen wegen versuchten Diebstahls gefesselten Dieb wieder freigibt.

»An eherner Säule (ayasmaye drupade) wurdest du befestigt, gebunden mit tausendfachem Tode« Av. 6, 63, 3 = 84, 4. »Wenn wachend, wenn schlafend ich Sünder Sünde gethan habe: mich, der's gewesen ist und wieder sein wird, löst davon wie vom Pfosten (drupadat); wie vom Pfosten einer gelöst ist, wie vom Schmutz wer geschwitzt hat nach dem Bade (rein), wie die gereinigte Opferbutter: so sollen alle mich von der Sünde reinigen« Av. 6, 115, 2. 3.

Verschiedene Arten der Fesselung werden Av. 6, 121 erwähnt : »Auflösend die Stricke, löse sie von uns die obern, die untern, die Varuna angelegt hat; scheuch weg von uns bösen Traum und Unfall: dann wollen wir gehen in die Welt der Frömmigkeit. Um was am Pfosten (daru), um was im Strick (rajju) du gefesselt bist, um was an die Erde (d. h. an einen Block) du gefesselt bist und um was durch das Wort: daraus soll dieser unser Haus-Agni herausführen in die Welt der Frömmigkeit«. In den Block schlagen heisst drupade a-han Av. 19, 47, 9; 50, 1.

Wenn Sâyana zu Rv. 6, 54, 1 Recht hat, so wendete man sich in Fällen, wo man in Bezug auf den Dieb des gestohlenen Viehes oder sonstiger Habe im Ungewissen war, an Beschwörer, die über den Verbleib Auskunft geben sollten; sie stehen unter Pushans Patronat: »Bringe uns, Pushan, zu einem Weisen (vidvams), der uns richtig unterweist, der uns zu sagen vermag: Da ist's. Mögen wir mit Pûshan zusammentreffen, der uns die Häuser zeigt (wo das gestohlene Glut ?), und möge er sagen : Da ist's«. Wilson Rgv. III, 495 übersetzt den ersten Pada der zweiten Rc: May we, by the favour of Pushan, come in communication with (the man), who may etc.; cf. Muir ST. 5, 177.

Unter den Männern , die zu sagen vermögen : »da ist's«, haben wir zweifelsohne die Vorläufer der jetzt im Penjab vorkommenden Khoji: »This terme is applied to an elaborate system prevalent in the Penjab and in certain parts of these provinces where the crime off cattle-lifting is very frequent. The footprints of thieves and the hoofprints of cattle, are tracked by a class of men called khojis, whose skill is very extraordinary. Such men are met with in nearly every village, and having once struck the trace, will carry it on for miles, over all sorts of country, and nearly always succeed in finding the cattle«. Elliot Memoirs of the history, folklore of the races of the Northwest. Prey. of India 1, 276 ff. s. v.: vgl. auch die daselbst gegebenen, höchst interessanten Beispiele.

In schwierigen Fällen diente das Gottesurtheil ale Rechtsinstitut. Hierfür haben wir ein sicheres Zeugnis in dem Hymnus Av. 2, 12:

»Himmel und Erde und der weite Luftraum, die Herrin des Feldes, der weithin schreitende, geheimnisvolle (Vishnu) und der weite Luftramm, der Vata zum Hüter hat: diese sollen hier gebrannt werden, wenn ich gebrannt werde. 1.
Höret dies, o Götter, die ihr verehrungswürdig seid, Bharadvaja spricht für mich die Sprüche : in Fessel geschlagen möge in Unheil gebunden werden, der dieses unser Vorhaben schädigt. 2.
Indra, Somatrinker, höre auf das, wozu ich mit brünstigem Herzen dich rufe : wie einen Baum mit der Axt will ich den zerspalten, der dieses unser Vorhaben schädigt. 3.
Durch die dreimal achtzig Sâmansänger, durch die Aditya, die Vasu, die Angiras — die Seligkeit der Väter möge uns schützen — halte ich jenen (? Feuerbrand ? Axt) mit göttlichem Griff. 4.
Himmel und Erde blicket auf mich, ihr Allgötter stellt euch auf meine Seite (eigentlich: fasst hinter mir an) : ihr Angiras, ihr somawürdigen Manen: ins Unheil gerathe, wer Verabscheuungswerthes vollbringt. 5.
Wer uns verachtet, o ihr Marut, wer den Spruch, der hier verrichtet wird, schmäht: glühend seien dem seine Ränke, der Himmel bedränge ihn von allen Seiten, den Hasser des Spruches. 6.
Die sieben Lebenshauche, die acht Lebenssäfte zerschneide ich dir durch diesen Spruch: Wohl vorbereitet, Agni als Boten habend machtest du dich auf zu Yamas Sitz. 7.
Ich setze deinen Fuss in das entzündete Feuer: Es soll entweder das Feuer deinen Leib verzehren, oder die Seele wieder zum Leben eingehen.« 8.

Wie schon das Metrum ausweist, sind bier. wie so oft im Atharvaveda, zwei Bruchstücke verwandten Inhaltes verknüpft. Vers 1-6 behandeln ein Feuer-Ordale, bei dem der Schwörende einen glühenden Gegenstand, wohl eine Axt,* in die Hand nehmen musste (Vers 4) ; in Vers 6 und 7 ist die Situation die, dass der Angeschuldigte durchs Feuer schreitet. Leider fehlt in beiden Bruchstücken jegliche Andeutung über die Veranlassung zur Anwendung des Ordals. In den indischen Gesetzbüchern gelten unter den neun Gottesurthoilen die durch Feuer, Wasser und Gift fast allgemein als die schwersten, die bei bedeutenderen Veranlassungen zur Anwendung kamen : s. Stenzler ZDMG. 9, 680 ff. Vergleiche noch Schlaginweit Die Gottesurtheile der Inder, Seite 9 ff.: Weber Ind. Stud. 13, 164 if. Eine besondere Klasse von Leuten waren im altindischen Staat die sti oder upasti. Dieselben werden leider zu wenig erwähnt, so dass sich über ihre rechtliche Stellung kein sicherer Schluss ziehen lässt: »Theile uns Güter zu und Sti« Rv. 7, 19. 11. »Schütze die Sänger und die Sti« Rv. 10, 148, 4. »Sei une Be schützer der Sti (stipa) und Beschützer unserer selbst (tanupd)« Rv. 10, 69, 4. »Sie beide Varuna und Mitra unser, der Sänger. stipa und tanupu sollen die Andachtslieder zum Ziele führen« Rv. 7. 66, 3. »Du, o Kraut, bist das oberste, die Gewächse sind deine Upasti, unser Upasti sei auch der, welcher uns anfeindet« Rv. 10, 97, 23. »Welche geschickte Wagenverfertiger, welche kunstreiche Schmiede sind, zu Upasti mache mir o Pflanze alle Leute der Umgegend. Welche Edle (rajanah), Königsdiener (?).

  • In der Ch;indogya-Upanishad 6, 16 wird das Tragen einer glühenden Axt als Feuer-Ordale erwähnt; in unserm Spruch weist Vers 3 darauf hin: Wie man einen Baum mit der Axt zerspaltet, so will ich mit der Axt hier in der Hand den zerspalten, der meinen Schwur anzweifelt. Eine Beschreibung des Feuer-Ordale nach den Vorschriften der indischen Gesetzbücher gibt Stenzler ZDMG. 9, 669 ff.

STAAT UND RECHT. 185

Wagenlenker, Heerführer sind : zu Upasti mache mir alle Leute der Umgebung« Av. 3, 5, 6 ff. Es ergibt sich aus diesen Stellen wohl so viel, dass unter den sti, upasti »Hörige, Clientel« zu verstehen sind; auch das scheint mir zu folgern, dass sie dem arischen Volke angehörten. Welches aber ihre rechtliche Stellung war und auf welche Weise sie in dies Abhängigkeits¬verhältniss zu ihren Volksgenossen geriethen, ist nicht zu er¬mitteln. Vielleicht waren es die Angehörigen unterjochter arischer Stämme, die, wie bei Griechen, Römern. Germanen sich ähnliches findet, als Halbfreie in ihren Wohnsitzen verblieben. Bei der grossen Leidenschaft zum Spiele kam es öfters vor. dass ein Spieler nicht nur seinen Hausstand zu Grunde richtete, sondern auch seine persönliche Freiheit verlor: »Andere um¬armen seine Gattin , während sein munterer Würfel strebt nach Hab und Gut; nicht kennen wir ihn, sprechen Vater, Mutter, Brüder, führt ihn gebunden weg« Rv. 10, 34, 4. Dürfen wir solche Unglückliche auch unter den Upasti suchen ? Stammesgenossen, die sich durch irgend ein Vergehen der arischen Gemeinschaft unwürdig gemacht hatten , wurden aus¬gestossen; sie mussten flüchtig werden und wendeten sich für gewöhnlich nach Süden, in die Gegenden, die von den im Fünf¬stromland wohnenden Stämmen noch nicht occupiert waren: »Wie beim Wettlaufe das Ross warf er (? sie*) aus den Schaum, zugleich damit kehrte er um thörichten Sinnes; wie ein Ver¬bannter (paravrj) nach dem Süden läuft (dakshina pad4 = Dekkhan), so rannte er (? sie) davon, meine Liebkosungen konnten ihn (? sie) nicht halten« Rv. 10, 61, B. Ein derart Flüchtiger hiess paravrj; vergleiche dieselbe Sitte bei den Germanen und den aus derselben Wurzel gebildeten Ausdruck : ags. vrecca, alts. wrekkio, ahd. reecho, altn. rekr. Ich habe bis jetzt eine Frage, die überall, wo es sich um vedische Zustände, um die Einrichtung der Gesellschaft, um

  • Die Entscheidung ob •ert oder »sie. als Subject anzunehmen ist, bangt zum Theil davon ah, ob man geneigt ist, diese Rc an das Bruchstück anzuschliessen, das in Vers 5-7 vorliegt, oder ob man sie als selbstfindiges Stack betrachtet.

186 KAPITEL Vi. staatliche Verhältnisse des Volkes handelt. in den Vordergruml geschoben wird, scheinbar ganz unberücksichtigt gelassen, die nämlich: Kennt die vedische Zeit die Kasten? Die An¬sichten der Kenner indischen Alterthums weichen hierüber sehr von einander ab. Aufrecht, Benfey, M. Müller, Roth. Weber haben des öftern ausgesprochen, dass die spätere brahmeniache Staatsordnung dem vedischen Volke unbekannt war; Muir endlich hat diesem Gegenstande eine umfassende Untersuchung gewidmet im Journal of the R. As. Soc. of Gr. Britain and Ireland. New Ser. vol. 11 * und kommt ebenfalls zu einer verneinenden Beant¬wortung obiger Frage. Dagegen sind für Bestehen des Kasten¬wesens schon in der ältesten Periode indischer Geschichte ein¬getreten M. Haug und II. Kern. Seine Ansichten hat ersterer am bündigsten zusammengefasst in »Brahma und die Brahmanen« München 1871: Kern's Meinung ist dargelegt in »Indische theorioen over de Standenverdeeling« 1871. Beiden hat Muir mit schlagenden Gründen erwiedert in ST. 2 2 pag. 454 if. Seitdem hat A. Ludwig wieder eine Lanze gebrochen für das Vorhanden¬sein der Kasten im »kryastitate« : Die Nachrichten des Rig und Atharvaveda über Geographic, Geschichte und Verfassung des alten Indien, Prag 1875. Er ist der Ansicht, dass die Kaste der Brahmanen schon in jener Zeit müsse so vollständig abge¬schlossen gewesen sein wie später: >'Wir werden finden, sagt er, indem wir einfach ohne vorgefasste Meinung das Material prüfen, dass die 4 Kasten im Wesentlichen ganz so wie sie in der spätern Zeit schon im zweiten Jahrtausend vor Chr. Geb. be¬standen und wir werden im Stande sein, die unterscheidende n Momente klar zu machen« 1. c. Seite 36. Damit eine Discussion über das Vorhandensein der Kasten in der vedischen Zeit nicht in eine Wortklauberei ausarte, gilt es die Frage näher zu präcisieren. Ludwigs Fassung: »Gab es im zweiten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung bereits Kasten im Aryastaate'.'« trifft den Kern der Sache nicht. Da er wie Haug, freilich ohne zwingenden Grund, »die ältesten Brihmana mindestens im 12. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung« an

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setzt, so muss er natürlich unbedingt mit »ja« antworten. Die Cardinalfrage , kannte das v e d i s c h e Volk die Kastenverhält¬nisse, bleibt aber dadurch unberührt. Vor allem gilt es, den Begriff »vedische Periode« festzustellen. Verstehen wir darunter einfach den Zeitraum, in dem sämmtliche Lieder und Opfer¬formeln , die uns in der Rk - . Atharva - , Sams- , V ajasaneyi-, Taittiriya-Saxhhita vorliegen, entstanden sind, so ist die Frage unbedingt zu bejahen. wie auch noch immer geschehen ist; be¬greift man aber darunter den Zeitraum, in der die Arya haupt¬sächlich in Ost-Kabulistan und im Gebiet der sieben Ströme sassen, erst einzelne Stämme weiter gegen Yamunä und Gangä vordrangen, kurz die Periode, an deren Ende als letzte be¬deutende Gestalten König Sudäs und sein Purohita Vasishtha stehen. 80 ist das Vorhandensein der Kasten unbedingt in Abrede zu stellen. Die vorangehende, »ohne vorgefasste Mei¬nung« gelieferte Darstellung des Aryastaates wird dieses Urtheil bestätigen. Ludwig macht sich die Argumentation auf seine Frage : »Gab es im zweiten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung be¬reits Kasten im Àryastaate?« doch etwas zu leicht. Er sagt: »Fragen wir uns überhaupt, wie denn eigentlich die Sache liegt, was das Mass des von vornherein zu zugestehenden ist, so werden wir vorerst constatieren müssen, dass in den ältesten Brâhmana bereits also mindestens im 12. Jahrh. vor unserer Zeitrechnung die Kasten bereits vollkommen organisiert erscheinen. Da nun die Annahme eines Interregnums etwa von ein paar Jahrhun¬derten (denn ein solches wäre wohl nöthig, um die feste Con¬solidirung dieser Einrichtung zu erklären) zwischen Vedadichtung und Brâhmana unmöglich angenommen werden kann (warum ?), so ergibt sich, dass es eine Zeit der ersteren gegeben haben muss, in der die Kasteneinrichtung bereits in irgend einer von der spätere nicht allzu verschiedenen Weise bestand«. Wenn Ludwig, doch sicher nach Haug Ait. Br. 1, 47 ff., die ältesten Brâhmana mindestens ins 12. Jahrh. vor Chr. Geb. versetzt, so muss er nach derselben Berechnung die ältesten Hymnen mindestens zwischen 2000 und 2400 vor Chr. Geburt entstanden sein lassen (s. Hang 1. c.), und da ist der Unterschied in der Zeit doch

188 KAPITEL VI. wohl schon mehr als ein paar Jahrhunderte.* »Dass es eine Zeit der Vedendichtung gegeben haben muss, in der die Kasten¬einrichtung bereits in irgend einer von der spätere nicht allzu verschiedenen Weise bestand« ist, wie noch Niemand geleugnet hat , vollkommen richtig, wenn »Zeit der Vedendichtung« in dem Sinne genommen wird von »Zeit aus der der Inhalt der vedischen Samhitä stammt«. Ebenso erwiesen ist aber auch durch Muir's Untersuchung, dass die grössere Maâse der Rigveda¬hymnen einer »Zeit der Vedendichtung« entstammt , die die Kasteneinrichtung noch nicht kennt, und bei einer Lecture des Atharvaveda »ohne vorgefasste Meinung« wird Jeder auch nur halbwegs aufmerkende Liedern begegnen, die zwar nicht aus einer Zeit des »Interregnums«, wohl aber aus einer Zwischen¬periode stammen, in der andere Glieder des arischen Staates aus allen Kräften darnach strebten, die Anmassungen einer sich bildenden und immer mehr erstarkenden Priesterkaste zu brechen. Die Hinfälligkeit der Ansicht von Ludwig lässt sich kaum kürzer als mit seinen eigenen Worten zeigen: »Also der Haupt-u n t er schied zwischen dem zweiten und dritten Stande ,** die alleinige Berechtigung des zweiten zum Kriegsdienste, dieser fehlt ganz gewiss in der Vedenzeit« (1. c. 50), das heisst doch einfach: es gab noch keine zweite und dritte Kaste. Wie sehr dies im Widerspruch steht zu seiner Behauptung S. 36: »Wir werden auch im Stande sein, die u n t e r scheiden de n Momente — der vier Kasten — klar zu machen«, sieht jeder Un¬befangene. Wirklich unglaubliches leistet Ludwig in tendenziöser Entstellung pag. 56; er sagt: »Nicht ganz klar ist Rv. 10, 97, 6 'wo die Kräuter zusammen kommen wie Räjan's in die samili'. Säyana erklärt Saringräme , was unseres Erachtens unzulässig. Wir fassen die Stelle wie die Rv. 9, 92, 6, in welcher vom Soma die Rede war: die farbigen, formenschönen Pflanzen kommen in die Samiti, das ist an einen wüsten (!) Platz, wie Rajanya's in die Versammlung zu den ärmlichen (!) Viças«. Ganz ab • Neuerdings spricht er nun auch von »der in geschlossener Kaste Jahr¬hunderte lang gepflegten priesterlichen Dichtkunst des dritten Jahrtausends vor Christi Geburt.. Rigveda 2, pag. VII. •• Ludwig spricht in § 26 (Seite 50 if.) nur mehr von Standen und Klassen, nicht von Kasten.

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gesehen davon, dass er mit »ärmlich« dem, was er sechs Seiten vorher selbst über die Viças gesagt hat, geradezu ins Gesicht schlägt, — eine solche Auffassung kann nur dem, aber auch nur dem geboten werden, der nie einen vedischen Hymnus ge¬lesen hat.* Hätte dem Ausdruck viç der Begriff des »ärmlichen« im Rigveda nur im Entferntesten angeklebt, so würde derselbe nicht von den Göttern (daivth, diva. ), den Marut (marwtllt) ver ¬wendet werden ; es würden schwerlich Agni, Indra, Yama vi ati heissen. Wenn das vedische Volk, als es noch diesseits der späteren Sarasvati im Lande der Sapta sindhavah sass, schon die brahma¬nische Ordnung, das Kastenwesen, eine Priesterkaste speciell hatte, wie kommt es, dass die arischen Stämme, die in diesen Sitzen geblieben waren, zur Zeit der Ent¬stehung des Epos bei den brahmanisierten Bewohnern Madhyadeça's als halbe Barbaren galten? Und sagt doch schon das Pancav. Br., das Weber Litt.2 Seite 74 ff. für das älteste Brähmana ansehen möchte, den Aufzug dieser Stämme zur Sarasvati schildernd: na hi brahneacaryaria caranti »sie richten sich nicht nach brahmanischer Ordnung«, adikshit t dikshitavacarii vadanti »nicht brahmanisch geweiht reden sie dieselbe Sprache mit den brahmanisch geweihten« (17, 1, 14). Sind diese Stämme den Einrichtungen der Vorfahren treu geblieben oder haben sie die uralte, überkommene Ordnung der Gesellschaft aufgegeben? Wem es nicht wie den indischen Theologen fast mit der Mutter¬milch eingesogener Glaubenssatz ist, dass die in späterer Zeit bestehende Gliederung der Gesellschaft eine uranfängliche ist, dass die gottbegnadeten 1.1ishi der Vorzeit genau ebenso die Götter verehrten wie die Epigonen**: für den kann die Antwort nicht zweifelhaft sein. Auch noch später, in einer Zeit, in der die brahmanische Staatsverfassung längst in ihrer ganzen Strenge galt, finden wir Erinnerungen daran, dass diese Ordnung der Gesellschaft nicht von jeher bestand. So heirathet nach einer Sage des Çatap. Br. 4, 1, 5, 2 ff. der Rishi Cyavana die Tochter des Königs Çaryltta, Die beiden Stellen Rv. 10, 97. 6 und 9, 92, 6 sind oben Seite 176 und 174 besprochen. " Etwa wie die Rabbinen den Abraham in die Synagoge gehen lassen.

190. KAPITEL VI. die Sukanyü. Die indische Tradition selbst legt eine ganze Reihe vedischer Hymnen königlichen Weisen, ja sogar Vaiçya bei, gibt also damit zu, dass die Ausübung der priesterlichen Funktionen nicht an eine Kaste geknüpft war; s. Muir ST. 1s, 265 f. »To their own Upanishads, Ajütaçatru, the King of Kki, possessed more knowledge than Gürgya, the son of Barka , who was renowed as a reader of the Veda, and G$rgya desired to be become his pupil, though it was not right, that a Kshatriya should initiate a Brahman. PravAhana Jaivali, king of the Pan¬cAla's, silenced Çvetaketu Aruneya and his father, and then communicated to the doctrines which Kshatriyas only, but no Brahmans, had ever known before. That King Janaka of Videha possessed superior knowledge is acknowledged by one of the most learned among the Brahmans, bei Yâjnavalkya himself; and in the Çatap. Br., which is believed to have been the work of YAjnavalkya, it is said, that King Janaka became a Brahman« M. Müller Chips 2, 338. So werthvoll diese Erinnerungen aus der Zeit des aus¬gebildeten Brahmanenthume auch sind, für uns bleiben die Hymnen des Rigveda das wichtigste Zeugniss. Sie stammen eben ihrer grössern Anzahl nach aus einer Zeit, in der die indischen Arier die brahmanische Hierarchie noch nicht kannten. Mag man auch in der Auffassung einzelner Stellen von Muir ab¬weichen, das Gesammtresultat, das er aus seiner Dnrchmusterung des Hymnenschatzes des Rigveda gewonnen hat, wird nicht alteriert werden: »First: Except in the Purusha Snkta (Rv. 10, 90) there is no distinct reference in the hymns to any recognised system of four castes. Second: In one text (Rv. 3, 34, 9) where mention is made of the Aryan colour or race, all the upper classes of the Indian community are comprehended under one designation , as the Kshatriyas und Vaiçyas as well as the Brahmans were always in after-times regarded as Aryan. Third: The term brahmana occurs only in eight hymns of the Rigveda, besides the Purusha Sûkta, whilst briihn:an occurs in forty-six. The former of these words could not therefore have been in common use at the time when the greater part of the

START CND RECHT. 191 hymns were composed. The term raajunya is found only in the Purusha Ida; and kshatriya in the sense of a person belonging to a. royal family, a noble, occurs only in a few places, such as Rv. 10, 109, 3. The terms Vaiçya and Çiidra are only found in the Purusha Sükta, although viç, from which the former is derived, is of frequent occurrence in the sense of »people«. Fourth: The word brâhmûn, as we have seen, appears to have had at first the sense of sage, poet ; next that of officiating priest, and ultimately that of a special description of priest. Fifth: In some of the texts which have been quoted (Rv. 1, 108, 7. 4, 50, 8 ff. 8, 7, 20. 8, 45, 39. 8, 53, 7. 8, 81, 30. 9, 112, 1. 10, 85, 29) brâhmân seams to designate a priest by profession. Sixth: In other places the word seams rather to imply some¬thing peculiar to the individual, and to denote a person distinguish¬ed for genius or virtue (Rv. 10, 107, 6), or elected by special divine favour to receive gift of inspiration (Rv. 10, 125, 5). Seventh: Brahman appears to be equivalent to brahina¬putra the son of a brahman (which occurs Rv. 2, 43, 2), and the employment of such a Perm seems necessarily to presuppose that, at the time when it began to become current, the function of a brahman, the priesthood, had already become a profession« ST. P, 258 ff. Gehen wir also von der erwiesenen Thatsache aus, dass das vediache Volk die Gliederung der Gesellschaft nach Kasten, über haupt die brahmanische Staatsverfassung noch nicht kannte in dem Zeitraum seiner Entwicklung, an dessen Endpunkten König Sudäe und sein Purohita Vasishtha als letzte bedeutende Ge¬stalten uns entgegen treten. Mit Indra's Hülfe war es jenen beiden Männern und dem von ihnen geführten Volke der Trtsu noch einmal gelungen, in der berühmten Zehnkönigschlacht an den Ufern der Parushni. der Coalition der vereinigten Stämme des nordwestlichen Penjab und ihrem Drängen nach Südost ein Halt entgegenzusetzen. Endlich muss das Volk der Trtsu doch dem erneuerten Ansturm erlegen sein. Hiervon berichtet uns freilich weder Sage noch Lied; aber es spricht deutlich der Umstand, dass der Name der Trtsu völlig verschwindet, dass der Nachkommen des hoch

192 KArIrer. VI. berühmten Divodäsa und Sudäs nirgends Erwähnung geschieht, während einzelne jener in der genannten Schlacht überwundenen Stämme, wie die Prim , späterhin zu grosser Macht gelangten. Der nun beginnende Zeitraum indischer Geschichte ist durch den Mangel bestimmter Nachrichten einer der dunkelsten; sobald es wieder etwas heller wird, stehen wir einem Voike gegenüber, das sich schon so sehr in ganz anders gestaltete Lebenslagen, Staatseinrichtungen und religiöse Anschauungen hineingelebt hat, dass ihm das Verständniss für die in den treu bewahrten Liedern der alten Rishi geschilderten Verhältnisse, für das Denken und Wollen der Vorfahren abzugehen beginnt, dass es die in den alten Sitzen zurückgebliebenen und an den alten Einrichtungen festhaltenden Stammesbrüder als Halbbarbaren betrachtet. Es hat dieser dunkle Zeitraum indischer Entwicklung am meisten Aehnlichkeit mit der Periode des germanischen Volkes, die wir die »Völkerwanderung« zu nennen pflegen. In beiden Perioden verlassen Volksstämme, deren Staatseinrichtungen, deren Kultur¬zustand so ähnlich ist, wie es nur die verschiedenen Lebens¬bedingungen des von ihnen bis dahin bewohnten Landes zulassen (vgl. Anz. f. deutsch. Alterth. 2, 296 ff.) , aus bisher nicht er¬mittelten Antrieben ihre alten Wohnsitze und dringen in glück¬lichere, von Natur mehr gesegnete Länder vor; beide Male geht die alte Gau- und Stammverfassung der Ausziehenden zu Grunde, die kleinen Stammkönige verlieren ihre Macht, Heerkönige ver¬einigen mehrere Stämme, bilden einen kriegerischen Adel um sich und gründen grössere Reiche: die Ordnung der Gesellschaft wird eine andere und unter Mitwirkung veränderter religiöser Anschauungen, die bei den Germanen von aussen kamen , bei den Ariern in Folge der inneren Entwickelung, entstand der christlich-germanische Lehnsstaat unsres Mittelalters einerseits. der Brahmanismus auf der andern Seite. Was letzterer dar¬stellt, die ausgebildetste Hierarchie , d. h. eine Verschmelzung von Kirche und Staat, wie die Geschichte keine zweite kennt. das aus dem christlich - germanischen Lehnsstaat zu machen. war bekanntlich das Ziel der Kirche während des ganzen Mittel¬alters. Suchen wir nun die allmähliche Umgestaltung bei den in¬dischen Ariern mehr im Einzelnen uns klar zu machen.

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Arische Stämme geben ihre Sitze" im Nordwesten des Penjab auf: überall finden die Ausziehenden Feinde, selbst die ver¬wandten Stämme können ihnen den Durchzug nicht gestatten. Es ist daher nur durch Vereinigung zu grösseren Massen möglich, die nöthige Widerstandskraft zu erlangen. Einem der Stamm¬könige, der am meisten Ansehen und Macht besitzt, muss der Oberbefehl übertragen werden; er wächst dadurch noch mehr an Ansehen. Feindlich sich entgegenstellende Volksgenossen werden überwunden und zur Theilnahme am Zuge gezwungen ; ihre Stammkönige verlieren zweifelsohne die Selbstständigkeit. Unter starken Kämpfen mit den Urbewohnern, den Çüdra, dringt man in dem weiten Gebiet zwischen Himalaya und Vindhya vor; es gelingt, sich in den Besitz ausgedehnter Strecken an den Ufern der Yamunä und Ganga zu setzen. Die Ureinwohner, die nicht in die Berge und Wälder des Himalaya und Vindhya flüchten, nehmen den Glauben der Ueberwinder an und bleiben als ge¬duldete, wenn auch vielfach gequälte Glieder des Staates in ihren Dörfern wohnen. Die siegreichen Eroberer theilen sich in das gewonnene Land ; sie werden dadurch über entfernte Strecken zerstreut, und es schwindet so die Möglichkeit einer raschen Sammlung der waffenfähigen Mannschaft, wie dies in den kleinen Stammkönigreichen im Penjab der Fall war. Die räuberischen Einfälle der gewichenen Urbewohner, Aufstände der Bevölkerung. die sich nur scheinbar unterworfen hatte . Angriffe arischer Stämme zwangen einen Samraj jedoch, immer eine Anzahl Krieger uni sich zu haben. Schon die kleinen Stammkönige hatten, wie wir sahen, ein recht ansehnliches Gefolge : in der neuen Ordnung der Dinge aber ihrer Machtt entweder allmählich durch das in kriegerischen Zeiten immer mehr wachsende Ansehn eines Ein¬zelnen, oder durch Gewalt beraubt, sind sie mit ihren zahl¬reichen Familien und Gefolge zu einem den Samraj umgebenden kriegerischen Adel herabgesunken. Ihm werden sich zweifels¬ohne tapfere Volkgenossen angeschlossen haben, die in den langen Kämpfen Pfeil und Bogen, Kampf zu Wagen lieber ge¬wonnen hatten, als Saaten zu bestellen.




(Aus dem Buch "Altindisches Leben: Die Cultur der vedischen Arier", nach den Samhita dargestellt von Heinrich Zimmer, Berlin 1879)

Siehe auch